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OWi II: Einsicht in Messunterlagen – Rechtsmittel, oder: Licht und Schatten

Der zweite Beitrag des Tages befasst sich auch mit der Einsicht in Messunterlagen, allerdings geht es nun um Rechtsmittel. Und da habe ich drei Entscheidungen, auf die ich hinweisen will (zum teil hat auch schon der Kollege Gratz dazu berichtet):

  • LG Würzburg, Beschl. v. 24.09.2018 – 1 Qs 155/18, der wenn ein Antrag auf Einsichtnahme in die Messunterlagen pp. erstmals im gerichtlichen Verfahren gestellt wird, die Beschwerde gegen eine ablehnende Entscheidung zwar als zulässig, aber als unbegründet ansieht, weil ein Einsichtsrecht in Messdaten nicht bestehen soll.
  • LG Hanau, Beschl. v. 07.01.2019 – 4b Qs 114/18, der die Beschwerde gegen eine im gerichtlichen Bußgeldverfahren ergangene ablehnende Entscheidung des AG bezüglich Einsicht in Messunterlagen ebenfalls für zulässig ansieht und zugleich auch die Herausgabe von Messreihe, Statistikdatei und Geräteakte anordnet.
  • Und dann noch der das KG zu den  Anforderungen an die Verfahrensrüge verweigerter Akteneinsicht im KG, Beschl. v. 20.12.2018 – 3 Ws (B) 303/18 – mit den leider bekannten Leitsätzen/Forderungen:

1. Rügt der Betroffene die rechtswidrige Ablehnung eines Akteneinsichtsantrags, muss die Rechtsbeschwerdebegründung eine konkret-kausale Beziehung zwischen dem behaupteten Verfahrensfehler und einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt dartun.

2. Hierzu bedarf es substantiierten Vortrags, welche Tatsachen sich aus welchen genau bezeichneten Stellen der Akten ergeben hätten und welche Konsequenzen die Verteidigung daraus gezogen hätte.

3. Soweit eine konkrete Benennung mangels Zugriffs auf die Unterlagen nicht möglich ist, muss sich der Verteidiger bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge weiter um die Einsicht bemüht haben und die entsprechenden Anstrengungen gegenüber dem Rechtsbeschwerdegericht dartun.

Also auch hier: Licht und Schatten. Zur Entscheidung des KG muss man m.E. nichts mehr sagen. Das ist die sattsam bekannte Auffassung des KG und anderer OLG, die m.E. falsch ist. Aber, wen interessiert es …..

Akteneinsicht im Bußgeldverfahren: Teufelskreis 3.0 beim LG Würzburg, oder: So nicht

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Den Tag heute eröffne ich mit einer Entscheidung zur Akteneinsicht im Bußgeldverfahren, dem Dauerbrenner des letzten Jahres. Es handelt sich um den LG Würzburg, Beschl. v. 02.01.2018 – 1 Qs 222/17, den mir der Kollege Gratz vom VerkehrsrechtsBlog übersandt hat. Ergangen ist der Beschluss auf die Gegenvorstellung der Verteidigerin im Bußgeldverfahren. Die hatte zunächst bei der Verwaltungsbehörde den Einsichtsantrag gestellt und den nach Ablehnung dann im gerichtlichen Verfahren wiederholt. Das AG hatte beide Anträge abgelehnt. Dagegen dann im gerichtlichen Verfahren die Beschwerde der Verteidigerin, die das LG als unzulässig ansieht, und zwar unter Hinweis auf § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG. Die Gegenvorstellung der Verteidigerin hat das LG nicht zur Einsicht gebracht:

„Auf die Gründe des Beschlusses vom 27.11.2017 wird zur Vermeidung von Wiederholungen Be­zug genommen. An der rechtlichen Würdigung wird festgehalten.

Das Polizeiverwaltungsamt lehnte den Antrag der Verteidigerin aus ihrem Schriftsatz vom 21.06.2017, ihr digitale Falldatensätze der gesamten Messereihe inklusive unverschlüsselter Rohmessdaten (jeweilige Einzelmesswerte mit Laufzeiten und Winkelangaben), Token-Dateien, Passwort, Statistikdatei, Lebensakte bzw. Geräteakte sowie aktuelle Schulungsnachweise des Mess- und Auswertepersonals zur Verfügung zu stellen, mit Schreiben vom 06.07.2017 ab.

