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Kessel Buntes III: Diebstahl einer Geldbörse mit Personalpapieren, oder: Auch Urkundenunterdrückung?

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Und die dritte Entscheidung des Tages kommt dann aus Hamm. Ich stelle das OLG Hamm, Urt. v. 22.09.2020 – 5 RVs 63/20 – vor. Und zwar zunächst wegen der materiellen Frage, die das OLG behandelt.

Der Angeklagte ist wegen wegen vollendeten Diebstahls in drei Fällen, versuchten Diebstahls und wegen Computerbetruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Dagegen die Revision der StA, die u.a  beanstandet, dass das Landgericht hinsichtlich der Diebstahlstaten zum Nachteil mehrerer Zeuginnen  die Angeklagte nicht auch wegen tateinheitlich begangener Urkundenunterdrückung nach § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt hat. Das findet beim OLG kein Gehör:

„…..Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft Essen hat das Landgericht ein Handeln der Angeklagten in der Absicht im Sinne dieser Vorschrift abgelehnt, einem anderen Nachteil zuzufügen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts entwendete die Angeklagte in der Zeit vom 17. Mai 2018 bis zum 27. Juni 2018 gemeinsam mit ihrer Schwester Geldbörsen von betagten Tatopfern. Ihre Absicht sei es gewesen, sich das darin befindliche Bargeld zu verschaffen und mit den in den Geldbörsen befindlichen EC-Karten weitere Bargeldbeträge von deren Konten abzuheben, um sich auf diese Weise eine zusätzliche, nicht unerhebliche Einnahmequelle von gewisser Dauer zu verschaffen.

So entwendete die Angeklagte unter dem 17. Mai 2018 der Geschädigten T deren Geldbörse, in der sich neben 290,00 Euro Bargeld und einer EC-Karte auch der Personalausweis der Zeugin befand. Am 25. Mai 2018 entwendete die Angeklagte die Geldbörse der Zeugin L mit 130,00 Euro Bargeld, EC-Karte sowie Personalausweis und Führerschein. Unter dem 27.06.2018 nahm sie die Geldbörse der Geschädigten H mitsamt Inhalt, 220,00 Euro Bargeld, eine EC-Karte sowie Personalausweis und Führerschein der Zeugin H, an sich. Die Kammer stellte weiter fest, dass die Ausweispapiere der Zeugin H später aufgefunden wurden, als die Zeugin bereits Ersatzdokumente beantragt hatte. Zum Verbleib der Personaldokumente der Geschädigten T und L geht aus dem angefochtenen Urteil nichts hervor.

Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, die Angeklagte habe in diesen drei Fällen jeweils tateinheitlich eine Urkundenunterdrückung gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB begangen, da sie durch die Entwendung (auch) der Ausweispapiere diese den Geschädigten zur Benutzung zu Beweiszwecken entzogen habe. Dies überzeugt nicht. Soweit die Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 27. Februar 2020 – 4 StR 568/19) diesbezüglich die Darstellungsanforderungen an ein freisprechendes Urteil als nicht erfüllt ansieht, geht dieser Hinweis schon insoweit fehl, als das Landgericht die Angeklagte nicht freigesprochen hat, sondern die festgestellten Taten zutreffend als gewerbsmäßigen Diebstahl, jedoch nicht auch als Urkundenunterdrückung gewürdigt hat. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die nach dieser Vorschrift erforderliche Nachteilszufügungsabsicht als nicht beweisbar angesehen hat.

