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Erstattung von Kopien, oder: Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, die Erforderlichkeit zu prüfen – wirklich?

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Am Gebührenfreitag heute zwei Beschlüsse zur Erstattung von Fotokopiekosten, und zwar ein „positiver“ und ein „negativer“ Beschluss. Ich beginne mit dem negativen, dann haben wir es hinter uns.

Es handelt sich um den LG Braunschweig, Beschl. v. 05.08.2019 – 9 Qs 158/19. Ergangen ist er in einem Verfahren betreffend Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung. Der Pflichtverteidiger hatte deren Festsetzung beantragt, enthalten war im Antrag ein Betrag von 205,90 € für 1.256 Kopien entfielen. Das AG hat die nicht festgesetzt. Dagegen die Beschwerde, die beim LG dann keinen Erfolg hatte:

„Die Beschwerde ist indes unbegründet.

Gem. § 46 RVG, Nr. 7000, Nr. 1 a VV RVG sind Ablichtungen aus Behörden- oder Gerichtsakten nur dann erstattungsfähig, wenn ihre Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung des Sachverhaltes und der Rechtssache geboten ist. Bei dieser Prüfung besteht ein objektiver Maßstab. Zu berücksichtigen ist ferner, dass ein Ermessensspielraum des Verteidigers besteht. Eine ordnungsgemäße Ausübung dieses Ermessens ist indes vorliegend nicht erkennbar.

Die ungeprüfte Ablichtung einer gesamten Akte genügt den gesetzlichen Anforderungen grundsätzlich nicht (vgl. Mayer/Kroiß, 4. Aufl. 2009, RVG Nr. 7000-7002 VV Rn. 5). Nach ständiger Rechtsprechung des hiesigen Oberlandesgerichtes sind z. B. eigene Schriftsätze des Verteidigers in der Akte nicht zu kopieren. Enthalten sind weiterhin z. B. ein Empfangsbekenntnis oder bloße Anfragen zum Bundesamt für Justiz. Auch insoweit ist nicht erkennbar, dass eine ordnungsgemäße Ausübung des anwaltlichen Ermessens bei der Auswahl der kopierenden Aktenbestandteile erfolgt ist.

Unter diesen Umständen ist es auch nicht die Aufgabe des Gerichtes im Kostenfestsetzungsverfahren, nunmehr selbst zu prüfen, welche Aktenbestandteile aus Sicht der Verteidigung zwingend zu kopieren waren und welche nicht. Daher ist es nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung die Dokumentenpauschale insgesamt in Abzug gebracht hat.“

Der Beschluss ist in meinen Augen falsch. Zutreffend ist es  wenn das das LG davon ausgeht, dass die Notwendigkeit von Aufwendungen dargetan werden muss. Ebenso geht die Rechtsprechung aber auch davon aus, dass die Staatskasse trägt die Beweislast dafür trägt, dass Auslagen zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Partei nicht erforderlich gewesen sind. Und diese Beweislast trägt die Staatskasse m.E. eben nicht bzw. kommt ihr nicht nach, wenn man sich einfach darauf zurück zieht, dass es nicht Aufgabe des Gerichtes ist, im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen, welche Aktenbestandteile aus Sicht der Verteidigung zwingend zu kopieren waren und welche nicht. Denn: Der Rechtsanwalt hat mit der Vorlage der Kopien und der Erklärung, dass nach seiner Auffassung alles zu kopieren gewesen sei, die Notwendigkeit der von ihm gemachten Aufwendungen dargetan, wobei das Ermessen des Rechtsanwalts recht weit geht. Die Ermessensausübung mag falsch gewesen sein. Das Ermessen ist aber ausgeübt und dargelegt und daher ist es dann m.E. Aufgabe der Staatskasse darzulegen, welche Kopien sie nicht erstatten will, warum diese als nicht erforderlich gewesen sind. Und das hat die Staatskasse hier nicht getan. Und das LG will sich – was offensichtlich ist – mit der Frage leider auch nicht befassen. Ergebnis: Der Rechtsanwalt bleibt auf den Kopiekosten sitzen.

