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Pflichti II: Kein Rechtsmittel gegen Bestellung?, oder: Kein Rechtsmittel gegen Aufhebung der Bestellung

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Und im zweiten „Pflichti-Posting“ hier dann zwei Entscheidungen zu Rechtsmitteln in Zusammenhang mit der Pflichtverteidigerbestellung, und zwar:

Auch nach Inkrafttreten der Vorschriften § 143 Abs. 3 StPO ist die Aufhebung der Bestellung als Pflichtverteidiger durch diesen selbst grundsätzlich nicht anfechtbar.

Ein Wahlverteidiger ist durch seine (von Amts wegen erfolgte) Beiordnung zum Pflichtverteidiger nicht beschwert. Er kann deshalb gegen seine Bestellung kein Rechtsmittel einlegen.

Der zweite Beschluss erstaunt schon ein bisschen…..

Pflichti I: Kleines Potpourri der Beiordnungsgründe, oder: Strafvollstreckung, Betreuung, Ausländer

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Heute dann zur Wochenmitte mal wieder ein „Pflichti-Tag“.

Ich beginne in diesem Posting mit drei Entscheidungen zu den Beiordnungsgründen, und zwar:

Die Mitwirkung eines Verteidigers im Verfahren zur Erledigung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist regelmäßig in entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO erforderlich, wenn die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wegen fehlender Erfolgsaussicht trotz Fortbestehens des Therapiewillens des Untergebrachten gem. § 67d Abs. 5 StGB für erledigt erklärt wird.

1. Insbesondere bei einem unter Betreuung mit dem „Aufgabenkreis Vertretung gegenüber Behörden“ stehenden Angeklagten ist regelmäßig von einer Einschränkung der Verteidigungsfähigkeit auszugehen, so dass ein Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 2 StPO zu bestellen ist.

2. Gegen die Bestellung der Pflichtverteidigerin spricht nicht der Umstand, dass das Verfahren zum Zeitpunkt der Entscheidung nach § 154f StPO eingestellt ist.

Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers wird bei einem nicht hinreichend sprachkundigen Angeklagten nicht bereits deshalb entbehrlich, wenn die sich aus den Sprachschwierigkeiten ergebenden Einschränkungen seiner Verteidigungsmöglichkeiten durch die Hinzuziehung eines Dolmetschers „abgemildert“ werden. Vielmehr kann in solchen Fällen nur dann von der Verteidigerbestellung abgesehen werden, wenn die Einschränkungen durch den Dolmetscher völlig ausgeglichen werden, was bei einer schwierigen Sach- oder Rechtslage fraglich sein kann.

 

StPO II: Keine Beschuldigtenvernehmung im EV, oder: Eröffnung wird abgelehnt

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Und als zweite Entscheidung dann hier der OLG Celle, Beschl. v. 10.02.2023 – 2 Ws 336/22.

Das LG hatte die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, weil im Ermittlungsverfahren das rechtliche Gehör der Beschuldigten verletzt worden ist. Das OLG hat die Entscheidung bestätigt. Hier die Leitsätze des Beschlusses:

    1. Wird im Ermittlungsverfahren entgegen § 163a Abs. 1 StPO eine Beschuldigtenvernehmung nicht durchgeführt, ist das Gericht nicht verpflichtet, auf eine unter Verletzung des rechtlichen Gehörs erhobene Anklage hin das Hauptverfahren zu eröffnen.
    2. Dies gilt entsprechend bei einer Antragsschrift im Sicherungsverfahren.
    3. Werden anlässlich eines Explorationsgesprächs durch den psychiatrischen Sachverständigen die Vorwürfe mit dem Beschuldigten erörtert, stellt dies keine Vernehmung im Sinne des § 163a Abs. 1 StPO dar.

Haft III: Voraussetzungen der Auslieferungs(haft), oder: Beiderseitige Strafbarkeit bei einer Trunkenheitsfahrt?

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Die letzte Entscheidung des heutigen Tages kommt aus dem Auslieferungsrecht, also ggf. Auslieferungshaft 🙂 . Das OLG Celle hat aber im OLG Celle, Beschl. v. 22.02.2023 – 2 AR (Ausl) 45/22 – die beantragte Auslieferung für unzulässig erklärt.

