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Beschwerdeverfahren, oder: Abgerechnet wird i.d.R. nach der Differenztheorie

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Die zweite gebührenrechtliche Entscheidung kommt heute vom LG Arnsberg. Das hat im LG Arnsberg, Beschl. v. 28.10.2019 – 6 Qs 83/19 – noch einmal zu der Frage Stellung genommen, wie Tätigkeiten des Rechtsanwalts/Verteidigers im straf- bzw. bußgeldrechtlichen Beschwerdeverfahren honoriert werden.

Und: Das LG ist zur richtigen Lösung gekommen, nämlich: Gar nicht besonders bzw. „nur“ über die Differenztheorie:

„…..Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss zu Recht den Kostenfestsetzungsantrag des Beschwerdeführers betreffend die Gebühren für das Beschwerdeverfahren II-6 Qs 41/19 zurückgewiesen. Die vom Beschwerdeführer angesetzten Gebühren können nicht festgesetzt werden, weil es hierfür im vorliegenden Fall keine Rechtsgrundlage gibt.

Beschwerdeverfahren in Straf- und Bußgeldsachen bilden grundsätzlich keine besondere Angelegenheit, sondern gehören für den Rechtsanwalt, der umfassend mit der Verteidigung betraut ist, gebührenrechtlich zum Rechtszug (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 RVG). Sie werden also durch die Verfahrensgebühr der jeweiligen Instanz nach Nrn. 4100 ff. VV RVG abgegolten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.10.2010 – III-5 Ws 17/10; Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, VV RVG, Vorb. 4.1 Rn. 3-5, VV RVG Nr. 4300 – 4304 Rn. 21).

So liegt es auch hier. Denn der Beschwerdeführer ist, wie aus seinem Schriftsatz vom 03.04.2019 und der dort anliegenden Prozessvollmacht ersichtlich wird (Bl. 221-223 d.A.), durch den Beschuldigten vollumfänglich mit der Verteidigung im seinerzeit anhängigen Strafverfahren beauftragt worden. Eine Beauftragung nur als Pflichtverteidiger bzw. unter entsprechender Bedingung ist nicht ersichtlich und rechtlich auch nicht zulässig. Wegen der weiteren Begründung nimmt die Kammer insoweit Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Bezirksrevisors beim Landgericht Arnsberg in dessen Stellungnahmen vom 09.07, 05.08. und 18.09.2019.

Etwas anderes folgt hier auch nicht daraus, dass das Amtsgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf Bestellung zum Pflichtverteidiger – möglicherweise rechtswidrig – zurückgewiesen hat und der Beschwerdeführer deswegen keine weitere Tätigkeit mehr entfaltet, insbesondere nicht am Hauptverhandlungstermin teilgenommen hat.

Bereits mit dem am 06.04.2019 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag, ihn dem (damaligen) Angeklagten als Pflichtverteidiger beizuordnen, ist der Beschwerdeführer, noch vor dem Beschwerdeverfahren II-6 Qs 41/19, in dieser Angelegenheit für seinen Mandanten tätig geworden. Ob das Amtsgericht den Antrag auf Beiordnung (unter gleichzeitiger Entpflichtung des schon bestellten Pflichtverteidigers P1) dann rechtswidrig zurückgewiesen hat, kann für die hier zu treffende Entscheidung dahinstehen. Wie im Beschluss vom 22.05.2019 (im Verfahren II-6 Qs 41/19) ausgeführt, dient die Bestellung eines Pflichtverteidigers allein dem öffentlichen Interesse einer rechtsstaatlichen Durchführung des Strafverfahrens, nicht dem Kosteninteresse des Betroffenen oder seines Verteidigers. Zudem ist die Umbestellung eines Pflichtverteidigers während eines laufenden Verfahrens überhaupt nur dann möglich, wenn dies einvernehmlich und ohne Mehrkosten für die Staatskasse erfolgt (vgl. ebd. sowie OLG Brandenburg Beschluss vom 19.12.2000 – 2 Ws 364/00; m.w.N. BeckOK-StPO-Krawczyk, § 142 Rn. 11). Ebensolche Mehrkosten würden nun aber nachträglich entstehen, wenn der Beschwerdeführer zusätzlich Gebühren nach RVG VV Nr. 4302 für das Verfahren II-6 Qs 41/19 gegenüber der Staatskasse abrechnen könnte. Denn ausweislich der Verfahrensakte (Bl. 260-263 d.A.) hat Rechtsanwalt P1 die ihm als Pflichtverteidiger für das Verfahren insgesamt zustehenden Gebühren nach RVG VV 4100 ff. bereits abgerechnet. Das Verfahren ist damit für die Staatskasse gebührenrechtlich abgegolten.