Und wer Rechtsprechung zu der Problematik sucht: Steht alles/einiges auf meiner Homepage und auch im <<Werbemodus an>> RVG-Kommentar Burhoff/Volpert, den man hier bestellen kann <<Werbemodus aus>>.

Aber, wer will sich schon mit der Staatskasse streiten 🙂 : M.E. kann der Verteidiger diesem Streit entgehen, wenn er in seinem Kostenfestsetzungsantrag konkreter als es hier offenbar geschehen ist, darlegt, welche Kopien nach seiner Auffassung erforderlich waren. Also ein wenig mehr schreibt als: Ich habe alle für erforderlich gehalten. Damit bietet er nämlich kein Einfallstor für solche Entscheidungen.

Akteneinsicht des Sachverständigen eines Insolvenzverfahrens?, oder: Die wird gewährt

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Und als letzte Entscheidung des Tages dann die LG Braunschweig, Vfg. v. 07.11.2018 – 16 KLs 5/17. Es geht um das Akteneinsichtsrecht eines Sachverständigen aus einem Insolvenzverfahren in die Verfahrensakten eines Strafverfahrens. Der Vorsitzende hat in seiner Verfügung ein Akteneinsichtsrecht bejaht und dem Sachverständigen Akteneinsicht durch Übersendung eines verschlüsselten Datenträgers mit der Verfahrensakte des LG Braunschweig gewährt.

1. Die Gewährung von Akteneinsicht in die gesamte Verfahrensakte basiert auf § 475 Abs. 2 StPO.

Da die PP. im vorliegenden Fall nicht verfahrenszentral ist, hat die Kammer keine Kenntnis darüber, ob das Stammkapital bei Eintragung in das Handelsregister vorhanden gewesen ist. Insofern ist die reine Erteilung einer Auskunft aus den Akten unverhältnismäßig, weil der gesamte Verfahrensstoff auf Bezüge zur PP. durchgearbeitet werden müsste.

Gleiches gilt für die Frage, ob sich in den Unterlagen die dazugehörigen Kontoauszüge und Belege betreffend die PP. befinden.

Der Zeuge PP. gab auf Seite 2 seiner Vernehmung vom 03.04.2014 an, dass die PP. GmbH oder die PP. sein Arbeitgeber gewesen sei, dass er bei der PP. GmbH Geschäftsführer gewesen sei und dass die Firma umbenannt worden sei. Ferner befindet sich in der Akte ein Handelsregisterauszug der PP. (Bd. I, BI. 276 d.A.) sowie ein Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 02.04.2014 (Az.: 7 Gs 830/14) betreffend die PP. Eine Beurteilung der Frage, welche dieser Informationen für den Sachverständigen von Relevanz sind, ist der Kammer ohne unzumutbare weitere Ermittlungen im verfahrensfremden Insolvenzverfahren 273 IN 86/18a nicht möglich. Vielmehr obliegt es dem in diesem Verfahren bestellten Sachverständigen, die für ihn relevanten Tatsachen selbst herauszuarbeiten.