Betrieben wurde das Verfahren von den polnischen Justizbehörden auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls des Bezirksgerichts Poznan wegen der Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafvollstreckung. Das AG Grodzisk Wielkopolski hat den Verfolgten am 19.06.2013 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verfolgte war in der Hauptverhandlung nicht anwesend. Inzwischen ist die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung durch Beschluss des AG Nowy Tomysl vom 13.11.2018 widerrufen. Die Freiheitsstrafe ist von dem Verfolgten noch vollständig zu verbüßen.

Nach den Angaben in dem Europäischen Haftbefehl führte der Verfolgte bei der ihm zur Last gelegten Straftat am 25.3.2013 gegen 17.25 Uhr in der S. K. in der Ortschaft N. T. in der W. W. ein Kraftfahrzeug und stand hierbei ausweislich der bei ihm durchgeführten Atemalkoholkontrolle und der festgestellten Atemalkoholkonzentration von 0,56 mg/l unter Alkoholeinfluss. Auf Nachfrage der GStA haben die polnischen Justizbehörden mit Schreiben im Auslieferungsverfahren mitgeteilt, dass sich aus den der Verurteilung des Verfolgten zugrundeliegenden Aktenvorgängen keine Anhaltspunkte für einen Fahrfehler des Verfolgten zum Tatzeitpunkt ergeben hätten.

Die GStA hat beantragt, über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden. Sie erachtet die Auslieferung für unzulässig, da es bei der dem Europäischen Haftbefehl zugrunde liegenden abgeurteilten Tat des Verfolgten an der nach § 3 Abs. 1 IRG erforderlichen beiderseitigen Strafbarkeit fehle. Das OLG hat die Entscheidung über den Antrag der GStA im Hinblick auf das beim BGH anhängige Vorlageverfahren 4 ARs 13/21 zunächst zurückgestellt. Es hat jetzt dann festgestellt, dass die Auslieferung des Verfolgten unzulässig ist:

„2, Die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Vollstreckung der in dem o.g. Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Poznan vom 01.02.2022 bezeichneten Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgericht Grodzisk Wielkopolski vom 19.06.2013 (Az. VII K 376/13) ist unzulässig.

Die Zulässigkeit der Auslieferung zur Verfolgung oder zur Vollstreckung setzt nach § 3 Abs. 1 IRG voraus, dass die dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegende Tat des Verfolgten auch nach deutschem Recht eine rechtswidrige Tat ist, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, oder bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts auch nach deutschem Recht eine solche Tat wäre. Dies gilt auch, wenn dem Ersuchen ein Europäischer Haftbefehl zugrunde liegt (vgl. § 81 Nr. 1 IRG; Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses Europäischer Haftbefehl). Das Erfordernis der Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit entfällt nur dann, wenn es sich um eine sog. Katalogtat i.S. von Art. 1 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses handelt.

