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Strafe III: Verfahrensverzögerung in der Revision, oder: LG bummelt, GBA arbeitet schnell

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Und zum Tagesschluss dann noch etwas zur Verfahrensverzögerung und zur Berücksichtigung bei der Strafzumessung – oder auch nicht. Dazu der BGH im BGH, Beschl. v. 13.08.2024 – 5 StR 388/24:

„Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen besonders schwerer Vergewaltigung und wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision führt lediglich zur Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verzögerung des Revisionsverfahrens und erweist sich im Übrigen als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Es ist im Revisionsverfahren zu einer Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK, Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 20 Abs. 3 GG) gekommen. Dem liegt Folgendes zugrunde: Gegen das nach sieben Hauptverhandlungstagen in Anwesenheit des Angeklagten verkündete Urteil vom 1. August 2023 hat der Beschwerdeführer mit am 2. August 2023 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers Revision eingelegt, den Antrag auf Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer gestellt und dies mit der Rüge einer Verletzung materiellen Rechts begründet. Nach Urteilszustellung am 17. Oktober 2023 und zweimaliger Sachstandsanfrage der Staatsanwaltschaft Berlin ist dieser die Revisionsbegründung erst am 25. Juni 2024 nach § 347 Abs. 1 Satz 1 StPO zugestellt worden. Eine Förderung des Revisionsverfahrens fand in der Zwischenzeit nicht statt. Der Beschwerdeführer befand sich – mit zweitägiger Unterbrechung wegen Erzwingungshaft – aufgrund des Haftbefehls der Kammer vom 1. August 2023 während der gesamten Dauer des Revisionsverfahrens in Untersuchungshaft.

Damit ist das Revisionsverfahren nach Ablauf der einmonatigen Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht hinreichend gefördert worden, obwohl es sich um eine Haftsache handelte. Der Senat hat diese Verzögerung auf die Sachrüge hin zu berücksichtigen, weil sie nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingetreten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2023 – 5 StR 349/23 mwN). Rechtfertigende Gründe für die eingetretene Verzögerung sind aus den Akten nicht ersichtlich. Soweit über die Voraussetzungen einer möglichen Haftverschonung verhandelt wurde, hätte dies gegebenenfalls anhand zu fertigender Doppelakten geschehen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2008 – 3 StR 376/07, NStZ-RR 2008, 208).

Zur Kompensation genügt hier deren Anerkennung durch eine entsprechende Feststellung, weil das Ausmaß der Verzögerung durch die ausgesprochen zügige Bearbeitung der Revisionssache beim Generalbundesanwalt deutlich gemildert worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2023 – 5 StR 349/23 mwN) und der Verteidiger des Angeklagten selbst um eine zweiwöchige Verfristung gebeten hatte, um die Frage einer möglichen Revisionsrücknahme zu klären.“

Pauschgebühr, hier für den Nebenklägerbeistand, oder: Falscher Maßstab und unzulässige Kompensation

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Heute dann Gebührentag. Und an dem stelle ich mal wieder drei Entscheidungen zur Pauschgebühr (§ 51 RVG) vor. Ja, die gibt es noch. Obwohl: Das, was als Pauschgebühr von den OLG „gewährt“ wird, sind meist lächerliche Beträge.

Ich beginne mit dem KG, Beschl. v. 28.11.2023 – 1 AR 17/22 – zur Pauschgebühr für den Nebenklägerbeistand. Ergangen ist der Beschluss nach einem Schwurgerichtsverfahren. Das war vor einer Schwurgerichtskammer des LG Berlin  mit dem Vorwurf des Mordes ursprünglich gegen elf Angeklagte, nach einer Verfahrensabtrennung am 6. Juli 2017 gegen zehn Angeklagte und in einem Trennverfahren gegen den elften Angeklagten., anhängig. Die erstinstanzlichen Verfahren wurden durch die Urteile vom 01.10.2019 (Ursprungsverfahren) und vom 18.12.2019 (Trennverfahren) beendet. Der Antragsteller meldete sich am 27.10.2014 für die Schwester des Tatopfers, die als Nebenklägerin zugelassen und der der Antragsteller am 27. 10.2014 als Vertreter bestellt wurde. In dieser Funktion war er sowohl im Ursprungs- als auch im Trennverfahren tätig.

