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OWi II: (Un)Wirksamkeit des Bußgeldbescheides, oder: Nur bei wesentlichen Mängeln

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Und dann als zweite Entscheidung hier der OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.05.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 144/22. Nicht Besonderes, sondern nur Festschreibung der Rechtsprechung zur Wirksamkeit des Bußgeldbescheides:

„b) Der Bußgeldbescheid vom 21. Dezember 2020 bildet entgegen der Auffassung des Betroffenen eine wirksame Verfahrensgrundlage.

Mängel des Bußgeldbescheides sind im gerichtlichen Verfahren unbeachtlich, wenn der Bescheid nicht unwirksam ist (OLG Düsseldorf VRS 1978, 440; Göhler, OWiG, 18. Auflage, vor § 65, Rz. 9). Unwirksam ist der Bußgeldbescheid nur bei schwerwiegenden Mängeln, liegen solche vor, ist das Verfahren mangels Vorliegens einer Prozessvoraussetzung gemäß §§ 36 Abs. 1 OWiG, 206a, 260 StPO einzustellen (Göhler a. a. O.).

Einen in diesem Sinne schwerwiegenden Mangel weist der verfahrensgegenständliche Bußgeldbescheid nicht auf. Er würde nur dann das Tatgeschehen nicht ausreichend begrenzen, wenn Zweifel über die Tatidentität möglich wären, also nicht eindeutig wäre, welcher Lebensvorgang zur Entscheidung des Gerichts gestellt ist (BGHSt 23, 336; 39, 291; OLG Hamburg wistra 1998, 278; OLG Düsseldorf DAR 1999, 275; Göhler a. a. O., zu § 66, Rz. 39). Die tatsächliche und rechtliche Bezeichnung der Tat gemäß § 66 Abs. 1 Ziff. 3 OWiG soll die Beschuldigung eindeutig kennzeichnen. Wesentlich für die Bezeichnung ist deshalb, dass der Betroffene erkennen kann, welches Tun oder Unterlassen den Gegenstand des Verfahrens bildet, gegen welchen Vorwurf er daher seine Verteidigung richten muss (Göhler a. a. O., Rz. 12). Es kommt darauf an, wie wahrscheinlich es ist, dass der Betroffene zu der angegebenen Zeit und in dem angegebenen Raum weitere gleichartige Ordnungswidrigkeiten verübt hat und eine Verwechselungsgefahr besteht (BGH a. a. O.; Göhler a. a. O., Rz. 12). Gemessen hieran ist der Bußgeldbescheid ausreichend, wenn nach seinem Inhalt kein Zweifel über die Tatidentität bestehen kann, also feststeht, welchen Sachverhalt er erfasst und ahnden soll (BayObLG VRS 1978, 36; NZV 1998, 515; OLG Köln DAR 2018, 338). Ein offensichtlicher Irrtum in der Bezeichnung des Zeitpunktes oder des Ortes der Tat ist unschädlich (OLG Stuttgart Die Justiz 1978, 477; OLG Hamm GA 1972, 60; NZV 2004, 317; Göhler a. a. O., Rz. 39). Bei einer falschen Ortsbezeichnung kommt es darauf an, ob es sich um ein offensichtliches Missverständnis handelt. Ergeben die näheren Umstände zweifelsfrei, welcher Ort gemeint ist, bildet der Bußgeldbescheid eine ausreichende Verfahrensgrundlage (OLG Hamm NZV 1992, 283; OLG Düsseldorf NZV 2000, 89; Göhler a. a. O., Rz. 43).

So liegt der Fall hier. Jedenfalls nach der richterlichen Aufklärung durch Einholung einer dienstlichen Stellungnahme des Messbeamten ergibt sich aus dem Akteninhalt zweifelsfrei, dass sich die Messstelle auf Höhe des Kilometers 3,6 befand und nur in das Messprotokoll versehentlich Kilometer 3,2 eingegeben worden war.

Bedenken hinsichtlich der Beschilderung und des Abstandes der Messstelle zu dieser ergeben sich daraus nicht.“

Vollstreckung I: Sicherungsverwahrung 10 Jahre +? oder: Nicht ohne Sachverständigengutachten

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Heute stelle ich drei Entscheidungen aus dem Bereich Strafvollstreckung/Strafvollzu vor.

