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Pauschgebühr: Welchen RVG-Text hat der BGH?

RVG-Kommentar 4. Aufl.Ich habe mich an dieser Stelle ja schon einige Male über die Rechtsprechung des BGH zur Pauschgebühr nach § 51 RVG mokiert (vgl. u.a. hier: „Nein, m.E. haben die Strafsenate des BGH an Gebührenfragen keine Lust…“). Und das tue ich jetzt noch einmal. Es geht allerdings nicht um die Höhe der Pauschgebühr, da ist der BGH in meinen Augen häufig großzügiger als die OLG es in vergleichbaren Fällen sind oder wären. Nein, es geht nach wie vor immer noch um die Frage/das Problem, dass der BGH Fragestellungen ausweicht, die für die gebührenrechtliche Diskussion aber von Bedeutung sind. Sehr schön kann man das am BGH, Beschl. v. 29.03.2016 – 2 StR 535/12 demonstrieren. In ihm hat der BGH in einem Verfahren wegen Inverkehrbringens falsch gekennzeichneter Arzneimittel u.a. eine Pauschgebühr von 470 € bewilligt. Gründe:

„Die Antragstellerin war durch Verfügung des Vorsitzenden vom 13. August 2013 für die Revisionshauptverhandlung am 28. August 2013 zur Verteidigerin des Angeklagten bestellt worden. Sie begehrt vom Senat (§ 51 Abs. 2 Satz 2 RVG) für die Vorbereitung und die Teilnahme an der Revisionshauptverhandlung anstelle der gesetzlich bestimmten Gebühr in Höhe von 272 Euro gemäß VV RVG Nr. 4132 eine Pauschvergütung in Höhe von 470 Euro.

Der Senat setzt gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 und 2 RVG die Pauschgebühr in der beantragten Höhe fest. Sie ist wegen des Umfangs und der Schwierigkeit der Vorbereitung und Wahrnehmung der Hauptverhandlung in dieser Höhe an-gemessen. In der Hauptverhandlung waren die im Senatsurteil vom 18. September 2013 (BGHSt 59, 16 ff.) entschiedenen Fragen zu erörtern.

Tja, so weit, so gut (?). Nun m.E. nicht ganz. Denn wie immer macht der BGH nicht viel Aufhebens um die Bewilligung der von der Pflichtverteidigerin für die Hauptverhandlung (§ 350 StPO) beantragten Pauschgebühr. Sie wird festgesetzt und die Festsetzung wird formelhaft mit dürren Worten begründet. Dabei taucht dann aber der Begriff der „Zumutbarkeit“ gar nicht auf. Man hat auch bei diesem Beschluss mal wieder den Eindruck, dass den BGH diese Fragen wenig bzw. gar nicht interessieren bzw., dass er vielleicht einen Gesetzestext hat, in dem dieses Merkaml in § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG fehlt. Die Praxis interessieren diese Fragen aber schon und sie würde ich sicherlich über ein klärendes Wort aus Karlsruhe freuen. Aber wer so wichtige und schwierige Fragen wie die Strafbarkeit des Inverkehrbringens falsch gekennzeichneter Arzneimittel zu entscheiden hat, den beschäftigen Gebührenfragen des Pflichtverteidigers offenbar nicht bzw. dafür scheint keine Zeit zu sein.

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Unverschämt, oder: Für 162 € kann man doch wohl „knapp 24.400 Blatt“ Akten lesen

AktenstapelJa, unverschämt ist m.E. das, was die mit R 2 doch recht gut gepolsterte Einzelrichterin des 2. Strafsenats des OLG Frankfurt da im OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.02.2016 – 2 ARs 56/15 – einem Pflichtverteidiger in einem Verfahren wegen des Vorwurfs mitgliedschaftlicher Beteiligung an terroristischen Vereinigungen im Ausland u. a. zugemutet hat. Der Pflichtverteidiger hatte nach Abschluss des Verfahrens eine Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 RVG beantragt. Die Eckdaten des Verfahrens: Schon im Vorverfahren „knapp 24.400 Blatt“ Akten, umfangreiche weitere Tätigkeiten des Pflichtverteidigers wie Haftbesuche usw. und dann Teilnahme an 23 HV-Tagen. Dafür hatte der Pflichtverteidiger eine Pauschgebühr von 15.000 € für das Vorverfahren und von 12.000 € für das Hauptverfahren beantragt.