Mit Ihrem an das Amtsgericht Würzburg gerichteten Schriftsatz vom 19.09.2017 beantragte die Verteidigerin ihr die o.g. Daten bzw. Unterlagen zur Verfügung zu stellen bzw. durch die Verwal­tungsbehörden herausgeben zu lassen.

Dies stellt, zur Überzeugung der Kammer einen Antrag der Verteidigerin auf eine gerichtliche Ent­scheidung über die Nichtherausgabe der angeforderten Daten durch das Polizeiverwaltungsamt dar. Hierbei ist zu sehen, dass die von der Verteidigung begehrten Daten nicht bei Gericht waren und daher von diesem selbst nicht herausgegeben werden konnten. Wenn das Gericht nun – wie von der Verteidigung beantragt – die Verwaltungsbehörde anweisen soll, die Daten, an sie trotz vorheriger Weigerung herauszugeben, stellt dies im Ergebnis nichts anderes dar als eine gericht­liche Überprüfung der vorangegangenen verwaltungsbehördlichen Verweigerung der Herausgabe der Daten.

Aus diesem Grunde ist der Beschluss des Amtsgerichts Würzburg vom 20.09.2012 in dessen Ziffer 2 eine Entscheidung nach § 62 OWiG, gegen die eine Beschwerde nach § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG nicht statthaft und aus diesem Grunde unzulässig ist.

Soweit die Verteidigung das sog. Meistbegünstigungsprinzip mit der Begründung heranzieht, das Amtsgericht habe ihren Antrag vom 19.09.2017 unzutreffend als solchen nach § 62 OWiG aufge­fasst, ist auch dies nicht zielführend. Das Meistbegünstigungsprinzip kommt nur dann zur An­wendung, wenn für den Rechtsmittelführer eine das einzulegende Rechtsmittel betreffende Unsi­cherheit besteht, sofern diese auf einem Fehler oder einer Unklarheit der anzufechtenden Ent­scheidung beruht (BGH NJW-RR 2003, 277 ff.). Dies ist vorliegend nicht der Fall.“

Die Entscheidung ist m.E. schlicht falsch, überrascht mich aber nicht mehr wirklich. Denn inzwischen ist offenbar kein Argument mehr zu „blöde“, um es dem Einsichtsbegehren des Betroffenen nicht entgegen halten zu können. Man kann sich ja darauf zurückziehen, dass § 305 StPO der Beschwerde entgegensteht, aber nicht § 62 Abs. 2 Satz 2 StPO. Der gilt nicht mehr im gerichtlichen Verfahren, in dem wir uns hier befinden. Im Übrigen: Teufelskreis 3.0 – oder sind wir schon bei 4.0? Denn – und auf die Frage bleibt das LG eine Antwort schuldig: Wie soll bitte der Betroffene/Verteidiger die Vorgaben der OLG-Rechtsprechung erfüllen, wonach er beim AG entsprechende Einsichtsanträge hinsichtlich der Messunterlagen stellen muss und es dafür dann im gerichtlichen Verfahren/in der Hauptverhandlung zu spät ist/sein soll, wenn die Instanzgerichte die Unterlagen nicht zur Verfügung stellen, sich nicht darum kümmern und Rechtsmittel als unzulässig angesehen werden? Der Verteidiger/Betroffene rennt im Hamsterrad. Was das mit rechtlichem Gehör usw. zu tun hat, das mag mir mal ein LG vernünftig erklären. Das LG Würzburg kann es jedenfalls nicht.

Abtretungsurkunde/Abtretungsanzeige – wann ist die Aufrechnung ausgeschlossen?

So, nach dem ganzen „Weihnachtsgedöns“ machen wir mal wieder Jura. Zum (Wieder)Warmwerden etwas Gebührenrechtliches, nämlich den Hinweis auf den LG Würzburg, Beschl. v.08.11.2012 – 1 Qs 193/12. In der Entscheidung geht es um die Problematik des § 43 RVG, nämlich um die Frage, wann eine Abtretungsanzeige des Beschuldigten vorliegt, die eine Abtretung der Staatskasse mit Kostenansprüchen ausschließt.