An gesetzlichen Gebühren hatte der Beistand bisher insgesamt 197.424 EUR für die Grundgebühr, die Verfahrensgebühr (erster Rechtszug) und die Terminsgebühren (erster Rechtszug) erhalten. Er hat dann einen auf § 51 RVG gestützten Antrag auf Festsetzung einer Pauschvergütung von jeweils 20.000 EUR anstelle der gesetzlichen Grund- und Verfahrensgebühren (erster Rechtszug) und von 304.152 EUR anstelle der Terminsgebühren (erster Rechtszug), insgesamt auf 344.152 EUR gestellt. Das KG hat unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen anstelle der Verfahrensgebühr nach Nr. 4118 VV RVG und der Terminsgebühren nach Nr. 4120 und 4122 VV RVG eine Pauschgebühr in Höhe von 211.056 EUR bewilligt.

Das KG referiert zunächst die Voraussetzungen des § 51 RVG. Da werden dann die Begriffe: „Ausnahmecharakter“ und vor allem auch wieder „exorbitant“ wiederholt. Die Passage kann man sich sparen. Das kennen wird.

Zur konkreten Sache heißt es dann:

„2. Die Inanspruchnahme des im gerichtlichen Hauptverfahren erstmals mit der Sache befassten Antragstellers ist mit den für das Verfahren des ersten Rechtszuges und die für die Wahrnehmung der Hauptverhandlungstermine in dem Zeitraum vom 8. November 2017 (dem Beginn der Hauptverhandlung in dem Trennverfahren) bis zum 1. Oktober 2019 (der Urteilsverkündung im Ursprungsverfahren) gesetzlich vorgesehenen Gebühren, nicht hingegen mit der für die erstmalige Einarbeitung in die Sache gesetzlich vorgesehenen Gebühren, unzumutbar im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerfGE 68, 237) vergütet.

a) Einen hervorgehobenen Umfang oder besondere Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art hat die Sache bei der erstmaligen Einarbeitung nicht aufgeworfen. Diese – bei der Übernahme des Mandates. Ende Oktober 2014 erfolgte – erstmalige Einarbeitung ist mit der Grundgebühr (Nr. 4100 VV RVG) abgegolten.

Die Antragsbegründung und der Akteninhalt rechtfertigen eine abweichende Auffassung nicht Bei der erstmaligen Einarbeitung in die Sache, dem Erstgespräch mit der Mandantin und der damit einhergehenden Sachverhaltsermittlung wurde der Antrag-steller, was sowohl er als auch der Bezirksrevisor in ihren Ausführungen vernachlässigen, mit einem tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Sachverhalt konfrontiert Mehrere Täter – so der Tatvorwurf – töteten den Bruder der späteren Nebenklägerin. Darüber hinausgehende konkrete Umstände (jenseits der in der Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 9. August 2023 abstrakt dargelegten denkbaren anwaltlichen Tätigkeiten) geben für dieses Verfahrensstadium weder die Antragsschrift noch deren ergänzende Begründungen wieder. Mit ihnen sind keine Tatsachen dargelegt worden, die eine außergewöhnliche anwaltliche Mühewaltung offenbaren. Stattdessen hat der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 8. November 2023 vorgetragen, sich vor seiner Bestellung zum Nebenklägervertreter erstmals in die Strafsache eingearbeitet zu haben; konkrete anwaltliche Tätigkeiten, die in den Bereich der erstmaligen Einarbeitung in eire Sache und damit der Grundgebühr fallen, hat er nicht benannt, sondern sich trotz der ihm mit Schreiben vom 7. November 2023 eröffneten Gelegenheit zur Konkretisierung auch weiterhin auf Bewertungen der eigenen Tätigkeit als außergewöhnlich schwierig und umfangreich beschränkt. In den Akten findet sich lediglich der Meldeschriftsatz und ein einseitiger Antrag auf Schwärzung der Wohnanschrift der an diesem Tag als Nebenklägerin zugelassenen Schwester des Tatopfers. Die danach, erstmals mit der Ladungsverfügung vom 27. Oktober 2014 eröffnete und dem Antragsteller nach seinen Angaben erst „knapp vor dem Beginn der Hauptverhandlung gewährte „Akteneinsicht fällt in das gerichtliche Hauptverfahren und ist dort – wegen des Umfanges der Akten und der Erschließung ihres Inhalts parallel zu der bereits begonnenen Hauptverhandlung – mit der 12fachen Erhöhung der gesetzlich vorgesehenen Gebühr berücksichtigt worden. Eine doppelte Berücksichtigung, wie sie offenbar der Bezirksrevisor vornehmen will, spiegelt die konkrete anwaltliche Mühewaltung nicht wider. Es kommt- auch wegen der Berücksichtigung der Sichtung des Aktenbestandes im Hauptverfahren – dabei nicht darauf an, ob der Antragsteller bereits zuvor (erfolglos) um Akteneinsicht ersucht hatte und wegen eines durch die Kammer angenommenen „Vorrang(es)“ der Verteidiger auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet worden war.

b) Die anwaltliche Mühewaltung im gerichtlichen Verfahren (erster Rechtszug) rechtfertigt die Erhöhung der gesetzlichen Gebühr nach Nr. 4118 VV RVG um das Zwölffache, auf einen – die gesetzliche Gebühr ersetzenden – Betrag von 3.792 Euro.

