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StGB II: „Ich mache Euch fertig, Ihr Schlampen“, oder: Keine Meinungsäußerung, sondern Formalbeleidigung,

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Die zweite Entscheidung des Tages kommt auch aus dem Komplex „Äußerungsdelikte“. Und zwar hat das BayObLG im BayObLG, Beschl. v. 06.11.2023 – 202 StRR 80/23 – zur Strafbarkeit der Bezeichnung einer Frau als „Schlampe“ als Beleidigung Stellung genommen.

Der Angeklagte ist vom AG/LG wegen Beleidigung (§ 185 StGB) zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Die Berufungskammer hatte dazu  im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

„Der vielfach vorbestrafte Angeklagte war bis Ende März 2022 mit der Mutter der Verletzten liiert. Weil die Mutter dem Angeklagten nach der Trennung für einen Antrag beim Arbeitsamt benötigte Unterlagen nicht zur Verfügung stellte, wollte der Angeklagte diese unter Druck setzen und zur Herausgabe der Unterlagen bewegen. Zu diesem Zweck veröffentlichte er auf Facebook eine Fotocollage verschiedener von der Verletzten gefertigter Torten und bewarb den Verkauf von Torten, wobei er deren Namen nannte. Nachdem die Verletzte am 04.04.2022 gegen 9.00 Uhr in einem Telefonat von dem Angeklagten verlangt hatte, den Beitrag bei Facebook zu löschen, äußerte der Angeklagte ihr gegenüber: „Ich mach euch fertig, ihr Schlampen!“.

Dagegen die Revision, die keinen Erfolg hatte:

„2. Der Schuldspruch wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB hält im Ergebnis der sachlich-rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts weist keinen Rechtsfehler auf. Insbesondere wird diese den gesteigerten Anforderungen bei einer hier gegebenen Aussage-gegen-Aussage-Konstellation noch hinreichend gerecht (vgl. hierzu nur BayObLG, Beschl. v. 12.07.2021 – 202 StRR 76/21 = OLGSt StPO § 261 Nr 31 m.w.N.). Soweit der Beschwerdeführer auf eine Beweisaufnahme in der Revisionsinstanz drängt, verkennt er das Wesen der Revision, die darauf gerichtet ist, das angefochtene Urteil auf Rechtsfehler zu überprüfen (§ 337 Abs. 1 StPO), sodass eine Beweisaufnahme, die allein dem Tatrichter obliegt, durch das Revisionsgericht von vornherein nicht in Betracht kommt.

b) Im Ergebnis zu Recht ist die Berufungskammer von der Erfüllung des Beleidigungstatbestands nach § 185 Var. 1 StGB ausgegangen.

aa) Die Bezeichnung der Gesprächspartnerin durch den Angeklagten als „Schlampe“ stellt zweifelsfrei durch die darin zum Ausdruck gekommene Missachtung einen Angriff auf die persönliche Ehre der Verletzten dar.

bb) Zwar ist es rechtsfehlerhaft, soweit das Berufungsgericht lapidar ausführt, es seien „keinerlei“ Anhaltspunkte für das Vorliegen berechtigter Interessen des Angeklagten ersichtlich. Denn das Landgericht hat dabei außer Acht gelassen, dass die Äußerung selbstverständlich am Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu messen ist. Indessen beruht das Urteil nicht auf diesem Rechtsfehler im Sinne des § 337 Abs. 1 StGB, weil die Meinungsäußerungsfreiheit des Angeklagten hinter das Recht der Verletzten auf Achtung ihrer persönlichen Ehre wegen der Besonderheiten des Tatgeschehens zurücktritt.

