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OWi I: Mobiltelefon nur halten reicht (auch jetzt) nicht, oder: Habe ich doch schon immer gesagt

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So, heute OWi-Tag. Und den eröffne ich mit zwei Entscheidungen zu § 23 Abs. 1a StVO – Elekktronisches Gerät im Straßenverkehr.

Und da weise ich zunächst auf den OLG Celle, Beschl. v. 07.02.2019 – 3 Ss (OWi) 8/19 – hin. Der ist taufrisch – nämlich von gestern. Ich könnte ihn auch überschreiben mit: Habe ich doch immer gesagt. Denn das OLG Celle bestätigt die Auffassung, die davon ausgeht, dass auch nach der Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO ein Verstoß nur dann vorliegt, wenn über das bloße Aufnehmen oder Halten des elektronischen Geräts hinaus ein Zusammenhang mit der Verwendung einer Bedienfunktion des Geräts besteht:

„Nach den Feststellungen führte der Betroffene am 10. November 2017 auf dem H. Weg in H. einen Personenkraftwagen und „benutzte“ während der Fahrt ein Mobiltelefon, „indem er dieses in seiner Hand hielt“. Weitere Feststellungen hat das Amtsgericht nicht getroffen. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat es ausgeführt, dass die Zeugin nicht habe bekunden können, ob der Betroffene Sprechbewegungen gemacht habe. Das Amtsgericht ist der Auffassung, dass nach § 23 Abs. 1a StVO n.F. bereits das bloße Halten des Mobiltelefons den Tatbestand erfülle…..

II.

Das Rechtsmittel hat (zumindest vorläufig) Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Die Frage, ob nach der Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO bereits das bloße Halten eines elektronischen Gerätes ausreicht, um den Bußgeldtatbestand zu verwirklichen, ist in der Fachliteratur umstritten und wurde bislang – soweit ersichtlich – obergerichtlich noch nicht tragend entschieden.

2. Aus den vorgenannten Gründen ist die Sache gemäß § 80 a Abs. 3 OWiG vom Einzelrichter auf den Senat übertragen worden.

3. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

Das angefochtene Urteil hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, weil die getroffenen Feststellungen den Schuldspruch nicht tragen.

a) Allein durch das Aufnehmen oder Halten eines elektronischen Gerätes, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, während der Fahrt begeht der Führer eines Kraftfahrzeuges keinen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO in der Fassung der Dreiundfünfzigsten Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 6. Oktober 2017 (BGBL. I 2017, 3549). Es muss vielmehr auch weiterhin über das bloße Halten hinaus eine Benutzung des elektronischen Geräts hinzukommen (so auch König, in Hentschel/König/Dauer, StVO 45. Aufl. § 23 Rn. 32; Ternig VD 2018, 300; ders. SVR 2018, 434; Krenberger, jurisPR-VerkR 18/2018 Anm. 6).

b) Der Auffassung, die einen Verstoß bereits dann annimmt, wenn das elektronische Gerät in der Hand gehalten wird (OLG Oldenburg, Beschluss vom 25. Juli 2018 – 2 Ss (OWi) 201/18 –, DAR 2018, 577; Fromm, MMR 2018, 68, 69; Eggert in Freymann/Wellner, juris PK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 23 StVO 1. Überarbeitung Rn. 28.1), vermag der Senat nicht zu folgen. Sie ist nicht mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar. Danach darf, wer ein Fahrzeug führt, ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, „nur benutzen, wenn (…) hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird (…)“. Die Vorschrift regelt also, unter welchen Bedingungen die Benutzung eines elektronischen Geräts während der Fahrt erlaubt ist, und verbietet das Aufnehmen oder Halten des Geräts zu diesem Zweck („hierfür“). Fehlt es hingegen am Element der Benutzung, so unterfällt auch das Aufnehmen oder Halten nicht dem Verbot. Deshalb kann nicht allein das Aufnehmen oder Halten des Geräts ein Benutzen im Sinne der Vorschrift ausmachen. Hinzukommen muss vielmehr irgendein Zusammenhang des Aufnehmens oder Haltens mit einer der Bedienfunktionen des Gerätes, also mit seiner Bestimmung zur Kommunikation, Information oder Organisation (vgl. König aaO; Ternig aaO).