Die im Einklang mit den Ausführungen des Bezirksrevisors angenommene Erhöhung beruht auf der Dauer des gerichtlichen Verfahrens im ersten Rechtszug und dem Aktenumfang, der vor allem zum Ende der Hauptverhandlungen in beiden Verfahren – vornehmlich bedingt durch die den Interessen der Nebenklägerin widerstreitenden Anträge der Verteidiger – angewachsen ist, wie der Antragsteller und der Bezirksrevisor zutreffend herausgearbeitet haben. Beide übersehen zu Gunsten des Antragstellers zwar, dass sich die erste Akteneinsicht auf Hauptakten beschränkte, die z.B. in den Bänden 3 bis 7 und 13 fast ausschließlich oder zu einem überwiegenden Teil Unterlagen enthalten, die die Vertretungs- und Haftverhältnisse der Angeklagten betreffen oder Doppel von Vernehmungsniederschriften sind, daher der intensiven Befassung durch den Antragsteller nicht bedurften. Bezüglich des in der Folge gesichteten Aktenbestandes ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass er wegen der Vielzahl von anwaltlichen Verfahrensbeteiligten in weiten Teilen aus Akteneinsichtsschriftsäten sowie Anträgen, Beschlüssen und Mitteilungen betreffend die Haftverhältnisse der Angeklagten bestand, die doppelt und dreifach eingereicht bzw. ausgedruckt oder als Faxabschriften zu den Akten gelangt sind. Diese betrafen die Vertretung durch den Antragsteller nicht direkt, erforderten, jedenfalls keinen erheblichen Arbeitsaufwand. Dies gilt auch für die Beiakten, die ohnehin weit überwiegend Vorstrafen der Angeklagten betreffen, oder bei denen es sich um Gefangenenpersonalakten (pp. u.a.) handelte. Auch die zuletzt in der Regel per E-Mail des Kammervorsitzenden übermittelten Nachlieferungen bestehen zu einem erheblichen Teil um schnell zu erfassende (Ergänzungen von) Aussagegenehmigungen, Verhinderungsanzeigen von Zeugen und Lichtbildkonvolute. Diesem, den Umfang des Arbeitsanfalls deutlich relativierenden Umstand, steht allerdings die reine Menge des durch den Nebenklägervertreter – im Gegensatz zu den Verteidigern ohne die Möglichkeit zur Arbeitsteilung – vor allem zu Beginn der Hauptverhandlung im Ursprungsverfahren zudem in kurzer Zeit zu bewältigenden Materials gegenüber, wenngleich die Übersendung von dem Antragsteller aus dem Trennverfahren bekannten Unterlagen (vgl. z.B. Bd. 48 BI. 143) nicht doppelt berücksichtigt werden dürfen.

Umfang und Schwierigkeit der Strafsache werden zudem durch einen Blick auf den Tatvorwurf deutlich relativiert. Verglichen mit den in der Regel komplexen und wegen des vom Gesetzgeber unterstellten erhöhten Arbeitsanfalls ohnehin höher vergüteten erstinstanzlichen Staatsschutzsachen mit OLG-Zuständigkeit sowie Strafsachen, die vor den Schwurgerichts- oder Wirtschaftsstrafkammern des Landgerichts gewöhnlich verhandelt werden, warf die Strafsache keinen hervorgehobenen Umfang oder besondere Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art auf.. Im Gegenteil: Es handelte sich (auch weiterhin) um einen mehr als überschaubaren und einfach gelagerten Tatvorwurf, der sich im Verlaufe des Verfahrens nicht änderte und lediglich das Problem der Identifizierung der vielen Täter aufwarf. Verfahrensgegenstand war durchweg der folgende Vorgang: 12 Täter, darunter zehn Angeklagte, begaben sich auf die Weisung eines Mitangeklagten in ein Lokal; einer von ihnen erschoss entsprechend dem vorab gefassten Tatplan das Opfer. Der auf einem Video festgehaltene Tathergang dauerte lediglich 25 Sekunden.