(1) Nach gefestigter verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung erfordert das Grundrecht der Meinungsfreiheit als Voraussetzung einer strafgerichtlichen Verurteilung nach § 185 StGB regelmäßig auf der Grundlage der konkreten Umstände einer Äußerung und ihrer Bedeutung eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen. Nur in Ausnahmefällen tritt bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde eines anderen antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, die Meinungsfreiheit hinter den Ehrenschutz zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf (BVerfG [2. Kammer des 1. Senats], Beschl. – jeweils – v. 19.05.2020 – 1 BvR 2397/19 = NJW 2020, 2622 = EuGRZ 2020, 589; 1 BvR 2459/19 = NJW 2020, 2629; 1 BvR 1094/19 = NJW 2020, 2631 = EuGRZ 2020, 595; 1 BvR 362/18 = NJW 2020, 2636 = DVBl 2020, 1279; vgl. hierzu auch BayObLG, Beschl. v. 04.07.2022 – 202 StRR 61/22 = NJW 2022, 3236 m.w.N.).

(2) Die inkriminierte Äußerung des Angeklagten ist nach den vom Tatgericht getroffenen Feststellungen sowohl als Schmähkritik als auch als Formalbeleidigung einzustufen, was eine Abwägung der gegenseitigen Rechte des Angeklagten einerseits und der Verletzten andererseits entbehrlich macht.

(a) Allerdings rechtfertigt nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts selbst eine überzogene, völlig unverhältnismäßige oder sogar ausfällige Kritik noch nicht die Einschätzung als Schmähung (BVerfG, Beschl. v. 09.02.2022 – 1 BvR 2588/20 = StV 2022, 380 = NJW 2022, 1523 = NVwZ-RR 2022, 441 = BeckRS 2022, 6210). Eine solche ist erst dann anzunehmen, wenn die Äußerung keinen nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht (BVerfG, Beschl. – jeweils – v. 19.05.2020 – 1 BvR 2397/19; 1 BvR 1094/19; 1 BvR 362/18 [a.a.O.]; BayObLG a.a.O.). Dies war hier indes der Fall. Der Beschimpfung ging ein Anruf der Verletzten voraus, die den Angeklagten aufforderte, die Veröffentlichung ihres Namens im Internet zu löschen. Auf dieses Verlangen reagierte der Angeklagte mit den Worten: „Ich mach euch fertig, ihr Schlampen“, ohne dass auch nur im Ansatz der an ihn herangetragene Wunsch bei verständiger Würdigung einen Anlass bieten würde, mit einer derartigen Verunglimpfung zu reagieren. Ein Sachzusammenhang zwischen der Titulierung als „Schlampe“, die in gewissen Kreisen verwendet wird gegenüber einer Person, der in sexual-ethischer Hinsicht tatsächliche oder vermeintliche Verfehlungen nachgesagt werden oder deren Lebensführung nicht den von der Gesellschaft an Minimalanforderungen gestellten sozial-adäquaten Verhaltens gerecht wird, und deren vorher geäußerten Anliegen bestand nach den tatrichterlichen Feststellungen nicht. Eine Auseinandersetzung in der Sache ist in der Verbalinjurie in Anbetracht des von der Verletzten vorher geäußerten Anliegens nicht zu finden. Es ging dem Angeklagten ersichtlich nur darum, seiner Gesprächspartnerin und deren Mutter, mit der er vorher liiert war, mit der Bezeichnung den persönlichen Achtungsanspruch, der jeder Person kraft ihres Menschseins zukommt, von vornherein abzusprechen. Ihm kam es ersichtlich allein darauf an, seine Gesprächspartnerin „niederzumachen“ (vgl. hierzu BVerfG [2. Kammer des 1. Senats], Beschl. v. 14.06.2019 – 1 BvR 2433/17 = NJW 2019, 2600 = NStZ-RR 2019, 277 = K&R 2019, 582 = EuGRZ 2019, 431 = MMR 2019, 668 = BayVBl 2019, 742 = JR 2020, 28 = DVBl 2020, 43 = BeckRS 2019, 15126; 09.02.2022 – 1 BvR 2588/20 = StV 2022, 380 = NJW 2022, 1523 = NVwZ-RR 2022, 441 = BeckRS 2022, 6210).