c) In der Rechtsprechung zur alten Fassung der Vorschrift war anerkannt, dass den Tatbestand nicht erfüllt, wer das Mobiltelefon lediglich aufnimmt, um es andernorts wieder abzulegen (OLG Köln NJW 2015, 361; OLG Düsseldorf NZV 2007, 95; OLG Bamberg VM 2007 Nr. 62; OLG Hamm NJW 2006, 2870). Hieran hat sich durch die Neufassung der Vorschrift nichts geändert (so auch Eggert aaO). Der mögliche Wortsinn des gesetzlichen Tatbestands bildet die Grenze der Auslegung (vgl. KK/OWiG-Rogall 5. Aufl. § 3 Rn. 53 mwN). Vom möglichen Wortsinn des Begriffs „Benutzen“ ist aber die bloße Ortsveränderung des elektronischen Geräts nicht mehr gedeckt, weil eine solche Handlung keinen Bezug zur Funktionalität des Geräts aufweist (OLG Köln aaO). Es kann dann nicht mehr die Rede davon sein, dass es bestimmungsgemäß verwendet wird.

Abgesehen davon dürfen mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG einzelne Tatbestandsmerkmale auch innerhalb ihres möglichen Wortsinns nicht so weit ausgelegt werden, dass sie vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen, also zwangsläufig mit diesen mitverwirklicht werden (Verschleifung oder Entgrenzung von Tatbestandsmerkmalen; vgl. BVerfGE 87, 209, 229; 92, 1, 16 f., 126, 170, 233). Hierauf würde es aber hinauslaufen, wenn man jegliches Aufnehmen oder Halten eines elektronischen Geräts mit dessen Benutzung gleichsetzte (vgl. Bertlings, jurisPR-StrafR 20/2018 Anm. 5). Es wäre auch nicht einsichtig, eine funktionsneutrale Tätigkeit wie das Umlagern bei einem elektronischen Gerät anders zu bewerten als bei sonstigen im Fahrzeug mitgeführten Gegenständen (vgl. Ternig aaO).

d) Die hier vertretene Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Nach der Begründung des Änderungsentwurfs enthält der neue Absatz 1a „statt dem bisherigen Verbot nunmehr ein Gebot, unter welchen Voraussetzungen eine Gerätenutzung zulässig ist“ (BR-Drucks. 556/17, S. 25). Die in § 23 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 StVO n.F. zusätzlich normierten Nutzungsvoraussetzungen wurden eingefügt, „um die auch bei Einhaltung des hand-held-Verbots mit der Benutzung einhergehenden verkehrssicherheitsgefährdenden Tätigkeiten weiter zu minimieren“ (BR-Drucks. aaO S. 26). Hieran zeigt sich, dass aus Sicht des Verordnungsgebers dem Tatbestandsmerkmal der „Benutzung“ weiterhin ein eigener Regelungsgehalt zukommt, der an die mit der Benutzung „einhergehenden verkehrssicherheitsgefährdenden Tätigkeiten“ – auch ohne Aufnehmen oder Halten des Geräts – anknüpft. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Teil der Entwurfsbegründung, auf den das Oberlandesgericht Oldenburg maßgeblich abgestellt hat. Dort heißt es:

„Unter Berücksichtigung der Empfehlungen des 55. Deutschen Verkehrsgerichtstages wird klargestellt, dass es für das Verbot der Gerätenutzung nicht nur darauf ankommt, ob das Gerät für die Benutzung grundsätzlich in der Hand gehalten werden muss, sondern ob es tatsächlich in der Hand gehalten wird. Hiermit soll eine Regelungslücke geschlossen werden für Fälle, in denen das Gerät in der Hand gehalten wird, obwohl dies nicht erforderlich wäre (vgl. auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.4.2016 – 4 Ss 212/16).“

