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Haft I: Akteneinsicht beim nicht vollstreckten Haftbefehl, oder: Gibt es auch beim BGH nicht

Heute dann der erste Tag mit Blogbeiträgen „direkt“ aus Ostfriesland, also nicht vorbereitet. Ich muss aber um Nachsicht bitten, dass es jeweils weitgehend nur die Leitsätze gibt. Die sind aber „selbst erklärend“. Thematik am heutigen Donnerstag: U-Haftfragen.

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Und da weise ich zunächst hin auf einen U-Haft-Beschluss des BGH, und zwar den BGH, Beschl. v.03.04.3029 – StB 5/19. Es geht um eine Beschwerde gegen einen noch nicht vollstreckten Haftbefehl und die Frage der Akteneinsicht. Die Problemtaik hat vor kurzem ja auch der  OLG München, Beschl. v. 22.01.2019 – 2 Ws 51/19 – behanedelt (vgl. dazu Haft III: Keine Akteneinsicht beim nicht vollstreckten Haftbefehl, oder: Ob das richtig ist, wage ich zu bezweifeln).

Im vom BGH entschiedenen Fall hatte der Ermittlungsrichter des BGH gegen den Be­schuldigten Haftbefehl wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129b StGB) erlassen. Dieser wurde bislang nicht voll­streckt worden. Der GBA hat dem Verteidiger des Beschuldigten Akteneinsicht nach § 147 Abs. 2 Satz 1 StPO unter Verweis auf eine Gefährdung des Untersuchungszwecks versagt. Der Ermittlungsrichter des BGH hat der dagegen eingelegten Beschwerde des Verteidigers gegen den Haftbefehl nicht abgeholfen. Der BGH-Senat hat den Haftbefehl dann abgeändert, die Beschwerde im Übrigen aber verworfen.

Leitsatz seiner Entscheidung:

Eine Beschwerde gegen einen noch nicht vollstreckten Haftbefehl hat grund­sätzlich nicht schon allein deswegen Erfolg, weil die Staatsanwaltschaft Einsicht in die die Haftentscheidung tragenden Aktenteile verweigert hat. Es ist auch nicht veranlasst, die Beschwerdeentscheidung zurückzustellen, bis eine Akten­einsicht ohne die Gefährdung des Untersuchungszwecks möglich ist.

Haft III: Keine Akteneinsicht beim nicht vollstreckten Haftbefehl, oder: Ob das richtig ist, wage ich zu bezweifeln

entnommen der Homepage der Kanzlei Hoenig, Berlin

Und die dritte Entscheidung kommt aus Bayern. Der OLG München, Beschl. v. 22.01.2019 – 2 Ws 51/19 – nimmt zur Frage der Akteneinsicht bei bestehendem Ergreifungshaftbefehl Stellung, wenn U-Haft noch nicht vollstreckt wird. Das OLG lehnt die Akteneinsicht ab. Die Leitsätze der Entscheidung – so stehen sie bei Bayern.Recht, stammen aber wohl von Beck-Online.

1. Der Begriff „Verhaftung“ im Sinne des § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO (weitere Beschwerde) umfasst auch Entscheidungen über die Anordnung oder Aufrechterhaltung eines Freiheitsentzugs, auch wenn die angefochtene Entscheidung aktuell nicht vollzogen wird.

2. Solange in einem laufenden Ermittlungsverfahren ein bestehender Ergreifungshaftbefehl gegen den untergetauchten Beschuldigten noch nicht vollstreckt ist, hat der Verteidiger weder einen Anspruch auf Gewährung von Akteneinsicht noch auf Mitteilung des Haftbefehls. Darin liegt weder eine Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG noch des Anspruchs auf Gewährleistung einer effektiven Verteidigungsmöglichkeit nach Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG.

Na, ob das so richtig ist, wage ich zu bezweifeln – ist aber (leider) h.M. in der Rechtsprechung. Übersehen wird m.E., dass der Beschuldigte bzw. sein Verteidiger im Beschwerdeverfahren einen Anspruch auf Akteneinsicht hat. Zwangsmaßnahmen, also auch ein Haftbefehl, dürfen nur auf die bekannten Umstände/Tatsachen gestützt werden. Will die Staatsanwaltschaft die nicht bekannt machen, dann muss sie den Haftbefehlsantrag eben unterlassen. Alles andere führt dazu, dass man den Beschuldigten inzidenter zwingt, sich zu stellen, damit der Haftbefehl vollstreckt wird und er dann die dem Haftbefehl zu Grunde liegenden Tatsachen pp. erfährt. Macht es für die Ermittlungsbehörden zwar schwieriger, aber ist dann nun mal so….