(b) Überdies ist die inkriminierte Äußerung auch als Formalbeleidigung zu werten. Hiervon ist bei der Verwendung besonders krasser, aus sich heraus herabwürdigender Schimpfwörter – etwa aus der Fäkalsprache – auszugehen, bei denen die gesellschaftlich absolut missbilligte und tabuisierte Begrifflichkeit dazu führt, dass sie in aller Regel von vornherein nicht dem grundrechtlichen Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit unterliegt (BVerfG [2. Kammer des 1. Senats], Beschl. v. 19.05.2020 – 1 BvR 2397/19 [a.a.O.]; BVerfGE 82, 43, 51 = NJW 1990, 1980; BVerfGE 93, 266, 294 = NJW 1995, 3303; BVerfG, Beschl. v. 14.06.2019 – 1 BvR 2433/17 [a.a.O.]; BayObLG a.a.O.). Die Bezeichnung einer Gesprächspartnerin als „Schlampe“ erfüllt diese Anforderungen, zumal – wie bereits dargelegt – nicht ansatzweise eine Konnexität zwischen dem vorangegangenen Verhalten der Verletzten und deren Verunglimpfung durch den Angeklagten bestand.

(3) Ungeachtet dessen tritt aber selbst bei Vornahme einer Abwägung der widerstreitenden Interessen die Meinungsäußerungsfreiheit des Angeklagten aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles hinter den Schutz der persönlichen Ehre der Verletzten zurück. Zwar spricht einerseits zugunsten des Angeklagten, dass die Äußerung anlässlich eines Telefonats mit der Verletzten gefallen ist, sodass keine Wahrnehmung durch Dritte erfolgte und deshalb der Integritätsangriff keine erhebliche Wirkung entfalten konnte (vgl. hierzu BayObLG a.a.O.). Auch handelte es sich um eine spontane Entgleisung des Angeklagten, der aufgrund der vorangegangenen Trennung von der Mutter der Verletzten offensichtlich aufgebracht war. Dagegen ist andererseits auf Seiten der Verletzten aber zu berücksichtigen, dass es bei dem Gespräch nicht etwa um eine die Öffentlichkeit berührende Angelegenheit oder dergleichen ging, bei welcher der Meinungsäußerungsfreiheit ein besonderes Gewicht zukäme. Vielmehr handelt es sich um eine reine Privatfehde, bei der es dem Angeklagten darauf ankam, seine Gesprächspartnerin, deren Verhalten nach den tatrichterlichen Feststellungen nicht im Geringsten einen Anlass für die Äußerung des Angeklagten geboten hat, ohne jeden Kontext zu der vorangegangenen Unterhaltung in übler Art zu beschimpfen. Bei einer wertenden Gegenüberstellung und Abwägung der genannten Gesichtspunkte hat aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls die Meinungsäußerungsfreiheit des Angeklagten hinter das Persönlichkeitsrecht des Verletzten zurückzutreten, sodass sein Verhalten nicht nach § 193 StGB i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gerechtfertigt ist…..“

StGB II: „Gashahnaufdreher“, oder: Beleidigung oder freie Meinungsäußerung?

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Und als zweite Entscheidung kommt dann das „Gashahnaufdreher-Urteil“ des OLG Köln. Es geht um die Frage der Beleidigung durch die Bezeichnung als „Gashahnaufdreher“. Dazu hatte das LG u.a. festgestellt:

„… Gegenstand des Verfahrens war zum einen der Text: Kennen sie T. E.? Ich auch nicht. Auf den Fotos auf seiner Facebook-Seite wirkt er wie das Abziehbild eines grün-links versifften Großstadt-Hipsters, der Bier aus der Flasche säuft, sich lustige Hütchen und Mützchen aufsetzt, viel Zeit beim Tätowierer verbringt, ziellos in der „scene“ rumgammelt, beschissene Musik hört, weil sie angesagt ist, und ansonsten sich von einem prekären Drecksjob in der Medienbranche zum anderen hangelt, weil sich darin solche Überflüssigen wie seinesgleichen schon in rauen Mengen tummeln. Zum anderen waren Gegenstand des Verfahrens folgende Ausführungen des Angeklagten in Bezug auf T. E.: „Er tut dabei so, als hätten solche intoleranten Minderbegabten und Mitläufer wie er, die anno Adolf mit absoluter Sicherheit eine Superkarriere als Gashahnaufdreher hingelegt hätten, irgendeine andere stalinistische Kackmeinung als die ihrige je toleriert.“

