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Erstinstanzliche Verteidigung gegen Einziehung, oder: Welche Kosten-/Auslagenentscheidung?

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Nach dem BayObLG, Beschl. v. 27.10.2023 -204 StRR 394/23, den ich heute Vormittag vorgestellt habe (vgl. hier: Erfolgreiches Rechtsmittel gegen Einziehung, oder: Welche Kosten-/Auslagenentscheidung?), nun zwei weitere Entscheidungen zu Kosten-/Auslagenfragen bei der Einziehung.

Es handelt sich um zwei LG-Entscheidungen, von denen ich aber nur die Leitsätze vorstelle und im Übrigen auf das „Selbstleseverfahren“ verweise. Es handelt sich um folgende Entscheidungen:

Zunächst der LG Hildesheim, Beschl. v. 13.12.2023 – 21 Qs 4/23 – zur Frage der Auslagenerstattung für den Einziehungsbeteiligten nach Erlöschen des Einziehungsanspruches vor Verfahrensabschluss. Dazu der Leitsatz:

Die notwendigen Auslagen eines Einziehungsbeteiligen sind regelmäßig nicht aus Billigkeitsgründen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn von einer Einziehungsentscheidung gegen diesen abgesehen wird, nachdem der aus der Tat erwachsene Wertersatzanspruch des Verletzten infolge von diesem veranlasster Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach Anordnung der Einziehungsbeteiligung, aber vor Abschluss des Verfahrens erloschen ist.

Und dann der LG Braunschweig, Beschl. v. 14.12.2023 – 8 Qs 326/23 -, der sich sowohl zur Frage des Gegenstandswertes bei der Einziehung äußert – Stichwort: Gegenstandswert bei unterschiedlichen Werten in der Anklage und dem (Einziehungs)Antrag der Staatsanwaltschaft – und dann auch zur Anwendung des § 465 Abs. 2 StPO in erstinstanzlichen Verfahren. Hier die beiden Leitsätze:

1. Entscheidend für die Berechnung des Gegenstandswertes für die Nr. 4142 VV RVG ist nicht, in welcher Höhe die Staatsanwaltschaft am Ende der Beweisaufnahme eine Einziehung für gerechtfertigt hält, sondern vielmehr, welcher Betrag durch die Anklageerhebung zum Verfahrensgegenstand gemacht wird.
2. § 465 Abs. 2 StPO ist auch in erstinstanzlichen Verfahren anwendbar.

Ein erfolgreiches Rechtsmittel gegen Einziehung, oder: Welche Kosten-/Auslagenentscheidung?

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Und am RVG-Tag heute dann noch einmal/mal wieder etwas zur Einziehung, und zwar zur Kosten-/Auslagenentscheidung in Zusammenhang mit der Einziehung. Dazu mehren sich die Entscheidungen, und zwar dann, wenn z.B. der Angeklagte erstinstanzlich oder mit einem Rechtsmittel gegen eine Einziehungsentscheidung Erfolg hatte. Zunächst dazu der BayObLG, Beschl. v. 27.10.2023 -204 StRR 394/23. Das BayObLG hat jetzt umfassend Stellung genommen.

Nach dem Sachverhalt hatte das AG den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt und die Einziehung des sichergestellten iPhone 11 des Angeklagten angeordnet. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte unbeschränkt Berufung ein, die keinen Erfolg hatte.

Mit seiner gegen das Berufungsurteil eingelegten Revision hat der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Das Rechtsmittel war, soweit es sich gegen den Schuldspruch des Diebstahls und die hierfür festgesetzte Freiheitsstrafe gerichtet hat, unbegründet und ist nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen worden.

Erfolgreich war die Revision u.a. aber hinsichtlich der angeordneten Einziehung. Das BayObLG hat insoweit festgestellt, dass gemäß § 74 Abs. 1 StGB nur Gegenstände eingezogen werden können, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel). Keine dieser Tatbestandsalternativen treffe auf das sichergestellte Mobiltelefon iPhone 11 des Angeklagten zu. Es hat daher die Anordnung der Einziehung des sichergestellten Mobiltelefons iPhone 11 des Angeklagten entfallen lassen. Das BayObLG hat sodann folgende Kostenentscheidung getroffen: „Die Gerichtskosten werden um die in Bezug auf das Einziehungsverfahren in der Berufungs- und in der Revisionsinstanz anfallenden Gerichtsgebühren gemindert. Die Staatskasse hat die dem Angeklagten im Verfahren aller Instanzen entstandenen notwendigen Auslagen, die die Einziehung betreffen, zu erstatten. Der Angeklagte hat die weiteren Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen.“