Es bestehen keine Bedenken gegen die Akteneinsicht dem Grunde nach. Nach der h.M. ist der im Insolvenzverfahren bestellte Sachverständige zu einer umfassenden Einsicht in die Strafakten berechtigt, wenn sich daraus Hinweise dazu ergeben können, ob Ansprüche mit Bezug zum Insolvenzschuldner bestehen (OLG Braunschweig, Beschluss vom 10.03.2016, Az.: 1 Ws 56/16 = NJW 2016, 1834; OLG Dresden, ZVI 2014, 145). Nach dem Akteninhalt erscheint es möglich, dass im Zusammenhang der PP. Summen bewegt wurden, ohne dass diese Geschäftsvorgänge so dokumentiert wurden, dass sie von einem Dritten innerhalb angemessener Zeit nachvollzogen werden können (§§ 238 Abs. 1 S. 2 u. 3, 6 Abs. 1 HGB, § 13 Abs. 3 GmbHG). Wenn der im Insolvenzverfahren bestellte gerichtliche Sachverständige nach dem Inhalt seiner Antragsbegründung schon nicht feststellen kann, ob überhaupt das Stammkapital eingezahlt wurde, so muss davon ausgegangen werden, dass möglicherweise auch Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass Regressansprüche gegen Dritte aus bisher nicht aufgeklärten Vorfällen bestehen könnten. Nach Nr. 2 des Beschlusses des Amtsgerichts Braunschweig vom 05.04.2018 hat der Sachverständige auch Angaben über mögliche Forderungen gegen Dritte und deren Realisierbarkeit zu machen. In diesem Falle ist die Gewährung uneingeschränkter Akteneinsicht rechtmäßig, weil sie der Erfüllung des gerichtlichen Gutachtenauftrages dient (OLG Dresden, ZVI 2014, 145).

Da der Antragsteller im vorliegenden Fall Sachverständiger und nicht Insolvenzverwalter ist, bedarf auch die dogmatische Frage, ob das Akteneinsichtsrecht des Insolvenzverwalters weiterreichen kann als das der Insolvenzschuldnerin, hier keiner Entscheidung. Als gerichtlich bestellter Sachverständiger ist der Antragsteller „Gehilfe des Gerichts“, hier des Amtsgerichts Braunschweig – Insolvenzabteilung -, nicht aber der Masse.

Das erforderliche Interesse an der Akteneinsicht ist durch Vorlage des Beschlusses über die Bestellung zum Sachverständigen (hier: Bd. IV, BI 277 der Akte) hinreichend dargelegt (OLG Dresden, ZVI 2014, 145).

Bei der Entscheidung über die Akteneinsicht und der Auslegung von § 475 StPO ist ferner zu berücksichtigen, dass der durch das Gericht bestellte Sachverständige im Insolvenzeröffnungsverfahren nicht nur im Interesse einer Privatperson, sondern auch für die Rechtspflege tätig wird und seinem Interesse daher ein vergleichbares Gewicht beizumessen ist wie dem Interesse einer Justizbehörde, die nach § 474 Abs. 1 StPO Akteneinsicht verlangen kann (OLG Braunschweig, aaO). Daher ist auch ein möglicher Rückgriff auf die Rechtsprechung und Kommentierung zum Akteneinsichtsrecht nach § 406e StPO hier nicht angebracht.

2. Die Gewährung von Akteneinsicht in die Asservate beruht auf § 275 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 StPO. Die Entscheidung über die Akteneinsicht in die Asservate wird von den oben genannten Erwägungen getragen.

3. Auch nach einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung ist dem Sachverständigen PP. Akteneinsicht zu gewähren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Insolvenzverfahren nicht nur im Privatinteresse von Gläubigern und Schuldnern durchgeführt wird. Vielmehr besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der ordnungsgemäßen Abwicklung von Insolvenzverfahren (Wozniak, jurisPR-InsR 14/2017, Anm. 5).

Bei der Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch wurde nicht aus dem Blick gelassen, dass sich im hier vorliegenden Fall das Insolvenzverfahren nicht das Vermögen der Angeklagten oder das Vermögen möglicherweise Geschädigter betrifft. Den Angeklagten erscheint eine Einsicht des Sachverständigen in die Verfahrensakten und Asservate zumutbar. Denn dem im öffentlichen Interesse geltend gemachten Akteneinsichtsgesuch des Sachverständigen stehen keine schutzwürdigen Interessen der Angeklagten gegenüber. Vor dem Hintergrund der erheblichen Bedeutung der ordnungsgemäßen Durchführung von Insolvenzverfahren besteht kein Vorrang des Rechts des Angeklagten auf informationelle Selbstbestimmung gegenüber dem Akteneinsichtsinteresse des Antragstellers (OLG Braunschweig, aaO). Denn dass hier – beispielsweise nach § 475 Abs. 1 S. 2 StPO schutzwürdige – Interessen wie der Schutz der Intimsphäre oder von bestimmten Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen betroffen seien könnten, ist nicht ersichtlich.