Das LG hatte vom Vorwurf der Beleidigung frei gesprochen. Das OLG sieht das im OLG Köln, Urt. v. 10.12.2019 – III-1 RVs 180/19 – anders:

bb) Aber auch soweit Gegenstand der Bewertung der Strafkammer einzelne in dem Artikel enthaltene und ausdrücklich zitierte Äußerungen, insbesondere diejenige ist, er (der Geschädigte) tue dabei so, „als hätten solche intoleranten Minderbegabten und Mitläufer wie er, die anno Adolf mit absoluter Sicherheit eine Superkarriere als Gashahnaufdreher hingelegt hätten, irgendeine andere stalinistische Kackmeinung als die ihrige je toleriert“, weisen die Gründe keine erschöpfende, alle in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkte einschließende Würdigung der dem Angeklagten zur Last gelegten Beleidigung zum Nachteil des T. E. aus.

aaa)  Eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB begeht derjenige, der einen anderen rechtswidrig in dessen Ehre angreift, indem er vorsätzlich dem anderen durch eine Äußerung von Missachtung oder Nichtachtung seinen sittlichen, personalen oder sozialen Geltungswert ganz oder teilweise abspricht, ihm also unter einem dieser drei Aspekte seine Minderwertigkeit oder Unzulänglichkeit attestiert (vgl. SenE v. 20.01.2012 – III- 1RVs 6/12; SenE v. 30.09.2003 – Ss 405/03 -; BayObLG NStZ-RR 2002, 210 [211]; KG NJW 2003, 685 [686]; Fischer, a.a.O., § 185 Rdnr. 5 f.; Schönke/Schröder-Lenckner, StGB, a.a.O., § 185 Rdnr. 2, jeweils m. w. Nachw.). Dabei erfasst § 185 StGB sowohl herabsetzende Werturteile als auch ehrverletzende Tatsachenbehauptungen (Formalbeleidigungen im Sinne des § 192 StGB; vgl. Fischer, a.a.O., § 185 Rdnr. 5; zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen und Werturteilen vgl. BVerfG NJW 2003, 1855 f. m. w. Nachw.). Ob eine an sich ehrverletzende Meinungsäußerung noch durch das Grundrecht des Art. 5 GG beziehungsweise als berechtigte Interessenwahrnehmung geschützt ist oder ob sie ihren Grundrechtsschutz verliert, weil sie sich als Angriff auf die Menschenwürde, Formalbeleidigung oder Schmähung darstellt, kann nur unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Täters, seiner gewöhnlichen Ausdrucksweise, einer durch den Anlass der Interessenwahrnehmung hervorgerufenen besonderen Erregung sowie aller sonstigen wesentlichen Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Dabei kommt der zutreffenden Deutung von Äußerungen bei der Prüfung von Beeinträchtigungen der Meinungsfreiheit und des Persönlichkeitsrechts weichenstellende Bedeutung zu. Durch eine unzutreffende Deutung von Äußerungen darf weder die Meinungsfreiheit noch der grundrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts verkürzt werden (vgl. SenE v. 20.01.2012, a.a.O.; BVerfG NJW 2006, 3769 –„Babycaust“- bei Juris unter Rdnr. 68 m.w.N.).