In dieser Passage wird – wie auch im Verordnungstext selbst – das Halten des Geräts im Zusammenhang mit der Benutzung genannt. Einziger Unterschied zur alten Fassung der Vorschrift ist, dass das Halten des Geräts nun nicht mehr für die Benutzung erforderlich sein muss, sondern es ausreicht, dass Benutzung und Halten rein tatsächlich zusammentreffen. Zu dieser Änderung sah sich der Verordnungsgeber veranlasst, weil in dem vom Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Fall der Betroffene ein Telefongespräch über eine Freisprechanlage geführt und dennoch das Mobiltelefon in der Hand gehalten hatte, obwohl dies für das Telefonieren unnötig war. Allein diese Regelungslücke sollte geschlossen werden. Die Absicht, ein generelles Verbot des Aufnehmens oder Haltens elektronischer Geräte ohne Zusammenhang mit einer der Bedienfunktionen einzuführen, ist dem nicht zu entnehmen. Hätte der Verordnungsgeber zum Ziel gehabt, die Hände des Fahrzeugführers vollständig von fahrfremden Tätigkeiten freizuhalten oder etwaige Beweisschwierigkeiten mit Blick auf die immer wieder neu auftauchenden Schutzbehauptungen Betroffener auszuräumen, so wäre zudem nicht erklärlich, warum das Verbot auf elektronische Geräte beschränkt worden ist, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen oder zu dienen bestimmt sind. Aus der Entwurfsbegründung ergibt sich vielmehr, dass der Verordnungsgeber gerade in der Kombination von Halten des elektronischen Geräts und Nutzung einer Bedienfunktion eine erhöhte Gefährdung der Verkehrssicherheit sieht, die mit Blick auf das Übermaßverbot die Beschränkung – im Gegensatz zu anderen, als sozialadäquat angesehenen fahrfremden Tätigkeiten (z.B. essen) – rechtfertigt (BR-Drucks. 556/17, S. 25 f.).

e) Die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 121 Abs. 2 GVG i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG sind nicht erfüllt. Zwar gilt die Vorlagepflicht auch im Zulassungsverfahren nach § 80 OWiG (vgl. BGHSt 23, 365, 366; 24, 208, 209). Sie besteht aber nur, wenn die Rechtsauffassung, von der abgewichen werden soll, tragende Grundlage der früheren Entscheidung des anderen Oberlandesgerichts war (vgl. BGHSt 30, 160; KK/StPO-Hannich 7. Aufl. § 121 GVG Rn. 38 mwN). Das ist vorliegend nicht der Fall. In der vom Oberlandesgericht Oldenburg entschiedenen Sache hatte das Amtsgericht nämlich festgestellt, dass der Betroffene während der Fahrt ein Mobiltelefon in der Hand hielt und mehrere Sekunden auf das Display schaute. Damit lag über das bloße Halten hinaus ein Zusammenhang mit einer Bedienfunktion des Mobiltelefons, mithin ein Benutzen vor (so auch Ternig aaO). Denn eine Benutzung setzt nicht das Zustandekommen einer Verbindung zum Internet oder Mobilfunknetz voraus; bereits das Ablesen der Uhrzeit, Prüfen des Ladezustands o.ä. reicht aus (vgl. König aaO). Auch nach der hier vertretenen Auffassung ist darin ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO n.F. zu sehen, ohne dass es weiterer Feststellungen bedarf, welche Bedienfunktion konkret verwendet wurde. Auf der Ansicht, dass auch das Halten allein für den Verstoß ausgereicht hätte, beruht die frühere Entscheidung also nicht.

III.

Das angefochtene Urteil kann somit keinen Bestand haben. Eine eigene Sachentscheidung des Senats kommt nicht in Betracht. Denn es ist nicht auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die eine rechtsfehlerfreie Verurteilung des Betroffenen tragen. Die Wahrnehmung von Sprechbewegungen ist hierfür nicht zwingend erforderlich. Bereits aus der Art und Weise, wie das Mobiltelefon gehalten wurde, können Rückschlüsse auf die Nutzung einer Bedienfunktion gezogen werden.“

Wie gesagt: habe ich doch schon immer gesagt (vgl. dazu auch Elektronische Geräte/Mobiltelefon im Straßenverkehr).

OWi II: Handy im Straßenverkehr, oder: Kein Verstoß bei „manueller Motorabschaltung“

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Als zweite OWi-Entscheidung dann der KG, Beschl. v. 23.08.2018 – 3 Ws (B) 217/18 -, der zum „neuen“ § 23 Abs. 1a und 1b StVO Stellung nimmt. Also: Elektronisches Gerät (=Smartphone) im Straßenverkehr. Das Verbot gilt nach § 23 Abs. 1b Nr. 1 StVO ja nicht, wenn das Fahrzeug steht und „der Motor ausgeschaltet ist“. Davon gibt es wieder eine Ausnahme – Dobrindtsche Gesetzestechnik 🙂 -, nämlich nach § § 23 Abs. 1 b Satz 2 StVO, wenn der Motor „fahrzeugseitig automatisch abgeschaltet“ ist.

