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„…“Alkoholikerin“ im „Trockendock“ …“, oder: Strafbare üble Nachrede?

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Nur in einem Zusatz zu einem Verwerfungsbeschluss nach § 349 Abs. 2 StPO behandelt der OLG Hamm, Beschl. v. 14.03.2017 – 4 RVs 29/17 – die Frage, ob die Behauptung eine andere Person sei „Alkoholiker“ den Tatbestand des § 186 StGB erfüllt. Die Antwort: Allein die Behauptung jemand sei Alkoholiker, reicht ggf. nicht, im entschiedenen Fall war es aber mehr:

„Die Eignung zum Verächtlichmachen oder Herabwürdigen der in dem Schreiben vom 23.04.2014 inkriminierten Textpassage ergibt sich noch nicht allein daraus, dass der Angeklagte die Zeugin B der Sache nach des Alkoholismus bezichtigt hat. Insoweit handelt es sich womöglich nur um die Zuschreibung einer Krankheit (vgl. ICD-10 F 10). Einer solchen Zuschreibung fehlt es, wenn zwar eine größere Bevölkerungsgruppe eine Tatsache als ehrenrührig ansieht, gerade diese Wertung aber im Widerspruch zur Rechtsordnung steht, etwa bei der Behauptung, eine Person sei „behindert“ oder „krank“ (Fischer, StGB, 64. Aufl., § 186 Rdn. 6 m.w.N.). Hier war es aber so, dass gleichzeitig behauptet wurde, dass die Zeugin den Antrag des Angeklagten drei Monate wegen ihres angeblich übermäßigen Alkoholgenusses nicht bearbeitet habe. Die Behauptung einer Pflichtversäumung infolge einer Alkoholerkrankung hat aber sehr wohl die Eignung zum Verächtlichmachen oder Herabwürdigen. Der Angeklagte hat nämlich hier nicht behauptet, dass die Bearbeitung stockte, weil die Zeugin im „Trockendock (Entziehungskur)“ war, sondern infolge ihres übermäßigen Alkoholgenusses, „der danach“ zur Entziehungskur geführt haben soll. Das beinhaltet aber den Vorwurf, dass die Zeugin statt alsbaldiger Behandlung ihrer Erkrankung oder Herbeiführung eines Vertretungsfalls durch Krankschreibung pflichtwidrig Vorgänge verzögert bearbeitet hat.“

(Kein) Kampf ums Recht: “Der Polizeibeamte war alkoholisiert und hat nach Alkohol gerochen..”

In einem beim AG Backnang anhängigen Verfahren, das seinen Ursprung in einem Bußgeldverfahren wegen überhöhter Geschwindigkeit hatte, das das AG den Angeklagten wegen übler Nachrede verurteilt. auffiel. Der hatte sich nach der Zustellung des Bußgeldbescheides an die zuständige Bußgeldstelle gewendet und dort gegenüber einer Zeugin geäußert, dass er mit dem Bußgeldbescheid nicht einverstanden sei, da sein Auto altershalber nicht mehr in der Lage sei, so schnell zu fahren wie im Bußgeldbescheid aufgeführt. Zudem behauptete er bewusst wahrheitswidrig, einer der eingesetzten Polizeibeamten sei alkoholisiert gewesen. In einem weiteren Gespräch benannte er dann den PHM A. namentlich und führte aus, dass er den Alkoholkonsum durch entsprechenden Atemgeruch festgestellt habe. Das hat dem Angeklagten im AG Backnang, Urt. v. 01.07.2014 – 2 Cs 96 Js 69894/13 (2) – eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 100 € wegen übler Nachrede eingebracht. Das AG ist davon ausgegangen, dass der Polizeibeamte nicht alkoholisiert war (zum Glück 🙂 ).:

“Durch die Tat hat sich der Angeklagte der üblen Nachrede schuldig gemacht. Die von ihm behauptete Tatsache, der Geschädigte PHM A. habe nach Alkoholkonsum seinen Dienst versehen, ist ersichtlich ehrenrührig. Von einem Polizeibeamten wird erwartet, dass er vor oder während des Dienstes keinerlei Alkohol zu sich nimmt, damit er den vielfältigen und schwierigen Aufgaben, die sein Amt mit sich bringt, pflichtgemäß nachkommen kann. Die Unterstellung, der Zeuge PHM A. habe gegen diese selbstverständliche Pflicht verstoßen, ist offenkundig geeignet, ihn verächtlich zu machen.