Von diesen Grundsätzen ist das Tatgericht unter Ziffer IV 1. der Urteilsgründe (vgl. S 19/20 UA) im Ansatz zutreffend ausgegangen. Dabei begegnet zunächst weder die Einordnung der verfahrensgegenständlichen Äußerungen als „Meinungsäußerungen“ und damit als Werturteile noch deren Auslegung in tatsächlicher Hinsicht rechtlichen Bedenken. Ebenso revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Tatgericht die Äußerungen in Bezug auf T. E. offenkundig – anders als im Verurteilungsfall zum Nachteil E. – nicht als „Schmähkritik“ gesehen hat.

bbb) Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassung wegen eng zu verstehen. Merkmal der Schmähung ist die das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung (vgl. BVerfG NJW 1995, 3303 – „Soldaten sind Mörder“; BVerfG NJW 1999, 204 – „Verunglimpfung des Staates“; BVerfG NJW 1999, 2358 – „FCKW“). Von ihr ist lediglich dann auszugehen, wenn sich der ehrbeeinträchtigende Gehalt der Äußerung von vorneherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontextes bewegt (so die Formulierung in der Entscheidung BVerfG NJW 2016, 2870).

Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist für den Streitfall nicht zu verkennen, dass die verfahrensgegenständlichen Äußerungen im Kontext mit einer Auseinandersetzung um die von dem T. E. durch seinen Online-Artikel angestoßene Diskussion um die Ereignisse auf der Frankfurter Buchmesse, den Umgang der Veranstalter mit – von Herrn Eckert so bezeichneten – „rechten Verlagen“ und um einen Auftritt des AFD-zugehörigen Politikers B. H. standen. Die auf den Artikel „„Versteht es doch endlich: Rechtes Gedankengut darf nicht toleriert werden“ bezogene Kommentierungen des Angeklagten und damit sachbezogenen Äußerungen enthalten noch keine derartig persönlich kränkenden Komponenten, die eine Einordnung als „Schmähkritik“ rechtfertigen würden.

ccc) Eine Meinungsäußerung, die sich weder als Verletzung der Menschwürde, Formalbeleidigung oder Schmähkritik darstellt, erfordert indes eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehrenschutz, deren Ergebnis verfassungsrechtlich nicht vorgegeben ist, bei der jedoch alle wesentlichen Umstände des Falles zu berücksichtigen und bei der es auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter ankommt (vgl. Senat in ständiger Rechtsprechung: SenE v. 02.06.2017 – III- 1RVs 110/17; SenE v. v. 13.12.2017 – III- 1RVs 296/17; SenE v. 27.07.2018 – III- 1 RVs 150/18; vgl. auch BayObLG [15.02.02] NStZ-RR 2002, 210 [212]).

Eine entsprechende tatrichterliche Abwägung zwischen den Grundrechten des Angeklagten aus Art. 5 Abs. 1 und 3 GG einerseits und dem Persönlichkeitsrecht des pp. aus Art. 2 Abs. 1 GG andererseits enthalten die Urteilsgründe der Strafkammer nicht.

Soweit die Kammer den Äußerungen mit Blick auf – nicht weiter konkretisierte – „satirische Aspekte“ den besonderen Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG zubilligt, lässt sich dieser Einordnung bereits nicht entnehmen, dass die Kammer bedacht hat, dass es auch im Bereich von Karikatur und Satire am Merkmal der Beleidigung nur fehlt, wenn die Überzeichnung menschlicher oder sachlicher Schwächen eine ernstliche Herabwürdigung der Person nicht enthält; die Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG unterliegt zwar nicht dem Gesetzesvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG, sie gilt gleichwohl nicht schrankenlos und kann ihrerseits durch verfassungsrechtlich legitimierte Werte, insbesondere durch die in Art. 1 GG garantierte Würde des Menschen sowie durch verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitsrechte, begrenzt werden (vgl. Fischer, a.a.O., § 185 Rn. 8b, § 193 Rn. 35 m.w.N.).

