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Beleidigung II: Beleidigung von Angela Merkel ?, oder: „…daß sich die dumme Schlampe nicht schämt…“

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Und dann der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 30.09.2024 – 1 ORs 1 SRs 8/24 – zur Beurteilung der Frage, ob eine (beleidigende) Äußerung geeignet war, das öffentliche Wirken der betroffenen Personen des politischen Lebens erheblich zu erschweren.

Es geht um folgende Feststellungen:

„1. Der Angeklagte postete am 04.09.2021 um 11:56 Uhr auf seinem öffentlich und somit für eine unbestimmte Vielzahl von Personen einsehbaren Facebook-Profil, das er unter dem Account-Namen „pp.“ betreibt, den Kommentar: „Merkel im Ahrtal…daß sich die dumme Schlampe nicht schämt….“ Der Text war dabei in weißer Schriftfarbe auf braunem Untergrund geschrieben, auf dem zudem insgesamt sieben sogenannte Emoticons in Form von lächelnden Kothaufen zu sehen waren. Dieser Hintergrund war von dem Betreiber der Plattform Facebook erstellt worden und konnte von den Nutzern wie dem angeklagten verwendet werden. Der Post wurde zweimal als „gefällt mir“ bestätigt. Das Profil des Angeklagten führt 417 Freunde auf.

Der Angeklagte handelte, um hierdurch die frühere Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in ihrer Ehre herabzusetzen. Anlass war ein Besuch der damaligen Bundeskanzlerin in dem von der Flutkatastrophe im Sommer 2021 betroffenen Ahrtal. Der Angeklagte hatte sich über das Auftreten von Politikern dort geärgert, weil er dies als Verhöhnung der. Betroffenen empfand. Er hatte sich zudem über das – aus seiner Sicht – gegebene Scheitern der Verantwortlichen geärgert und infolgedessen den oben zitierten Post abgesetzt.

Die damalige Bundeskanzlerin Dr. Merkel trat in der am 26.09.2021 stattgefundenen Wahl zum Deutschen Bundestag weder als Abgeordnete noch als Bundeskanzlerin erneut an.

Mit Schreiben vom 30.06.2022 ließ die frühere Bundeskanzlerin mitteilen, dass sie keinen Strafantrag in dieser Angelegenheit stellt. Auf entsprechende Nachfrage der Polizei erklärte sie mit weiterem Schreiben vom 11.07.2022, dass sie einer Strafverfolgung von Amts wegen nicht widerspricht.“

Das LG hat das Verfahren gegen den Angeklagten eingestellt, weil er den Straftatbestand der Beleidigung einer Person des politischen Lebens nicht erfüllt habe und bezüglich der-begangenen Beleidigung die Betroffene ausdrücklich keinen Strafantrag nach § 194 Abs. 1 S. 1 StGB gestellt hat.

Das OLG hat das Einstellungsurteil aufgehoben:

„1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es sich bei Frau Dr. Angela Merkel um eine im politischen Leben des Volkes stehende Person handelt, die durch den Post des Angeklagten auf der öffentlichen Plattform „Facebook“ beleidigt wurde.

Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG verlangt bei der Anwendung des ‚§ 185 StGB grundsätzlich eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Geschädigten und der Meinungsfreiheit des Äußernden. Die Meinungsfreiheit tritt allerdings regelmäßig dann hinter den Ehrschutz zurück, wenn und soweit es sich um herabsetzende Äußerungen handelt, die eine bloße Schmähung der angegriffenen Person darstellen. Einer Abwägung mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit ist eine als bloße Schmähung zu wertende Äußerung regelmäßig nicht-zugänglich (KG Berlin, Beschluss vom 12.08.2005 (4) 1 S§ 93/04, NJW 2005, 2872, 2873 m.w.N.). Zur Schmähung wird eine Meinungsäußerung allerdings nicht schon wegen ihrer herabsetzenden Wirkung für Dritte. Auch eine überzogene und selbst eine ausfällige Kritik macht für sich genommen eine Äußerung noch nicht zur Schmähkritik. Von einer bloßen Schmähkritik ist namentlich auszugehen, wenn ein sachlicher Anlass nur vorgegeben oder als Vorwand genutzt wird und eine Äußerung eine allein persönlich diffamierende und herabsetzende Zielrichtung hat (Fischer § 193 Rn. 18). Gleiches gilt, wenn es sich um eine Äußerung handelt, deren diffamierender Gehalt so erheblich ist, dass sie in jedem denkbaren Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheint und daher unabhängig von ihrem konkreten Kontext stets als persönliche diffamierende Schmähung aufgefasst werden muss, wie es insbesondere bei der Verwendung besonders schwerwiegender Schimpfwörter – etwa aus der Fäkalsprache – der Fall ist (Sog. Formalbeleidigung, vgl.: Senat, Beschluss vom 27.09.2018–1 OLG 2 Ss 31/18; OLG Koblenz, Beschluss vom 07.10.2009 – 2 Ss 130/09, juris Rn. 36; OLG Stuttgart, Urteil vom 07.02.2014 – 1 Ss 599/13, juris Rn. 18 mwN.).