Ich beginne mit dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.05.2022 – 1 Ws 46/22 – zur Fortdauer von Sicherverwahrung. Der Verurteilte ist durch seit dem 12.02.2009 rechtskräftige Urteil wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Außerdem ist Sicherungsverwahrung angeordnet worden.

Nach vollständiger Vollstreckung der Freiheitsstrafe ordnete die Strafvollstreckungskammer des LG mit Beschluss vom 21.11.2011 die Vollziehung der Sicherungsverwahrung an. Diese sei durch eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) zu vollstrecken, weil hierdurch die Resozialisierung des Verurteilten besser gefördert werde als durch eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung.

Der Verurteilte befand sich vom 06.01.2012 bis zum 07.05.2014 im Krankenhaus des Maßregelvollzugs in Berlin und wurde dann in die Sicherungsverwahrung der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel überführt, weil sein ausgeprägtes Abwehrverhalten therapeutische Fortschritte verhindert hatte. Am 28. August 2019 wurde der Verurteilte in die Sicherungsverwahrung der JVA Brandenburg a. d. H. verlegt.

Die Strafvollstreckungskammer hat zuletzt mit Beschluss vom 21.10.2020 die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet. Unter dem 07.09.2021 beschloss sie die Einholung eines forensisch-psychiatrischen Gutachtens zu der Frage, ob die Gefahr besteht, dass der Verurteilte erhebliche Straftaten begehen werde, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Anfang November 2021 teilte der Sachverständige dem Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer telefonisch mit, den Gutachtenauftrag nicht auszuführen. Am 17.12.2021 hörte die Kammer den Verurteilten mündlich an. Mit Beschluss vom selben Tag beauftragte die Kammer einen anderen Sachverständigen mit der forensisch-psychiatrischen Begutachtung des Verurteilten und ordnete zugleich die Fortdauer der Unterbringung an.

Dagegen die sofortige Beschwerde des Verurteilten, die Erfolg hatte:

„1. Die angefochtene Entscheidung ist verfahrensfehlerhaft, sie unterliegt deshalb der Aufhebung.

Die Strafvollstreckungskammer musste sich von Amts wegen vor Ablauf des 05. Januar 2022 mit der Frage nach der Fortdauer der Sicherungsverwahrung befassen und war gehalten, hierzu gemäß § 67 Abs. 3 StGB ein forensisch-psychiatrisches Gutachten einzuholen. Daran fehlt es, das Gutachten liegt bis heute nicht vor. Die Entscheidung der Kammer zur Fortdauer der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung entbehrt deshalb der erforderlichen Tatsachengrundlage.

Nach dem Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 67 d Abs. 3 S. 1 StGB ist die Maßregel der Sicherungsverwahrung nach zehnjährigem Vollzug zwingend für erledigt zu erklären, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Verurteilte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Die Gefahr muss positiv festgestellt sein (OLG Karlsruhe StV 2012, 228, 230). Hierzu bedarf es zwingend der Einholung eines (externen) Gutachtens (BVerfG NStZ-RR 2014, 222; StV 2009, 37).

Die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG hat auch verfahrensrechtliche Bedeutung. Aus ihr ergeben sich Mindesterfordernisse für eine zuverlässige Wahrheitserforschung. Deshalb ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben (BVerfG NStZ-RR 2014, 222 m. w. N.). Dieses Erfordernis wird für den vorliegenden Fall prozessual vermittels § 463 Abs. 3 S. 4 StPO umgesetzt, der zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 67 d Abs. 3 StGB zwingend die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage verlangt, ob von dem Verurteilten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind.

Indem die Kammer ihre Entscheidung, die Fortdauer der Unterbringung anzuordnen, getroffen hat, ohne zuvor sachverständigen Rat einzuholen, hat sie die verfahrensrechtliche Bestimmung des § 463 Abs. 3 S. 4 StPO verletzt.

Der Verfahrensfehler zwingt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Weil in Ermangelung des Vorliegens eines aktuellen forensisch-psychiatrischen Gutachtens nach wie vor keine zureichende Tatsachengrundlage für eine Sachentscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung besteht, ist dem Senat eine eigene Entscheidung im Sinne des § 309 Abs. 2 StPO verwehrt.