Die Ausführungen des Tatgerichts erschöpfen sich auch im Übrigen in der Feststellung, die Äußerungen stellten – in ihrem Kontext betrachtet – keine Beleidigungen da, sondern seien von der Meinungsäußerungsfreiheit gem. Art 5 Abs. 1 S 1 GG „gedeckt“. Dabei ist zunächst zu konstatieren, dass sich eine ausdrückliche Erwähnung des in Art. 2 Abs. 1 GG verankerten Ehrschutzes des Geschädigten den Urteilsgründen an keiner Stelle entnehmen lässt. Aber auch konkludent lassen die Gründe die aufgrund der Erkenntnis, es handele sich nicht um Schmähkritik im oben aufgezeigten Sinne, erforderliche Abwägung zwischen den sich gegenüberstehenden Grundrechten der an der Sachauseinandersetzung beteiligten Personen nicht erkennen. So sieht die Kammer zwar, dass insbesondere der Vergleich mit einem „Gashahnaufdreher“ im Dritten Reich ein verbrecherisches Vorgehen impliziert, betrachtet diesen Vergleich jedoch als lediglich „bissig formuliert“ und vorwiegend auf das Mitläufertum abzielend, die von dem Geschädigten selbst bemühten Begriffe der Intoleranz und den Vergleich mit dem Nationalsozialismus aufgreifend. Dies greift zu kurz und verkennt, dass die auf die Person des Geschädigten abzielende Bezeichnung als „Gashahnaufdreher“  nicht nur eine Ehrkränkung von erheblichem Gewicht darstellt, da ihm nicht nur die Eigenschaft eigenständigen Denkens und eigenverantwortlichen Handelns abgesprochen wird, sondern der Geschädigte mit der konkreten Wortwahl auch persönlich in die Nähe einer Ideologie vergleichbar mit derjenigen der Unterstützer des nationalsozialistischen Unrechtsregimes gerückt wird; der so Bezeichnete wird durch die verfahrensgegenständliche Äußerung in persona im Zusammenhang mit einer nationalsozialistisch gesinnten Gruppe genannt, wodurch der soziale Geltungsanspruch des solchermaßen Angegangenen massiv infrage gestellt wird. Sprachlicher Bezugspunkt ist im Artikel des Angeklagten – in klarer Abgrenzung zu dem Anlass-Artikel des Geschädigten, der ein gesellschaftliches Phänomen anspricht („So hat das in Deutschland schon einmal angefangen …“) – die Person des Geschädigten, die in den Fokus genommen und der gleichsam unterstellt wird, dass sie auch im NS-Unrechtsregime „Mitläufer“ gewesen wäre.

Soweit die Kammer die Auffassung vertritt, dass der Geschädigte mit seiner Meinungskundgabe im genannten Artikel öffentlich einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf geleistet habe, weswegen er habe damit rechnen können, dass sich die Leser seines Beitrags mit seiner Person befassen, weswegen er „weniger schutzbedürftig“ sei als derjenige, der seine Meinungskundgabe aus der Öffentlichkeit fernhalte, mag dies zwar im Ansatz zutreffen; die Ausführungen lassen jedoch außer Acht bzw. beleuchten nicht hinreichend den Umstand, dass der Anlass-Artikel des Geschädigten – im Gegensatz zu den verfahrensgegenständlichen Äußerungen des Angeklagten – in Wortwahl und Ausdruck äußerst moderat und sachlich gefasst ist; es ist nicht ersichtlich, dass der Artikel die Äußerungen des Angeklagten in ihrer konkreten Form etwa unter dem Gesichtspunkt des „Rechts zum Gegenschlag“ (vgl. dazu BayObLG [15.02.02] NStZ-RR 2002, 210 [212]; BayObLG [14.04.04] NStZ 2005, 215 [216]) provoziert haben könnte.

„Nackt auf dem Altar im Kölner Dom“ – Art 5. GG greift nicht ein

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Am 05.02.2015 noch als Beitragsbild ein „Weihnachtsbild“ Ja, das ist richtig, denn der heutige Beitrag hat – im entfernten – Bezug zu Weihnachten.