Die Bezeichnung der damaligen Bundeskanzlerin als „dumme Schlampe“ erfüllt somit die vorbezeichneten Voraussetzungen einer Schmähkritik,

2. Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht demgegenüber angenommen, dass die Tat im Sinne des § 188 StGB nicht geeignet war, das öffentliche Wirken der Betroffenen erheblich zu erschweren.

a) Teilweise wird zwar vertreten, dass bei der Beurteilung der entsprechenden Geeignetheit nicht alleine auf den Inhalt der Äußerung abgestellt werden könne, sondern auch die Umstände der Tat in den Blick genommen werden müssten (Schönke/Schröder StGB § 188 Rn. 6; NK-StGB/Kargl, 6.Aufl. 2023, § 188 Rn. 14; AG Schwetzingen, Urteil vom 26.06.2023 — 2 Cs 806 Js 336/23).

Zur Begründung wird auf den Wortlaut und die Systematik Bezug genommen und damit argumentiert, dass in § 188 StGB von ,,Tat“ und nicht Wie in § 186 StGB und § 187 StGB von, „Tatsachen“ die Rede ist. Zudem würde ein fehlendes Außerachtlassen der Begleitumstände die Gefahr bergen, dass das Verhältnis zwischen Grundtatbestand aus §§ 185 bis.187 StGB zur Qualifikation in § 188 StGB in Ungleichgewicht geraten würde, denn es seien dann kaum Fälle der §§ 186 und 1,87 StGB denkbar, die nicht zu einer Erfüllung des Qualifikationstatbestandes führen würden, wenn die Tatsache in Bezug auf eine Person des politischen Lebens geäußert würde.

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist demgegenüber zur Beurteilung der Geeignetheit ausschließlich auf den Inhalt der Äußerung abzustellen. Sonstige Umstände, wie beispielsweise die gewählte Verbreitungsart und die Größe des Adressatenkreises bleiben dagegen unberücksichtigt. Der Inhalt der Äußerung muss somit lediglich zur Herbeiführung von erheblichen Nachteilen für den Angegriffenen abstrakt geeignet sein; die Folge selbst braucht demgegenüber nicht eingetreten sein (BGH, Urteil vom 08.01.1954 – StR 611/53; BGH, Urteil vom 06.02.1980 2 StR 480179; BGH, Urteil vom 04.03.1981 — 2 StR 641/80).

c) Die letztgenannte Auffassung ist überzeugend. Grund der Straferhöhung in § 188 StGB gegenüber den §§ 185 bis 187 StGB ist, der Vergiftung des politischen Lebens durch herabsetzende Äußerungen entgegenzuwirken. Geschützt wird jedoch nicht das politische Amt, sondern der Amtsinhaber als. Person (BGHSt 6, 159.<160 f.>; Schönke/Schröder StGB § 188 Rn. 1; Fischer § 188-Rn. 2; MüKoStGB/Regge/Pegel § 188 Rn. 1).

Diese Auslegung entspricht dem Willen des Gesetzgebers auch, soweit als Grunddelikt eine Beleidigung in Rede steht.

Durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vom 30.03.2021 (BGBl. 2021, 441) wurde der Anwendungsbereich der Norm nicht unerheblich erweitert, indem die Voraussetzungen des Abs. 1 S. 1 seitdem auch für Beleidigungen gern. § 185 StGB straferhöhende Merkmale darstellen; zuvor waren als Grunddelikte lediglich § 186 StGB und § 187 StGB erfasst. Zur Begründung wurde folgendes ausgeführt (BT-Drs. 19)20163, 43):

§ 188 StGB bezweckt einen verstärkten Ehrenschutz für Personen des politischen. Lebens, da diese in besonderem Maß ehrverletzenden Angriffen ausgesetzt sind (vergleiche Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 188, Rn. 1). Der Vergiftung des politischen-Klimas durch Diffamierungen und Verunglimpfungen soll entgegengewirkt werden (Regge/Pegel, MüKo-StGB, 3. Aufl. • 2017, § 188, Rn. 1). Der Schutzzweck der Vorschrift spricht indes dafür,-ihren Anwendungsbereich nicht auf die Behauptung falscher Tatsachen zu beschränken, sondern auf Beleidigungen zu erstrecken. Auch diese sind geeignet, das öffentliche Wirken von Personen des politischen Lebens erheblich zu erschweren, wie gerade die in jüngster Zeit zunehmenden verbalen Angriffe auf Kommunalpolitiker belegen, die deren Bereitschaft zum politischen Engagement grundlegend in Frage. stellen.“

Die Gegenmeinung schränkt – durch das Abstellen auf die Umstände der Tat – den Anwendungsbereich der Norm demgegenüber ein und widersetzt sich somit dem Willen des Gesetzgebers.

Diese Meinung führt für den Tatrichter auch zu kaum handhabbaren Abgrenzungsschwierigkeiten. Dieser wird regelmäßig nicht in der Lage sein, die Folgen der Äußerung für das politische Wirken der betroffenen Person verlässlich zu ermitteln, zumal das Ausmaß der Verbreitung der Äußerung im Internet kaum einzuschätzen ist, da die Verbreitungsmöglichkeiten über die sozialen Netzwerke vielfältig sind (so z.B. durch das Teilen von Beiträgen oder Erstellen oder Versen-. den von sog. Sticker o.Ä.).“

„…“Alkoholikerin“ im „Trockendock“ …“, oder: Strafbare üble Nachrede?

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Nur in einem Zusatz zu einem Verwerfungsbeschluss nach § 349 Abs. 2 StPO behandelt der OLG Hamm, Beschl. v. 14.03.2017 – 4 RVs 29/17 – die Frage, ob die Behauptung eine andere Person sei „Alkoholiker“ den Tatbestand des § 186 StGB erfüllt. Die Antwort: Allein die Behauptung jemand sei Alkoholiker, reicht ggf. nicht, im entschiedenen Fall war es aber mehr:

„Die Eignung zum Verächtlichmachen oder Herabwürdigen der in dem Schreiben vom 23.04.2014 inkriminierten Textpassage ergibt sich noch nicht allein daraus, dass der Angeklagte die Zeugin B der Sache nach des Alkoholismus bezichtigt hat. Insoweit handelt es sich womöglich nur um die Zuschreibung einer Krankheit (vgl. ICD-10 F 10). Einer solchen Zuschreibung fehlt es, wenn zwar eine größere Bevölkerungsgruppe eine Tatsache als ehrenrührig ansieht, gerade diese Wertung aber im Widerspruch zur Rechtsordnung steht, etwa bei der Behauptung, eine Person sei „behindert“ oder „krank“ (Fischer, StGB, 64. Aufl., § 186 Rdn. 6 m.w.N.). Hier war es aber so, dass gleichzeitig behauptet wurde, dass die Zeugin den Antrag des Angeklagten drei Monate wegen ihres angeblich übermäßigen Alkoholgenusses nicht bearbeitet habe. Die Behauptung einer Pflichtversäumung infolge einer Alkoholerkrankung hat aber sehr wohl die Eignung zum Verächtlichmachen oder Herabwürdigen. Der Angeklagte hat nämlich hier nicht behauptet, dass die Bearbeitung stockte, weil die Zeugin im „Trockendock (Entziehungskur)“ war, sondern infolge ihres übermäßigen Alkoholgenusses, „der danach“ zur Entziehungskur geführt haben soll. Das beinhaltet aber den Vorwurf, dass die Zeugin statt alsbaldiger Behandlung ihrer Erkrankung oder Herbeiführung eines Vertretungsfalls durch Krankschreibung pflichtwidrig Vorgänge verzögert bearbeitet hat.“

(Kein) Kampf ums Recht: “Der Polizeibeamte war alkoholisiert und hat nach Alkohol gerochen..”