Ob und in welcher Höhe hier nach der Differenztheorie Mehrkosten festgesetzt werden können, die aus einer durch das Beschwerdeverfahren höheren Verfahrensgebühr nach § 14 RVG resultieren (vgl. dazu Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, VV RVG, Vorb. 4.1 Rn. 7), kann wiederum dahinstehen. Denn der Beschwerdeführer hat, wie der Bezirksrevisor zutreffend ausführt, eine entsprechende Vergleichsberechnung der tatsächlich einschließlich des Beschwerdeverfahrens entstandenen und der hypothetisch ohne dieses Verfahren erwachsenen notwendigen Auslagen des Betroffenen bislang nicht vorgelegt.“

Ist nun mal leider. Mehr dazu und zu Ausnahmen – das steht – seit längerem mal wieder <<Werbemodus an>> alles in Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl., den man hier bestellen kann <<Werbemodus aus>>. 🙂

Keine zivilrechtliche Halterhaftung, oder: Erhöhtes Parkentgelt zahlt derjenige, der parkt

Im Kessel Buntes dann heute zunächst das LG Arnsberg, Urt. v. 16.01.2019 – 3 S 110/18. Bei dem wusste ich dann nicht so richtig, wo ich es bei den eingestellten Entscheidungen einordnen soll: Zivilrecht oder Verwaltungsrecht oder Bußgeldverfahren. Ich habe es dann aber – hat ja ein zivilrechtliches Aktenzeichen – im Zivilrecht eingestellt.

In der Sache geht es um die Klage eines Unternehmerin von Bewirtschaftung von Parkraum für verschiedene Grundstückseigentümer. Die hat in Vollmacht von zwei Eigentümern die Beklagte, die ihr Fahrzeug mehrfach ohne Parkausweis bzw. unter Überschreitung der Höchstparkdauer auf deren Parkplätzen abgestellt hatte, auf Zahlung eines „erhöhten Parkentgelts“ in Anspruch genommen.. Das LG hat die Klage abgewiesen:

„Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung der erhöhten Parkentgelte zu. Ebenso wenig steht ihr ein Anspruch auf Ersatz der entstandenen Rechtsverfolgungkosten sowie Kosten der Halterermittlung zu.

1. Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin das Zustandekommen eines Miet- oder Verwahrvertrages zwischen den Parteien nicht bewiesen hat.

Grundsätzlich kann mit dem Abstellen eines Pkw auf einem Parkplatz, der – wie hier – ein Schild enthält, wonach es sich um einen Privatparkplatz handelt und auf welchem das Parken für 1 Stunde bzw. anderthalb Stunden mit Parkscheibe gestattet ist, ein Vertrag konkludent geschlossen werden (vergleiche Caspary, JR 2014, 179, (180)).

Grundsätzlich ist es nach allgemeiner Auffassung auch zulässig und möglich, für den Fall des Unterlassens des Auslegens einer Parkscheibe oder des Überschreitens der Höchstparkdauer ein erhöhtes Parkentgelt (Vertragsstrafe) zu verlangen. Voraussetzung ist insoweit, dass die Parkbedingungen zumutbar zur Kenntnis genommen werden können.

Vertragspartner des Parkplatzbetreibers kann jedoch nur der tatsächliche Fahrer des auf dem Parkplatz abgestellten Pkw sein, nicht isoliert dessen Halter, wenn dieser das Fahrzeug nicht genutzt hat.

Die Beklagte ist nach den unstreitigen Feststellungen des Amtsgerichts Halterin und Eigentümerin des auf den von der Klägerin betriebenen Parkplätzen abgestellten PKW. Die Beklagte hat jedoch bestritten, das Fahrzeug selbst dort abgestellt zu haben.