§§ 474, 475 StPO sind Spezialvorschriften zum allgemeinen Datenschutzrecht und verdrängen dieses im Rahmen ihres Anwendungsbereiches.

4. Der Beschluss des LG Hamburg vom 19.06.2018, Az.: 618 Qs 20/18 = StraFo 2018, 438 ist vorliegend nicht einschlägig. Denn im dortigen Fall ging es darum, dass der Beschwerdeführer ein Altgläubiger war, der im privaten Interesse Forderungen verfolgen wollte. Im dortigen Fall hat das Landgericht Hamburg zutreffend erkannt, dass dies zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters gehört, weshalb der Beschwerdeführer im dortigen Fall kein schutzwürdiges Interesse an der Akteneinsicht hatte (LG Hamburg, StraFo 2018, 438 (439)).

So liegt die Sache hier aber gerade nicht. Im hier vorliegenden Fall geht es nicht darum, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige mögliche zivilrechtliche Ansprüche selbst verfolgen möchte. Vielmehr ist er zum Sachverständigen bestellt worden, um herauszufinden, ob solche Ansprüche bestehen. Sein Gutachten soll im gerichtlichen Interesse die Entscheidung vorbereiten, ob ein Insolvenzverfahren überhaupt eröffnet wird oder nicht.

2. Vermerk:

Vor einer Umsetzung der Entscheidung zu 1. wird den Angeklagten Gelegenheit gegeben, die Einlegung einer Beschwerde zu prüfen.“

Kein Automatismus: Verurteilung in einer „KiPo-Sache“ = DNA-Identitätsfeststellung

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Und dann die dritte LG-Entscheidung. Es handelt sich um den LG Braunschweig, Beschl. v. 19.04.2018 – 4 Qs 72/18, den ich vom Kollegen Hertweck aus Braunschweig erhalten habe. Ergangen ist er, nachdem der Betroffene durch amtsgerichtliches Urteil wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften in vier Fällen sowie wegen Besitzes von kinderpornographischen Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt worden ist, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Staatsanwaltschaft hat die Anordnung der Entnahme einer Speichelprobe sowie deren molekulargenetischer Untersuchung beantragt (§ 81g StPO). Das AG hat dem Antrag entsprochen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen hatte Erfolg:

„Es fehlt – jedenfalls derzeit – an der erforderlichen Negativprognose für die Annahme von Wiederholungsgefahr.

Die Prognoseentscheidung muss sich dabei mit den Umständen des Einzelfalls auseinandersetzen. Eine bloß abstrakte Wahrscheinlichkeit eines künftigen Strafverfahrens genügt für die Anordnung der Maßnahme nach § 81g StPO nicht. Dementsprechend genügt die bloße kriminalistische Erfahrung, dass bei Personen, die geneigt sind, sich aus sexueller Motivation kinderpornographische Bilder zu beschaffen und zu betrachten, nicht, auch wenn bei diesen Personen grundsätzlich von einer erhöhten Wahrscheinlichkeit künftiger gleich gelagerter Straftaten auszugehen ist (LG Hannover, Beschl. v. 07.06.2013 – 30 Qs 16/13; LG Darmstadt, Beschl. v. 28.03.2011 – 3 Qs 152/11). Zudem enthält das Urteil keine Feststellungen dazu, aus welcher Motivation heraus sich der Beschwerdeführer kinderpornographische Schriften verschafft und verbreitet hat.