Bekommen hat er nichts. Ja, richtig gelesen: NICHTS. Und das ist in meinen Augen unverschämt/unfassbar, zumindest was das Vorverfahren betrifft, über das Hauptverfahren kann man streiten. Jedenfalls bleibt es so für den Pflichtverteidiger für das Vorverfahren bei 162 € (Nr. 4100, 4101 VV RVG a.F.) und wenn man zu Gunsten des OLG dann noch die 4104, 4105 VV RVG a.F. hinzunimmt noch einmal bei 137 €, also bei maximal 299 €. Und die Beträge sind nach Auffassung der Einzelrichterin – man glaubt es nicht – zumutbar.

Begründung der Einzelrichterin dazu u.a.:

„Soweit der Antragsteller den erheblichen Aktenumfang anführt, hat der Senat dieser Besonderheit des vorliegenden Verfahrens bereits dadurch Rechnung getragen, dass dem Angeklagten zwei Pflichtverteidiger beigeordnet worden sind. Insoweit fallen durch die Doppelpflichtverteidigung bereits Pflichtverteidigergebühren in doppelter Höhe an, obgleich bei natürlicher Betrachtung die Arbeitsbelastung der Pflichtverteidiger aufgeteilt werden kann und dadurch für den Einzelnen geringer wird. Dies mag zwar im Einzelfall auch eine zusätzliche Abstimmung verlangen, trägt aber im Ergebnis zur Verminderung des Aufwandes bei, der vorliegend insbesondere in der Durchsicht der Akten lag. Im Übrigen erlaubte diese Handhabung auch eine leichtere Einarbeitung in die rechtlichen Besonderheiten, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren….“

M.E. falsch. Denn was interessiert es den einen Pflichtverteidiger, dass es einen zweiten Pflichtverteidiger gibt? Das bedeutet doch nicht, dass die Pflichtverteidiger sich nicht in die gesamten Akten einarbeiten = diese lesen müssen. Oder will die Einzelrichterin etwa sagen, dass auch die Kenntnis nur der halben Akte ausreicht, um zu verteidigen. Das Ganze liest sich an der Stelle auch ein wenig weinerlich, so als ob man von einem „Sonderopfer“ der Staatskasse ausgehe, weil man ja zwei Pflichtverteidiger beigeordnet hat.

Im Übrigen: Im Beschluss kein Wort zu der anderen Ansicht des OLG Düsseldorf, das im OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.06.2015 – III-3 AR 65/14 (vgl. dazu Wie viel Seiten muss ein (Pflicht)Verteidiger für eine Grundgebühr lesen?) davon ausgeht, dass der Pflichtverteidiger nicht mehr als 500 Blatt Akten für eine Grundgebühr lesen muss. Entweder kennt man die Rechtsprechung nicht oder man will sich mit ihr nicht auseinandersetzen, weil man es besser zu wissen meint. Aber vielleicht hat man ja auch nur keine Argumente gegen diese Ansicht, mit der man sich als OLG schon auseinander setzen sollte/muss.

Der Pflichtverteidiger hat m.E. auf diesen Beschluss richtig reagiert. Er hat Verfassungsbeschwerde eingelegt. Ja, ich weiß, Einzelfallfehlentscheidung (da bin ich mir beim OLG Frankfurt nicht so sicher) und das BVerfG ist keine Superrechtsmittelinstanz. Wenn aber nicht in einem solchen Fall wie in diesem, wann soll denn dann Verfassungsbeschwerde eingelegt und dem BVerfG Gelegenheit gegeben werden, seine Rechtsprechung zur „Unzumutbarkeit“ i.S. des § 51 Abs. 1 RVG vielleicht doch noch mal zu prüfen? Bei der Gelegenheit: Ich behaupte: Wenn die Expertenkommission zum RVG 2002/2003 gewusst/geahnt hätte, was die OLG aus dem § 51 RVG machen würden, dann wäre er so nicht Gesetz geworden. Ich habe schon damals in der Kommission gegen die Aufnahme des Begriffs „unzumutbar“ argumentiert, aber hatte keinen Erfolg. Das Ergebnis sehen wir jetzt. Die OLG haben den § 51 RVG praktisch abgeschafft.