Diesen konkreten, die anwaltliche Beanspruchung mindernden Umstände steht die anwaltliche Betätigung des Nebenklägervertreters gegenüber. Den Akten ist insoweit zu entnehmen, dass sich. der Antragsteller mehrfach in das Hauptverfahren eingebracht hat; beispielhaft sind insoweit Anträge auf Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten pp. (Bd. 23 Bl. 59), Stellungnahmen zu dem Akteneinsichtsantrag eines Zeugenbeistands (Bd. 24 BI. 53) und dem Haftantrag eines Verteidigers (Bd. 30 BI. 125) sowie die Weiterleitung ihm von einem anderen Nebenklägervertreter zugesandter Bilddateien an die Kammer (Bd. 35 Bl. 108) zu nennen. Dies, die Verfahrensdauer und der – mit den oben genannten Einschränkungen zu betrachtende – Aktenumfang, haben zur Folge, dass auch der Senat die zwölffache Erhöhung der Verfahrensgebühr für angemessen erachtet.

Eine weitergehende Erhöhung tragen weder die Antragsbegründung noch der Akteninhalt Die vom Antragsteller bemühten wirtschaftlichen Erwägungen vermögen aus den vom Bezirksrevisor zutreffend genannten Gründen – unabhängig von der Frage des kausalen Zusammenhanges zwischen Gewinnrückgängen und der Vertretung in einer Strafsache — die Gewährung einer Pauschvergütung, die ausschließlich von der konkreten und außergewöhnlich großen Mühewaltung getragen werden kann, nicht zu begründen. Soweit der Antragsteller vorgetragen hat, er habe die Nebenklägerin mindestens einmal im Monat aufgesucht und „jeweils nach dem Termin oder auch nur 2 x die Woche ausführliche Telefonate (…) zur Unterrichtung über den Sachstand“ geführt, auch um „strafprozessuale Fragen für einen juristischen Laien in einfache Sprache umzusetzen und zu erläutern“, umschreibt dies keine den gewöhnlichen Arbeitsaufwand erheblich übersteigende Beanspruchung, sondern die gewöhnlichen Pflichten eines Rechtsanwaltes, dessen Bestellung gerade dazu dient, einer Nichtjuristin wie der Nebenklägerin juristische Vorgänge zu verdeutlichen. Die vermeintlichen außergewöhnlichen Erschwernisse durch das „mediale Interesse“ hat der Antragsteller trotz des entsprechenden Hinweises des Bezirksrevisors (auch weiterhin) nicht konkret dargelegt Eine in seinem Schriftsatz vom 28. August 2023 beispielhaft erwähnte Veröffentlichung fällt nicht in die Zeit des gerichtlichen Verfahrens erster Instanz („während des Revisionsverfahrens“); im Übrigen bleiben die Angaben vage, denn aus der Erwähnung „mehrerer Reportagen“ oder „zahlreicher Anfragen“ gehen weder deren Anzahl, Dauer oder Zeitpunkt hervor noch erschließt sich die konkrete Beanspruchung des Antragstellers.

c) Eine besondere Bindung der Arbeitskraft des Antragstellers nimmt der Senat – aus den in der Stellungnahme des Bezirksrevisors auch insoweit zutreffend aufgeführten Erwägungen – für den Zeitraum der parallel im Ursprungs- und im Trennverfahren geführten Hauptverhandlungen, an denen der Antragsteller an knapp drei Verhandlungstagen je Woche teilnahm, mit einer Pauschale für die letzten beiden Jahre vor der Urteilsverkündung am 1. Oktober 2019.. in Höhe von jeweils 5.000 Euro an.