Als derjenige, der sich eines Zahlungsanspruches berühmt, hat die Klägerin nach den allgemeinen Regeln zu beweisen, dass ein Vertrag mit der Beklagten zustande gekommen ist. Sie muss folglich beweisen, dass die Beklagte zu den fraglichen Zeitpunkten Führerin des oben genannten PKW gewesen ist oder zumindest Beifahrerin. Die Begründung einer vertraglichen Verpflichtung der Beklagten als Fahrzeughalterin durch ein entsprechendes schlüssiges oder sozialtypisches Verhalten ist also streitig und nicht nachweisbar.

Das Amtsgericht hat zutreffend sowohl das Vorliegen eines Anscheinsbeweises als auch das Bestehen einer sekundären Darlegungslast verneint.

Ein Anscheinsbeweis greift vorliegend nicht ein. Bei der Anwendung des Anscheinsbeweises ist grundsätzlich Zurückhaltung geboten, weil er erlaubt, bei typischen Geschehensabläufen aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze auf einen ursächlichen Zusammenhang oder ein schuldhaftes Verhalten zu schließen, ohne dass im konkreten Fall die Ursache bzw. das Verschulden festgestellt ist (BGH, Urt. v. 15.12.2015 – VI ZR 6/15; BGH, Urt. v. 13.12.2011 – VI ZR 177/10). Der Beweis des ersten Anscheins greift bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist (BGH, Urt. v. 06.10.2016 – I ZR 154/15).

Ein typischer Geschehensablauf dahingehend, dass der Halter eines PKW regelmäßig auch dessen Fahrer ist, kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht angenommen werden. Es ist vielmehr häufig der Fall, dass ein PKW (z.B. innerhalb einer Ehe oder Familie) von verschiedenen Personen gefahren oder der PKW überhaupt nicht regelmäßig vom Halter genutzt wird (z.B. erfolgte aus versicherungstechnischen Gründen lediglich die Zulassung auf diesen) (Jahnke, jurisPR-VerkR 24/2018 Anm. 4). Danach liegt im vorliegenden Fall schon kein typischer Geschehensablauf vor.

Darüber hinaus besteht entgegen der Auffassung der Klägerin auch keine sekundäre Darlegungslast der Beklagten. Insoweit fehlt es bereits an den Voraussetzungen, die zum Eingreifen einer sekundären Darlegungslast führen könnten. Die sekundäre Darlegungslast kommt zum Tragen, wenn die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und ihr eine nähere Substantiierung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt oder unschwer in Erfahrung bringen kann und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Beschluss vom 16. August 2016 – VI ZR 634/15 -, Rn. 14, juris).

Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

Die mit der Parkraumüberwachung betraute Klägerin hat grundsätzlich ausreichende Erkenntnismöglichkeiten, um festzustellen, wer ein Fahrzeug auf dem Parkplatz abgestellt hat. Sie muss ohnehin durch Personal und/oder technische Maßnahmen (z.B. Videoüberwachung) feststellen, welche Fahrzeuge mit welchem Kennzeichen für welchen Zeitraum auf dem Parkplatz abgestellt werden. Auf die gleiche Art und Weise ist es ihr dann grundsätzlich auch möglich festzustellen, wer der Fahrer eines abgestellten Fahrzeuges ist, spätestens bei der Rückkehr zum Fahrzeug, auch wenn, worauf das Amtsgericht zutreffend hinweist, dies mit einem Mehraufwand verbunden sein mag (Jahnke, jurisPR-VerkR 24/2018 Anm. 4).

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin hier vertragliche Ansprüche aufgrund einer aus ihrer Sicht mit der Beklagten zustande gekommenen Vereinbarung geltend macht. Wer sich eines Anspruches aus einer vertraglichen Vereinbarung berühmt, muss jedoch grundsätzlich erst einmal selbst dafür Sorge tragen, dass er weiß, mit wem denn diese vertragliche Vereinbarung zustande gekommen sein soll (LG Schweinfurt, Urteil vom 02. Februar 2018 – 33 S 46/17 -, Rn. 13, juris).

Der Verweis der Klägerin auf ein angebliches Massengeschäft verfängt insoweit nicht. Es ist ausschließlich dem Geschäftsmodell der Klägerin zuzuschreiben, dass sie sich die für eine erfolgreiche Klage notwendigen Informationen nicht selbst verschaffen kann. Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist es der Klägerin zumutbar, die Identität von nicht den Parkschein auslegenden Fahrzeugführern zu ermitteln. Dass hierdurch unverhältnismäßige Kosten entstehen würden, vermag die Kammer nicht zu erkennen.

