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Rücknahme der Revision – wann gibt es eine Gebühr?

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Das 2. KostRMoG hat ja das ein oder andere gebührenrechtliche Problem in den Teilen 4 und 5 VV RVG gelöst. Das gilt insbesondere für die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG, bei der es die meisten Änderungen gegeben hat. Eine Frage ist aber nach wie vor offen und wird damit auch in Zukunft (höchst) streitig bleiben.. Nämlich die Frage, ob und wann der Verteidiger für die Rücknahme einer Revision die Nr. 4141 Anm. Nr. 3 VV RVG verdient, wenn Hauptverhandlungstermin nicht anberaumt ist. Da wird zwischen der Rechtsprechung und der Literatur hin und her gestritten. Die Rechtsprechung der OLG geht – wohl überwiegend 🙁 – davon aus, dass allein die Rücknhame nicht ausreicht, sondern, dass die Anberaumung eines HV-Termins nahe gelegen haben muss. M.E. passt das nicht zum Wortlaut.

In die Richtung geht auch der OLG Naumburg, Beschl. v. 17.06.2013 – 1 W 335/13. Nach seiner Ansicht entsteht die Gebühr nach Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG entsteht, wenn eine zulässig eingelegte Revision zurückgenommen wurde und konkrete Anhaltspunkte – wie etwa neue rechtliche Gesichtspunkte in der Antragsschrift des Generalstaatsanwalts, die eine weitere Prüfung und ggf. Beratung durch den Verteidiger erforderlich machen – dafür vorlagen, dass im Falle der Fortführung des Revisionsverfahrens eine Hauptverhandlung durchgeführt worden wäre.

Was sicher nicht geht: Revision einlegen und dann vor Begründung wieder zurücknehmen. Die Nr. 4141 VV RVG ist keine reine Rücknahmegebühr. Begründet muss die Revision schon sein, denn sonst wird sie als unzulässig verworfen.

 

Bausparvertrag muss herhalten für Verfahrenskosten

Mal etwas anderes als Straf- und Bußgeldsachen, nämlich Verfahrenskostenhilfe. Habe ich sonst wenig(er) mit zu tun. Ich finde die Entscheidung aber ganz interessant, wahrscheinlich werden die „Fachleute“ mir jetzt sagen oder kommentieren, nichts Besonderes, aber dennoch: Hier ist dann der OLG Naumburg, Beschl. v. 23.05.2013 – 8 WF 95/13 VKH, de sich mit der Frage der Beurteilung der Bedürftigkeit eines Beteiligten für die von ihm beantragte Verfahrenskostenhilfe befasst. Es geht um die Auswirkungen, die ein Bausparvertrag auf die Bedürftigkeit hat. Das OLG berücksichtigt ihn, auch in dem Bausparvertrag das Kind bzw. Kinder als Berechtigte für die Leistung nach dem Todesfall des Beteiligten bestimmt worden sind, für die Verfahrenskosten, soweit die angesparte Summe das Schonvermögen übersteigt.

„Gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO, § 90 Abs. 1 SGB XII ist daher das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen, also auch Guthaben auf Bausparkonten.

Nach Würdigung aller Gesamtumstände ist das Sparvermögen auf den Bausparkonten auch dem Vermögen der Antragsgegnerin zuzuordnen. Sie ist – unabhängig von der Begünstigungsregelung im Todesfall – Inhaberin des jeweiligen Sparkontos und damit Gläubigerin der entsprechenden Auszahlungsforderungen. Maßgeblich für die Zuordnung ist das hier geltende Recht des BGB. Kontoinhaber ist danach derjenige, der im konkreten Einzelfall nach dem erkennbaren Willen des die Kontoeröffnung Beantragenden Gläubiger der Bank werden soll (vgl. BGH Urteil vom 02.02.1994 – IV ZR 51/93; OVG SchlH Urteil vom 21.11.2007 – 2 LB 29/07; Schinkels in: jurisPK-BGB, 6. Aufl. 2012, § 328 BGB, Rdn. 48.). Das ist vorliegend die Antragsgegnerin. Wenn eine andere Person berechtigt sein soll, muss sich das aus den Kontounterlagen ergeben, BGH a.a.O. Insofern können auch minderjährige Kinder mit der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters (§ 107 BGB) etwaige Sparkonten eröffnen. Dass die Kinder J. und N. im Bausparvertrag jeweils als Berechtigte für die Leistung nach dem Todesfall bestimmt worden sind, ändert daran nichts. Denn die Kinder erwerben das Recht auf diese Leistung im Zweifel erst mit dem Tod der Antragsgegnerin, § 331 Abs. 1 Satz 2 BGB. Bis dahin ist es der Antragsgegnerin möglich, über das Guthaben zu verfügen. Die Kinder haben vor dem Tod der Antragsgegnerin damit nicht einmal eine Anwartschaft, sondern lediglich eine Chance auf einen künftigen Rechtserwerb (vgl. Schinkels in: jurisPK-BGB, 6. Aufl. 2012, § 331 BGB, Rdn. 7). Aus diesem Grund ist der Antragsgegnerin das Vermögen auf dem Bausparkonto – unabhängig von dem vorgetragenen elterlichen Verwendungszweck – nach bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen allein zuzurechnen und damit nach den hier maßgebenden sozialhilferechtlichen Grundsätzen zu verwerten.