Eine höhere Pauschvergütung ist nicht gerechtfertigt. Zum einen ist der Antragsteller durch die große Anzahl der jeweils einzeln vergüteten 400 Verhandlungstage besser gestellt worden als in einem durchschnittlichen Verfahren (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. statt vieler Beschlüsse vom 4. November 2021- 1 ARs 35720 – und vom 23. Juli 2019 – 1 ARs 12/17 -). Zum anderen ist auch die Teilnahme an den Hauptverhandlungsterminen, die – ohne die 19.504 Euro, die die Terminsvertreter an den Antragsteller abgetreten haben – mit 196.948 Euro vergütet worden sind, durch den einfach gelagerten Tatvorwurf und den Umstand geprägt gewesen, dass allein die Vielzahl an anwaltlichen Verfahrensbeteiligten, die Feststellung deren An- und Abwesenheiten und (bloße) Anschlusserklärungen einen weiten Raum in den Terminen einnahmen, was das Sitzungsprotokoll des Ursprungsverfahrens eindrucksvoll belegt. Es ist daher hier nicht sonderlich maßgebend, dass die Anzahl der vom Antragsteller hervorgehobenen Beweiserhebungen ohnehin kein Bemessungskriterium i:S.d. § 51 RVG ist. Soweit eine Vielzahl von Beweiserhebungen lange Sitzungstage nach sich zieht, wird dies mit Längenzuschlägen honoriert, hier mit gewichtigen 129 Zuschlägen nach Nr. 4122 VV RVG in Höhe von insgesamt 27.348 Euro. Im Einklang mit den Ausführungen des Bezirksrevisors war überdies zu berücksichtigten, dass der vom Gesetzgeber angenommenen überdurchschnittlichen Schwierigkeit und Arbeitsbelastung in Schwurgerichtssachen gegenüber erstinstanzlichen Strafsachen vor dem Amtsgericht oder einer anderen Großen Strafkammer nicht nur durch höhere Verfahrensgebühren, sondern auch durch erhöhte Terminsgebühren Rechnung getragen wird. Diese gelten auch die für diese Verfahren antizipierten besonders intensiven und wegen der Verfahrensdauer gewöhnlich auch deutlich aufwändigeren Vor- und Nachbereitungen der Hauptverhandlungstermine ab, die abgesehen hiervon.- ebenso wie die Fertigung von Mitschriften während der Hauptverhandlung – ohnehin zu den selbstverständlichen und daher nicht besonders zu vergütenden anwaltlichen Pflichten gehören. Es kommt hinzu, dass die Wahrnehmung der Hauptverhandlungstermine bis zur beginnenden Verhandlung im Trennverfahren den Antragsteller an lediglich 1,2 Verhandlungstagen pro Woche [außerhalb der Feiertage und der Urlaubszeiten] mit einer durchschnittlichen und damit für Schwurgerichtssachen (sechs Stunden, vgl. Senat, Beschluss vom 4. November 2021 – 1 ARs 35/20 -) unterdurchschnittlichen Länge von viereinhalb Stunden in Anspruch nahmen.“

Nun? Ja, richtig. Viel Lärm um nichts ode rum „nicht viel“. Und: Es spricht, sehr viel dafür, auch wenn man die genauen Einzelumstände des Verfahrens nicht kennt,  dass das KG nicht richtig liegt, und zwar:

1. Das KG geht schon vom falschen Vergleichsmaßstab aus, wenn es u.a. darauf abstellt, dass sich für die Gewährung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG die anwaltliche Mühewaltung „von sonstigen – auch überdurchschnittlichen Sachen – in exorbitanter Weise abheben“ müsse. Durch das Abstellen auf ein „exorbitantes Abweichen“ wird nämlich der Vergleichsmaßstab so verschoben, dass die Gewährung von Pauschgebühren praktisch ausgeschlossen ist. Das war aber nicht das Anliegen des Gesetzgebers bei Schaffung des § 51 RVG. Denn auch, wenn die (neue) Anspruchsvoraussetzung „Unzumutbarkeit“ eingeführt worden ist, sollte es noch Pauschgebühren geben. Der BGH und die OLG scheinen es aber besser zu wissen.

2. Falsch sind auch die Ausführungen des KG zur Zulässigkeit der Kompensation. Diese ist – entgegen der Auffassung des KG, die allerdings zum Teil auch von anderen OLG vertreten wird – unzulässig. Das gilt vor allem, wenn – wie hier – eine auf Verfahrensabschnitte beschränkte Pauschgebühr geltend gemacht wird. Denn durch einen solchen „beschränkten“ Antrag macht der bestellte/beigeordnete Rechtsanwalt gerade deutlich, dass er mit den gesetzlichen Gebühren für die die Verfahrensabschnitte, für die eine Pauschgebühr nicht geltend gemacht wird, angemessen honoriert ist. Dann kann man aber nicht diese Gebühren heranziehen, um ggf. eine Pauschgebühr für einen anderen Verfahrensabschnitt abzulehnen. Denn diese Gebühren stehen gar nicht zur Überprüfung an.

Mit diesem Einwand korrespondieren meine Bedenken gegen die Überlegung des KG, dass „der Antragsteller durch die große Anzahl der jeweils einzeln vergüteten 400 Verhandlungstage besser gestellt worden [ist] als in einem durchschnittlichen Verfahren“. Ja, aber es darf doch nicht übersehen werden, dass er für die dafür gewährten gesetzlichen Gebühren an 400 Hauptverhandlungstermine teilgenommen hat. Man kann dann doch diese für erbrachten Zeitaufwand erzielte „Einnahme“ nicht heranziehen, um eine höhere Pauschgebühr abzulehnen. Das ist m.E. widersprüchlich und entwertet die Entlohnung für die Teilnahme an den Hauptverhandlungsterminen.

U-Haft II: Zahl/Dichte von gerichtlichen Terminen, oder: „Wäre sowieso nicht möglich gewesen“ Argumentation“

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Die zweite Entscheidung zu Haftfragen, der OLG Hamm, Beschl. v. 15.09.2022 – 5 Ws 243/22 – befasst sich mit dem Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S. von § 121 Abs. 1 StPo – also „Sechs-Monats-Prüfung“.