Wir erinnern uns: Am 1. Weihnachtsfeiertag 2012 hatte der damalige Kölner Erzbischof Kardinal Meißner eine Begegnung der besonderen Art. Eine 21-jährige „Femen-Aktivistin“ hatte sich sehr früh zur Weihnachtsmesse im Kölner Dom begeben, im Wesentlichen mit einem schwarzen Mantel, einem schwarzen Slip und Stiefeln bekleidet. In der ersten Sitzreihe wartete sie den Beginn der Weihnachtsmesse ab. Nach dem Einzug des Erzbischofs entledigte sie sich ihres schwarzen Mantels und der Stiefel und stürmte aus der ersten Reihe über die Begrenzung in den Altarraum und sprang auf den Altartisch, wobei sie zu diesem Zeitpunkt nur noch mit einem schwarzen Slip bekleidet war. Auf dem Altar stehend, wendete sie sich den Gottesdienstbesuchern zu und begann damit, dass von der Aktivistengruppierung“ „Femen“ herausgegebene antichristliche Glaubensbekenntnis zu skandieren, wobei sie sich den Schriftzug „I AM GOD“ in großen, auch in einiger Entfernung noch deutlich sichtbaren, Buchstaben auf die entblößte Brust geschrieben hatte.

Dafür hat es eine Anklage wegen Störung der Religionsausübung im Sinne des § 167 Abs. 1 Nr. 1 StGBAG gegeben und das AG Köln hat mit AG Köln, Urt. v. 03.12.2014 – 647 Ds 240/14 – die Aktivistin zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Eine Berufung auf Art. 5 GG hat das AG verneint:

„Die Angeklagte kann sich zur Rechtfertigung ihrer Protestaktion nicht mit Erfolg auf die Freiheit der Meinungsäußerung i.S.d. Art. 5 GG berufen. Bei § 167 StGB handelt es sich um ein allgemeines Gesetz i.S.d. Art. 5 II GG, das die Freiheit der Meinungsäußerung mit Rücksicht auf die berechtigten Interessen anderer einschränkt. Es soll hier auch nicht verkannt werden, dass § 167 StGB als ein das Grundrecht des Art. 5 GG einschränkendes Gesetz seinerseits im Lichte des Art. 5 GG möglichst grundrechtswahrend auszulegen ist. Andererseits ist gerade § 167 StGB ein Ausdruck der Ausübung der Religionsfreiheit, die ebenfalls in Art 4 GG grundrechtlich geschützt ist.

Eine Abwägung der Interessen derjenigen, die auf Art. 4 GG gestützt, ihre Religion ausüben wollen einerseits und andererseits der Interessen derjenigen, die gestützt auf Art. 5 GG für die Verwirklichung von Frauenrechten demonstrieren wollen, führt hier sicher nicht dazu, dass der Sprung der nackten Angeklagten auf den Altar des Kölner Doms während der Weihnachtsmesse unter den o.a. Begleitumständen zur Wahrung der Freiheit der Meinungsäußerung unbedingt erforderlich und von Art. 5 GG grundrechtlich geschützt ist.

Darf ich eigentlich äußern: „Der ist betrügerisch und korrupt“?

FragezeichenEs ist immer wieder „nett“ zu lesen, wie Menschen im täglichen Umgang mit anderen Menschen umgehen und wie man sie bezeichnet. Das zeigt sich häufig, wenn es Vereinsstreitigkeiten geht. So auch im Verfahren OLG Koblenz 3 U 1049/13 betreffend zwei Mitglieder eines Schäferhundevereins. Das ist das eine Mitglied vom anderen als „betrügerisch und korrupt“ bezeichnet worden und darum kommt es – verständlicher Weise – zum Streit, der dann beim OLG Koblenz endet. Das hat zu der Frage, ob eine solche Äußerung als Tatsachenbehauptung zulässig ist oder obe es sich um eine (unzulässige) Meinungsäußerung handelt, im OLG Koblenz, Beschl. v. 06.02.2014 – 3 U 1049/13 – geäußert. Dazu die Leitsätze – den Rest empfehle ich dem Selbststudium

