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Kratzer am Pkw nach Durchsuchung – keine Haftung der Polizei…

Ich stoße gerade auf eine Nachricht aus Jurion zu einer PM des LG Magdeburg v. 22.07.2011. Da heißt es zu einem Urt. des LG Magdeburg v 14.07.2011 – 10 O 787/11:

„Polizei haftet nicht bei Beschädigungen am PKW einer Mutter anlässlich einer polizeilichen Durchsuchung, wenn der Sohn den PKW für Drogenfahrten benutzt

Die 10. Zivilkammer des LG Magdeburg hat mit Urteil die Klage einer PKW Besitzerin gegen die Polizei abgewiesen.
Der erwachsene Sohn der Klägerin nutzte ohne Wissen seiner Mutter den PKW für Fahrten um damit Drogen einzukaufen. Bei einer polizeilichen Durchsuchung des Fahrzeuges nach Drogen unter Einsatz eines Hundes verursachte der Hund Kratzer und Lackschäden am Fahrzeug. Gefunden wurden Marihuana und ein geladener Revolver. Die Klägern beziffert ihren Schaden mit rund 4.000 €. Die Polizei bestreitet dessen Höhe und beruft sich auf die Rechtmäßigkeit des Einsatzes.
Das Landgericht hat entschieden, dass die Autobesitzerin ihren entstandenen Schaden nicht von der Polizei ersetzt verlangen kann, da die Durchsuchung und auch der Einsatz des Hundes rechtmäßig war. Dabei etwaig entstandene Schäden müssen nicht die Polizei und damit die Steuerzahler tragen. Allerdings hat die Mutter einen Anspruch gegen ihren Sohn, da davon auszugehen ist, dass sie mit der Überlassung des PKW’s an ihren Sohn nicht damit einverstanden war, dass dieser den PKW für Fahrten zur Beschaffung und zum Transport von Betäubungsmitteln nutzt.“

Waffengleichheit im Strafverfahren – hergestellt durch Bestellung eines Pflichtverteidigers -II

Wir haben ja schon mehrfach (vgl. u.a. hier) über die Waffengleichheit im Strafverfahren berichtet. Die besteht oder sollte nicht nur im Hinblick auf das Verhältnis Gericht/Angeklagter/StA bestehen, sondern auch im Hinblick auf das Verhältnis mehrerer Angeklagter/Beschuldigter. In letzterem Bereich wird sie von den (Land)Gerichten zunehmend dadurch hergestellt, dass einem Angeklagten, der keinen Pflichtverteidiger hat, ein solcher bestellt wird, wenn ein Mitangeklagter einen (Pflicht)Verteidiger hat.

So zutreffend auch (mal wieder) das LG Magdeburg im Beschl. v. 29.09.2010 – 21 Qs 805 Js 70914/10 (77/10). Sollte man als Verteidiger argumentativ im Blick haben.

Magdeburger Landrecht zur Akteneinsicht – gewährt das der StA Schützenhilfe?

Erstaunen, Erstaunen macht sich breit, wenn man die Entscheidung des LG Magdeburg v. 26.08.2010 – 25 Qs 334 Js 39757/09 (77/10) liest. Beim Beschuldigten wird durchsucht. Der Verteidiger geht in die Beschwerde, hatte aber noch keine Akteneinsicht. Das LG erkennt richtig, dass es für seine Entscheidung – lassen wir dahingestellt, welches die richtige wäre – keine dem Beschuldigten nicht bekannten Daten verwenden darf. Aber was macht das LG? Es entscheidet nicht über die Beschwerde, sondern beschließt die Aussetzung des Verfahrens für drei Monate mit der Begründung:

„Das Rechtschutzinteresse der Beschuldigten an einer Beschwerdeentscheidung kann insofern mit dem öffentlichen Interesse an der Durchführung weiterer Ermittlungen dadurch in Einklang gebracht werden, dass die Beschwerdeentscheidung zunächst aufgeschoben wird, um der Staatsanwaltschaft zum einen die Möglichkeit zu weiteren Ermittlungen zu geben und zum anderen anschließend vor einer Beschwerdeentscheidung den Anspruch der Beschuldigten auf rechtliches Gehör durch Gewährung von Akteneinsicht über den Verteidiger Genüge zu tun. Vor diesem Hintergrund ist es angemessen, die Beschwerdeentscheidung für die Dauer von drei Monaten aufzuschieben.“