Die Strafvollstreckungskammer wird ihre neuerliche Entscheidung unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Begutachtung zu treffen haben. Gemäß §§ 454 Abs. 1 S. 2 und 3, 463 Abs. 3 S. 1 StPO wird es erneuter Anhörung des Verurteilten, der Staatsanwaltschaft und der Vollzugsanstalt sowie gemäß §§ 463 Abs. 3 S. 3, 454 Abs. 2 S. 3 StPO der mündlichen Anhörung des Sachverständigen bedürfen, wobei dem Verurteilten, dessen Verteidiger und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist.

2. Der Verurteilte ist durch die Fristüberschreitung bei der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG verletzt.

Die Zehn-Jahres-Frist des § 67 d Abs. 3 S. 1 StGB dient der Wahrung des Übermaßverbotes bei der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG. Wegen des sich mit zunehmender Dauer der Unterbringung verschärfenden Grundrechtseingriffs sind Fortdauerentscheidungen mit zunehmender Verwahrungsdauer an eine steigende Wahrscheinlichkeit einer drohenden erheblichen Rechtsgutverletzung zu binden. An die Voraussetzungen einer über zehn Jahre hinaus dauernden Sicherungsverwahrung sind deshalb hohe Anforderungen zu stellen (BVerfG, Urteil vom 05. Februar 2004, 2 BvR 2029/01, Juris; OLG Hamm, Beschluss vom 28. März 2019, III-3 Ws 99/19, Rz. 22, Juris). In prozessualer Hinsicht führt dies zu einer Verpflichtung der Gerichte, vor – fristgemäßer – Entscheidung über die Fortdauer der langjährigen Unterbringung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens eine tragfähige tatsächliche Entscheidungsgrundlage zu schaffen. Dieser Verpflichtung genügt die, wenn auch neuerliche, Beauftragung des Sachverständigen erst am 17. Dezember 2021 angesichts Fristablaufs am 05. Januar 2022 nicht. Vielmehr liegt hierin eine Grundrechtsverletzung begründet, die unverändert andauert, weil das Gutachten immer noch nicht vorliegt.

Zwar führt nicht jede Verzögerung des Geschäftsablaufs in Unterbringungssachen, die zu einer Überschreitung der Fristvorgaben führt, automatisch zu einer Grundrechtsverletzung, weil es zu solchen Verzögerungen auch bei sorgfältiger Führung des Verfahrens kommen kann. Es muss jedoch sichergestellt sein, dass der Geschäftsgang der Strafvollstreckungskammer in der Verantwortung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters eine Fristenkontrolle vorsieht, welche die Vorbereitung einer rechtzeitigen Entscheidung vor Ablauf der Prüffrist sicherstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Untergebrachte in der Regel persönlich anzuhören ist und dass auch für eine sachverständige Begutachtung ausreichend Zeit verbleiben muss (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2016, 2 BvR 1103/16; OLG Hamm a. a. O.; Juris).

Diesen Vorgaben ist der Verfahrensgang vorliegend nicht gerecht geworden. Warum trotz telefonischer Information des vormaligen Sachverständigen Anfang November 2021 gegenüber dem Vorsitzenden, er werde den Gutachtenauftrag nicht erfüllen, erst am 17. Dezember 2021 ein anderer Sachverständiger mit der Begutachtung des Verurteilten beauftragt wurde, erschließt sich nicht und lässt eine unrichtige Anschauung der grundrechtssichernden Bedeutung der Zehn-Jahres-Frist des § 67 d Abs. 3 S. 1 StGB befürchten.“

OWi II: Messunterlagen/Speicherung Rohmessdaten, oder: Begründung der Rechtsbeschwerde

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Die zweite Entscheidung stammt vom OLG Brandenburg. Es handelt sich um den OLG Brandenburg, Beschl. v. 05.05.2022 – 2 OLG 53 Ss-OWi 167/22 – zur (wieder mal) (verneinten) Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen Versagung des rechtlichen Gehörs.