Der Sachverhalt der Entscheidung lässt sich etwa wie folgt zusammenfassen: Der Angeklagte befindet sich seit dem 02.03.2022 ununterbrochen in U-Haft. Die StA hat am 23.05.2022 Anklage gegen ihn wegen schwerer Körperverletzung und zwei weitere Angeklagte wegen Beihilfe beim LG erhoben. Das LG hat eine Frist zur Stellungnahem von drei Wochen festgesetzt. Am 18.07.2022 hat der Berichterstatter vermerkt, dass ihm die Akte nunmehr das erste Mal vorgelegen habe. Eine Entscheidung zu einem früheren Zeitpunkt sei der Kammer aufgrund Überlastung durch zahlreiche laufende Verfahren sowie der Erkrankungen des Vorsitzenden und dessen Stellvertreters nicht möglich gewesen. Die Kammer hat am selben Tag die Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem AG beschlossen.

Nach Eingang der Akten am 19.07.2022 hat das AG am 25.07.2022 Terminsvorschläge für den 25.08.2022, 15.09.2022 und 06.10.2022 unterbreitet. Während der Verteidiger des Angeklagten alle drei Termine hätte wahrnehmen könnte, war der Verteidiger eines Mitanklagen verhindert; der Verteidiger des anderen Mitangeklagten hat nicht reagiert. Unter dem 16.08.2022 schlug die Vorsitzende des Schöffengerichts sodann als weitere Termine den 17.10.2022, 31.10.2022, 10.11.2022, 17.11.2022, 21.11.2022, 24.11.2022 und dem 01.12.2022 vor.

Mit Beschluss vom 16.8.2022 hat das AG die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich gehalten und die Akten gem. §§ 121, 122 StPO dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Das OLG hat die Voraussetzungen des Haftbefehls bejaht und die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus angeordnet.

Das OLG meint, dass das Verfahren zwar nicht hinreichend gefördert worden sei, meint aber dann:

„(4) Die vorstehend unter (3) beschriebene, nicht hinreichende Verfahrensförderung hat jedoch im Ergebnis nicht zu einer Verfahrensverzögerung geführt, so dass insofern keine Verletzung des Beschleunigungsgebots gegeben ist.

Auf die Anfrage des Senats haben sämtliche Verteidiger mitgeteilt, an welchen Tagen eine Terminierung im Oktober 2022 hätte stattfinden können, wenn diese am 16.08.2022 vom Amtsgericht angefragt worden wäre. Nach den erteilten Auskünften ist davon auszugehen, dass nach Urlaubsrückkehr der Vorsitzenden zum 04.10.2022 Rechtsanwalt S am 12.10.2022, 17.10.2022 und 24.10.0222 verhindert gewesen wäre und Rechtsanwalt O lediglich am 05.10.2022, 07.10.2022, 10.10.2022, 13.10.2022 und 18.10.2022 zur Verfügung gestanden hätte. Rechtsanwalt R hätte sich – die etwaige außerplanmäßige Fortsetzung des von ihm in der Stellungnahme vom 12.09.2022 angesprochenen Schwurgerichtsverfahrens ließ keine andere Planung zunächst im Zeitraum vom 04.10.2022 bis zum 16.10.2022 im Urlaub befunden und war im Zeitraum vom 17.10.2022 bis 31.10.2022 vollständig austerminiert. Selbst bei der gebotenen Verfahrensförderung durch die Unterbreitung weiterer Terminsvorschläge wäre daher eine Terminierung unter Beteiligung der weiteren Pflichtverteidiger Rechtsanwalt R und Rechtsanwalt O im Oktober 2022 nicht zustande gekommen.

(5) Für den Monat November 2022 sind von der Vorsitzenden Richterin insgesamt vier Terminsvorschläge unterbreitet worden. Der Senat kann offen lassen, ob diese Anzahl hinreichend ist. Jedenfalls sind am 10.11.2022 und 17.11.2022 Hauptverhandlungstermine und damit der erste Termin noch im ersten Drittel des Monats November 2022 zustande gekommen, so dass es insofern nicht zu einer wesentlichen Verfahrensverzögerung gekommen ist.