Die vorliegend in dem Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Poznan vom 01.02.2022 näher beschriebene Tat des Verfolgten, welche seiner Verurteilung durch das Amtsgericht Grodzisk Wielkopolski vom 19.06.2013 zugrunde lag, stellt keine Katalogtat im vorgenannten Sinne dar. Daher wäre die Auslieferung des Verfolgten nur zulässig, wenn die Tat auch nach deutschem Recht strafbar wäre. Auf der Grundlage des in dem Europäischen Haftbefehl mit-geteilten Tatgeschehens käme insoweit lediglich eine Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Ver-kehr gemäß § 316 StGB in Betracht. Voraussetzung hierfür wäre in objektiver Hinsicht, dass sich der Verfolgte zur Tatzeit im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit befunden hat. Diese wäre tatbestandlich nur dann gegeben, wenn bei dem Verfolgten eine relative oder absolute Fahruntüchtigkeit vorgelegen hätte. Ob dies der Fall war, ist anhand des in dem Europäischen Haftbefehl mitgeteilten Tatgeschehens, das zu der dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegenden Verurteilung geführt hat, zu prüfen. Aus dem mitgeteilten Sachverhalt ergeben sich insoweit über die auf der Grundlage der gemessenen Atemalkoholkonzentration von 0,56 mg/l festgestellte Alkoholisierung des Verfolgten hinaus keine Anhaltspunkte für einen alkohol-bedingten Fahrfehler. Die Annahme einer relativen Fahruntüchtigkeit kommt deshalb nicht in Betracht. Daher müsste tatbestandlich eine absolute Fahruntüchtigkeit bei ihm vorgelegen haben. Dies wäre nur bei einer festgestellten Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 o/oo zu bejahen. Nach den Angaben in dem Europäischen Haftbefehl wurde dem Verfolgten jedoch weder eine Blutprobe zwecks Ermittlung der Blutalkoholkonzentration entnommen noch sind Feststellungen zu Art und Menge des von ihm vor der Tat konsumierten Alkohols getroffen worden. Seine Verurteilung beruht allein auf der zum Tatzeitpunkt gemessenen Atemalkoholkonzentration von 0,56 mg/l. Indes reicht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte der Messwert der Atemalkoholkonzentration allein für die Feststellung der Blutalkoholkonzentration nicht aus. Denn er bietet nach derzeitigem Stand der medizinischen Wissenschaft und Forschung nicht die in einem Strafverfahren erforderliche Sicherheit für die Bestimmung des Wertes der Blutalkoholzentration (vgl. BGH, NStZ 1995, 539; KG, DAR 2008, 273; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.04.2009 – 2 Ss 159/09 –, juris; OLG Naumburg, Beschl. v. 05.12.2000 – 1 Ws 496/00 – juris; Kudlich in BecKOK StGB, 55. Edition, Stand 01.11.2022, § 315c Rd. 27 mwN). Eine hohe Atemalkoholkonzentration stellt allenfalls ein starkes Indiz für eine Fahruntüchtigkeit dar, lässt aber die Annahme einer absoluten Fahr-untüchtigkeit nicht zu (vgl. OLG Stuttgart, aaO). Für eine Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB bedarf es deshalb zumindest eines weiteren, tragfähigen Indizes für die Fahruntüchtigkeit des Täters. Da im vorliegenden Fall des Verfolgten jedoch – wie bereits ausgeführt – neben dem Wert der Atemalkoholkonzentration keine weiteren ihn belastenden Indizien festgestellt worden sind, scheidet eine Strafbarkeit der ihm in dem Europäischen Haft-befehl zur Last gelegten Tat nach § 316 StGB aus.

Nach alledem steht der Auslieferung des Verfolgten an die polnischen Justizbehörden das Zulässigkeitshindernis der fehlenden beiderseitigen Strafbarkeit nach § 3 Abs. 1 IRG entgegen.“

Vorschuss für Einholung eines Privatgutachtens?, oder: Das gerichtliche Gutachten gibt umfassend Antworten

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So, heute dann noch RVG-/Gebührentag und dann ist Wochenende. Unter der Thematik „RVG/Gebühren“ stelle ich heute dann Entscheidungen zu Vorschüssen vor.

Ich beginne mit einem Beschluss aus dem Zivilrecht, und zwar mit dem OLG Celle, Beschl. v. 14.11.2022 – 14 W 30/22 – zur Frage eines Kostenvorschusses für ein prozessbegleitendes Privatgutachten. Der dem Kläger im Rahmen von PKH in dem (Zivil)Verfahren beigeordnete Prozessbevollmächtige hat gemäß § 47 Abs. 1 RVG beantragt, einen Kostenvorschuss für die Einholung eines Privatgutachtens zur Widerlegung bzw. Erschütterung eines gerichtlichen Gutachtens zu gewähren. Das LG hat den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hatte keinen Erfolg:

„Die Aufwendungen für die Beauftragung eines Privatgutachters sind hier zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine Erstattung von Kosten für einen privat beauftragten Sachverständigen in Betracht, wenn diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung notwendig waren (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2002 – VI ZB 56/02, Rn. 13, juris; BGH, Beschluss vom 23. Mai 2006 – VI ZB 7/05, Rn. 10, juris). Die Beurteilung dieser Frage hat sich dabei daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich hätte ansehen dürfen (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2002 – VI ZB 56/02, Rn. 13, juris; Beschluss vom 26. Februar 2013 – VI ZB 59/12, Rn. 5, juris). Danach kommt eine Erstattung der Kosten eines Privatgutachtens ausnahmsweise in Betracht, wenn ein Beteiligter infolge fehlender Sachkenntnisse nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage ist (vgl. BGH aaO.; OLG Köln, Beschluss vom 16. Februar 2012 – II-4 WF 11/12, BeckRS 2012, 12070). Diese Ausnahme ist insbesondere auf Zivilverfahren zugeschnitten, in denen es den Parteien nach dem sogenannten Beibringungsgrundsatz obliegt, substantiiert die gebotenen Tatsachen und Informationen vorzutragen, die als Grundlage für die Entscheidung des Gerichts erforderlich sind (vgl. hierzu Herget in: Zöller, ZPO, 34. Auflage 2022, § 91 ZPO, Rn. 13.73).

In Bezug auf prozessbegleitend eingeholte Privatgutachten ist die Erstattungsfähigkeit entsprechender Aufwendungen allerdings insoweit eingeschränkt, dass es Sache des Gerichts ist, Beweiserhebungen durch Einholung von Sachverständigen-gutachten durchzuführen. Die Rechtsprechung hat die Erstattungsfähigkeit prozessbegleitender Privatgutachten aber dann bejaht, wenn es darum geht, ein gerichtliches Gutachten zu überprüfen, zu widerlegen oder zumindest zu erschüttern (vgl. dazu OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.11.2001, AZ: 8 W 481/01, Tn. 6, sowie Beschluss vom 11.07.2007, AZ: 8 W 265/07 Rn. 11; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.06.2001, AZ: 4 W 2053/01, Rn. 14; OLG Koblenz, Beschluss vom 21.08.2007, AZ: 14 W 608/07, Rn. 5; OLG Celle, Beschluss vom 25.07.2008, AZ: 2 W 148/08, Rn. 3) oder wenn eine Partei auf die Hinzuziehung eines Sachverständigen angewiesen ist, um ihrer Darlegungs- und Beweislast zu genügen, Beweisangriffe abzuwehren oder Beweisen des Gegners entgegentreten zu können (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.02.1997, AZ: 10 W 21/97 Rn. 4; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.06.2001, AZ: 4 W 2053/01, Rn. 14; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.08.2006, AZ: 10 W 52/06, Rn. 11; OLG Koblenz, Beschluss vom 21.08.2007, AZ: 14 W 608/07, Rn. 5; OLG Celle, Beschluss vom 25.07.2008, AZ: 2 W 148/08, Rn. 3) oder wenn die Einholung des Gutachtens der Wiederherstellung der Waffengleichheit dient (OLG Hamm, Beschluss vom 14. Mai 2013 – I-25 W 94/13 –, Rn. 12, juris mwN).

Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Einholung eines prozessbegleitenden Privatgutachtens vorliegend auch nicht deshalb erforderlich, um das gerichtlich eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. T. vom 10. Juli 2022 zu überprüfen, zu widerlegen oder zumindest zu erschüttern. Gründe für eine Ausnahme zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf. Es wird lediglich pauschal behauptet, der Kläger sei aufgrund seiner beruflichen Ausbildung nicht in der Lage, die medizinischen Ausführungen ausreichend zu hinterfragen und etwaige Widersprüche aufzudecken. Der konkrete Fall und der Umstand, dass der Kläger einen Rechtsanwalt zur Unterstützung hat, wird nicht gewürdigt.