„Die Beanstandung der Versagung des rechtlichen Gehörs dringt nicht durch. Das Tatgericht hat sich ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 4-6) mit den Einwänden der Verteidigung zur Geschwindigkeitsmessung auseinandergesetzt, so dass in der beanstandeten Ablehnung einer Erweiterung der Beweiserhebung keine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt (Art. 103 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Dies wäre nur der Fall, wenn die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebotes im Prozessrecht keine Stütze hat (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 9. Januar 2018 – VI ZR 106/17, zitiert nach Juris) oder die Ablehnung gegen das Willkürverbot verstößt (vgl. Cierniak/Niehaus DAR 2018, 181, 185). Dafür ist Durchgreifendes nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung der Verteidigung sind konkrete Anhaltspunkte für die vielmehr lediglich allgemein und „ins Blaue hinein“ behaupteten Messfehler bezüglich einer etwaigen Nichtübereinstimmung der öffentlichen Schlüssel zwischen Falldatensatz und Messgerät aufgrund eines Programmierungsfehlers nicht dargelegt, so dass sich das Amtsgericht zu einer Erweiterung der Beweisaufnahme durch Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht gedrängt sehen musste. Soweit der Betroffene geltend macht, er habe der Verwertung des Messergebnisses „auch mit der Begründung“ widersprochen, dass das Fahrzeug „die Fotolinie deutlich überfahren“ habe, genügt das Rügevorbringen bereits nicht den Begründungsanforderungen, weil schon nicht dargetan ist, welche Relevanz sich für die Beurteilung der Messung daraus konkret ergeben soll (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

Sofern die Verteidigung der Sache nach auch eine Verletzung des fairen Verfahrens beanstanden will – was im Hinblick auf die Höhe der verhängten Geldbuße ohnehin nur unter dem Gesichtspunkt einer hier nicht ersichtlichen Verletzung rechtlichen Gehörs zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde führen könnte –, weil zur Prüfung des Messverfahrens weitere nicht bei der Akte befindlichen amtlichen Messunterlagen nicht zur Verfügung gestellt worden seien (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 338 Nr. 8 StPO; vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 8. September 2016 – [2 Z] 53 Ss-OWi 343/16 [163/16], BeckRS 2016, 20683; BVerfG DAR 2021, 385; Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 13. Dezember 2021 – VGH B 46/21; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Juli 2019 – 1 Rb 10 Ss 291/19, DAR 2019, 582; Niehaus DAR 2021, 377ff.), wäre mit der Antragsbegründung konkret darzulegen gewesen, dass die Verteidigung die Beiziehung konkreter Messunterlagen gegenüber der Verwaltungsbehörde geltend gemacht und dieses Begehren gegebenenfalls im Verfahren nach § 62 OWiG weiterverfolgt hat (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschl. v. 17. März 2021 – 1 OLG 332 SsBs 23/20; BVerfG, Beschl. v. 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18, zit. nach Juris mwN). Hierzu jedoch ist hinreichend Konkretes nicht vorgetragen.

Die vom Betroffenen thematisierte Frage, inwieweit Rohmessdaten gespeichert werden müssen, berührt bereits nicht den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschl. v. 23. März 2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 82/22). Im Übrigen ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass der Messvorgang nicht rekonstruierbar sein muss und die Verwertbarkeit des Messergebnisses nicht von der nachträglichen Überprüfbarkeit anhand gespeicherter Messdaten abhängt (vgl. zuletzt OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14. März 2022 – 2 RBs 31/22, zit. nach Juris mit Rechtsprechungsnachweisen). Letztlich kommt es auch darauf nicht an, weil weder dargetan, noch sonst ersichtlich ist, dass der Betroffene sich um die Zurverfügungstellung vorhandener (Roh-)Messdaten bemüht hat.“

Wenn der Zulassungsantrag überhaupt eine Chance haben soll, dann muss man als Verteidiger schon die Begründungsanforderungen beachten und vor allem. Erfüllen 🙂 .

OWi I: Spurwechsel in der Kreuzung – von Rot auf Grün, oder: Klassiker: Vorsätzlicher Rotlichtverstoß

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Und dann mal wieder OWi-Entscheidungen.