Die in den Fällen des § 274 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB erforderliche Nachteilszufügungsabsicht beinhaltet nach der Rechtsprechung und h.M. das Bewusstsein des Täters, dass der Nachteil die notwendige Konsequenz seines Handelns darstellt (BGH, Urteil vom 25. November 2009 – 2 StR 430/09 = BGH BeckRS 2010, 01699 = NStZ 2010, 332; BGH, Urteil vom 08. Oktober 1953 – 4 StR 395/53 = BGH NJW 1953, 1924; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 29. November 2006 – 2 Ws 173/05 = OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2007, 03061 = NJW 2007, 1221, 1222 = NStZ 2007, 407; OLG Celle, Urteil vom 09. September 1965 – 1 Ss 230/65 = OLG Celle NJW 1966, 557, 558; BayObLG, Urteil vom 24. April 1968 – RReg. 1 b St 437/67 = BayObLG NJW 1968, 1896, 1897; OLG Hamburg, Urteil vom 29. Oktober 1963 – 2 Ss 110/63 = OLG Hamburg NJW 1964, 736, 737; Weidemann in: BeckOK StGB, 46. Ed. 1.5.2020, StGB § 274 Rn. 11; Heine/Schuster in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB § 274 Rn. 15; Fischer, 67. Aufl. 2020, StGB, § 274 Rn. 9a). Unter Nachteil ist dabei jede Beeinträchtigung fremder Beweisführungsrechte zu verstehen (Weidemann in: BeckOK StGB, 46. Ed. 1.5.2020, StGB § 274 Rn. 11 m.w.N.) Lediglich in der Literatur wird vereinzelt vertreten, hinsichtlich der Beeinträchtigung fremder Beweisführungsrechte reiche auch Eventualvorsatz aus (Ingeborg Puppe/Kay Schumann in: NK-StGB, 5. Aufl. 2017, StGB § 274 Rn. 12). Letztere Ansicht ist indes abzulehnen, da sie sich bewusst und unangemessen weit vom Wortlaut der Norm entfernt.

Dass die Angeklagte die Beeinträchtigung fremder Beweisführungsrechte als notwendige Folge ihrer Taten vorhersah, ist, wie die Strafkammer zutreffend ausführt, vorliegend nicht ersichtlich. Die Revisionsbegründung geht davon aus, dass die Angeklagte die Entziehung der Personalpapiere der Tatopfer als notwendige Folge ihres Handelns erkannt habe, da sie aufgrund ihrer Erfahrung als Taschendiebin gewusst habe, dass solche Papiere in den Geldbörsen der Opfer aufbewahrt würden. So habe sie auch als notwendige Folge ihres Handelns erkannt, dass diese sich infolge ihrer Taten auf Verlangen nicht würden ausweisen können. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Die Erfahrung der Angeklagten könnte – sofern sie sich über die für sie uninteressanten Personalpapiere der Opfer überhaupt Gedanken machte – allenfalls Eventualvorsatz bezüglich des Entziehens von Ausweispapieren begründen. Die Revisionsbegründung geht von dem nicht existierenden Erfahrungssatz aus, dass in jeder Geldbörse auch die Personalpapiere des Besitzers verwahrt seien. Dies mag zwar häufig vorkommen, ist jedoch keinesfalls immer so, da Personalpapiere im Einzelfall auch getrennt von Bargeld verwahrt werden, beispielsweise in der Kleidung, oder auch gar nicht von deren Inhabern mitgeführt, sondern zu Hause gelassen werden. Für die Angeklagte stellte sich bei Entwendung der Börsen vor diesem Hintergrund als offen dar, ob diese überhaupt Personalpapiere enthalten würden, da sie vor der Entwendung der Geldbörsen deren konkreten Inhalt nicht kannte und mangels Wahrnehmungsmöglichkeiten auch nicht erkennen konnte.2

Wegen der anderen Ausführungen des OLG komme ich noch einmal auf das Urteil zurück.

OWi III: Fahrverbot, oder: Nicht vorbelastet und (erst) 10 Monate zurückliegende Tat

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Und als dritte Tagesentscheidung weise ich dann noch auf den OLG Hamm, Beschl. v. 06.10.2020 – 4 RBs 321/20 – hin. Seit längerem mal wieder etwas zum (Absehen vom) Fahrverbot:

„Ergänzend zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft ist anzumerken, dass von der Anordnung eines Fahrverbotes gem. § 4 Abs. 4 BKatV in Einzelfällen abgesehen werden kann, in denen der Sachverhalt zu Gunsten des Betroffenen so erhebliche Abweichungen vom Normalfall aufweist, dass die Annahme eines Ausnahmefalles gerechtfertigt ist und die Verhängung des Fahrverbotes trotz der groben bzw. beharrlichen Pflichtverletzung unangemessen wäre, wobei das Vorliegen erheblicher Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände ausreicht (OLG Hamm, Beschluss vom 20. März 2009 – 2 Ss OWi 138/09 -, Rn. 11, juris). Derartige Anhaltspunkte bietet der Sachverhalt nicht. Insbesondere sind der Umstand, dass der Betroffene – womöglich auch als langjähriger Inhaber einer Fahrerlaubnis – nicht vorbelastet ist und der Umstand, dass die Tat zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Aburteilung (erst) zehn Monate zurücklag, keine Umstände, die eine entsprechende Erörterung durch das Tatgericht geboten hätten (weder für sich allein noch zusammengenommen). Die Regelahndung nach der Bußgeldkatalogverordnung geht gerade nicht davon aus, dass der Betroffene vorbelastet ist (OLG Hamm, Beschluss vom 06. Februar 2006 – 2 Ss OWi 31/06 -, Rn. 21, juris).“

Einziehung III: Verbotenes Kraftfahrzeugrennen, oder: Einziehung/Beschlagnahme der (Tat)Fahrzeuge?

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Und als dritte Entscheidung dann noch eine OLG-Entscheidung zur Einziehung, und zwar mit verkehrsstrafrechtlichem Einschlag. Der OLG Hamm, Beschl. v. 18.09.2020 – 2 Ws 107-109/20 – ist dann auch etwas aktueller als die bisher heute vorgestellten Entscheidungen. Das OLG hat zu den Voraussetzungen der Aufrechterhaltung der Beschlagnahme von Kraftfahrzeugen bei der Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen und einer etwaigen Einziehung der Fahrzeuge (§§ 315d, 315f StGB) Stellung genommen.

Das AG hatte die Angeklagten wegen Durchführung von und Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen bzw. Beihilfe hierzu zu Geldstrafen verurteilt. Von der Einziehung der verwendeten, im Verfahren beschlagnahmten und im Eigentum der Angeklagten stehenden Fahrzeuge hatte es abgesehen und das wie folgt begründet: Im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung seien Sinn und Zweck der Einführung des § 315f StGB im Jahre 2017 einerseits, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, § 74a StGB andererseits zu beachten. Der Gesetzgeber habe in § 21 Abs. 3 StVG eine vergleichbare Vorschrift für das Fahren ohne Fahrerlaubnis geschaffen, welche in der Praxis aber so gut wie nie angewendet werde; auch bei Trunkenheitsfahrten nach §§ 315c und 316 StGB werde von der Möglichkeit der Einziehung nach § 74 StGB regelmäßig kein Gebrauch gemacht. Hinsichtlich der konkreten Tatumstände spräche für eine Einziehung die Länge der Fahrstrecke von ca. 2 km, dagegen allerdings, dass es sich um eine Spontantat gehandelt und das Rennen nur zwei Minuten gedauert habe. Die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme des AG erreichte Spitzengeschwindigkeit von 136,7 km spräche weder für noch gegen eine Einziehung. Beide Angeklagte seien weder straf- noch verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten, beide müssten bereits seit ca. 11 Monaten auf den Besitz der Fahrzeuge hätten verzichten, seien mit erheblichen Standgebühren für die Fahrzeuge belastet und beide hätten in der Hauptverhandlung glaubhaft ihre Absicht dargelegt, ihren jeweiligen Pkw veräußern zu wollen. Zwar handele es sich einerseits angesichts der hohen Motorisierung um typische Fahrzeuge für Kfz-?Rennen, diese seien aber nicht getunt gewesen, sondern es habe sich um Serienmodelle und zudem um die einzigen Fahrzeuge der Angeklagten gehandelt. Nach der anzustellenden Gesamtabwägung sei eine Einziehung nicht angezeigt.