Das BayObLG hat seine Entscheidung im BayObLG, Beschl. v. 27.10.2023 -204 StRR 394/23 – umfassens begründet. Den hier im Volltext einzustellen, würde wegen des Umfangs den Rahmen sprengen. Daher nur die Leitsätze:

    1. Entfällt die Einziehungsanordnung aus Rechtsgründen, muss sich dies, wenn die Tragung der gesamten Kosten durch den Angeklagten unbillig wäre, bei der Kostenentscheidung zugunsten des Angeklagten auswirken.
    2. Dies geschieht dadurch, dass die Gerichtskosten um die in Bezug auf das Einziehungsverfahren in den Rechtsmittelinstanzen anfallenden Gebühren (Nrn. 3430 und 3440 KV GKG) gemindert (§ 473 Abs 4 Satz 1 StPO) und dass dem Angeklagten diejenigen durch das Einziehungsverfahren in allen Instanzen entstandenen notwendigen Auslagen (Nr. 4142 VV RVG) erstattet werden (§ 473 Abs. 4 Satz 2, § 465 Abs. 2 Satz 3 StPO analog).
    3. Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung steht dem nicht entgegen, da sich für das Strafverfahren und das Einziehungsverfahren unterschiedliche Gebühren- und Vergütungssysteme gegenüberstehen, die es schwierig machen, den Rechtsmittelerfolg in einer jeweils einheitlichen Quote der zu ermäßigenden Gerichtskosten und der zu erstattenden notwendigen Auslagen abzubilden, während demgegenüber die auf die Einziehung entfallenden Kosten ohne weiteres ausscheidbar sind.

Anzumerken ist: Das BayObLG setzt in der Entscheidung konsequent die Rechtsprechung des BGH, die insoweit den Rechtsgedanken des § 465 Abs. 2 StPO anwendet, um. Das ist m.E. auch zutreffend, weil man den Angeklagten, der sich gegen eine Einziehung gewehrt hat, dann, wenn er zwar verurteilt wird, aber hinsichtlich der Einziehung Erfolg hatte, nicht auf den insoweit entstandenen Gebühren und Auslagen „sitzen lassen“ kann. Denn die dadurch entstehenden Belastungen können beträchtlich sein. Als Verteidiger muss man also diese Rechtsprechung im Blick haben und ggf. gegen die Kostenentscheidung, wenn sie den Teilerfolg nicht berücksichtigt, Rechtsmittel (§ 464 Abs. 3 StPO) einlegen.

Kosten-/Auslagenentscheidung, oder: Berufung der StA und des Nebenklägers mit unterschiedlichem Ausgang

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So, und dann haben wir heute den letzten Arbeitstag des Jahres und auch den letzten Arbeitstag der Woche. Daher heute noch einmal gebühren- bzw. kostenrechtliche Entscheidungen.

Dazu stelle ich zunächst den OLG Brandenburg, Beschl. v. 06.12.2021 – 1 Ws 135/21 (S) – zu einer Kostententscheidung im Berufungsverfahren betreffend die notwendigen Auslagen des des Nebenklägers im Fall von Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägers, die in unterschiedlichem Umfang Erfolg haben:

Dazu folgender Sachverhalt:

„Mit Urteil vom 29. September 2020 erkannte das Amtsgericht Schwedt/Oder wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten gegen den Verurteilten. Zudem entzog es ihm die Fahrerlaubnis, zog seinen Führerschein ein und wies die Verwaltungsbehörde an, dem Verurteilten vor Ablauf von noch 18 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die Kosten des Verfahrens und die dem mit Beschluss vom 24. August 2020 gemäß § 396 Abs. 2 StPO als Nebenkläger zugelassenen Ehemann der Getöteten entstandenen notwendigen Auslagen legte das Amtsgericht dem Verurteilten auf.

Gegen dieses Urteil legten sowohl der Verurteilte als auch die Staatsanwaltschaft Neuruppin – diese zum Nachteil des Verurteilten – Berufung ein. Der Nebenkläger schloss sich am 11. Februar 2021 dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft an.

Auf die Berufung des Verurteilten setzte das Landgericht Neuruppin mit Urteil vom 17. Juni 2021 die Vollstreckung der bei einem Jahr und sechs Monaten belassenen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus. Die weitergehende Berufung des Verurteilten und diejenige der Staatsanwaltschaft verwarf die Berufungskammer als unbegründet. Das Landgericht ermäßigte die Gebühr für das Berufungsverfahren um ¾ und legte die notwendigen Auslagen des Verurteilten zu ¾ der Staatskasse auf. Die notwendigen Auslagen des Nebenklägers hatte nach der Entscheidung des Landgerichts dieser selbst zu tragen.“

Dagegen das Rechtsmittel des Nebenklägers, das zu folgender Kostenentscheidung betreffend den Nebenkläger geführt hat:

„Die notwendigen Auslagen des Nebenklägers im Berufungsrechtszug werden zu ¼ dem Angeklagten auferlegt. Im Übrigen trägt der Nebenkläger die ihm im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen selbst.