Ferner genügt allein die Tatsache, dass der Beschwerdeführer (auch) wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften verurteilt worden ist, nicht, um eine Negativprognose zu begründen (LG Hannover, Beschl. v. 07.06.2013 – 30 Qs 16/13).

Erforderlich ist das Hinzutreten weiterer besonderer Umstände. Hierfür genügt die (allgemeine) Verbreitung kinderpornographischer Schriften noch nicht. Der Beschwerdeführer hat nach den Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts Braunschweig vom 22.01.2018 kinderpornographischer Schriften über einen Chat-Dienst im Internet eingestellt, sodass eine Vielzahl anderer Nutzer dieses Dienstes darauf Zugriff nehmen konnten. Einen unmittelbaren Kontakt zu Kindem oder Jugendlichen in Bezug auf die Taten, wegen derer er verurteilt wurde, gab es nicht.

Solches könnte hingegen ein besonderer Umstand in obigem Sinne sein (siehe auch LG Hannover, Beschl. v. 07.06.2013 – 30 Qs 16/13; LG Darmstadt, Beschl. v. 28.03.201 1 – 3 Qs 152/11).

Zwar weist die Staatsanwaltschaft Hannover zutreffend darauf hin, dass das Verbreiten kinderpornographischer Schriften eine größere kriminelle Energie erfordert als das bloße Besitzen derselben. Aus den im vorangehenden Absatz dargelegten Gründen reicht dies jedoch für die Anordnung von Maßnahmen nach § 81g StPO nicht aus.

Weder aus der Art und Ausführung der bisher bekannten Anlasstaten, der Persönlichkeit des Beschwerdeführers noch aus sonstigen Erkenntnissen bestehen hinreichende Gründe für die Annahme, dass gegen ihn künftige Strafverfahren zu führen sein werden, bei denen er körperlich auf andere Personen einwirken und so typischerweise DNA-Spuren hinterlassen wird, sodass sein DNA-Identifizierungsmuster in künftigen Ermittlungsverfahren einen Aufklärungsansatz bieten könnte. Die Straftaten, derentwegen der Beschwerdeführer verurteilt worden ist, wurden mithilfe seines Computers begangen, ohne dass er dazu unmittelbar physischen Kontakt zu Kindern oder Jugendlichen aufgenommen hat. Bei Straftaten, die auf diese Weise begangen werden, können gespeicherte DNA-Muster nicht zu einem Ermittlungsansatz führen, weil sich das DNA-Material nur an dem Computer finden ließe (LG Hannover, Beschl. v. 07.06.2013 – 30 Qs 16/13; LG Darmstadt, Beschl. v. 28.03.2011 – 3 Qs 152/11).

Es fehlt schließlich an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass der Beschwerdeführer künftig Straftaten von erheblichem Gewicht begehen wird, bei denen er DNA-Material hinterlassen wird. Nach den Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils war der Beschwerdeführer vor der Verurteilung strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten. Weiter ist dem Beschwerdeführer eine positive Sozialprognose gestellt worden, da die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Gründe, die nunmehr eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar.“

Pflichti I: Aussage-gegen-Aussage-Konstellation im BtM-Milieu und Akteneinsicht, oder: Schwierig.

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Heute dann mal wieder drei Entscheidungen zur Pflichtverteidigung. Zunächst der LG Braunschweig, Beschl. v. 22.08.2017 – 3 Qs 74/17, den mir der Kollege Funck aus Braunschweig übersandt hat. Es geht um ein BtM-Verfahren, in dem eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation besteht. Das LG meint – anders als zuvor das AG -: Dann gibt es einen Pflichtverteidiger:

„Die Beschwerde der Angeklagten ist zulässig und begründet, denn der Angeklagten ist ein Pflichtverteidiger zu bestellen.