Dabei geht es vorliegend anders als im Fall des OLG Hamm (aaO) nicht um einen komplexen Sachverhalt mit umfassenden betriebswirtschaftliche Auswertungen und Fragen, die durch den Gerichtssachverständigen nicht zweifelsfrei beantwortet werden konnten. Hier geht es vielmehr um einen überschaubaren Sachverhalt und den Nachweis unfallbedingter Verletzungen und Beeinträchtigungen, wie es im Bereich des Verkehrsunfallrechts regelmäßig vorkommt. Dabei ist es in der Praxis bei diesen Fällen regelmäßig erforderlich, dass sich der Prozessbevollmächtigte mit der von ihm vertretenen Partei mit entsprechenden medizinischen oder unfallanalytischen Gutachten hinsichtlich der Beweisfragen auseinandersetzt und ggf. geeignete Nachfragen an den gerichtlichen Sachverständigen stellt. Dieser hat vorliegend die Beweisfragen in seinem schriftlichen Gutachten vom 10. Juli 2022 anschaulich, umfassend und nachvollziehbar beantwortet. Die Beschwerde zeigt dabei auch nicht auf, warum der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht in der Lage sein will, – wie seine Kollegen – Vorhalte und zielführende Nachfragen an den Sachverständigen im Rahmen einer mündlichen Erörterung zu stellen. Vielmehr sind bisher gegen das Gutachten klägerseits keine konkreten Einwände erhoben worden.

Gleiches gilt für die Fälle des OLG Stuttgart (aaO), in denen ausnahmsweise die Erstattungsfähigkeit der Kosten für prozessbegleitende Privatgutachten bejaht wurde. Hier geht es, wie ausgeführt, weder um komplexe Fragen aus dem Bereich Statik und Standsicherheit bei Vorliegen und Verwertung eines Privatgutachtens der Gegenseite (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.11.2001, aaO) noch um die Problematik einer Unternehmensbewertung, die einer besonderen Sachkunde bedarf, bei zugleich durch einen Privatgutachter unterstützter Gegenseite (OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.07.2007, aaO).

Das OLG Nürnberg (Beschluss vom 18. Juni 2001, aaO) hat die Erstattung prozessbegleitender Privatgutachterkosten in einem Bauprozess abgelehnt, ebenso das OLG Koblenz (Beschluss vom 21. August 2007, aaO), wenn keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass die Partei nicht selbst qualifizierten Vortrag halten kann, so dass ein Gerichtsgutachten zu den streitigen Fragen einzuholen ist. Ähnlich hat das Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 30. August 2006, aaO.) darauf abgestellt, dass eine Partei grundsätzlich die für den Vermögensverfall maßgeblichen Tatsachen selbst vortragen könne und die Beweiserhebung im Übrigen Sache des Gerichts sei. Das OLG Celle, 2. Zivilsenat (Beschluss vom 25. Juli 2008, aaO) hat betont, dass zu dem Erfordernis eines Privatgutachtens substantiiert vorzutragen und dabei jede Partei gehalten sei, die Kosten ihrer Prozessführung so niedrig zu halten, wie sich dies mit der vollen Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lasse. Es gelte das Gebot sparsamer Prozessführung.

Nach alledem sind hier keine Gründe ersichtlich oder vorgetragen, wonach die zusätzlich zum Gerichtsgutachten begehrte Einholung eines Privatgutachtens erforderlich wäre.

Der Senat ist nach seinen Erfahrungen im Bereich des Verkehrsunfallrechts im Übrigen davon überzeugt, dass eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die begehrte kostenauslösende Maßnahme vorliegend nicht als sachdienlich ansehen würde und erst Recht – ohne PKH – bei diesem Fall, in diesem Verfahrensstand sowie auch angesichts der Höhe des im Raum stehenden Schmerzensgeldes nicht mit 2.500,00 € für ein Privatgutachten in Vorleistung treten würde.“

Die Entscheidung ist zwar in einem Zivilrechtsstreit ergangen, die Ausführungen des OLG haben aber nicht nur für das Zivilverfahren, sondern auch für das Straf- bzw.- ggf. das Bußgeldverfahren Bedeutung. Denn auch spielen die angesprochenen Fragen in der Praxis eine Rolle, und zwar i.d.R., wenn es um die Erstattung eines vom Angeklagten eingeholten Privatgutachtens geht. Auch hier ist es i.d.R. schwer, eine Erstattung der Auslagen zu erreichen(vgl. zu allem Burhoff in: Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl., 2021, Rn. 4900 ff.).