Die Argumentation erschließt sich mir aus der StPO nicht. Möglichkeit der weiteren Ermittlungen für die StA, also Schützenhilfe? Wo steht das denn? Und das, obwohl die StA die AE noch nicht einmal unter Hinweis auf § 147 Abs. 2 StPO verweigert hat. Also doch wohl die „Magdeburger StPO“?

Was tun? Ich habe dem Kollegen, der mir die Entscheidung geschickt hat, geraten, weitere Beschwerde einzulegen mit der Begründung, dass das LG eine weitere selbständige Entscheidung getroffen hat.

Mal sehen, was passiert. So geht es m.E. nicht

LG Magdeburg wertet Ein-Euro-Stundenlohn als Straftat

Eine dpa-Meldung vom 29.06.2010 weist auf ein Urteil des LG Magdeburg v. 29.06.2010, 21 Ns 17/09, hin. In der Meldung heißt es:

„Dumpinglöhne wurden bisher als Ordnungswidrigkeit in Deutschland geahndet. Das Landgericht Magdeburg setzt nun mit einem Urteil ein Zeichen. Wer den Mindestlohn nicht beachtet, macht sich strafbar.

Magdeburg (dpa/sa) – Weil er Putzfrauen mit Stundenlöhnen unter einem Euro abgespeist hat, muss ein Reinigungsunternehmer 1000 Euro Geldstrafe zahlen. Die Summe ist wenig spektakulär, wohl aber das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom Dienstag: Es bewertete das Unterschreiten eines allgemeinverbindlichen Mindestlohns als Straftat und nicht wie bisher üblich als Ordnungswidrigkeit. Gericht, Staatsanwaltschaft und Gewerkschaften maßen dem Richterspruch daher bundesweite Bedeutung zu – nach allem was man wisse, habe noch nie ein deutsches Gericht so geurteilt. «Wenn Unternehmen Dumpinglöhne zahlen, müssen sie künftig mit härteren Strafen rechnen», sagte Staatsanwalt Andreas Strauß.

Der Mindestlohn für Gebäudereiniger lag zum Zeitpunkt der 18 angeklagten Taten zwischen 2004 und 2006 bei 7,68 Euro. Die Staatsanwaltschaft rechnete vor, dass die Putzfrauen im besten Fall aber nur auf maximal 1,79 Euro die Stunde kamen. Richterin Claudia Methling sagte in ihrer Urteilsbegründung, der 57-jährige Unternehmer habe zur eigenen Gewinnmaximierung teils «nicht mal einen Euro» gezahlt. «Egal wie man es betrachtet: Ein Stundenlohn von einem Euro ist als sittenwidrig anzusehen.»

Das Gericht sprach den 57-Jährigen des Vorenthaltens und der Veruntreuung von Arbeitsentgelt für schuldig. Der Sozialversicherung sei durch nicht gezahlte Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge 69 000 Euro Schaden entstanden – deren Höhe bemesse sich am Lohnanspruch und nicht an der Höhe des tatsächlich ausbezahlten Lohnes. Der Mann muss 100 Tagessätze á 10 Euro zahlen und gilt, sollte das Urteil rechtskräftig werden, als vorbestraft. Die vergleichsweise milde Strafe sei der langen Verfahrensdauer und der Tatsache geschuldet, dass der Angeklagte nicht vorbestraft sei und derzeit selbst nur einen 400-Euro-Job habe, sagte Methling. Seine Firma ist pleite.

