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Jetzt aber richtig: Einmal Nebenkläger, immer Nebenkläger

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Das gestrige Posting ist irgendwie „schief gelaufen“. Danke für den Hinweis. Hier dann der Beitrag (noch einmal) richtig. 🙂

Der Angeklagte wird wegen Betruges in sechs Fällen zum Nachteil einer Frau S. vom AG verurteilt, in drei Fällen wird er frei gesprochen. Frau S. war vom AG gemäß §§ 395 Abs. 3, 396 StPO als Nebenklägerin zugelassen worden ist. Dagegen legt Frau S. Berufung ein. Die wird vom LG als unzulässig verworfen. Die Nebenklägerin sei nicht durch ein Nebenklagedelikt im Sinne des § 395 StPO verletzt, weshalb es für die Zulässigkeit der Berufung an der notwendigen Beschwer der Nebenklägerin fehle.

Der OLG Oldenburg, Beschl. v. 06.02.2013 – 1 Ws 70/13 – sagt: So geht es nicht. Denn einmal nach § 395 Abs. 3 StPO als Nebenkläger zugelassen, dann bleibt man es auch:

„Zwar zählt der gegen den Angeklagten erhobene Vorwurf des Betruges zum Nachteil der Geschädigten nicht zu den in § 395 Abs. 1 StPO aufgezählten Delikten, die zum Anschluss als Nebenkläger berechtigen, weshalb das Amtsgericht die Geschädigte zunächst nicht als Nebenklageberechtigte zugelassen hatte. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Geschädigten, mit der sie geltend gemacht hat, sie sei durch die Betrugshandlungen in ihrer Lebensführung und auch psychisch nachhaltig und schwerwiegend belastet worden, hat das Amtsgericht die Geschädigte mit Beschluss vom 12. Januar 2012 gemäß §§ 395 Abs. 3, 396 StPO als Nebenklägerin zugelassen. Anders als ein gemäß § 395 Abs. 1 oder Abs. 2 StPO ergangener Zulassungsbeschluss begründet die auf § 395 Abs. 3 StPO gestützte Zulassung einen materiellen Anschlussgrund mit konstitutiver Wirkung. Sie ist durch § 396 Abs. 2 StPO jeder Anfechtung entzogen und bindet auch das Rechtsmittelgericht, mit der Folge, dass das Landgericht bei der im Rahmen der Zulässigkeit der Berufung zu prüfenden Beschwer der Nebenklägerin deren Nebenklageberechtigung nicht abweichend von der materiellen Entscheidung des Amtsgerichts beurteilen darf (vgl. BGH NJW 2012, 2601; OLG Düsseldorf NStZ 1994, 49 mit Anm. Rössner NStZ 1994, 506; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997, 11).

Da der Angeklagte nur in sechs von neun Fällen der ihm vorgeworfenen Betrugstaten zu Lasten der Nebenklägerin verurteilt und im Übrigen freigesprochen worden ist, ist sie durch das angefochtene Urteil beschwert.

 

 

„Alle vier Jahre erwischt, reicht nicht“ für Gewerbsmäßigkeit

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Mit dem Bemerken „Alle vier Jahre erwischt, reicht nicht“ hatte mir der Kollege, der den OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.03.2013 – 1 Ss 43/13 – „erstritten“ hat, die Entscheidung übersandt. Im Verfahren geht es um die Verurteilung seines Mandanten wegen gewerbsmäßigen Diebstahls i.S. des § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Geklaut worden sind nach den Feststellungen 100 l Dieselkraftstoff. Das LG hatte aus der dieser Menge, den Umständen der Tat und der Beteiligung von vier Personen in Verbindung mit einem gleichgelagerten Verhalten des Angeklagten vier Jahre zuvor geschlossen, dass der Angeklagte und seine Mittäter beabsichtigten, den Kraftstoff zu veräußern, um sich daraus eine zusätzliche nicht unerhebliche weitere Einkommensquelle zu verschaffen.

Das OLG sieht die Voraussetzungen für die Gewerbsmäßigkeit nicht:

„…Allein die durch das Amtsgericht getroffene Feststellung, der Angeklagte habe die Tat begangen, um den Treibstoff zu veräußern und hierdurch seinen kargen Lebensunterhalt aufzubessern, reicht hierzu nicht aus. Denn ein gewerbsmäßiges Handeln im Sinne von § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB liegt nur dann vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich aus wiederholten Diebstählen eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen. Die bloße Absicht der Veräußerung von Diebesgut im Einzelfall genügt nicht (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 243 Rz. 18 m.w.N.).

Indessen tragen auch die Ausführungen des Landgerichts zu den Beweggründen des Angeklagten nicht die Annahme des Regelbeispiels gemäß § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Denn auch die Strafkammer hat eine entsprechende Vorstellung des Angeklagten, nämlich zukünftig weitere Diebstahlstaten zu begehen, nicht festgestellt. Allein die Feststellung, der Angeklagte und seine Mittäter hätten beabsichtigt, den Kraftstoff (also die konkrete Tatbeute) zu veräußern, um sich daraus eine zusätzliche, nicht unerhebliche weitere Einkommensquelle zu verschaffen, sowie die Begehung einer gleichgelagerten Tat durch den Angeklagten vier Jahre zuvor, belegen ein derartiges Tatmotiv nicht.“

 

Erst Stalking, dann Haftpflichtversicherungsschutz?