Zugleich hatte das AG die Beschlüsse hinsichtlich der Beschlagnahme der Fahrzeuge aus den Gründen des Urteils aufgehoben. Die StA hat gegen das Urteil Berufung und zugleich Beschwerde gegen diesen Aufhebungsbeschluss eingelegt. Die Strafkammer des LG hat den Aufhebungsbeschluss aufgehoben. Die Angeklagte stellten an die für das Berufungsverfahren zuständige 16. Strafkammer des LG den Antrag, die beschlagnahmten Fahrzeuge zurückzuerhalten. Mit dem angefochtenen Beschluss hat diese die Beschlagnahmebeschlüsse aufgehoben. Dagegen die Beschwerde der StA, die das OLG als unbegründet verworfen hat:.

„…. 2. Die Beschwerde ist aber unbegründet.

Die Aufhebung der beiden Beschlagnahmebeschlüsse des Amtsgerichts Bochum vom 06.05.2019 bezüglich des K und vom 12.06.2019 bezüglich des N ist aus Sicht des Beschwerdegerichts nicht zu beanstanden.

Weder unter dem Gesichtspunkt der Eignung der Fahrzeuge als Beweismittel noch zur Sicherung der Vollstreckung der Einziehung ist eine Aufrechterhaltung der – zu beiden Zwecken ursprünglich durch das Amtsgericht Bochum angeordneten – Beschlagnahme der Fahrzeuge geboten.

a) Gemäß §§ 94, 98 StPO sind Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen. Beweismittel sind alle Gegenstände, die mittelbar oder unmittelbar für die Tat oder die Umstände ihrer Begehung Beweis erbringen oder für den Straffolgenausspruch Beweisbedeutung haben (Gerhold in: BeckOK StPO, 37. Edition Stand 01.07.2020, § 94 Rn. 5).

Die grundsätzliche Beweisbedeutung mit Blick auf die Fahrzeuge ergibt sich – wie durch das Amtsgericht Bochum, im Beschwerdeverfahren durch das Landgericht Bochum und die Staatsanwaltschaft Bochum zu Recht angenommen – zunächst daraus, dass ein Auslesen der in den Fahrzeugen verbauten Software Erkenntnisse hinsichtlich der bei der Tat gefahrenen Geschwindigkeiten der Fahrzeuge erwarten ließ. Dementsprechend ist das Auslesen der entsprechenden Daten bei dem Fahrzeug 01 auch erfolgt, wohingegen dies bei dem Fahrzeug K bis heute offenbar noch nicht geschehen ist. Eine grundsätzliche Beweiseignung kommt den Fahrzeugen – wie durch die Staatsanwaltschaft zutreffend geltend gemacht – darüber hinaus auch insoweit zu, als der Wert der Fahrzeuge für die Einziehungsentscheidung erheblich ist.

Auch wenn vor diesem Hintergrund ursprünglich eine die Beschlagnahme rechtfertigende Beweisbedeutung der Fahrzeuge vorlag, ist die kleine Strafkammer in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass diese eine Beschlagnahme zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zu begründen vermag.

Zwar meint „Untersuchung“ i. S. d. § 94 StPO das Strafverfahren von seiner Einleitung bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss, so dass grundsätzlich die Beschlagnahme bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens aufrechterhalten bleiben kann (vgl. Gerhold a. a. O., Rn. 6 f.). Die Sicherstellung bzw. Beschlagnahme steht aber unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Sie muss daher in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Tat und zur Stärke des Tatverdachts stehen und für die Ermittlungen notwendig sein (Gerhold a. a. O. Rn. 18 m. weit. Nachw.). Aufzuheben ist sie daher namentlich dann, wenn die Fortdauer der Maßnahme wegen Zeitablaufs unverhältnismäßig ist (Hauschild in: MüKo z. StPO, 1. Aufl. 2014, § 94 Rn. 33).