Das AG hatte nun den Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO, obwohl der Motor abgeschaltet war, und zwar vom Betroffenen manuell. Das hatte das AG als eine Ausnahme von der Ausnahme angesehen und dabei – die Urteilsgründe teilt das KG (mal wieder) nicht näher mit offenbar auf den Sinn und Zweck der Ausnahme von der Ausnahme verwiesen. Das KG sagt: So nicht, denn das ist ein Verstoß gegen das Analogieverbot.

„Lediglich informatorisch teilt der Senat mit, wie die Generalstaatsanwaltschaft Berlin Stellung genommen hat:

„Es ergibt sich bereits aus dem Gesetz, dass die in § 23 Abs. 1b StVO normierte Ausnahme von dem Benutzungsverbot elektronischer Geräte nach § 23 Abs. 1a StVO ihrerseits gemäß § 23 Abs. 1b Satz 2 StVO nur dann eine Ausnahme findet, wenn der Motor über die Start-Stopp-Funktion abgeschaltet wird. Die – hier festgestellte – manuelle Abschaltung des Motors begründet eine derartige Ausnahme nicht. Soweit die Situation mit derjenigen vergleichbar ist, die für den Gesetzgeber bei Abschalten des Motors über die Start-Stopp-Funktion besteht (vgl. hierzu BR-Drucks. 556/17 S. 28), handelt es sich um eine Lücke im Gesetz, die nicht geschlossen werden kann, weil es sich hierbei um eine nicht mit Art. 103 Abs. 2 GG zu vereinbarende Ausdehnung des Tatbestandes handeln würde (vgl. auch OLG Bamberg NZV 2007, 49 ff.). Ob sich das Amtsgericht hieran gehalten hat, ist eine die Zulassung nicht gebietende Frage des Einzelfalles.“ 

Dieser Einschätzung, namentlich auch zur  Ausnahme-von-der-Ausnahme-Systematik des § 23 Abs. 1b StVO, folgt der Senat. Die Annahme, das händische sei mit dem automatischen Ausschalten des Motors „vergleichbar“ (UA S. 3), verstößt gegen das Analogieverbot. Es ist aber nicht zu besorgen, dass das Amtsgericht dies in zukünftigen Fällen außer Acht lässt. „

Ich verstehe allerdings nicht so ganz, warum an der Stelle eine Gesetzeslücke bestehen soll.

Ablehnung der Entbindung, oder: Vielleicht kann sich der Polizeibeamte ja besser erinnern

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Starten wir in den Mittwoch mit dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.2.2018 – 2 RBs 16/18, der in meinen Augen falsch ist. Es geht um eine „Entbindungsproblemati – gepaart mit einem Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO. Der Verteidiger hatte in einem Bußgeldverfahren, in dem dem Betroffenen die verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons vorgeworfen wurde, also Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO, beantragt, den Betroffenen von seiner Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung gem. § 73 Abs. 2 OWiG zu entbinden. Begründung: Der Betroffene räume ein, dass er Fahrzeugführer gewesen sei, im Übrigen wolle er keine Angaben zur Sache machen. Das AG hat dann nicht entbunden, sondern hat die Anwesenheit des Betroffenen für notwendig erachtet. Der Betroffene habe am Tattag gegenüber dem als Zeugen zur Hauptverhandlung geladenen Polizeibeamten angegeben, dass sein Handy die ganze Zeit zwischen seinen Beinen gelegen habe. Daher erhoffe sich das AG, dass der Zeuge sich anhand des Erscheinungsbildes des Betroffenen genauer an den Vorfall erinnern könne.