Zunächst etwas zum Roltichverstoß. Dazu hat sich das OLG Brandenburg noch einmal im OLG  Brandenbrug, Beschl. v. 14.04.2022 – 2 OLG 53 Ss-OWi 462/21 – geäußert. Nichts Neues, sondern nur Festschreibung eines „Klassikers, denn: Wer nach dem Überqueren der Haltelinie der Linksabbiegerspur an einer Rotlichtanlage bei Rot auf eine der Geradeausspuren wechselt und die Kreuzung dann geradeaus verlassen hat, begeht einen Rotlichtverstoß (so schon BGHSt 43, 285):

„1. Das Amtsgericht hat rechtsfehlerfrei einen vorsätzlich begangenen Rotlichtverstoß bejaht (§ 37 Abs. 2, § 49 Abs. 3 StVO).

Dass die Betroffene nach dem Überqueren der Haltelinie der Linksabbiegerspur bei Rot auf eine der Geradeausspuren wechselte und die Kreuzung dann geradeaus verlassen hat, steht der Annahme eines Rotlichtverstoßes nicht entgegen. Ein Fahrzeugführer, der auf einem markierten (Linksabbieger-)Fahrstreifen im Sinne des § 37 Abs. 2 Nr. 4 StVO in eine Kreuzung einfährt, obwohl die Wechsellichtzeichenanlage (pfeilförmiges oder volles) Rot zeigt, handelt auch dann ordnungswidrig gemäß § 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO in Verbindung mit § 37 Abs. 2 StVO, wenn er anschließend in der Richtung eines durch Grünlicht freigegebenen anderen Fahrstreifens weiterfährt (BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997 – 4 StR 647/96, zit. nach Juris).

Die Annahme einer vorsätzlichen Tatbegehung hat das Amtsgericht ohne Rechtsfehler darauf gestützt, dass die Betroffene gemäß ihrer Einlassung nach dem Anhalten bei Rot entschieden habe, aus der Linksabbiegerspur geradeaus über die Kreuzung zu fahren, und damit in Kenntnis des bereits länger andauernden Rotlichts die Haltelinie überquert hat. Dabei hat sie ersichtlich auch den rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt des für die von ihr genutzte Spur angezeigten Haltesignals im Wege einer Parallelwertung in der Laiensphäre erfasst, wobei es insoweit auf eine rechtlich zutreffende Subsumtion entsprechend der geltenden Verkehrsregelung nicht ankommt (vgl. hierzu Karlsruher Kommentar-OWiG/Rengier, 5. Aufl. § 11 Rn. 15). Ein etwaiger, auf mangelnder präsenter Kenntnis der Straßenverkehrsvorschriften beruhender Wertungs- bzw. Interpretationsirrtum über die genaue rechtliche Bedeutung und Tragweite des geltenden Lichtsignals, wie ihn die Verteidigung geltend macht, stellt einen den Tatvorsatz nicht ausschließenden Verbotsirrtum dar (§ 11 Abs. 2 OWiG), der angesichts der Verpflichtung, sich vor Fahrtantritt über Verkehrsregelungen hinreichend zu informieren, darüber hinaus auch vermeidbar war (vgl. hierzu OLG Bamberg, Beschl. v. 1. Dezember 2015 – 3 Ss OW 834/15; Beschl. v. 22. Januar 2019 – 3 Ss OWi 1698/18; jeweils zit. nach Juris).

2. Das Amtsgericht hat darüber hinaus bei der Bemessung der Rechtsfolgen mit Recht eine vorsätzliche Tatbegehung im qualifizierten Fall zugrunde gelegt (132.3 Anl. zu § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 4a BKatV), weil die Rotphase bereits 80,8 Sekunden und damit deutlich länger als eine Sekunde andauerte, was der Betroffenen im Zeitpunkt der Tatbegehung auch bekannt war.