In einem beim AG Backnang anhängigen Verfahren, das seinen Ursprung in einem Bußgeldverfahren wegen überhöhter Geschwindigkeit hatte, das das AG den Angeklagten wegen übler Nachrede verurteilt. auffiel. Der hatte sich nach der Zustellung des Bußgeldbescheides an die zuständige Bußgeldstelle gewendet und dort gegenüber einer Zeugin geäußert, dass er mit dem Bußgeldbescheid nicht einverstanden sei, da sein Auto altershalber nicht mehr in der Lage sei, so schnell zu fahren wie im Bußgeldbescheid aufgeführt. Zudem behauptete er bewusst wahrheitswidrig, einer der eingesetzten Polizeibeamten sei alkoholisiert gewesen. In einem weiteren Gespräch benannte er dann den PHM A. namentlich und führte aus, dass er den Alkoholkonsum durch entsprechenden Atemgeruch festgestellt habe. Das hat dem Angeklagten im AG Backnang, Urt. v. 01.07.2014 – 2 Cs 96 Js 69894/13 (2) – eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 100 € wegen übler Nachrede eingebracht. Das AG ist davon ausgegangen, dass der Polizeibeamte nicht alkoholisiert war (zum Glück 🙂 ).:

“Durch die Tat hat sich der Angeklagte der üblen Nachrede schuldig gemacht. Die von ihm behauptete Tatsache, der Geschädigte PHM A. habe nach Alkoholkonsum seinen Dienst versehen, ist ersichtlich ehrenrührig. Von einem Polizeibeamten wird erwartet, dass er vor oder während des Dienstes keinerlei Alkohol zu sich nimmt, damit er den vielfältigen und schwierigen Aufgaben, die sein Amt mit sich bringt, pflichtgemäß nachkommen kann. Die Unterstellung, der Zeuge PHM A. habe gegen diese selbstverständliche Pflicht verstoßen, ist offenkundig geeignet, ihn verächtlich zu machen.

Das Gericht teilt nicht die Auffassung der Verteidigung, wonach die Äußerung des Angeklagten von Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt sei. Dabei wurde nicht verkannt, dass es im sogenannten “Kampf ums Recht” verfassungsrechtlich erlaubt sein kann, zur plastischen Darstellung der eigenen Position auch starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen. Ob eine geäußerte -auch bewusst scharfe oder überspritzte- Kritik auch hätte anders formuliert werden können ist nicht von Relevanz, da auch die Form der Meinungsäußerung grundsätzlich der durch Artikel 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung unterliegt (so schon BVerfGE 54, 129).

Bei der vom Angeklagten getätigten Äußerung, PHM A. sei alkoholisiert gewesen und habe entsprechend nach Alkohol gerochen, handelt es sich aber nicht um ein Werturteil, sondern um die bewusste Behauptung einer unwahren Tatsache. Die bewusste Behauptung unwahrer Tatsachen bleibt jedoch von vornherein außerhalb des Schutzbereichs des Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 29.02.2012, 1 BvR 2883/11).

Der Angeklagte hat einen Alkoholkonsum des PHM A. nicht lediglich als möglich in den Raum gestellt, sondern eine konkrete entsprechende Tatsachbehauptung aufgestellt. Zur Untermauerung hat er explizit behauptet, der Geschädigte habe nach Alkohol gerochen, diesen habe er wahrgenommen. Der Fall liegt mithin anders als der Sachverhalt in der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der der Betroffene ausgeführt hatte, ein Polizeibeamter habe “wohl zu lange in der Sonne gestanden oder bei einem Fest mitgefeiert”. Die in diesem Verfahren zugrunde liegende strafrechtliche Verurteilung hat das Bundesverfassungsgericht beanstandet, weil der Betroffene dort wertend zum Verhalten eines Beamten Stellung genommen und nicht ein tatsächliches Geschehen zum Beweis angeboten habe. Vorliegend liegt jedoch keine wertende Stellungnahme vor. Vielmehr wurde wie bereits ausgeführt eine konkrete Tatsache behauptet, die erweislich unwahr ist. Auch handelte es sich nicht um eine spontane Unmutsäußerung im Stile von “der war doch besoffen” , vielmehr handelte der Angeklagte wohlüberlegt. Der Bußgeldbescheid war zum Zeitpunkt des mit dem Zeugen zuletzt geführten Telefonats bereits mehrere Tage zugestellt, und das Telefonat kam auf Initiative des Angeklagten zustande. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass ihm die Wirkung seiner Äußerung sehr wohl bewusst war. Schlussendlich entlastet es den Angeklagten auch nicht, dass die Äußerungen “nur” gegenüber einer Behörde getätigt wurden. Der Tatbestand der üblen Nachrede setzt nicht voraus, dass die strafbare Äußerung gegenüber Privatpersonen getätigt wird. Darüber hinaus fielen die Äußerungen nicht gegenüber der Polizei, sondern gegenüber der Stadt Backnang, wobei dem Angeklagten klar war, dass er mit dem Zeugen G. nicht den zuständigen Sachbearbeiter im Bußgeldverfahren zum Gesprächspartner hatte. Ihm war bereits durch die Zeugin D. mitgeteilt worden, dass die Sachbearbeiterin nicht anwesend war. Dem Angeklagten ging es mithin nicht darum, seine Verteidigungsposition im Bußgeldverfahren zu untermauern. Nach alledem steht Art. 5 GG der Strafbarkeit des Angeklagten nicht entgegen.”