Der Betroffene ist dann in der Hauptverhandlung nicht erschienen. Das AG hat seinen Einspruch gem. § 74 OWiG verworfen. Die gegen das Verwerfungsurteil gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte keinen Erfolg:

„1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht bereits zur Ermöglichung der Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf das Vorliegen einer Gehörsverletzung zuzulassen, sondern erst dann, wenn die Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts auf Grund der Antragsbegründung eine solche ergeben hat (BVerfG NJW 1992, 2811, 2812). Eine Gehörsverletzung deckt die Antragsbegründung indes nicht auf.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen nicht von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbinden müssen. Insbesondere hat es sich bei dieser Entscheidung auch nicht um eine Entscheidung auf Grundlage vermeintlich bestehenden Ermessens gehandelt, das dem Amtsgericht, wie der Betroffene unter Hinweis auf die Entscheidungen der Oberlandesgerichte Frankfurt (NZV 2011, 561) und Hamm (DAR 2016, 595) zutreffend ausführt, nicht zugestanden hätte. Vielmehr hat das Amtsgericht aufgrund einer Prognose zur Dienlichkeit der Anwesenheit des Betroffenen für die durchzuführende Beweisaufnahme entschieden, die ihm auch zustand.

a) Soweit die Entscheidung über einen Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung wie hier von der Frage abhängt, ob dessen Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts erforderlich ist (§ 73 Abs. 2 OWiG), muss der Tatrichter notwendigerweise eine Prognose über den zu erwartenden Verlauf der Beweisaufnahme mit und ohne Anwesenheit des Betroffenen anstellen. Nur auf Grundlage dieser Gegenüberstellung, deren schriftliche Niederlegung regelmäßig entbehrlich sein dürfte, weil eine hinreichend klare Begründung – teils schon wegen des auf der Hand liegenden Ergebnisses – auch ohne eine solche explizite Gegenüberstellung möglich sein wird, kann der Tatrichter seine Entscheidung treffen, ob er auf der Anwesenheit des Betroffenen bestehen muss.

Die Nachprüfung der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen durch den Senat findet ihre Grenze in dem auch im Bußgeldverfahren Geltung beanspruchenden strafprozessualen Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§§ 261 StPO, 71 Abs. 1 OWiG). Danach entscheidet der Tatrichter aufgrund der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung. An gesetzliche Beweisregeln ist er nicht gebunden, wohl aber an wissenschaftliche Erkenntnisse, Gesetze der Logik und Erfahrungssätze. Die tatrichterliche Überzeugung darf das Rechtsmittelgericht nur dahingehend überprüfen, ob die Erwägungen des Tatrichters ausgehend davon nachvollziehbar sind und insbesondere keine Widersprüchen, Unklarheiten, Lücken und Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Lebenserfahrungen aufweisen (BGH NStZ-RR 2008, 146, 147).

Diese Grenzen hat das Rechtsbeschwerdegericht auch bei der Nachprüfung der Anwendung des § 73 Abs. 2 OWiG zu beachten. Nur wenn auf Grundlage der dem Amtsgericht im Rahmen freier Beweiswürdigung zustehenden Erwägungen die Anwesenheit des Betroffenen nicht geeignet ist, dem weiteren Erkenntnisgewinn in der Hauptverhandlung zu wesentlichen Gesichtspunkten förderlich zu sein, ist die Ablehnung der Entbindung des Betroffenen rechtsfehlerhaft. So lag es etwa in dem vom Oberlandesgericht Frankfurt (a. a. O.) entschiedenen Fall, in dem es dem Amtsgericht – so das Oberlandesgericht – gar nicht um eine bessere Sachaufklärung, sondern um die „schulmeisterliche Belehrung“ des Betroffenen gegangen ist.

b) Die vom Amtsgericht angestellten Erwägungen erweisen sich ausgehend davon als rechtsfehlerfrei.

Das Amtsgericht hat hier zur Begründung der Erforderlichkeit der Anwesenheit des Betroffenen auf besondere und bemerkenswerte Umstände des Einzelfalls abgestellt.

Auch die Erwägungen des Oberlandesgerichts Hamm (a. a. O.) aus der in der Antragbegründung angeführten Entscheidung würden für den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht zum Erfolg des Zulassungsantrages führen, auch wenn dort im Ergebnis das Erfordernis der Anwesenheit des Betroffenen, dem gleichfalls der Vorwurf der verbotswidrigen Benutzung eines Mobiltelefons gemacht worden war, verneint worden ist. Das Oberlandesgericht Hamm hat ausgeführt, dass es tatsächlicher Anhaltspunkte dafür bedürfe, dass durch die persönliche Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung ein wesentlicher Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts zu erwarten sein müsse. Deshalb reiche die rein theoretische, durch keine einzelfallbezogenen konkreten Tatsachen gestützte Möglichkeit, polizeiliche Zeugen könnten sich nach längerer Zeit an ein von ihnen beobachtetes Fehlverhalten eines Betroffenen im Straßenverkehr besser oder überhaupt erst erinnern, wenn sie den Betroffenen in der Hauptverhandlung sehen, nicht zur Ablehnung eines Entbindungsantrages aus.