Dass der Querverkehr nach den Feststellungen – gemäß denen die Ampel für die Geradeausspuren Grün anzeigte – Rot hatte, schließt den Qualifikationstatbestand nicht aus. Der Anwendungsbereich der gemäß § 37 StVO geltenden Bestimmungen beschränkt sich nicht auf den Schutz des Querverkehrs und erfordert nicht das Entstehen einer konkreten Gefährdungslage (vgl. Senat, Beschl. v. 20. August 2021 – 2 OLG 53 Ss-OWi 175/21; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 8. März 2018 – 1 OWi 2 SsBs 107/18, zit. nach Juris). Zwar hat der Verordnungsgeber die Missachtung eines Wechsellichtzeichen bei länger als einer Sekunde andauernder Rotphase deshalb stärker sanktioniert, weil er für diesen Fall im Hinblick darauf, dass sich der Querverkehr und insbesondere auch Fußgänger nach dieser Zeit bereits im Bereich der durch Rotlicht gesperrten Fahrbahn befinden können, eine abstrakte Gefährdung unterstellt hat (vgl. amtliche Begründung des Bundesrates zur 12. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 15. Oktober 1991, VkBl. 1991, 702, 704). Daraus folgt jedoch nicht, dass immer dann, wenn im Zeitpunkt des Rotlichtverstoßes auch der querende Verkehr noch wartepflichtig war, die Annahme eines Regelfalls gemäß 132.3 Anl. zu § 1 Abs. 1 BKatV ausgeschlossen wäre. Der Senat hält an seiner hiervon abweichenden Auffassung (vgl. Beschl. v. 19. September 2019 – [2 B] 53 Ss-OWi 507/19 [204/19]) nicht fest…..“

Haft II: Schwere der Taten für Wiederholungsgefahr, oder: Reichen Fahrraddiebstähle aus?

entnommen wikimedia.org
Urheber Rüdiger Wölk

Die zweite Haftentscheidung kommt mit dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 28.03.2022 – 1 Ws 33/22 – zum Schweregrad der Anlasstaten bei Wiederholungsgefahr. Das ist ja auch ein Thema, das die Rechtsprechung immer wieder beschäftigt.

Es geht in dem Verfahren um einen auf Wiederholungsgefahr gestützten Haftbefehl. Gegen den Beschuldigten sind – verkürzt dargestellt – mehrere Ermittlungsverfahren anhängig. In allen geht es u.a. auch um Fahrraddiebstähle. Außerdem gibt es bereits Verurteilungen wegen Diebstahlstaten. Wegen der weiteren Einzelheiten verweise ich auf den Volltext.

AG und LG sind von Wiederholungsgefahr i.S. des § 112a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO aus. Das OLG hat auf die (weitere) Haftbeschwerde des Beschuldigten den Haftbefehl aufgehoben:

„Entgegen der Auffassung der Vorgerichte ist auch keine Wiederholungsgefahr im Sinne des § 112a Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 StPO gegeben.

Zwar ist der Beschuldigte der wiederholten Begehung des Diebstahls im besonders schweren Fall, §§ 242, 243 Abs. 1 Ziff. 2 StGB, und damit einer Katalogtat des § 112a Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 StPO dringend verdächtig. Insoweit braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob bereits die den Gegenstand des Haftbefehls vom 05. Januar 2022 bildenden Taten hierfür genügen, obwohl hinsichtlich der Tat zu 5) im Wege der Wahlfeststellung auch eine Hehlerei im Sinne des § 259 StGB in Betracht kommt. Zur Begründung der Wiederholungsgefahr gemäß § 112a StPO können auch Taten herangezogen werden, die den Gegenstand eines anderen Ermittlungsverfahrens bilden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage, zu § 112a Rz. 8). Eine Wiederholung der Tat zu 1) des Haftbefehls bedeuten jedenfalls die zum Nachteil der Zeugen N… und D… am 02. Oktober 2021 und 19. Dezember 2021 begangenen Diebstahlshandlungen, derer der Beschuldigte aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses ebenfalls dringend verdächtig ist. Das Fahrrad der Zeugin D… ist anlässlich der Durchsuchungsmaßnahme in der Wohnung des Beschuldigten vorgefunden worden. Der Zeuge N… hat den Beschuldigten anlässlich einer Wahllichtbildvorlage wiedererkannt.

Auch zeigen die Ermittlungsergebnisse bestimmte Tatsachen auf, aus denen sich eine starke innere Neigung des Beschuldigten ergibt, Fahrraddiebstähle zu begehen. Hieraus begründet sich die Besorgnis, er werde die Serie gleichartiger Taten noch vor der Verurteilung wegen der dem Haftbefehl zugrunde liegenden Diebstahlsvorwürfe fortsetzen (vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., Rz. 14). Der bereits wegen Diebstahls vorbestrafte Beschuldigte ist auf der Grundlage bisheriger Ermittlungen Mitglied einer Organisation, die sich zur fortgesetzten Begehung von Fahrraddiebstählen zusammengeschlossen hat. Die Taten liegen nach Art einer Serie zeitnah beieinander.