Der Angeklagte sieht es inzwischen auch so: Er hat seine Berufung gegen das Urteil zurückgenommen.

Die „Maulkorbentscheidung“ aus Bayern – hier ist der Volltext zum AG-Würzburg-Urteil

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Wir hatten am 16.10.2012 über das AG Würzburg, Urt. v. 26.19.2012 – 103 Cs 701 Js 19849/11 – berichtet, durch das ein Kollege aus Würzburg wegen übler Nachrede verurteilt worden ist, weil er einen Beschluss des AG Würzburg mit scharfen Worten kritisiert hatte (vgl. hier: Hat das BVerfG keine Ahnung von der Realität? Das meint jedenfalls eine RiAG am AG Würzburg – und schießt m.E. über das Ziel hinaus). Die Entscheidung hatte in den Blogs einigen Wirbel erzeugt, teilweise ist von einem „Maulkorb“ für den Verteidiger gesprochen worden (vgl. die Nachweise in unserem Wochenspiegel für die 42 KW. hier).

Ich habe mir das Urteil des AG Würzburg besorgt und stelle es dann jetzt online. Damit kann man sich ein Bild machen, wie das AG argumentiert hat. So ganz überzeugend finde ich die Argumentation des AG nicht. Mit ihr erfasst man nämlich letztlich ggf. jede Äußerung eines Verteidigers. Ich bin gespannt, ob die Entscheidung beim LG Würzburg hält, denn Berufung ist eingelegt. Letztlich wird – das ist angekündigt – das BVerfG entscheiden.

Hat das BVerfG keine Ahnung von der Realität? Das meint jedenfalls eine RiAG am AG Würzburg – und schießt m.E. über das Ziel hinaus

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Über einen meinen Newsletter stoße ich gerade auf die PM der Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger e.V. v. 16.10.2012 (vgl. PM_Bayern_16_10_2012), die sich mit einem Verfahren beim AG Würzburg befasst, über das auch bereits am 26.09.2012 in der Main-Post berichtet worden ist (vgl. hier).

Da hatte ein Verteidiger in einem Strafverfahren einen Durchsuchungsbeschluss kritisiert, weil „der Richter keine „eigenständige Prüfung“ durchgeführt habe und somit „verfassungsrechtliche Grundvoraussetzungen“ nicht erfüllt seien„. Deshalb wird ein Verfahren gegen ihn wegen übler Nachrede eingeleitet, das dann beim AG Würzburg landet. Der Verteidiger wird zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 150 € verurteilt.

Im Bericht der Main-Post (vgl. hier) heißt es:

„Die Vorsitzende sagt, dass der Beschluss vielleicht nicht den Vorgaben des BVerfG entsprochen habe. Aber die obersten Hüter der Verfassung hätten „keine Ahnung von der Realität“. Die Justiz habe weder genügend Zeit, noch genügend Personal, um Beschlüsse so zu prüfen, wie das Verfassungsgericht es sich vorstellt.“

Schon das ist, wenn es so gesagt worden ist, ziemlich heavy, – gelinde ausgedrückt.

Zudem: Wenn das so richtig ist, was die richterliche Kollegin dort mit der Verurteilung gemacht hat – und das dürfte es nicht sein -, dann müssen die Richter am BVerfG aber auf der Hut sein, wenn sie demnächst in richterlichen Beschlüssen beanstanden, dass die von der Rechtsprechung des BVerfG geforderte eigenverantwortliche Prüfung nicht vorgelegen hat. Zumindest in Würzburg drohen dann Strafverfahren.

Mehr schreibe ich mal lieber nicht. Sonst muss ich mir ggf. auch in Würzburg einen Verteidiger suchen 😉