Aus diesem Vermögen kann die Antragsgegnerin den Betrag für die Verfahrenskosten aufbringen. Das ist auch zumutbar. Denn unter Berücksichtigung des abzusetzenden Schonvermögens gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO, § 90 Abs. 3 SGB XII i.V. mit § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII, das sich auf 2.600 € beläuft, errechnet sich der einzusetzende Vermögensbetrag von 2.429,44 € (1.937,64 € + 3.091,80 €) – 2.600 €).“

Auch Kleinvieh macht Mist = kann zur Pflichtverteidigung führen

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Das AG hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Dagegen hat sich der Angeklagte mit seiner Revision gewendet und geltend gemacht, das AG habe gegen § 338 Nr. 5 StPO verstoßen, weil ihm ein Pflichtverteidiger nicht beigeordnet worden sei. Begründung:  Parallel zum anhängigen Verfahren  war bei einem anderen AG eine weitere Sache anhängig. Mit einer weiteren Anklage sei ihm eine weitere gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt. .In dem Verfahren sei ihm ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Die Strafen waren gesamtstrafenfähig.

Das OLG Naumburg hat dem Angeklagten im OLG Naumburg, Urt. v. 22.05.2013 – 2 Ss 65/13 – Recht gegeben:

„Dem Angeklagten war gemäß 140 Abs. 2 StPO wegen der „Schwere der Tat“ ein Verteidiger beizuordnen. Nach zutreffender Auffassung ist jedenfalls eine Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe in der Regel Anlass zur Beiordnung eines Verteidigers (Meyer- Goßner, StPO, 55. Auflage, Rdnr. 2 zu § 140). Die Grenze für die Straferwartung gilt auch, wenn sie „nur“ wegen einer zu erwartenden Gesamtstrafenbildung erreicht wird. Die hier verhängte Strafe ist im Falle ihrer Rechtskraft mit der wegen der Tat vom Juli 2011 zu erwartenden Strafe, deren Rechtskraft vorausgesetzt, gesamtstrafenfähig. Im Verfahren vor dem Jugendschöffengericht hat der Angeklagte, wie sich aus dem Beiordnungsbeschluss vom 19. Juli 2012 ergibt, bereits wegen der ihm dort zur Last gelegten Tat eine Freiheitsstrafe zur erwarten, die die Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen der „Schwere der Tat“ gemäß § 140 Abs. 2 StPO gebietet. Jene Strafe wird — rechtskräftige Verurteilung in beiden Verfahren vorausgesetzt — durch Gesamtstrafenbildung mit der Strafe aus hiesigem Verfahren noch höher. Bei der Beurteilung der Schwere der Tat im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO ist stets zu berücksichtigen, ob gegen den Beschuldigten auch weitere Verfahren anhängig sind, hinsichtlich derer eine Gesamtstrafenbildung in Betracht kommt (OLG Hamm, StV 2004, Seite 586; KK-Laufhütte, 6. Auflage, Rdnr. 21 zu § 140). Daraus folgt: Drohen dem Angeklagten in mehreren Parallelverfahren Strafen, die letztlich gesamtstrafenfähig sind und deren Summe voraussichtlich eine Höhe erreicht, welche das Merkmal der „Schwere der Tat“ im Sinne des § 140 StPO begründet, ist die Verteidigung in jedem Verfahren notwendig. Anderenfalls hinge es von bloßen Zufälligkeiten, nämlich der Frage, ob die Verfahren verbunden werden oder nicht ab, ob dem Angeklagten ein Verteidiger beizuordnen ist.

Verteidigungslos, oder: Mit mir nicht

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„Verteidigungslos“ hatte der Verteidiger in einem beim AG Berneburg anhängigen Verfahren seinen Mandanten gestellt, nachdem den Vorsitzenden des Schöffengerichts sein Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidigung offenbar nicht weiter interessiert hatte. Der Verteidiger hatte im Verfahren Beiordnung beantragt, die war abgelehnt worden, wogegen er am 07.08.2012 Beschwerde eingelegt hatte. Die hatte das AG bis zum Hauptverhandlungstermin am 15.11.2012 nicht an das LG weitergeleitet. Der Verteidiger hatte dann in der Hauptverhandlung nochmals beantragt, beigeordnet zu werden, was wiederum erfolglos blieb. Und dann hat er sich gesagt: Mit mir nicht und hatte sich in den Zuschauerraum begeben.