Das Gericht teilt nicht die Auffassung der Verteidigung, wonach die Äußerung des Angeklagten von Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt sei. Dabei wurde nicht verkannt, dass es im sogenannten “Kampf ums Recht” verfassungsrechtlich erlaubt sein kann, zur plastischen Darstellung der eigenen Position auch starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen. Ob eine geäußerte -auch bewusst scharfe oder überspritzte- Kritik auch hätte anders formuliert werden können ist nicht von Relevanz, da auch die Form der Meinungsäußerung grundsätzlich der durch Artikel 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung unterliegt (so schon BVerfGE 54, 129).

Bei der vom Angeklagten getätigten Äußerung, PHM A. sei alkoholisiert gewesen und habe entsprechend nach Alkohol gerochen, handelt es sich aber nicht um ein Werturteil, sondern um die bewusste Behauptung einer unwahren Tatsache. Die bewusste Behauptung unwahrer Tatsachen bleibt jedoch von vornherein außerhalb des Schutzbereichs des Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 29.02.2012, 1 BvR 2883/11).

Der Angeklagte hat einen Alkoholkonsum des PHM A. nicht lediglich als möglich in den Raum gestellt, sondern eine konkrete entsprechende Tatsachbehauptung aufgestellt. Zur Untermauerung hat er explizit behauptet, der Geschädigte habe nach Alkohol gerochen, diesen habe er wahrgenommen. Der Fall liegt mithin anders als der Sachverhalt in der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der der Betroffene ausgeführt hatte, ein Polizeibeamter habe “wohl zu lange in der Sonne gestanden oder bei einem Fest mitgefeiert”. Die in diesem Verfahren zugrunde liegende strafrechtliche Verurteilung hat das Bundesverfassungsgericht beanstandet, weil der Betroffene dort wertend zum Verhalten eines Beamten Stellung genommen und nicht ein tatsächliches Geschehen zum Beweis angeboten habe. Vorliegend liegt jedoch keine wertende Stellungnahme vor. Vielmehr wurde wie bereits ausgeführt eine konkrete Tatsache behauptet, die erweislich unwahr ist. Auch handelte es sich nicht um eine spontane Unmutsäußerung im Stile von “der war doch besoffen” , vielmehr handelte der Angeklagte wohlüberlegt. Der Bußgeldbescheid war zum Zeitpunkt des mit dem Zeugen zuletzt geführten Telefonats bereits mehrere Tage zugestellt, und das Telefonat kam auf Initiative des Angeklagten zustande. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass ihm die Wirkung seiner Äußerung sehr wohl bewusst war. Schlussendlich entlastet es den Angeklagten auch nicht, dass die Äußerungen “nur” gegenüber einer Behörde getätigt wurden. Der Tatbestand der üblen Nachrede setzt nicht voraus, dass die strafbare Äußerung gegenüber Privatpersonen getätigt wird. Darüber hinaus fielen die Äußerungen nicht gegenüber der Polizei, sondern gegenüber der Stadt Backnang, wobei dem Angeklagten klar war, dass er mit dem Zeugen G. nicht den zuständigen Sachbearbeiter im Bußgeldverfahren zum Gesprächspartner hatte. Ihm war bereits durch die Zeugin D. mitgeteilt worden, dass die Sachbearbeiterin nicht anwesend war. Dem Angeklagten ging es mithin nicht darum, seine Verteidigungsposition im Bußgeldverfahren zu untermauern. Nach alledem steht Art. 5 GG der Strafbarkeit des Angeklagten nicht entgegen.”

Der Angeklagte sieht es inzwischen auch so: Er hat seine Berufung gegen das Urteil zurückgenommen.

Die „Maulkorbentscheidung“ aus Bayern – hier ist der Volltext zum AG-Würzburg-Urteil

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Wir hatten am 16.10.2012 über das AG Würzburg, Urt. v. 26.19.2012 – 103 Cs 701 Js 19849/11 – berichtet, durch das ein Kollege aus Würzburg wegen übler Nachrede verurteilt worden ist, weil er einen Beschluss des AG Würzburg mit scharfen Worten kritisiert hatte (vgl. hier: Hat das BVerfG keine Ahnung von der Realität? Das meint jedenfalls eine RiAG am AG Würzburg – und schießt m.E. über das Ziel hinaus). Die Entscheidung hatte in den Blogs einigen Wirbel erzeugt, teilweise ist von einem „Maulkorb“ für den Verteidiger gesprochen worden (vgl. die Nachweise in unserem Wochenspiegel für die 42 KW. hier).

Ich habe mir das Urteil des AG Würzburg besorgt und stelle es dann jetzt online. Damit kann man sich ein Bild machen, wie das AG argumentiert hat. So ganz überzeugend finde ich die Argumentation des AG nicht. Mit ihr erfasst man nämlich letztlich ggf. jede Äußerung eines Verteidigers. Ich bin gespannt, ob die Entscheidung beim LG Würzburg hält, denn Berufung ist eingelegt. Letztlich wird – das ist angekündigt – das BVerfG entscheiden.