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Im entschiedenen Fall hatte der Rechtsanwalt mit dem Mandanten eine Abtretung vereinbart, darüber war auch ein Schriftstück angefertigt worden, das hatte aber nur der Mandant unterzeichnet. Der Rechtsanwalt hat das mit seiner Kostenrechnung eingereicht. Staatskasse und AG meinten, dass das nicht ausreiche, denn es handle sich nicht um eine „Abtretungsrkunde“, zudem sei die Erklärung nicht durch/über den Beschuldigten zur Akte gelangt.

Dazu das LG:

„(a)      Die Kammer teilt die rechtliche Auffassung des Amtsgerichts Kitzingen und der von der Bezirksrevisorin .vertretenen Staatskasse insoweit, dass die von Herrn Rechtsanwalt M. zur Akte gegebenen „Abtretungserklärung“  keine Urkunde über die Abtretung im Sinne des § 43 Satz 2 RVG darstellt, da sie nur die Erklärung und Unterschrift des Zedenten, nicht aber auch die des Zessionars enthält und für die Wirksamkeit erforderlich wäre, dass beide auf der Urkunde unterschreiben. Da eine wirksame Abtretung zivilrechtlich zwei Willenserklärungen voraussetzt, die von dem Zedenten abgegebene Abtretungserklärung von dem Zessionar angenommen werden muss, bedarf eine Urkunde über die erfolgte Abtretung folglich der Unterschrift beider Beteiligter.

(b)      Wenn die einseitige schriftliche „Abtretungserklärung“ des Herrn X. aus den dargestellten

Gründen auch keine Urkunde über die Abtretung ist, so erfüllt sie jedoch die Voraussetzungen einer Anzeige des Beschuldigten über die Abtretung. Dass diese als „Abtretungserklärung“, nicht „Abtretungsanzeige“ bezeichnet ist, schadet nicht,

Die Kammer vermag — anders als das Amtsgericht Kitzingen und die Bezirksrevisorin — dem Gesetzestext nicht zu entnehmen, dass die Anzeige über die Abtretung durch den Beschuldigten zur Akte gelangen muss. Vielmehr verlangt das Gesetz nur, dass die Abtretungsanzeige „des Beschuldigten“, nicht „durch den Beschuldigten“ zur Akte gelangen muss, die Abtretungsanzeige also von dem Beschuldigten stammen und sie in der Akte vorliegen muss.

Die gegenteilige Auffassung, der Beschuldigte selbst müsse die Anzeige zur Akte geben, findet weder in dem Gesetzestext noch in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 15/1971, S. 199) einen Anhaltspunkt, findet auch — soweit ersichtlich — in der einschlägigen Kommentarliteratur keinen Vertreter.

Der gesetzliche Zweck der Regelung des § 43 Satz 2 RVG ist laut Gesetzesbegründung (a.a.O.) der Ausschluss von Zweifeln an der Wirksamkeit einer Aufrechnungserklärung. Aus diesem Grunde „soll darauf abgestellt werden, ob die Abtretungsurkunde oder eine Abtretungsanzeige des Beschuldigten oder Betroffenen bei dem Gericht öder bei der Verwaltungsbehörde eingegangen ist“ (BT-Drucks, 15/1971, S. 199). Auch bei teleologischer Auslegung der Vorschrift ist es daher nicht von Bedeutung, ob die Abtretungsanzeige von dem Beschuldigten selbst bei Gericht eingereicht wird, oder von dessen anwaltlichem Vertreter.

Insoweit bedarf es auch der von dem Verteidiger angedachten rechtlichen Konstruktion, dass er die Anzeige als Vertreter oder Bote seines Mandanten bei Gericht eingereicht habe, nicht….“

Einem solchen Streit kann man als Verteidiger vorbeugen, indem man eine Abtretungsurkunde vorlegt. Aber: Die bitte nicht in die Vollmacht aufnehmen. Denn es ist streitig, ob die Abtretung bereits in der Vollmacht vereinbart werden kann.