Besteht nach alledem eine sekundäre Darlegungslast nicht, ist die Beklagte mit dem Bestreiten, den streitgegenständlichen PKW auf den Parkplätzen der Klägerin abgestellt zu haben, den Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten nachgekommen (vgl. hierzu auch LG Rostock, Urteil vom 11.04.2008, 1 S 54/07– juris).

Eine vertragliche Inanspruchnahme der Beklagten scheidet danach aus.“

Verneint hat das LG auch Schadensersatzansprüche. Die Ausführungen dazu überlasse ich dem Selbststudium.

Das LG hat die Revision zugelassen. Wir werden zu der Frage dann demnächst wahrscheinlich etwas aus Karlsruhe hören….

Keine Umdeutung des Kostenfestsetzungsantrages, oder: Schön aufpassen……..

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Heute ist Freitag und damit der Tag, an dem ich i.d.R. gebührenrechtliche Entscheidungen oder solche mit zumindest gebührenrechtlichem Einschlag vorstelle. So dann auch heute, und zwar zunächst den LG Arnsberg, Beschl. v. 13.12.2106 – 2 Qs 90/16. Die Entscheidung enthält nichts weltbewegend Neues auf dem Gebiet des Gebühren- bzw. Kostenrechts. Aber sie nimmt noch einmal zu der Frage Stellung, ob ggf. ein Kostenfestsetzungsantrag als sofortige Beschwerde gegen eine unterbliebene Auslagenentscheidung auszulegen ist. Das würde ja in manchen Fällen, in denen das Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung „übersehen“ worden ist, helfen. Die Frage ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Das LG hat sie verneint:

„Die Kammer hält jedoch weiterhin an ihrer Auffassung fest, dass eine solche Auslegung nicht möglich ist (vgl. LG Arnsberg, Beschluss vom 09.02.2007, 2 Qs 18/07; Beschluss vom 02.07.2008, 2 Qs 11/08). Eine Auslegung oder Umdeutung eines Rechtsmittels nach § 300 StPO kommt immer dann in Betracht, wenn die Bezeichnung des Rechtsmittels fehlt, falsch ist oder unklar bleibt, welches von mehreren Rechtsmitteln eingelegt werden soll (Meyer-Goßner/Schmitt, 58. Auflage 2015, § 300 Rn. 2 f.). Voraussetzung ist aber, dass überhaupt ein Rechtsmittel bezweckt ist. Aus der Eingabe selbst muss sich deshalb ein Anfechtungswille ergeben. Es muss also deutlich werden, dass sich der Erklärende mit einer ihn beschwerenden gerichtlichen Entscheidung nicht abfinden möchte. Maßgebend für die Auslegung ist der Sinngehalt, der sich aus der Gesamtheit der innerhalb der Anfechtungsfrist eingehenden Erklärungen ergibt (KG, Beschluss vom 26.02.2004, 5 Ws 696/03, zit. nach NStZ-RR 2004, 190, 190; Meyer-Goßner/Schmitt, 58. Auflage 2015, § 300 Rn. 3). Für die Auslegung des Anfechtungswillens ist im Übrigen die Person des Erklärenden von Bedeutung. Bei Rechtskundigen ist eher als bei Rechtsunkundigen auf den gewählten Wortlaut abzustellen. Einem Rechtsanwalt, der in Strafsachen tätig wird, ist aber bekannt, dass das Festsetzungsverfahren nach § 464b StPO allein die Aufgabe hat, die Höhe der notwendigen Auslagen zu bestimmen, bezüglich derer eine rechtskräftige gerichtliche Grundentscheidung vorliegt, und dass dieses Verfahren nicht dem Zweck dient, unvollständige Grundentscheidungen des erkennenden Gerichts zu korrigieren (KG, Beschluss vom 26.02.2004, 5 Ws 696/03, zit. nach NStZ-RR 2004, 190, 190).