Vorliegend ist mit Blick auf den N zu berücksichtigen, dass die Geschwindigkeitsdaten bereits ausgelesen sind, die entsprechenden Ergebnisse von den Prozessbeteiligten nicht angegriffen werden und – anders als beim K – das Erfordernis einer Untersuchung mit Blick auf die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs auch durch die Staatsanwaltschaft nicht gesehen wird. Eine Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Beschlagnahme besteht vor diesem Hintergrund nicht. Auch mit Blick auf den Fahrzeugwert, der für die letztlich zu treffende Einziehungsentscheidung durchaus von Bedeutung ist, ergibt sich das Erfordernis der Fortdauer der Beschlagnahme nicht, da die für die Wertermittlung erforderlichen Parameter (Alter des Fahrzeugs, Motorisierung, etc.) bereits festgestellt sind und dieser Gesichtspunkt im Übrigen eine Beschlagnahmedauer von ca. 17 Monaten nicht mehr zu rechtfertigen vermag.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich nach Einschätzung des Senats auch nicht hinsichtlich der Beschlagnahme des K. Dass das Landgericht die Aufhebung der Beschlagnahme u. a. damit begründet hat, dass es ausschließe, die Fahrzeuge im weiteren Verfahren als Beweismittel zu benötigen, ist nicht zu beanstanden.

Dies gilt zunächst mit Blick darauf, dass das Landgericht keinen Anlass sieht, den K auf seine Verkehrssicherheit zu untersuchen. Zweifel an der Verkehrssicherheit ergeben sich allein aufgrund der Einlassung des Angeklagten L zu von ihm festgestellten Problemen bei der Spurlage nicht und sind durch das Amtsgericht auch nicht festgestellt worden.

Soweit die Staatsanwaltschaft des Weiteren einwendet, die Geschwindigkeitsdaten beim K seien noch nicht ausgelesen und vor diesem Hintergrund eine fortbestehende Beweisbedeutung des K annimmt, erscheint dieser Gesichtspunkt nach 17 Monaten der amtlichen Verwahrung der Fahrzeuge nicht mehr geeignet, die Fortdauer der Beschlagnahme zu rechtfertigen, zumal unklar ist, aus welchem Grund eine Auslesung bislang nicht erfolgt ist oder nicht erfolgen konnte.

b) Auch dass das Landgericht die Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung nicht aufrechterhalten hat, ist aus Sicht des Beschwerdegerichts nicht zu beanstanden.

Gemäß § 111b Abs. 1 S. 1 StPO kann ein Gegenstand zur Sicherung der Vollstreckung beschlagnahmt werden, wenn die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen der Einziehung eines Gegenstandes vorliegen. Sofern dringende Gründe für diese Annahme vorliegen, soll die Beschlagnahme angeordnet werden.

aa) Gemäß § 74 Abs. 2 StGB unterliegen Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte) der Einziehung nach Maßgabe besonderer Vorschriften. In diesem Sinne sieht § 315f S. 1 StGB explizit die Möglichkeit der Einziehung von Kraftfahrzeugen vor, welche für verbotene Kraftfahrzeugrennen verwendet worden sind. Gemäß § 74 Abs. 3 StGB ist die Einziehung grundsätzlich nur zulässig, wenn der Einziehungsgegenstand zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehört oder zusteht.

Vorliegend gehört der Mercedes dem Angeklagten Z, der am Tattag den Pkw selbst gefahren hat und von dessen Täterschaft das amtsgerichtliche Urteil daher ausgeht, wohingegen der andere beteiligte Pkw (der K) im Eigentum des Angeklagten L steht, der durch das Amtsgericht wegen Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen in Form der Beihilfe verurteilt wurde. Beide Fahrzeuge sind demnach grundsätzlich bereits gem. § 74 Abs. 3 StGB geeignete Einziehungsobjekte; auf die Vorschrift des § 74a StGB kommt es insoweit nicht an.

bb) Die Anordnung der Beschlagnahme gemäß § 111b StPO setzt lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Annahme voraus, dass der zu beschlagnahmende Gegenstand der Einziehung unterliegt (BGH, Beschl. v. 12.07.2007, Az. StB 5/07, NStZ 2008, 419).