Die Notwendigkeit der Verteidigung folgt aus der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage. Die Angeklagte bestreitet die ihr zur Last gelegte Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Der Ausgang der Hauptverhandlung hängt allein davon ab, ob das erkennende Gericht der Aussage des Belastungszeugen pp. folgt.

Zwar erfordert nicht jede Aussage-gegen-Aussage-Konstellation die Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Kann jedoch aus weiteren Indizien allein nicht hinreichend sicher auf die Richtigkeit der Angaben des einzigen Belastungszeugen geschlossen werden und ist deshalb eine besondere Glaubwürdigkeitsprüfung erforderlich und kommen weitere die Beweiswürdigung zusätzlich erschwerende Umstände hinzu, so kann eine sachgerechte Verteidigung, insbesondere das Aufzeigen von eventuellen Widersprüchen in den Angaben der jeweiligen Belastungszeugen, nur durch Kenntnis des gesamten Akteninhaltes gewährleistet werden. Dieser ist aber – auch nach der Neufassung des § 147 StPO – nur dem Verteidiger zugänglich, sodass in diesem Falle die Bestellung des Pflichtverteidigers unumgänglich ist (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vorn 31.03.2009 – 3 Ws 271/09 m.w.N.).

So liegt die Sache hier. Vorliegend handelt es sich um eine belastende Aussage aus dem BtM-Milieu. Weitere belastende Beweismittel sind nicht vorhanden, Die Hausdurchsuchung ist ohne Ergebnis geblieben. Die weiteren Zeugen können keine eigenen Wahrnehmungen schildern. Ohne vollständige Aktenkenntnis ist die sachgerechte Verteidigung für die heranwachsende Angeklagte nicht hinreichend möglich, da nur durch vollständige Aktenkenntnis die Möglichkeit besteht, eventuelle Widersprüche in der Aussage des einzigen Belastungszeugen zu erkennen und auf diese im Verteidigungsverhalten zu reagieren. Hinzu kommt die prozessuale Sondersituation, dass die in hiesiger Sache zuständige Jugendrichterin zugleich als Zeugin für die richterlichen Angaben des Hauptbelastungszeugen in der Hauptverhandlung in Betracht kommt.“

Heranwachsender und Nachtrunk, oder: Das gibt einen Pflichtverteidiger

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Der Kollege Voß aus Braunschweig hat mir den LG Braunschweig, Beschl. v. 19.04.2017 – 3 Qs 37/17 – übersandt und dazu angemerkt, dass danach dann wohl immer, wenn es um die Einholung eines Sachverständigengutachtens geht, dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden muss. Es geht um den Vorwurf der Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB) bei einem Heranwachsenden. Eingewandt worden ist Nachtrunk. Dazu soll ein Sachverständigengeutachten eingeholt werden. Das LG sagt – anders als das AG: Dann muss der Angeklagte einen Pflichtverteidiger haben:

„Die Voraussetzungen der §§ 109 Abs. 1, 68 Nr. 1 JGG in Verbindung mit § 140 Abs. 2 StPO liegen vor.

Nach dieser Vorschrift ist dem Angeklagten unter anderem dann ein Verteidiger zu bestellen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint.

Die Sache kann für den Angeklagten dann als schwierig zu beurteilen sein, wenn ein Sachverständigengutachten das entscheidende Beweismittel gegen den Angeklagten darstellt (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 140 Rn. 27 unter Hinweis auf OLG Hamm, Beschluss vom 22.04.2002, Az. 2 Ws 88/02).

So verhält es sich hier. Die zu erwartenden sachverständigen Ausführungen zur Frage des von dem Angeklagten behaupteten Nachtrunks stellen das einzige Beweismittel dar, um das erkennende Gericht von der Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu überzeugen.

Der erst 19-jährige Angeklagte dürfte nicht in der Lage sein, die Qualifikation des Sachverständigen oder die diesem zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden zu beurteilen und sich insoweit allein sachgerecht zu verteidigen.“