Seit 2001 setzte der Mann Arbeitnehmer aus Nachfolgestaaten der Sowjetunion an Rasthöfen in mehreren Bundesländern ein. Dort mussten sie in Zwölf-Stunden-Schichten Toiletten und Duschen sauber halten oder Geld für die Benutzung einsammeln. Sie arbeiteten bis zu 14 Tage am Stück und erhielten dafür nach den Feststellungen des Gerichts 60 bis 300 Euro – bei freier Kost und Logis.

Der Angeklagte äußerte sich in dem sei April laufenden Prozess nicht zur Sache. Anwalt Osmar Christmann argumentierte im Plädoyer, tatsächlich hätten die Beschäftigten lediglich zwei bis drei Stunden täglich geputzt, den Rest als eine Art Bereitschaftszeit verbracht. «Nirgendwo wird rund um die Uhr die Toilette geputzt», sagte der Anwalt, der auf Freispruch plädierte und nun eine Revision prüfen will.

«Das ist ein wegweisendes Urteil», sagte der Bezirksleiter Mitteldeutschland der Gewerkschaft IG BAU, Peter Schulze. «Die bisher gängige Praxis, die Nichtzahlung von Mindestlöhnen als Ordnungswidrigkeit darzustellen, wirkt an keiner Stelle abschreckend.» Die Geldbußen seien gering. «Wem nun sogar Gefängnis droht, der überlegt sich das vielleicht zweimal.»

Zwei Vorinstanzen hatten den Reinigungsunternehmer im Oktober 2008 und März 2009 freigesprochen. Das Oberlandesgericht Naumburg hob das letzte Urteil jedoch auf und verwies den Fall erneut an das Landgericht Magdeburg.“

Wenn ich will, helfe ich dir – LG Magdeburg rettet Kostenfestsetzung

Das LG Magdeburg hat jetzt einem RA geholfen, dem das AG entgegengehalten hatte, dass eine Kostenentscheidung keine ausreichende Grundlage für seinen Festsetzungsantrag war. (vgl. Beschl. v. 06.07.2009, 25 Qs 57/09). Im Beschluss heißt es:

„Das Amtsgericht Aschersleben hat in seiner Einstellungsentscheidung sehr wohl eine Entscheidung über die Verfahrenskosten und notwendigen Auslagen der Angeklagten getroffen. Zwar ist die vorgenannte Formulierung unpräzise, aber auslegungsfähig. Das Gesetz zwingt den Richter nicht zu einer bestimmten Wortwahl, wenn er eine Entscheidung trifft. Die Formulierung „auf Kosten der Staatskasse“ ist durchaus gebräuchlich und kann auch ohne weiteres dahin verstanden werden, dass sowohl über die Verfahrenskosten als auch über die notwendigen Auslagen entschieden werden sollte. Die Rechtspflegerin hat im Rahmen ihrer Entscheidung über einen Kostenerstat­tungsantrag grundsätzlich zu berücksichtigen und ggfs. auszulegen, welche Entscheidung das Gericht treffen wollte, wenn eine Formulierung gewählt wurde, die nicht eindeutig ist. Ist die Rechtspflegerin dazu nicht in der Lage, kann sie ggfs. eine dienstliche Äußerung des entscheiden­den Richters einholen. Dies hat die Kammer auch getan. im Rahmen der dienstlichen Äußerung hat Richterin am Amtsgericht sich dahin geäußert, dass es sich bei der Kostenentscheidung um den gesetzlichen Regelfall des § 467 Abs. 1 StPO gehandelt hat. Eine ausdrückliche Aufnahme der Entscheidung über die notwendigen Auslagen sei versehentlich nicht erfolgt. Hinzu kommt, dass das Gericht die Ausnahmetatbestände des § 467 Abs. 2 und 3 StPO in seiner Entscheidung nicht genannt hat, was aber bei einer Abweichung vom Regelfall zu erwarten gewesen wäre. Im Ergebnis folgt die Kammer den ausführlichen Gründen des Oberlandesgerichts Naumburg in seinem Beschluss vom 17. Januar 2001, Az.: 1 Ws 13/01, NStZ-RR 2001, 189.“

Manchmal ist man erstaunt, wie einfach sich manche Dinge regeln lassen (wenn man nur will).