Dass das nach § 162 Abs. 3 StPO für die Entscheidung nunmehr zuständige Berufungsgericht dies letztlich verneint hat und zu dem Ergebnis gelangt ist, dass es von der grundsätzlich gegebenen Möglichkeit der Einziehung nach bisheriger Bewertung voraussichtlich keinen Gebrauch machen wird und deshalb die Beschlagnahme aufgehoben hat, erscheint nicht rechtsfehlerhaft.

Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass sowohl die Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung in § 111b S. 1 StPO als auch die Einziehungsentscheidung nach § 315f StGB im Ermessen des Gerichts stehen. Nur dann, wenn dringende Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Voraussetzungen der Einziehung vorliegen, soll die Beschlagnahme angeordnet werden.

Dagegen, dass das Landgericht letztlich keine ausreichenden Gründe für die Annahme gesehen hat, dass es zu einer Einziehung der Fahrzeuge gem. 315f StGB kommen werde, ist aus Sicht des Beschwerdegerichts nichts zu erinnern.

Das Landgericht bzw. das Amtsgericht, auf dessen Ausführungen es Bezug nimmt, hat insoweit zutreffend die für und gegen eine Einziehung sprechenden Argumente herausgearbeitet und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besondere Bedeutung beigemessen. Dieser ist für die Frage der Einziehung explizit in § 74f Abs. 1 StGB in das Gesetz aufgenommen worden, wonach in Fällen, in denen die Einziehung nicht vorgeschrieben ist, diese nicht angeordnet werden darf, wenn sie zur begangenen Tat und dem Vorwurf, der den von der Einziehung Betroffenen trifft, außer Verhältnis steht.

Soweit die Generalstaatsanwaltschaft die durch das Landgericht getroffene Abwägung angreift, vermag dies an dem gefundenen Ergebnis nichts zu ändern.

Denn die Beschwerde gegen den die amtsgerichtlichen Beschlagnahmeanordnungen aufhebenden Beschluss wäre allenfalls dann erfolgreich, wenn auf der Grundlage des bisherigen Erkenntnisstandes die – vorbehaltlich der in der künftigen Berufungshauptverhandlung gewonnenen weiteren Erkenntnisse – angekündigte Entscheidung des Berufungsgerichts, von einer Einziehung der tatbeteiligten Fahrzeuge abzusehen, rechts- oder ermessensfehlerhaft wäre und von einer Ermessensreduzierung auf null dahingehend auszugehen wäre, – dass die Einziehung zwingend anzuordnen und damit die Beschlagnahme zwingend aufrechtzuerhalten wäre.

Dies vermag der Senat vorliegend nicht zu erkennen.