Hier hat das Amtsgericht seine diesbezügliche Erwartung aber gerade auf einzelfallbezogene – und in besonderem Maße prägnante – Tatsachen gestützt.“

Ja: „ gerade auf einzelfallbezogene – und in besonderem Maße prägnante – Tatsachen gestützt.“ Man muss im Volltext nicht weiterlesen, es fehlt hier nichts. Welche „einzelfallbezogenen – und in besonderem Maße prägnanten – Tatsachen“ denn nun den Beschluss des AG stützen (sollen/können), erfahren wir nicht. Es sein denn das OLG  will sich ernsthaft ernsthaft auf: “ Der Betroffene habe am Tattag gegenüber dem als Zeugen zur Hauptverhandlung geladenen Polizeibeamten angegeben, dass sein Handy die ganze Zeit zwischen seinen Beinen gelegen habe„.stützen. Das ist aber doch gerade nicht mehr als die vom OLG abgelehnte Begründung „rein theoretische, durch keine einzelfallbezogenen konkreten Tatsachen gestützte Möglichkeit, polizeiliche Zeugen könnten sich nach längerer Zeit an ein von ihnen beobachtetes Fehlverhalten eines Betroffenen im Straßenverkehr besser oder überhaupt erst erinnern“. Das Ganze ist in meine Augen nichts anderes als Vorbereitung und dann Absegnung der Verwerfungsentscheidung. Aber damit ist das OLG Düsseldorf eh „großzügig“ (vgl. Beim Autofahren telefoniert – ich will dich auf jeden Fall in der Hauptverhandlung sehen…).

Mobiltelefon im Straßenverkehr, oder: Was haben die Polizeibeamten gesehen/wofür kann man die „Gewähr“ übernehmen?

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Egal, welche Änderung des Mobilfunkparagrafen – wann (?) – kommt (vgl. Mobilfunkparagraf III, oder: Dobrindtscher Irrsinn passiert nicht den Bundesrat – Entwarnung?: Es wird weiterhin das Problem mit und die Probleme in der Beweiswürdigung geben, über die die Kollegen derzeit immer wieder klagen. Dass es nämlich ohne Bedeutung ist, wenn die Polizeibeamten längere Zeit nach dem potentiellen Verstoß als Zeugen vernommen werden und die AG dann „ohne viel Federlesens“ einfach davon ausgehen, dass die Polizeibeamten sich noch erinnern können und es reicht, wenn sie sich auf ihre damaligen Feststellungen beziehen. Etwas anders jetzt das AG Dortmund, Urt. v. 13.06.2017 – 729 OWi-261 Js 625/17-114/17.

Dem Betroffenen war vorgeworfen worden, am 17.02.2017 um 12.37 Uhr in Dortmund auf dem Körner Hellweg in Höhe Haus 113 in Fahrtrichtung Osten als Führer eines PKW ein Mobiltelefon verbotswidrig benutzt zu haben, indem er es aufnahm und hielt. Das AG hat festgestellt, dass der Betroffene zu der fraglichen Zeit das Kraftfahrzeug an der fraglichen Stelle führte. Ob er jedoch ein Mobiltelefon verbotswidrig benutzte, konnte das AG nicht mehr feststellen. Der von der Erscheinenspflicht entbundene Betroffene hatte durch schriftliche Erklärung seine Fahrereigenschaft zugestanden. Die Benutzung eines Mobiltelefons zur Tatzeit war jedoch in Abrede gestellt worden. Dazu hat das AG drei Polizeibeamte A, B und C vernommen. A war Anhalteposten und B und C hatten „aus dem ersten Obergeschoss des an der Tatörtlichkeit sich befindenden Polizeigebäudes aus dem Fenster die vorbeifahrenden Fahrzeuge beobachtet „. Allein das würde bei mir schon die Alarmglocken schrillen lassen und zu einigen Rückfragen in der Beweisaufnahme führen: Wie weit weg von der Straße? Durch offenes Fenster beobachtet. Was kann man eigentlich sehen, usw.?