Den letzten Ausschlag für den Pflichtverteidiger, Verfassungsbeschwerde einzulegen, hat übrigens der Umgang des OLG mit seiner Gegenvorstellung gegeben. Darauf ist ihm nämlich von der Einzelrichterin in einer Verfügung (!) mitgeteilt worden:

„….ist in der von Ihnen angestrengten Pauschvergütungssache das. Verfahren mit der Entscheidung des Senats vom 10. Februar 2016 abgeschlossen. Soweit mit der Gegenvorstellung vom 26.02.2016 gegen diese Entscheidung das Ziel verfolgt wird, aufgrund einer Neubewertung oder aufgrund neuen Vortrags eine abweichende Beurteilung der Begründetheit des bisherigen Antrags zu erreichen, wird darauf hingewiesen, dass der außerordentliche Rechtsbehelf in der Gegenvorstellung nach Auffassung des Senats seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30.04.20103 (Az.: I PBvU 1/02 BVerfGE 107, 395 ff., = NJW 2003, 1924 ff.) nicht mehr gegeben ist…“

Kannte ich so bisher auch noch nicht. Aber man lernt ja nie aus. Der Verteidiger hat es anders kommentiert: „Hinzu kam als Movens die Behandlung meiner Gegenvorstellung, die erkennen lässt, dass sich jedenfalls der zuständige Senat des OLG Frankfurt am Main regelrecht eingemauert hat, um ja nicht durch vernünftige Argumente behelligt zu werden.“ Der Eindruch ist so falsch wohl nicht.

Fleißkärtchen für den Pflichtverteidiger

FleisskaertchenEin Fleißkärtchen in Form von Euros/einer Pauschvergütung (§ 51 RVG) hat es für den Kollegen Siebers aus Braunschweig beim OLG Braunschweig gegeben. Der Kollege hatte in einem Verfahren wegen Urkundenfälschung als Pflichtverteidiger beim LG Braunschweig verteidigt und nach Abschluss des Verfahrens dann eine Pauschgebühr beantragt. Die hat das OLG dann im OLG Braunschweig, Beschl. v. 15.02.2016 – 1 AR 10/16 – bewilligt, und zwar anstelle der gesetzlichen Gebühren von 845,– € eine Aufstockung auf 1.485,– €. Begründung:

„Der Pflichtverteidiger, dem gesetzliche Gebühren i.H.v. 845,–€ zustehen, beantragt die Aufstockung dieser Gebühren um 640,–€. Der Bezirksrevisor bei dem Landge­richt Braunschweig unterstützt den Antrag.

Zur Begründung und Berechnung des vorstehenden Betrages nimmt der Senat zu­nächst auf den Antrag des Verteidigers vom 15.09.2015 Bezug. Danach war das Verfahren umfangreich und schwierig, konnte aber aufgrund der guten Vorbereitung durch den Verteidiger an nur einem Verhandlungstag letztlich ohne die andernfalls notwendig gewordene Vernehmung von weiteren Zeugen – was aber mehrere zu­sätzliche Verhandlungstage bedeutet hätte – beendet werden. Demgemäß hat auch der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Braunschweig gegen die beantragte Pausch­vergütung keine Einwände erhoben.“

Liest sich wirklich so wie ein „Fleißkärtchen“, das der Vorsitzende des Senats hier austeilt. Muss dann aber auch wohl berechtigt gewesen sein, wenn auch der Bezriksrevisor den Antrag unterstützt. 🙂

Die Entscheidung liegt übrigens auf der Linie der Rechtsprechung der OLG zur Pauschgebühr: Diese berücksichtigen prozessökonomische Tätigkeiten des Pflichtverteidigers, wenn der durch diese Tätigkeiten zur Abkürzung des Verfahrens beigetragen hat (OLG Hamm StraFo 2005, 173 = AGS 2005, 112; NJW 2006, 75 = JurBüro 2006, 138 = StV 2006, 203; JurBüro 2005, 535; OLG Hamm, Beschl. v. 27.03.2014 – 5 RVGs 8/14; OLG Karlsruhe, RVGreport 2005, 315= StV 2006, 205 = NStZ-RR 2005, 286).