(6) Schließlich ist bis zum jetzigen Verfahrensstadium nicht zu beanstanden, dass die Vorsitzende Richterin nicht durch Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten eine zügigere Terminierung ermöglicht hat. Soweit ein früherer Prozessbeginn an der Verhinderung des Verteidigers des nicht inhaftierten Angeklagten scheitert, ist zwar an die Möglichkeit der Trennung der Verfahren in diesem Zusammenhang zu denken. (Gärtner in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2019, § 121 StPO). Die Trennung steht gleichwohl im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (Scheuten, in: Karlsruher Kommentar, 8. Aufl. 2019, § 2 StPO Rn. 14). In die Gesamtabwägung sind hierbei insbesondere der Freiheitsanspruch des Betroffenen und das Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit einzustellen. Danach ist vorliegend einerseits zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bis zum Beginn der Hauptverhandlung acht Monate und eine Woche in Untersuchungshaft verbracht haben wird. Zum anderen wären die abgetrennten Angeklagten, worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift zutreffend hingewiesen hat, ebenfalls zu laden gewesen und hätten von ihrem Recht auf Verweigerung der Aussage Gebrauch machen können. Insbesondere im Hinblick darauf dass der Mitangeklagte D sich am 27.05.2022 umfangreich gegenüber der Polizei eingelassen hat, wäre daher eine erhebliche Behinderung der Sachaufklärung zu besorgen gewesen. Wegen des gewichtigen Tatvorwurfs überwiegt jedenfalls gegenwärtig das Strafverfolgungsinteresse noch den Freiheitsanspruch des Angeklagten, so dass dieser (noch) zurückzutreten hat.

(7) Gleiches gilt im Ergebnis, soweit der Verteidiger des Angeklagten nunmehr die Auffassung vertritt, dass die Pflichtverteidiger der Mitangeklagten von ihren Pflichten hätten entbunden werden können, um eine zügigere Durchführung des Verfahrens zu ermöglichen. Angesichts der Schwere des Tatvorwurfs überwog jedenfalls im damaligen Verfahrensstadium das Interesse der Angeklagten von den Verteidiger ihres Vertrauens verteidigt zu werden. Dass Rechtsanwalt R zwischenzeitlich mitgeteilt hat, dass aufgrund seiner starken Terminsbelastung nunmehr die Terminswahrnehmung durch seinen Kanzleikollegen Rechtswalt T angedacht sei, rechtfertigt keine andere Bewertung, da dies für das Gericht nicht erkennbar und dies nicht gehalten war, dem Mitangeklagten E einen Verteidigerwechsel anzusinnen.“

Ob das so richtig ist, wage ich zu bezweifeln. Mich würde schon interessieren, was das BVerfG dazu sagen würde. Denn das OLG argumentiert mit einer „Kompensation verkehrt“, nämlich nicht damit, dass, was zum Teil als zulässig angesehen wird, Verzögerungen durch spätere besondere Beschleunigung kompensiert werden können, sondenr segnet die Verzögerungen mit der hypothetischen Überlegung ab, die Verhandlung habe an den grundsätzlich gerichtlich im Oktober zusätzlich anberaumten Terminen wegen Verhinderung der Verteidiger der Mitangeklagten ohnehin nicht durchgeführt werden können. Also eine „Wäre sowieso nicht möglich gewesen“ Argumentation“. Und. Die Ausführungen des OLG zur Frage der Abtrennung des Verfahrens gegen den inhaftierten Angeklagten sind m.E. auch nicht überzeugend. Fazit: Man will den Haftbefehl eben halten.

Rechtsfolgen I: Keine Kompensation im 2. Rechtsgang, oder: Der BGH will wissen, warum

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Heute dann Entscheidungen, die mit der „Rechtsfolgenseite“ zu tun haben.

In dem Bereich stelle ich zunächst den – schon etwas älteren – BGH, Beschl. v. 15.02.2022 – 4 StR 485/21 – vor. Zunächst etwas zur „Kompensation“.

Die Angeklagte war im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 30.06.2017 u.a. wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Außerdem hatte das LG festgestellt, dass sechs Monate der Strafe wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Mit Beschluss vom 08.11.2018 ‒ 4 StR 61/18 ‒ hat der BGH das Urteil auf die Revision der Angeklagten mit den zugehörigen Feststellungen – teilweise – auf gehoben. Mit Urteil vom 15.07.2021 hat das LG  die Angeklagte im zweiten Rechtsgang nunmehr u.a. der „schweren Misshandlung Schutzbefohlener in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und des Betruges“ für schuldig befunden, sie „unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil der 1. Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 30. Juni 2017“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und festgestellt, dass sechs Monate dieser Strafe als bereits vollstreckt gelten.