Dass das Amtsgericht im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung, von der Einziehung der Fahrzeuge abzusehen, auch in seine Überlegungen eingestellt hat, welche Vorschriften bereits vor dem 2017 neu eingeführten § 315f StGB eine Einziehung von Kraftfahrzeugen ermöglicht haben und in welchem Umfang in der Praxis hiervon Gebrauch gemacht wird, stellt nach Einschätzung des Senats bereits keine gänzlich sachfremde Erwägung dar. Auch der Vorwurf, bei der Einziehungsentscheidung sei die Gefährlichkeit der Fahrt nicht hinreichend berücksichtigt worden, verfängt nicht. Das Amtsgericht und ihm folgend das Landgericht haben die festgestellten Tatumstände der Fahrt ersichtlich in ihre Erwägungen einbezogen. Soweit sie hierbei nicht von einer konkreten Gefährdung dritter Verkehrsteilnehmer ausgegangen sind, entspricht dies den amtsgerichtlichen Feststellungen, welche das Landgericht für seine Prognose aufgegriffen hat. Das Amtsgericht und ihm folgend das Landgericht haben ersichtlich auch das Nachtatverhalten in die Abwägung einbezogen; soweit den Angeklagten der Vorwurf gemacht wird, sie hätten ihre Fahrt fortgesetzt, nachdem sie von der Polizei mit eingeschaltetem Blaulicht verfolgt worden seien, ergibt sich dies bereits nicht aus den amtsgerichtlichen Feststellungen. Soweit die Generalstaatsanwaltschaft bemängelt, es sei bei der Einziehungsentscheidung nicht hinreichend in den Blick genommen worden, dass sich mit dem Neffen des Angeklagten L ein nicht einwilligungsfähiger Minderjähriger mit in einem der an dem Rennen beteiligten Fahrzeuge befunden habe, ist es zwar zutreffend, dass explizite Angaben hierzu im Rahmen der Einziehungsentscheidung des Amtsgericht ebenso fehlen wie in dem angefochtenen landgerichtlichen Beschluss. Dies führt aber nicht dazu, dass die getroffenen Entscheidung insgesamt im Sinne einer Ermessensreduzierung auf null unvertretbar erschiene; zumal das Amtsgericht die besondere Verantwortung jedenfalls des Angeklagten L für seinen 14-jährigen Neffen ausweislich der Urteilsauführungen zu dessen Strafbarkeit (vgl. S. 9 des amtsgerichtlichen Urteils) durchaus in seine Erwägungen einbezogen hat. Gleiches gilt letztlich auch für die Rüge der Generalstaatsanwaltschaft mit Blick auf die vermeintlich unzureichende Berücksichtigung der Fahrstrecke von 2 km, der Dauer des Rennens sowie der festgestellten Spitzengeschwindigkeit, wobei das Amtsgericht die Länge der Fahrstrecke sogar explizit als Argument für die Einziehung gewertet hat. Soweit die Generalstaatsanwaltschaft schließlich einen Vergleich zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2020, Az. 4 StR 482/19, BeckRs 2020, 15647 zieht, vermag dies ebenfalls nicht zu überzeugen, da diese Entscheidung für die Frage der Einziehung aus Sicht des Senats nichts hergibt.

Angesichts der erheblichen gegen eine Einziehung der Fahrzeuge sprechenden Gesichtspunkte, namentlich des Fehlens von straf- oder verkehrsrechtlichen Vorbelastungen der Angeklagten, des ausweislich der amtsgerichtlichen Feststellungen vollumfänglichen Geständnisses des Angeklagten Z sowie des bloßen Beihilfevorwurfs beim – zumal alkoholisierten – Angeklagten L, der bisherigen Dauer der Beschlagnahme von fast 17 Monaten, der damit verbundenen Kosten und des Wertverlustes der der Nutzung entzogenen Fahrzeuge und letztlich der geäußerten Veräußerungsabsicht beider, erscheint die durch das Landgericht getroffenen Ermessensentscheidung aus Sicht der Beschwerdegerichts letztlich jedenfalls nicht unvertretbar.“

OWi III: Trunkenheitsfahrt, oder: Wie viel Whisky ist in „Whisky-Cola“?

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Und die dritte Entscheidung stammt dann auch vom OLG Hamm. Den OLG Hamm, Beschl. v.13.08.2020 – 3 RBs 145/20 – hat mir der Kollege Brüntrup aus Minden geschickt.

Das OLG hat in dem Beschluss ein Urteil des AG Minden aufgehoben. Das hatte den Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 1 StVG – Trunkenheitsfahrt – verurteilt. Dem OLG gefällt vor allem die Beweiswürdigung des AG nicht. Die hatte auch schon der GStA nicht gefallen. Deren Ausführungen „rückt das OLG ein“:

„Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 18.05.2020 ausgeführt:

„ …..die Urteilsgründe sind teils lückenhaft und teils widersprüchlich und verstoßen im Übrigen gegen § 17 Abs. 2 OWiG.

Will sich das Gericht dem Ergebnis eines Sachverständigengutachtens ohne Angabe eigener Erwägungen anschließen, so müssen in den Urteilsgründen wenigstens die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen wiedergegeben werden. Eine von dem herangezogenen Sachverständigen vorgenommene Rück- beziehungsweise Hochrechnung des maßgeblichen BAK-Wertes muss in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise mitgeteilt werden (OLG Hamm, Beschluss vom 17.03.2009 – 5 Ss 71/09).