Hat das BVerfG keine Ahnung von der Realität? Das meint jedenfalls eine RiAG am AG Würzburg – und schießt m.E. über das Ziel hinaus

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Über einen meinen Newsletter stoße ich gerade auf die PM der Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger e.V. v. 16.10.2012 (vgl. PM_Bayern_16_10_2012), die sich mit einem Verfahren beim AG Würzburg befasst, über das auch bereits am 26.09.2012 in der Main-Post berichtet worden ist (vgl. hier).

Da hatte ein Verteidiger in einem Strafverfahren einen Durchsuchungsbeschluss kritisiert, weil „der Richter keine „eigenständige Prüfung“ durchgeführt habe und somit „verfassungsrechtliche Grundvoraussetzungen“ nicht erfüllt seien„. Deshalb wird ein Verfahren gegen ihn wegen übler Nachrede eingeleitet, das dann beim AG Würzburg landet. Der Verteidiger wird zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 150 € verurteilt.

Im Bericht der Main-Post (vgl. hier) heißt es:

„Die Vorsitzende sagt, dass der Beschluss vielleicht nicht den Vorgaben des BVerfG entsprochen habe. Aber die obersten Hüter der Verfassung hätten „keine Ahnung von der Realität“. Die Justiz habe weder genügend Zeit, noch genügend Personal, um Beschlüsse so zu prüfen, wie das Verfassungsgericht es sich vorstellt.“

Schon das ist, wenn es so gesagt worden ist, ziemlich heavy, – gelinde ausgedrückt.

Zudem: Wenn das so richtig ist, was die richterliche Kollegin dort mit der Verurteilung gemacht hat – und das dürfte es nicht sein -, dann müssen die Richter am BVerfG aber auf der Hut sein, wenn sie demnächst in richterlichen Beschlüssen beanstanden, dass die von der Rechtsprechung des BVerfG geforderte eigenverantwortliche Prüfung nicht vorgelegen hat. Zumindest in Würzburg drohen dann Strafverfahren.

Mehr schreibe ich mal lieber nicht. Sonst muss ich mir ggf. auch in Würzburg einen Verteidiger suchen 😉

Der Polizeibeamte hat „wohl den Tag über zu lange (…) in der Sonne gestanden oder hat ganz einfach dort mitgefeiert“

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Mit der Bemerkung

Ehrliche Meinung meinerseits: Der Beamte war wohl den Tag über zu lange unten am A. Verkehrskreisel in der Sonne gestanden oder hat ganz einfach dort mitgefeiert. Normal war das jedenfalls nicht und menschlich schon 3 mal nicht!“

hatte ein Betroffener das Verhalten eines Polizeibeamten ihm gegenüber in Zusammenhang mit einer Verkehrskontrolle kommentiert. Die Bußgelbehörde hat (nichts Besseres zu tun) und schickt das Schreiben des Betroffenen dem Polizeibeamten, der Strafantrag wegen übler Nachrede stellt. Das AG verurteilt den Betroffenen, seine Berufung wird vom LG nicht angenommen (die StA hatte sie als nicht völlig unbegründet angesehen). Dagegen legt der Betroffene dann Verfassungsbeschwerde ein. Das BverfG hat sich dazu dann im BVerfG, Beschl. v. 29.02.2012 – 1 BvR 2883/11 – geäußert. Es geht davon aus:

1. Bei der Äußerung des Betroffenen handele es sich im Schwerpunkt um durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägte Werturteile und damit um Meinungen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Dies gelte umso mehr, weil die Äußerung mit dem Halbsatz „Ehrliche Meinung meinerseits:“ eingeleitet wurde

2.Bei der strafrechtlichen Würdigung sei es zugunsten des Beschuldigten zu berücksichtigen, wenn seine Äußerung im Zusammenhang mit dem Begehren stehe, die Einstellung eines gegen ihn eingeleiteten Bußgeldverfahrens zu bewirken. Hiervon seiinsbesondere dann auszugehen, wenn die Äußerung lediglich seine Darstellung des Sachverhalts zuspitze und abschließe, aus der sich ergebe, dass er die Vorgehensweise des beteiligten Polizeibeamten für unangemessen erachtet; denn damit trage er einen Umstand vor, der nach § 47 Abs. 1 Satz 2 OWiG im Rahmen der behördlichen Ermessensausübung zu berücksichtigen sein könne.

Man fragt sich wirklich, ob die beteiligten Stellen nichts Anderes/Besseres zu tun haben?

Gefunden u.a. auch bei HRRS. Auch der Lawblog hatte über den Beschluss bereits berichtet.