Dagegen die Revision, die Erfolg hatte, soweit das LG eine weitere Kompensationsentscheidung verneint hat:

„1. Die Begründung, mit der die Kammer die Notwendigkeit einer (weiteren) Kompensationsentscheidung wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung in der Zeit nach dem 30. Juni 2017 verneint hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Die Kammer hat zwar im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass die Entscheidung des Landgerichts in dem Urteil vom 30. Juni 2017, wonach sechs Monate der Gesamtfreiheitsstrafe aufgrund einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten, von dem Senat im Beschluss vom 8. November 2018 nicht aufgehoben wurde und daher in Rechtskraft erwachsen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2021 ‒ 4 StR 41/21 Rn. 1; Urteil vom 27. August 2009 ‒ 3 StR 250/09 , NJW 2009, 3734). Soweit sie daraus den Schluss gezogen hat, dass deshalb für eine weitere Kompensationsentscheidung kein Raum mehr gewesen sei, übersieht sie jedoch, dass die rechtskräftige Kompensationsentscheidung ausschließlich den Zeitraum bis zum Erlass des Urteils im ersten Rechtsgang betraf (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2016 ‒ 1 StR 121/16 Rn. 28). Über einen Ausgleich für nach diesem Zeitpunkt entstandene Verfahrensverzögerungen war daher noch zu entscheiden.

b) Auch die Hilfserwägung der Strafkammer, für eine weitere Kompensationsentscheidung habe auch deswegen keine Veranlassung bestanden, weil das Verfahren seit dem Urteil im ersten Rechtsgang „in einer der Komplexität des Verfahrens angemessenen Weise gefördert“ worden sei, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil sich bereits aus den Urteilsgründen ausreichende Anhaltspunkte ergeben, die zur Prüfung einer Kompensation drängen mussten (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juni 2021 ‒ 4 StR 30/21 Rn. 21; Beschluss vom 28. Mai 2020 ‒ 3 StR 99/19 Rn. 24; Urteil vom 28. Juni 2005 ‒ 4 StR 119/05 , NStZ-RR 2006, 56, 57; Beschluss vom 11. November 2004 ‒ 5 StR 376/03 , BGHSt 49, 342 ).

Das angefochtene Urteil ist am 15. Juli 2021 ergangen. Vor dem Hintergrund, dass das im ersten Rechtsgang am 30. Juni 2017 verkündete Urteil aufgrund des Senatsbeschlusses vom 8. November 2018 bereits teilweise in Rechtskraft erwachsen war und sich der verbleibende Prozessstoff dadurch reduziert hatte, hätte es insbesondere näherer Darlegung bedurft, warum mit der Durchführung der neuerlichen Hauptverhandlung erst am 7. Juni 2021 begonnen werden konnte.

Rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung von 2 Jahren 9 Monaten, oder: Urteilsgründe

Die zweite Entscheidung zur (zu langen) Verfahrensdauer kommt vom KG. Das LG war im Berufungsurteil von einer Verfahrensverzögerung von zwei Jahren und neun Monaten ausgegangen und hatte davon vier Monate als vollstreckt angesehen. Dagegen die Revision des Angeklagten, die das KG im KG, Urt. v. 22.07.2020 – (4) 161 Ss 66/20 (91/20) zurückgewiesen hat.

Hier nur die Leitsätze zu der Entscheidung:

  1. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass sich der Tatrichter bei der Feststellung von Belastungen des Angeklagten durch die lange Verfahrensdauer in den Urteilsgründen mit den Gesichtspunkten ausdrücklich auseinandersetzt, die der Angeklagte in der Hauptverhandlung geltend gemacht hat oder die sich nach den Urteilsgründen aufdrängten.

  2. Eine Belastung aufgrund der langen Verfahrensdauer liegt nicht bereits dann vor, wenn einem inhaftierten Angeklagten keine Vollzugslockerungen gewährt wurden, sondern erst dann, wenn die Haftanstalt Vollzugslockerungen gewährt hätte, wenn das weitere Verfahren zu einem früheren Zeitpunkt beendet gewesen wäre.

  3. An Umfang und Genauigkeit der Verfahrensrüge ungenügender Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung sind hohe Anforderungen zu stellen, da dem Revisionsgericht ein detailliertes und wirklichkeitsgetreues Bild des wirklichen Verfahrensablaufs zu bieten ist. Nur dann ist es in der Lage, allein anhand der Revisionsrechtfertigung zu prüfen, ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt und welche Folgen diese hat. Die Anforderungen dürfen hiernach zwar nicht überspannt werden, so dass es insbesondere bei einem jahrelang währenden Verfahren nicht erforderlich ist, jeden Ermittlungsschritt anzuführen. Es muss aber ein realistischer Überblick gewährt werden.

  4. Der Grundsatz, dass die Anforderungen an die Darstellung des Verfahrensgangs nicht überspannt werden dürfen, gilt nicht nur für die Revisionsbegründungschrift, sondern auch für die Urteilsgründe.

Rest bitte selbst lesen 🙂 .