Die „schönsten“ = interessantesten = ungewöhnlichsten Fälle schreibt das Leben. Dazu gehört, zumindest zur Rubrik „ungewöhnlich“, der Sachverhalt, der dem OLG Oldenburg, Beschl. v. 04.11.2011 – 5 W 58/11, der nicht unmittelbar mit Strafrecht zu tun hat, aber zumindest mittelbar, zugrunde liegt.

Es geht um die Frage des Eintritts einer privaten Haftpflichtversicherung eines „Stalkers“, der offenbar für von ihm auf Grund des Stalkings angerichtete Schäden in Anspruch genommen wird. Seine Privathaftpflicht hat den Eintritt angelehnt. Dagegen die „Deckungsklage“, für die Prozeßkostenhilfe beantragt worden ist. Das LG hat abgelehnt, das OLG bestätigt den Beschluss:

Gemäß Punkt A II 1 BesBedPHV ist die Haftpflicht aus einer ungewöhnlichen und gefährlichen Betätigung nicht versichert. Damit sollen Tätigkeiten vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, hinsichtlich derer ein redlicher Versicherungsnehmer von vornherein in der Privathaftpflichtversicherung keinen Deckungsschutz erwarten kann (vgl. OLG Karlsruhe, NJWRR 1995, S. 1433. OLG Oldenburg, Beschluss vom 15.12.1995, Az.: 2 W 141/95, Rn. 2 m. w. N., zitiert nach juris). Die schadenstiftende Handlung muss im Rahmen einer allgemeinen Betätigung erfolgt sein, die ihrerseits sowohl ungewöhnlich als auch gefährlich ist und deshalb in erhöhtem Maße die Gefahr der Vornahme schadenstiftender Handlungen in sich birgt. Gefährlich im Sinne der Klausel ist eine Beschäftigung dann, wenn aus ihr eine Risikoerhöhung für einen in der Haftpflichtversicherung allein relevanten Fremdschaden resultiert. Ob der handelnde Versicherungsnehmer durch die Beschäftigung Eigentum und/oder seine Gesundheit gefährdet, ist unerheblich. Seine Beschäftigung muss die erhöhte Gefahr der Schädigung fremder Rechtsgüter und der daraus resultierenden gesetzlichen Haftpflicht in sich bergen (vgl. BGH, NJWRR 2004, S. 831, 832 m. w. N.).

Und davon ist das OLG auf Grund des Umstände des Falles ausgegangen.

Nicht so maßlos beantragen…

Der Beschl. des OLG Oldenburg v. 06.07.2011 – 1 Ws 351/11 wird die Staatsanwaltschaften sicherlich zu ein wenig mehr Überlegung :-)) anhalten, wenn es um Einziehung und Verfall geht, und zwar dann in Zusammenhang mit der zusätzlichen Gebühr Nr. 4142 VV RVG. Die ist ja als reine Wertgebühr vom Gegenstandswert abhängig.

Das OLG Oldenburg sagt nun – zutreffend – in seinem Beschluss, dass die für die Wertgebühr Nr. 4142 VV RVG maßgebende Höhe des Verfalls sich nach den zum Zeitpunkt der anwaltlichen Beratung erkennbaren Anhaltspunkten richtet. Und das waren in der Sache 462.250 €. In der Höhe hatte die Staatsanwaltschaft nämlich in der Anklage beantragt, Verfall anzuordnen. Als dann nach Freispruch des Angeklagten die Gebühr Nr. 4142 VV RVG festgesetzt werden soll, sagt der Bezirksrevisor, der Wert sei „zu hoch, weil der in der Anklage genannte Verfallsbetrag angesichts der Vermö­genslage des früheren Angeklagten nicht werthaltig gewesen sei.“

LG und OLG Oldenburg haben sich dem nicht angeschlossen. Zutreffend.

Heraustreten von Seitenscheiben eines Polizeifahrzeuges – was ist das?

Die Frage stellte sich dem OLG Oldenburg. Es hat sie in OLG Oldenburg, Beschl. v. 27.04.2011 – 1 Ss 66/11 beantwortet. Das Heraustreten von Seitenscheiben eines Polizeifahrzeugs ist eine Sachbeschädigung und kein teilweises Zerstören eines polizeilichen Kraftfahrzeuges gem. § 305a Abs. 1 Nr. 2 StGB. Begründung:

Die Verurteilung wegen Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel gemäß § 305a Abs. 1 Nr. 2 StGB kann indessen keinen Bestand haben. Denn ein jedenfalls „teilweises Zerstören“ im Sinne dieser Vorschrift hat das Landgericht nicht festgestellt. Ein solches ist mehr als ein „Beschädigen“ und nur dann anzunehmen, wenn durch die Substanzverletzung einzelne, funktionell selbständige Teile der Sache, die für die zweckentsprechende Nutzung des Gesamtgegenstandes von Bedeutung sind, unbrauchbar gemacht werden (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl, § 305 Rz. 5). Diese Teile müssen für die bestimmungsgemäße Verwendung wesentlich sein (vgl. SchönkeSchröder, StGB, 28. Aufl., § 305 Rz. 5). Eine nicht nachhaltige Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit wie etwa die Zerstörung eines Reifens eines Kraftfahrzeuges (vgl. Fischer, aaO., § 305a Rz. 10) reicht hierfür nicht aus. Dem steht das Eintreten von Scheiben eines Fahrzeuges gleich.“