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Gehören zu den „Sachakten“ auch die „Beiakten pp.“?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Am vergangenen Freitag hatte die Frage des Kollegen: Ich habe da mal eine Frage: Gehören zu den „Sachakten“ auch die „Beiakten pp.“? weiter gegeben. Darauf hatte ich ihm kurz geantwortet:

„Hallo, m.E. sollten Sie es versuchen.

Die Pflicht des Verteidigers, sich einzuarbeiten, bezieht sich auf alle dem Gericht vorliegenden Akten. Dazu gehören auch Beiakten.“

Ich weiß: Im OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.06.2015 – III-3 AR 65/14 ist die Rede von „Einarbeitung in die Ermittlungsakten, die sich bis zum Beginn der Hauptverhandlung auf ca. 35.500 Seiten (95 Sachakten-Stehordner) beliefen„. Aber: Nur ein Versuch macht klug und nur durch einen ensprechenden Antrag erhält das OLG die Möglichkeit, seine Rechtsprechung fortzuschreiben und/oder zu präzisieren. Ich bin gespannt, was daraus wird. Ich räume aber ein: So ganz viel Hoffnung habe ich nicht. Allerdings wird das OLG dann begründen müssen,warum die Einarbeitung in Beiakten pp. keine „Einarbeitung“ i.S. der Nr. 4100 VV RVG ist.

Dem Verteidiger kann man in solchen Fällen nur empfehlen, rein vorsorglich – wenn er nicht alle Beiakten gelesen hat – festzuhalten, in welche er sich eingearbeitet hat und dazu dann entsprechend bei der Pauschgebührenantragstellung vorzutragen.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Kann/muss das OLG ungleiche Pauschgebühren ausgleichen?

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Die Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Kann/muss das OLG ungleiche Pauschgebühren ausgleichen? – war nicht neu bzw. das Porblem war nicht neu. Die Problematik hatte nämlich die OLG auch schon ab 2004 nach dem Übergang von der BRAGO zum RVG befasst. Daher konnte ich dem Kollegen sehr schnell antworten mit:

„Hallo Herr Kollege Thielemann,

die von Ihnen angesprochen Frage ist in der Rechtsprechung bereits entschieden, allerdings nicht in Ihrem Sinne. Und zwar hat das OLG Hamm in Zusammenhang mit der Problematik Übergang BRAGO/RVG im OLG Hamm, Beschl, v. 22. 9. 2005, 2 (s) Sbd. VIII – 181/05 entschieden: „Sind in einem Verfahren mehrere Pflichtverteidiger tätig, von denen der eine seine gesetzlichen Gebühren nach der BRAGO erhält, der andere aber schon nach RVG, lässt sich eine höhere als die nach der BRAGO angemessene Pauschgebühr für den Rechtsanwalt, der nach BRAGO abrechnet, nicht damit begründen, dass sein Mitverteidiger insgesamt nach dem RVG abrechnet und ihm damit für die gleiche Tätigkeit höhere Gebühren zustehen.“ Sie finden die Entscheidung auf meiner HP .

Die Auffassung vertrete ich auch im RVG-Kommentar und im Gerold/Schmidt. Ist m.E. auch richtig, der OLG Hamm-Beschluss übrigens auch. Ich war damals, wenn ich mich richtig erinnere – BE. Tut mir leid, dass ich keinen besseren Bescheid geben kann. Allerdings: Versuchen Sie doch, bei „Ihrem“ OLG eine andere Entscheidung zu erzielen. Die OLG ziehen ja nicht unbedingt an einem Strang…….“