Das AG hat dann aus einem anderen Grund frei gesprochen:

Das Gericht hat alle drei an der Feststellung des Verstoßes beteiligten Polizeibeamten hierzu vernommen, konnte jedoch keine tragfähigen Feststellungen treffen. Das Gericht konnte durch Vernehmung der Zeugin A, B und C klären, dass der Zeuge A zur Tatzeit ausschließlich als Anhalteposten und Protokollführer/Anzeigenverfasser fungierte und die beiden anderen Zeugen aus dem ersten Obergeschoss des an der Tatörtlichkeit sich befindenden Polizeigebäudes aus dem Fenster die vorbeifahrenden Fahrzeuge beobachtet hatten. Keiner der drei Beamten konnte von sich aus aus seiner Erinnerung noch etwas zu dem Vorfall sagen. Lediglich der Zeuge A konnte ausführen, dass er als Anhalteposten auch nachträglich für die Anzeigenerstattung zuständig gewesen war. Er erklärte insoweit, er übernehme die Gewähr für die Richtigkeit seiner Aufzeichnungen. Insofern nehme er Bezug auf das von ihm gefertigte Beiblatt zum Datenerfassungs- beleg, in dem der Handyverstoß näher verzeichnet sei. Dieser Verstoß werde – dies erklärten auch die anderen beiden gehörten Zeugen – immer mit den beobachtenden Polizeibeamten per Funk abgeglichen. Die Bezeichnung der Halteposition eines Handys in der Anzeige oder beigefügten Blättern beruhe so mittelbar auf den Angaben der jeweiligen Kollegen.

In dem Beiblatt zur Anzeige heißt es unter dem Punkt „Mobiltelefon“, dieses sei rechts halbhoch in der Hand gehalten worden; es habe sich um ein silberfarbenes Handy gehandelt habe; eine Tippbewegung sei festgestellt worden, aber keine Sprechbewegung. Das Handy sei bei der Kontrolle auf dem Beifahrersitz verblieben.

Das Gericht konnte durch Vorhalt und Vorlage dieses Datenblattes feststellen, dass der Zeuge A auch das fragliche Datenerfassungsblatt, Bl. 3 d.A., unterzeichnet hatte. Er konnte so durchaus die Gewähr für die Richtigkeit von ihm festgestellter und dokumentierter Wahrnehmungen/Ermittlungshandlungen übernehmen. Der Zeuge A konnte aber auch nur die Gewähr für seine eigenen Feststellungen übernehmen, nicht für die Richtigkeit von Feststellungen anderer Kollegen. Die Übernahme kann nach Ansicht des Gerichts auch nicht mittelbar stattfinden. Sie kann bei einer dokumentierten Erklärung über die Wahrnehmung anderer Polizeibeamter nur dahin gehen, dass deren Mitteilung als solche richtig dokumentiert ist.

Die vorgenannten Dokumentationen sind so angesichts der Arbeitsaufteilung der involvierten Beamten derart zu verstehen, dass der unterzeichnende Beamte A die Gewähr für das Anhalten und den Verbleib des Handys beim Anhalten übernimmt.

Anders als in dem Fall, in dem der beobachtende Polizeibeamte auch die Anzeige gefertigt und die Richtigkeit des Anzeigetextes selbst auch für den Verstoß übernimmt, war im vorliegenden Fall somit keine Verstoßfeststellung möglich, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die beiden anderen Polizeibeamten erklärten, dass stets der Anzeigetext von ihnen auch üblicherweise noch einmal durchgeschaut werde. Das Gericht hielt ein derartiges Vorgehen nicht für ausreichend, um eine Verurteilung tragen zu können.

Zutreffend, allerdings habe ich auch in dem Fall, den das AG offenbar „anders…“ entscheiden würde, so meine Bedenken und würde schon nachfragen, was denn nun eigentlich noch „Erinnerung“ des Polizeibeamten ist. Allein die wäre für mich entscheidend. Ich weiß, dass die OLG es teilweise – gestützt auf BGH-Rechtsprechung – „anders“ sehen.  Aber man muss ja nicht auf jeden Zug aufspringen…..

Jedenfalls aber eine Entscheidung, mit der man argumentieren kann.

