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Revisionsrücknahme und das liebe Geld

Zum Wochenende dann noch eine gebührenrechtliche Entscheidung des LG Braunschweig, Beschl. v.08.06.2011 – 2 KLs 63/10, und zwar (mal wieder) zur leidigen Frage, ob der Rechtsanwalt bei Rücknahme der Revision eine zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG verdient (die Frage gilt für die Rücknahme der Rechtsbeschwerde und die Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 4 VV RVG entsprechend).

Die wohl h.M. bejaht das nur in Ausnahmefällen und verlangt, dass ein Hauptverhandlungstermin anberaumt war bzw. nahe gelegen hat. M.E. nicht zutreffend. Sondern: Die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG entsteht (zumindest) immer dann, wenn der Rechtsanwalt eine eingelegte Revision begründet hat. So zutreffend das LG Braunschweig (und auch einige anderes OLGs; weitere Nachweise dazu auf meiner HP). D.h. also: Zumindest die allgemeine Sachrüge sollte man bei Einlegung erheben.

Wer A sagt, muss auch B sagen, meint auch das LG Braunschweig…

Ich hatte vor einiger Zeit über eine interessante/zutreffende kostenrechtliche Entscheidung des AG Braunschweig berichtet, in der das AG dem Verteidiger Gebühren für insgesamt 27 Ermittlungsverfahren zugesprochen hatte. Die StA hatte aus statistischen Gründen zunächst 27 Verfahren eingetragen, obwohl man letztlich nur von 7 Verfahren ausging. Gebühren für den Pflichtverteidiger, der in allen 27 Verfahren Akteneinsicht hatte und das Verfahren mit seiner Mandantin ausführlich erörtert hat, mehr als 10.000 €.  Dagegen (natürlich) das Rechtsmittel des Bezirksrevisors, der ebenso wie die StA nur von sieben Verfahren ausgegangen ist.

Nichts da, hat jetzt das LG Braunschweig im Beschl. v. 19.07.2010 – 7 Qs 22/10 ebenso zutreffend 🙂 gesagt: Wer A sagt, muss eben – auch kostenrechtlich – B sagen. Es gibt 27 Grund- und Verfahrensgebühren :-). Jedes Ermittlungsverfahren ist eben so lange ein eigenständiger Rechtsfall i.S. der Nr. 4100 VV RVG wie nicht die Verbindung mit anderen Verfahren erfolgt ist. Allein die Absicht der Staatsanwaltschaft, später die Verbindung mit anderen Verfahren herbeizuführen, nimmt dem Verfahren – so auch das LG – nicht die Qualität als eigenständiger Rechtsfall.

Und: Erörtert der Rechtsanwalt die Sach- und Rechtslage ausführlich mit seinem Mandanten, wird diese Tätigkeit nicht mehr von der Grundgebühr, sondern von der Verfahrensgebühr umfasst. Der RA hat – was wichtig/richtig ist – zur Verfahrensgebühr vorgetragen.

Interessant folgende Passage in der Entscheidung:

„…Diese Absicht der Verbindung der Verfahren war für Rechtsanwalt H. nicht erkennbar. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig sollte vielmehr ihre Eintragungspraxis überdenken, um diese für die Staatskasse sehr nachteiligen Kostenfolgen zukünftig zu vermeiden.“

Tja, recht deutlich der Rüffel für die StA. Wer A sagt, muss eben B sagen, auch wenn es teuer wird.

LG Braunschweig: Nicht aus dem Haus, nicht in der Welt – auch „nachträgliche“ Pflichtverteidigerbenennung hat der Amtsrichter zu berücksichtigen

Manchmal ist man nicht nur erstaunt, sondern „sehr erstaunt“, wenn man Fallgestaltungen sieht/liest. So erging es mir bei einem Beschluss des LG Braunschweig vom 21.09.2009 – 7 Qs 280/09. Es handelt sich zwar noch um einen Fall nach „altem Recht“, die Problematik bleibt aber auch nach den Änderungen des § 142 Abs. 1 StPO durch das 2. OpferRRG aktuell.

Das AG hatte dem Angeschuldigten mit Schreiben vom 10.7.2009 die Anklageschrift förmlich zugestellt und dem Ange­schuldigten Gelegenheit gegeben binnen einer Woche einen Pflichtverteidiger zu benennen. Am 3.8.2009 beschloss das Amtsgericht, dem Angeschuldigten, der sich bis dahin nicht anderweitig geäußert hatte, eine Pflichtverteidigerin beizuordnen. Ausgefertigt wurde der Beschluss am 6.8.2009. Bereits einen Tag zuvor – nämlich am 5.8.2009 um 12.40 Uhr (Eingang bei Gericht) – hatte der Angeklagte beantragt, ihm Rechtsanwalt X als Pflichtverteidiger beizuordnen. Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 26.8.2009 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte Erfolg. Das LG führt kurz und zackig aus:

Die zulässige Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Zwar hat der Angeschul­digte nicht innerhalb der ihm gem. § 142 Abs. 1 Nr. 2 StPO gesetzten Frist einen Verteidiger seiner Wahl benannt. Dies ist aber nachfolgend geschehen und zwar bevor der Beschluss des Vorsitzenden Außenwirkung erlangen konnte. Die Sache hätte mithin dem Vorsitzenden noch einmal vorgelegt werden müssen, damit dieser den Wunsch des Angeschuldigten bei seiner Auswahlentscheidung hätte berücksich­tigen können.“

Dem kann man sich nur anschließen und sagen: Recht so, denn noch war der Beschluss nicht „in der Welt“ und die Frist des § 142 Abs. 1 StPO ist keine Ausschlussfrist. Das weiß jetzt auch das AG.