Es fehlt indessen an der von § 112a StPO vorausgesetzten schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsordnung durch die Anlasstat.

Da die in den Katalog des § 112a Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 StPO aufgenommenen Straftaten schon generell schwerwiegender Natur sind, der Kreis der Delikte indessen durch das Merkmal der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsordnung noch weiter eingeschränkt werden soll, können nur Taten überdurchschnittlichen Schweregrads als Anlasstaten eingestuft werden (OLG Hamm NStZ-RR 2015, 115, 116; OLG Frankfurt StV 2016, 816 f.; Graf in: Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Auflage, zu § 112a, Rz. 14a), also solche, die mindestens in der oberen Hälfte der mittelschweren Kriminalität liegen (OLG Braunschweig StV 2012, 352 f.; OLG Frankfurt a. a. O.). Ob dies der Fall ist, richtet sich insbesondere nach dem Unrechtsgehalt der Tat sowie nach Art und Umfang des angerichteten Schadens (Saarländisches OLG, Beschluss vom 16. Oktober 2018, 1 Ws 206/18, Rz. 17, Juris; OLG Hamm a. a. O.; OLG Karlsruhe StV 2017, 456 f.; OLG Frankfurt a. a. O.; Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., zu § 112a, Rz. 9). Dabei muss jede einzelne Tat nach ihrem konkreten Erscheinungsbild den erforderlichen Schweregrad aufweisen, eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung erst aus dem Gesamtunrecht aller Taten herzuleiten, ist nicht zulässig (Saarländisches OLG a. a. O.; OLG Frankfurt a. a. O.; Graf in Karlsruher Kommentar a. a. O.; Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O.).

Hieran gemessen, handelt es sich bei der Anlasstat vom 04. Januar 2022 nicht um eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat. Der Diebstahl mit Waffen, dessen der Beschuldigte dringend verdächtig ist, weist keinen überdurchschnittlichen Schweregrad auf, er ist lediglich der mittleren Kriminalität zuzuordnen. Die Art der Tatausführung, die Auswirkungen der Tat, die aus ihr sprechende Gesinnung, der bei ihr aufgewendete Wille und die Beweggründe und Ziele des Beschuldigten weisen keine über das durchschnittliche Erscheinungsbild hinausgehenden Besonderheiten auf. Insoweit ist insbesondere zu beachten, dass der Beschuldigte zwar ein Messer bei sich führte, es sich hierbei indessen nur um ein gewöhnliches Taschenmesser handelte, dessen Eignung zur Herbeiführung erheblicher Verletzungen nach Art seiner Verwendung im konkreten Fall noch aufzuklären sein wird (vgl. hierzu BGH StV 2002, 191; NStZ-RR 2003, 12; 2005, 340; OLG Braunschweig NJW 2002, 1735).

Auch aus den Tatfolgen lässt sich eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung nicht herleiten. In Übereinstimmung mit der Auffassung der Beschwerdekammer des Landgerichts nimmt der Senat für Taten nach § 243 StGB eine Wertgrenze von 2.000,00 € an (vgl. Seite 7 der Entscheidung des Landgerichts m. w. N.). Diese Wertgrenze ist hinsichtlich der Taten, die Gegenstand des Haftbefehls vom 05. Januar 2022 sind – Fahrräder der Geschädigten P… und W… –, nicht erreicht. Bezogen auf das E-Bike des Zeugen N… geht die Kammer in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht vom Neupreis des Diebesguts aus, den sie mit 2.500,00 € beziffert. Das E-Bike war indessen zur Tatzeit nach Angaben des Geschädigten bereits zwei Jahre alt, sodass sein Wert sich erheblich reduziert haben und die genannte Grenze nicht mehr erreichen dürfte.

Bei zusammenfassender Würdigung der Umstände handelt es sich bei den Taten jeweils nicht um solche, die mindestens der oberen Hälfte der mittelschweren Kriminalität zuzuordnen sind, und damit nicht um solche, durch welche die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigt wird.“