„Home-Button“ beim iPhone betätigt ==> Mobiltelefon benutzt ==> Bußgeld

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So, das Wochenende naht. Aber es ist noch nicht ganz erreicht, ein wenig muss noch gearbeitet werden. Und dazu gibt es zunächst den OLG Hamm, Beschl. v. 29.12.2016 – 1 RBs 170/16. Es handelt sich um eine weitere Entscheidung, die ich in das Stciwort „Mobiltelefon“ in der in der zweiten Jahreshälfte erscheinenden 5. Auflage das Handbuchs für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren einpflegen konnte/musste/durfte.

Das AG hatte den Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO verurteilt und dazu festgestellt, der Betroffene habe „während der Fahrt mit einem PKW ein i-Phone in der Hand gehalten und dessen „Home-Button“ betätigt, wobei nicht habe festgestellt werden können, ob der Betroffene gegebenenfalls lediglich habe kontrollieren wollen, ob das Gerät eingeschaltet ist, um es dann gegebenenfalls auszuschalten, oder ob der Betroffene eine sonstige weitere Funktion des Telefons habe nutzen wollen.“ Dagegen der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit welcher geltend gemacht wird, der Betroffene habe durch die Betätigung des Home-Button lediglich sicherstellen wollen, dass sein Handy ausgeschaltet sei, was sich auch bestätigt habe; das Handy habe mangels eingeschaltetem Zustand gar nicht benutzt werden können.

Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zugelassen – das ist doch schon mal was 🙂 . Aber: Es hat die Rechtsbeschwerde dann als unbegründet verworfen:

„Indes beinhalten die seitens des Amtsgerichts getroffenen Feststellungen unter weiterer Berücksichtigung der entsprechenden Ausführungen in der Beweiswürdigung zumindest auch die zu Gunsten des Betroffenen zugrunde zu legende Möglichkeit, sein Mobiltelefon sei tatsächlich ausgeschaltet gewesen, was er durch Antippen des Home-Buttons lediglich habe kontrollieren wollen, so dass sich die Frage stellt, in welcher Form ein ausgeschaltetes Handy im Sinne des Gesetzes benutzt werden kann.

Es ist obergerichtlich hinreichend geklärt, dass sowohl das Einschalten als auch das Ausschalten eines Mobiltelefones als Benutzung im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO anzusehen ist (OLG Köln, Beschluss vom 09. Februar 2012 – III-1 RBs 39/12 –, juris). Aus der zutreffenden Einordnung des Einschaltens eines Mobiltelefones als dessen Benutzung ergibt sich zwangsläufig, dass die Nutzung des Mobiltelefons entgegen dem Rechtsbeschwerdevorbringen gerade nicht voraussetzt, dass sich dieses bereits in einem aktiven Betriebszustand befindet.

Um Benutzung eines Mobiltelefons handelt es sich auch, wenn das Handy vom Betroffenen an sein Ohr gehalten wird, um einen Signalton abzuhören, um dadurch zu kontrollieren, ob das Handy ausgeschaltet ist (OLG Hamm, Beschluss vom 28. Dezember 2006 – 2 Ss OWi 805/06 –, juris).

Auch bei der von dem Betroffenen nach seiner Einlassung durchgeführten Kontrolle des „Ausgeschaltetseins“ handelt es sich um eine Benutzung des Mobiltelefones. Der Home-Button des Mobiltelefones dient in eingeschaltetem Zustand in seiner bestimmungsgemäßen aktiven Funktion unter anderem dazu, das mit einem verdunkelten Bildschirm im Ruhezustand befindliche Telefon „aufzuwecken“ und die Bildschirmanzeige zu aktivieren. Gleichzeitig ermöglicht er dadurch eine Kontrolle, ob das Handy ein- oder ausgeschaltet ist. Dementsprechend ist er mithin zur Erfüllung dieser letztgenannten ebenfalls bestimmungsgemäßen Nutzungsfunktion auch in ausgeschaltetem Zustand in der Lage, da der weiterhin verdunkelt bleibende Bildschirm die zuverlässige Information liefert, dass das Gerät tatsächlich ausgeschaltet ist. Es handelt sich letztlich um eine Art „Negativfunktion“ des ausgeschalteten Gerätes, deren Abruf allerdings nach Bewertung des Senats ohne Weiteres als Benutzung des Mobiltelefones bzw. seiner Funktionen anzusehen ist.“

Hier war es ein Iphone. Die Entscheidung gilt natürlich auch für andere Smartphones – einen dem „Home-Button “ vergleichbaren Button/Knopf haben sie ja alle.