Darüber hinaus rechtfertigt sich selbst aus Billigkeitsgründen keine andere Wertung. § 300 StPO bietet keine Handhabe dafür, einen Rechtsanwalt, der übersehen oder verkannt hat, dass die Einlegung eines Rechtsmittels geboten wäre, aus Billigkeitsgründen von den Folgen dieser Säumnis freizustellen (KG, Beschluss vom 26.02.2004, 5 Ws 696/03, zit. nach NStZ-RR 2004, 190, 190).

Eine sofortige Beschwerde kann in einem Kostenfestsetzungsantrag mithin nur dann gesehen werden, wenn in irgendeiner Weise aus diesem hervorgeht, dass er die vorliegende Kostengrundentscheidung nicht akzeptiert (ebenso OLG Celle, Beschluss vom 14.10.2010, 2 Ws 350/10, zit. nach juris; KG, Beschluss vom 26.02.2004, 5 Ws 696/03, zit. nach NStZ-RR 2004, 190, 190 f.).

Hierfür fehlt es aber in der vorliegenden Sache an jedem Anhaltspunkt. Vielmehr schreibt der Verteidiger in der Einleitung des Kostenfestsetzungsantrages irrig, dass durch das strafrichterliche Urteil die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt worden seien. Aufgrund dieser irrigen Annahme ist ein Anfechtungswille ausgeschlossen. Es ist davon auszugehen, dass das Fehlen der Auslagenentscheidung durch den Verteidiger erst bemerkt wurde, als er hierauf durch das Amtsgericht hingewiesen wurde.“

Fazit: Immer schön darauf achten, ob die Kosten- und Auslagenentscheidung einer gerichtlichen Entscheidung zutreffend ist und dann dagegen das passende Rechtsmittel einlegen. Dann braucht man solche Krücken nicht……….

400-500 m vom Unfallort weg – Unfallflucht?

entnommen wikimedia.org Urheber Opihuck

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Derzeit ist – ich habe es schon mehrfach „beklagt“ – im Verkehrsrecht Flaute. Daher bin ich dann immer froh, wenn ich auf eine Entscheidung stoße, die man hier vorstellen kann. Und das ist bei dem LG Arnsberg, Beschl. v. 11.09.2014 – 6 Qs 81/14 – der Fall. Der behandelt ein (potentielles) unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) und ist aus zwei Gründen interessant:

Einmal geht es um die Frage, wann = ab welcher Entfernung denn nun ein „Entfernen vom Unfallort“ vorliegt. Dazu das LG:

„Für ein tatbestandsmäßiges Entfernen genügt eine Absetzbewegung derart, dass der räumliche Zusammenhang zwischen dem Beteiligten und dem Unfallort aufgehoben und seine Verbindung mit dem Unfall nicht mehr ohne Weiteres erkennbar ist, sodass der Beteiligte nicht mehr uneingeschränkt zu sofortigen Feststellungen an Ort und Stelle zur Verfügung steht, sondern erst durch Umfragen ermittelt werden muss (vgl. Burmann, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Auflage 2014, § 142 StGB Rn. 10 m. w. N.). Der Unfallbeteiligte darf sich nicht schon so weit von der Unfallstelle entfernt haben und es darf noch nicht so viel Zeit verstrichen sein, dass an dem inzwischen erreichten Ort feststellungsbereite Personen ohne Weiteres nicht mehr zu erwarten sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1.10.2007 – III-2 Ss 142/07-69/07 III; eingrenzend BGH, Beschluss vom 15.11.2010 – 4 StR 413/10).

Hier hielt der Beschuldigte ausweislich der Aussage des Zeugen C. erst „ca. 400 – 500 Meter nach der eigentlichen Unfallstelle“ (Bl. 43 d. A.) an. Ausweislich der Aussage der Geschädigten hat sie das beteiligte Unfallfahrzeug nach dem Unfallgeschehen lediglich „in einiger Entfernung“ wahrgenommen (Bl. 35 d. A.). Da ihr die Feststellung, ob das Fahrzeug fuhr oder stand, nicht möglich war, bestand jedenfalls kein eine sofortige Feststellung ermöglichender Sicht- und Rufkontakt fort. Ausweislich der Aussage der Zeugin N. war der Unfallbeteiligte „wohl schon über den Berg“ (Bl. 51 d. A.).“