Der OLG Naumburg, Beschl. v. 30.05.2013 – 2 Ss 79/13 – hat das nicht nur nicht beanstandet, sondern scheint sogar noch Verständnis für den Verteidiger zu haben, wenn er ausführt:

„Dagegen dringt die Rüge, die Hauptverhandlung habe teilweise in Abwesenheit eines notwendigen Verteidigers stattgefunden, durch. Bei Verfahren vor dem Schöffengericht ist, sofern sich die Zuständigkeit dieses Spruchkörpers nicht allein wegen der einem Mitangeklagten zur Last gelegten Tat(en) ergibt, stets gemäß § 140 Abs. 2 StPO ein Pflichtverteidiger zu bestellen (Meyer-Goßner, Rdnr. 23 zu § 140 mit umfangreichen Nachweisen). Hier hat sich der Verteidiger, nachdem er sich in der Hauptverhandlung erneut vergeblich darum bemüht hatte, seine Bestellung zum Pflichtverteidiger zu erreichen, in den Zuschauerraum begeben und den Angeklagten damit – so das Protokoll der Hauptverhandlung – „verteidigungslos gestellt“. Damit war der Angeklagte während eines wesentlichen Teils der Hauptverhandlung unverteidigt. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft war dieses Verhalten nicht ungehörig und führt erst recht nicht zu einer Rügeverwirkung. Die von der Generalstaatsanwaltschaft zitierte Entscheidung BGH NStZ 1998, 209 ist nicht einschlägig. Im vorliegenden Fall hatte der Verteidiger bereits am 26. Juni 2012 seine Bestellung zum Pflichtverteidiger beantragt und gegen die unterbliebene Beiordnung am 7. August 2012 Beschwerde eingelegt, ohne dass das Amtsgericht dies zum Anlass genommen hat, die Sache der zuständigen Beschwerdekammer vorzulegen. Nachdem sein erneuter Vorstoß in der Hauptverhandlung doch noch beigeordnet zu werden, erfolglos geblieben war, war es keineswegs pflichtwidrig, die Verteidigung während eines Teils der Hauptverhandlung nicht fortzuführen, weil er andernfalls dem Angeklagten die Möglichkeit genommen hätte, die in der Nichtbeiordnung eines Pflichtverteidigers liegende Rechtsverletzung im Rechtsmittelzug geltend zu machen.“

Das Vorgehen muss man natürlich mit dem Mandanten besprechen, sonst guckt der sicherlich erstaunt, wenn der Verteidiger aufsteht und geht.

„Die nächste Kugel ist für dich.“…..

entnommen: openclipart.org

Der Angeklagte äußert „im Vorbeigehen“ gegenüber einem anderen: „Die nächste Kugel ist für dich“. Er wird deswegen vom AG wegen Beleidigung und Bedrohung verurteilt. Dagegen die Revision, die zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils durch den OLG Naumburg, Beschl. v. 26.06.2013 – 2 Ss 73/13 – führt. Das OLG zur Bedrohung:

„Die Feststellungen des Strafrichters ermöglichen nicht einen Schuldspruch wegen Bedrohung. Der vorliegend in Betracht kommende § 241 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter die von seinem Willen abhängige Begehung eines Verbrechens in Aussicht stellt, wobei aus dem Tatbestand diejenigen Ankündigungen ausgeklammert werden, die nicht als objektiv ernst zu nehmende Bedrohungen mit einem Verbrechen angesehen werden können, selbst wenn der Bedrohte sich von der Ankündigung hat beeindrucken lassen (vgl. Gropp/Sinn in Münchener Kommentar, StGB, § 241 Rn. 4 m. w. N.; Fischer, StGB, 60. Aufl. 2013, § 241 Rn. 3a). Vorliegend fehlen diese engen Voraussetzungen in zweierlei Hinsicht. Zum einen vermitteln die Gesamtumstände einem objektiven Betrachter oder einem objektiven Durchschnittsmenschen nicht den Eindruck der Ernstlichkeit der Äußerung: „Die nächste Kugel ist für dich!“, weil der – wohl – angetrunkene Angeklagte sich dem Zeugen gegenüber in der zitierten Weise „im Vorbeigehen“ entäußert hat. Zum anderen und entscheidungserheblich fällt ins Gewicht, dass die Drohung mit einer „Kugel“ nicht automatisch als Todesdrohung aufgefasst werden kann. Vielmehr kann eine derart unbestimmte Äußerung beispielsweise als Inaussichtstellen einer gefährlichen Körperverletzung, die wiederum kein Verbrechen ist, interpretiert werden. Die Ernstlichkeit der Drohung unterstellt – beweisen lässt sich selbige nach Lage der Dinge nicht -, liegt eine für den Angeklagten „milde“ Auslegung der Äußerung bereits deshalb nahe, weil der Angeklagte den Feststellungen des Urteils zufolge den Zeugen „in Angst und Schrecken versetzen“ und ihm eine Warnung geben wollte, sieh zukünftig vor ihm in Acht zu nehmen. ….“