Vorliegend geben die Urteilsgründe Entnahmezeit und Ergebnis der zweiten Blutprobe nicht an. Soweit entscheidend auf eine Blutprobe mit einer BAK von 1,18 Promille, die um 23.45 Uhr entnommen worden sei, ist nicht angegeben, ob diese die erste oder zweite Blutprobe darstellt, Ob die Berechnungen des Sachverständigen plausibel sind und sich das Gericht diesen zu Recht angeschlossen hat, kann der Senat daher nicht abschließend überprüfen,

Widersprüchlich sind die Urteilsausführungen, soweit das Gericht die Angaben des Betroffenen unverhohlen als Schutzbehauptungen einordnet, aber dennoch seinen Feststellungen einen auf diese Angaben zurückgehenden Sicherheitsabschlag zugrunde legt. Mag man dies noch als unschädlich ansehen, weil sich dieser Umstand zugunsten des Betroffenen auswirkt, so ist dann aber festzustellen, dass das Gericht der Berechnung des Sicherheitsabschlags einen nicht bestehenden Erfahrungssatz bezüglich Whiskey-Mischungen zugrunde legt, Ein Erfahrungssatz, dass man Whiskey-Cola-Gemische allenfalls mit 50 Prozent Whiskey herstellt, weil man sonst „den Whiskey auch gleich pur trinken“ könnte, ist jedenfalls hier nicht bekannt. Die Annahme eines nicht bestehenden Erfahrungssatzes macht die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft (zu vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62 Auflage, § 337 Rn 31).

Die Frage der rigiden Begrenzung auf einen hälftigen Whiskeyanteil ist dabei auch deshalb besonders prekär, weil schon ein minimal höherer Whiskeyanteil zur Unterschreitung der 0,5-Promillegrenze und damit zu einem Freispruch des Betroffenen geführt hätte.

Als widersprüchlich erweist sich zudem, wenn das Gericht von einer denkbar knappen Überschreitung des Grenzwerts von 0,5-Promille um 0,005 Promille ausgeht, jedoch keinen Anlass sieht, diesen Umstand bei der Zumessung der Geldbuße mildernd zu berücksichtigen, sondern stattdessen ausdrücklich angibt, mildernd zu berücksichtigende Umstände seien nicht ersichtlich.

Schließ/ich erweist sich das Urteil als rechtfehlerhaft, soweit das Amtsgericht eine Geldbuße von 1, 700,- € festgesetzt hat. Denn gemäß § 24 a Abs. 4 StVG i. V. m. § 17 Abs. 2 OWiG beträgt die maximale Geldbuße für einen fahrlässigen Verstoß der vorliegenden Art 1.500,- € (zu vgl. auch BeckOK OWiG/Euler, 26. Ed, 1.4.2020 § 24a Rn 12).“

Nichts wesentlich Neues, aber die Diktion des OLG „gefällt“. 🙂

OWi II: Der Taschenrechner als „elektronisches Gerät“, oder: Wirklich?

Und als zweite Entscheidung des Tages dann der OLG Hamm, Beschl. v. 10.08.2020 – 5 RBs 295/20 -, den mit der Kollege Marc N. Wandt geschickt hat. Er befasst sich mit der Frage, ob ein Taschenrechner mit Memory-Fuktion ein „elektronisches Gerät“ i.S. von § 23 Abs 1a StVO n.F. ist.

Und die bejaht man, was nicht überrascht, weil der 4. Senat des OLG schon so entschieden hat (Stichwort: Vermeidung von Innendivergenzen). Die Begründung ist nicht neu. Die hat man beim OLG Braunschweig, Beschl. v. 03.07.2019 — 1 Ss (OWi) 87/19 abgeschrieben. Daher stelle ich sie hier nicht ein, sondern begnüge mich mit dem Leitsatz:

„Ein Taschenrechner ist zumindest dann ein „elektronisches Gerät“ i.S. von § 23 Abs 1a StVO n.F., wenn er über eine sog. Memory-Funktion verfügt.“

Mich überzeugt das nicht. Denn, wenn es richtig wäre, wäre auch das bedienen des Autoradios „gefährlich“. Den Touchscreen hatten wir ja schon.