1. Eine gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB analog, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 StGB zu unterlassende rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung stellt eine Meinungsäußerung nur dann dar, wenn die Belange des Betroffenen durch ihren ehrverletzenden Gehalt in einem mit der Ausübung grundgesetzlich garantierter Meinungsfreiheit nicht mehr zu rechtfertigenden Maß tangiert sind (in Anknüpfung an BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998 – 1 BvR 153/96 – NJW 1999, 1322, 1324 [BVerfG 10.11.1998 – 1 BvR 1531/96]; OLG Koblenz, Beschluss vom 12.07.2012 – 2 U 862/06ZUM-RD 2007, 522 ff. = MMR 2008, 54 f.; Beschluss vom 28.08.2008 – 2 U 1557/07NJW-RR 2009, 920 ff. = MMR 2009, 434).

2. Tatsachenbehauptungen sind Äußerungen, deren Richtigkeit bewiesen werden kann. Sie beziehen sich auf konkrete Geschehnisse und Umstände einer behaupteten Wirklichkeit, die beobachtet, erforscht, gemessen werden können. Ihr Vorhandensein kann festgestellt werden. Meinungen oder Werturteile sind demgegenüber Äußerungen, die durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens, durch Wertungen geprägt sind. Man kann sie teilen oder verwerfen.

3. Bei der Äußerung jemand sei korrupt handelt es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine subjektive Meinungsäußerung, denn damit soll nicht zum Ausdruck gebracht werden, die betreffende Person sei wegen der betreffenden Straftatbestände bereits verurteilt worden (in Anknüpfung an OLG Koblenz, Beschluss vom 12.07.2007 – 2 U 862/06).

Der Polizeibeamte hat „wohl den Tag über zu lange (…) in der Sonne gestanden oder hat ganz einfach dort mitgefeiert“

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Mit der Bemerkung

Ehrliche Meinung meinerseits: Der Beamte war wohl den Tag über zu lange unten am A. Verkehrskreisel in der Sonne gestanden oder hat ganz einfach dort mitgefeiert. Normal war das jedenfalls nicht und menschlich schon 3 mal nicht!“

hatte ein Betroffener das Verhalten eines Polizeibeamten ihm gegenüber in Zusammenhang mit einer Verkehrskontrolle kommentiert. Die Bußgelbehörde hat (nichts Besseres zu tun) und schickt das Schreiben des Betroffenen dem Polizeibeamten, der Strafantrag wegen übler Nachrede stellt. Das AG verurteilt den Betroffenen, seine Berufung wird vom LG nicht angenommen (die StA hatte sie als nicht völlig unbegründet angesehen). Dagegen legt der Betroffene dann Verfassungsbeschwerde ein. Das BverfG hat sich dazu dann im BVerfG, Beschl. v. 29.02.2012 – 1 BvR 2883/11 – geäußert. Es geht davon aus:

1. Bei der Äußerung des Betroffenen handele es sich im Schwerpunkt um durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägte Werturteile und damit um Meinungen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Dies gelte umso mehr, weil die Äußerung mit dem Halbsatz „Ehrliche Meinung meinerseits:“ eingeleitet wurde

2.Bei der strafrechtlichen Würdigung sei es zugunsten des Beschuldigten zu berücksichtigen, wenn seine Äußerung im Zusammenhang mit dem Begehren stehe, die Einstellung eines gegen ihn eingeleiteten Bußgeldverfahrens zu bewirken. Hiervon seiinsbesondere dann auszugehen, wenn die Äußerung lediglich seine Darstellung des Sachverhalts zuspitze und abschließe, aus der sich ergebe, dass er die Vorgehensweise des beteiligten Polizeibeamten für unangemessen erachtet; denn damit trage er einen Umstand vor, der nach § 47 Abs. 1 Satz 2 OWiG im Rahmen der behördlichen Ermessensausübung zu berücksichtigen sein könne.

Man fragt sich wirklich, ob die beteiligten Stellen nichts Anderes/Besseres zu tun haben?

Gefunden u.a. auch bei HRRS. Auch der Lawblog hatte über den Beschluss bereits berichtet.