Der zweite Punkt ist die Frage, ob man sich eigentlich (noch einmal) unerlaubte vom Unfallort entfernen kann, wenn man zurückkehrt und dann wieder wegfährt. Dazu das LG: Nein, denn…

„4. Nach Aktenlage ist auch unerheblich, dass der Beschuldigte anlässlich seiner Rückkehr zu dem Unfallort keine Feststellungen ermöglicht hat und erneut weggefahren ist.

a) Das erneute Wegfahren ist nicht tatbestandsmäßig. § 142 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass sich ein Unfallbeteiligter „nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt“. Der danach erforderliche zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen dem Sich-Entfernen und dem Unfallereignis war hier bereits durch das erstmalige Sich-Entfernen unterbrochen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 15.11.2010 – 4 StR 413/10; Mitsch, JuS 2009, 341).“

Ach so: Fahrerlaubnis ist dann aber doch nicht vorläufig entzogen worden. Das LG konnte nämlich nicht feststellen, dass der Beschuldigte den Unfall bemerkt hatte.

Akteneinsicht verweigert – dann Konfliktverteidiger?

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Die mit der Akteneinsicht (im Bußgeldverfahren) zusammenhängenden Fragen beschäftigen die Rechtsprechung. Dabei geht es i.d.R. um die Art und Weise der Akteneinsicht und immer wieder auch um die Frage, ob bei (teilweiser) Verweigerung von Akteneinsicht durch das Gericht ein Rechtsmittel gegeben ist. Die Frage war schon früher umstritten; m.E. ging die wohl h.M. (für das Strafverfahren) zu einem „Ja“. Derzeit weht der Wind aber aus einer anderen Richtung. Zunehmend wird auf § 305 S. 2 StPO verwiesen und die Beschwerde als unzulässig angesehen. So auch der LG Arnsberg, Beschl. v. 24.04.2012 – Qs 24/12:

„Mit den abgelehnten Anträgen begehrte die Verteidigung nach eigenem Vortrag um-fassende Akteneinsicht gem. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 147 StPO. Bei der Entscheidung des Amtsgerichts hinsichtlich des Umfangs des Akteneinsichtsrechts handelt es sich um eine der Urteilsfällung sachlich und zeitlich vorausgehende und mit ihr in einem inneren Zusammenhang stehende Entscheidung des erkennenden Richters, die gern. § 305 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG unanfechtbar ist.

Das grundsätzlich bestehende Recht auf Akteneinsicht durch einen Verteidiger sichert den Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren, wodurch eine effektive Verteidigung ermöglicht werden soll. Dies wird gesichert durch den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 8 StPO, der über § 79 Abs. 3 OWiG auch im Bußgeldverfahren Anwendung findet. Jede im Hauptverfahren getroffene Entscheidung des erkennenden Richters, die dieses Recht des Betroffenen berührt, steht mit der Urteilsfällung in innerem Zusammenhang, da sie Einfluss auf den Inhalt des Urteils haben kann (LG Limburg, Beschluss vom 30.08.2011, 1 Qs 116/11; LG Lüneburg, Beschluss vom 19.07.2011, 26 Qs 190/11, VRR 2011, 436, OLG Hamm NStZ 2005, 226 m. w. N.; LG Arnsberg, Beschluss vom 08.12.2011, 2 Qs 79/11).

Die Entscheidung des Amtsgerichts wurde vorliegend nach zulässigem Einspruch und unmittelbar vor der Terminierung, mithin im Hauptverfahren gern. §§ 71 ff. OWiG getroffen.

Sie kann daher gem. § 305 S. 1 StPO i. V. m. § 46 OWiG nicht mit der Beschwerde, sondern nur mit dem entsprechenden Rechtsmittel nach Urteilserlass, hier – je nach dem Inhalt des Urteils – die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG oder der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gern. § 80 Abs. 1 OWiG, angegriffen werden.“

Ist m.E. nicht richtig, aber: Der Verteidiger muss sich darauf einstellen und in der Hauptverhandlung einen Beschluss herbeiführen (§§ 338 Nr. 8, 238 Abs. 2 StPO). Das bringt natürlich Unruhe und wahrscheinlich demnächst den Vorwurf der „Konfliktverteidigung“ im Bußgeldverfahren. Das sind dann aber die Geister, die man rief.