Die Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird um ¼ ermäßigt. Die notwendigen Auslagen des Nebenklägers im Beschwerdeverfahren werden zu ¼ der Staatskasse auferlegt.“

Das hat das OLG wie folgt begründet:

„1. Die sofortige Beschwerde des Nebenklägers ist gemäß § 464 Abs. 3 S. 1 StPO unabhängig davon statthaft, ob dieser die Hauptentscheidung nach § 400 Abs. 1 StPO anfechten konnte (vgl. KG, Beschluss vom 22. Dezember 2014, 4 Ws 120/14; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Mai 2014, 1 RVs 31/14; OLG Köln, Beschluss vom 22. August 2008, 2 Ws 406/08; sämtlich zitiert nach Juris). Sie ist ferner entsprechend §§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht eingelegt worden.

2. In Abweichung von der angefochtenen Entscheidung waren die notwendigen Auslagen des Nebenklägers 2. Instanz zu ¼ dem Verurteilten aufzuerlegen, im Übrigen hat der Nebenkläger seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen.

a) Für die zu treffende Entscheidung ist zunächst zwischen der – in vollem Umfang erfolglosen – Berufung der Staatsanwaltschaft Neuruppin und der – teilweise erfolgreichen – Berufung des Verurteilten zu differenzieren.

aa) Bei erfolglosem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zuungunsten des Angeklagten hat der Nebenkläger, der sich diesem Rechtsmittel angeschlossen hat, die ihm im Rechtsmittelverfahren entstandenen notwendigen Auslagen selbst zu tragen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2018, 4 StR 642/, Rz. 4 m. w. N.; Beschluss vom 20. Juni 2018, 5 StR 136/18, Rz. 3; jeweils zu den Kosten des Revisionsverfahrens und jeweils zitiert nach Juris). Danach ergibt sich hier mit Blick auf die beiderseitige Berufungseinlegung, dass der Nebenkläger die Hälfte der ihm im Rechtsmittelzug entstandenen notwendigen Auslagen selbst zu tragen hat.

bb) Bezogen auf die Berufung des Verurteilten greift zunächst die Bestimmung des § 472 Abs. 1 S. 1 StPO. Sie gilt für die im Rechtsmittelverfahren zu treffende Entscheidung über die Nebenklageauslagen entsprechend (Münchener Kommentar – Maier zu § 472, Rz. 41). Danach sind die dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen dem Angeklagten aufzuerlegen, wenn er wegen einer Tat verurteilt wird, die den Nebenkläger betrifft. Diese Voraussetzung liegt hier unproblematisch vor. Gründe dafür, aus Billigkeitsgründen von dieser Auferlegung der notwendigen Auslagen ganz oder teilweise abzusehen (§ 472 Abs. 1 S. 3 StPO), liegen nicht vor.

Die Vorschrift des § 472 Abs. 1 S. 1 StPO ist allerdings zu derjenigen des § 473 Abs. 4 StPO in Relation zu setzen. Danach hat das Gericht bei teilweisem Erfolg eines Rechtsmittels – wie hier betreffend die Berufung des Verurteilten – die notwendigen Auslagen der Beteiligten ganz oder teilweise der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Die Bestimmung gilt beim Teilerfolg eines Rechtsmittels des Angeklagten im Fall der Nebenklage entsprechend, deren notwendige Auslagen sind dann zwischen dem Nebenkläger und dem Angeklagten zu verteilen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Februar 2011, III-4 Ws 59/11, Rz. 22; Beschluss vom 04. Oktober 1991, 4a Ws 184-186/91; Beschluss vom 30. März 1990, 4 Ws 44/90; OLG Celle, Beschluss vom 23. April 1999, 3 Ws 120/99, Rz. 3; sämtlich zitiert nach Juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage, zu § 473 Rz. 29 m. w. N. auch zur abw. Auff.). Danach sind die Kosten der Berufung des Verurteilten jeweils hälftig diesem und dem Nebenkläger aufzuerlegen.

b) Zusammengefasst bedeutet dies, dass der Verurteilte ¼ der dem Nebenkläger im Berufungsrechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat. Dies hat im Nachgang zu seiner Urteilsverkündung auch das Landgericht erkannt, wie sich aus seiner Begründung der Kostenentscheidung am Ende der schriftlichen Urteilsgründe ergibt.“