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Einbruch in die JVA – die meisten wollen da doch raus

Am Dienstag (13.07.2010) war gemeldet worden (vgl. u.a. hier), dass es einen Einbruchsversuch in die JV Hannover gegeben hat. Darauf muss man ja erst mal kommen. Die meisten wollen da ja eher raus als rein 🙂 . Der Grund: Offenbar wollte – wie der JM Niedersachsen gerade in einer PM meldet – der JVA-Einbrecher vermutlich illegale Ware zurückholen. Man hat nämlich zwischen Zaun und Mauer Drogen gefunden.

In der PM heißt es:

Zu dem Einbruchsversuch in die JVA Hannover vom vergangenen Dienstag gibt es neue Erkenntnisse. Das hat das Niedersächsische Justizministerium am Donnerstag (15.07.2010) in Hannover mitgeteilt. „In dem zwischen Außenzaun und Mauer gelegenen Gelände ist bei intensiver Nachsuche durch JVA-Bedienstete ein Drogenpäckchen gefunden worden“, sagte ein Sprecher. Das lasse Rückschlüsse auf das Motiv des Täters zu. „Offenbar sollten die Drogen über Zaun und Mauer geworfen werden, um dann von Gefangenen während der Freistunde eingesammelt zu werden. Das ist misslungen. Die illegale Ware blieb zwischen Zaun und Mauer liegen“, so die Vermutung der Sicherheitsexperten des Justizvollzugs. Da die Drogen einen beträchtlichen Wert darstellen, gehe man davon aus, dass der vereitelte Einbruch dazu dienen sollte, sie wieder zurückzuholen. „Das ist die einzige vernünftige Erklärung für den Vorfall. Dass es sich um den Versuch einer Gefangenenbefreiung gehandelt hätte, ist dagegen äußerst unwahrscheinlich“, so der Ministeriumssprecher.

Das werde ich jetzt nicht kommentieren; davon kann sich jeder Leser selbst eine Meinung bilden

Ein Kollege hat mir den Beschl. des AG Kempen v. 14.04.2010 – 2 Ls 94/09 übersandt, mit dem das AG beimVerteidiger nur zwei von drei geltend gemachten Fahrten als i.S. des § 46 RVG notwendig anerkannt hat. Im Beschl. heißt es: “

In der Jugendstrafsache

gegen pp.

niederländischer Staatsangehöriger

Verteidiger:

wegen Erpressung

wird die Erinnerung des Verteidigers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07.12.2009 als unbegründet verworfen.

Gründe:

Auch nach Auffassung des Gerichts waren nur 2 Fahrten in die JVA Köln notwendig. Der Beschuldigte befand sich insgesamt 3 Monate im Gefängnis, dabei handelt es sich um einen recht kurzen Zeitraum.

Die vom Verteidiger mitgeteilten Gründe der einzelnen Fahrten erscheinen nicht durchgreifend.

Der Ablauf der Hauptverhandlung wurde als Grund für die 3. Fahrt aufgeführt, diese Thematik hätte man an einem der vorherigen Besuchstermine klären können.

Die Absetzung der 3. Fahrt und die entsprechende Kürzung des Antrages vom 02.09.2009 ist somit korrekt und die Erinnerung unbegründet.“

Lassen wir mal die Frage der Berechtigung der Absetzung dahinstehen – sie steht im Übrigen nicht in Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung. Viel interessanter ist nämlich die mir auch vorliegende Stellungnahme des Bezirksrevisors. In der heißt es:

„—– dort beantrage ich die Erinnerung als unbegründet zu verwerfen,

Nach hiesiger Auffassung waren nur 2 Fahrten in die JVA Köln notwendig. Der Beschuldigte befand sich insgesamt 3 Monate im Gefängnis, dabei handelt es sich um einen recht kurzen Zeitraum.

Die vom Verteidiger mitgeteilten Gründe der einzelnen Fahrten erscheinen nicht durchgreifend.

Der Ablauf der Hauptverhandlung wurde als Grund für die 3. Fahrt aufgeführt, diese Thematik hätte man an einem der vorherigen Besuchstermine klären können.

Die Absetzung der 3. Fahrt und die entsprechende Kürzung des Antrages vom 02.09.2009 ist somit korrekt und die Erinnerung unbegründet.“

Die wortgleiche Übereinstimmung will ich nun wirklich nicht kommentieren, außer: Ein wenig Mühe = eine eigene Meinung sollte man sich schon bilden. Der Verteidiger hatte übrigens zwei Seiten unter Anführung von Rechtsprechung und Literatur geschrieben.

Wann ist die Unterbringung in einer JVA-Zelle „menschenunwürdig“, und: Rechtsmittel einlegen…

Der BGH hat jetzt in seinem Urteil v. 11.03.2010 – III ZR 124/09 – die Feststellungen des OLG Hamm zur Frage, wann die Unterbringung in einer JVA-Zelle menschenunwürdig ist, revisionsrechtlich gehalten.

Das OLG Hamm hatte dazu in seinem Berufungsurteil festgestellt – Zitat aus dem Urteil des BGH:

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Unterbringung des Klägers in den Hafträumen B-216 (Grundfläche 17,74 m² bei einer Belegung mit vier Personen) sowie B-259 (Grundfläche 9,06 m² bei einer Belegung mit zwei Personen) sei menschenunwürdig gewesen. Jedem Insassen habe nur eine Grundfläche von rechnerisch lediglich 4,435 m² bzw. 4,53 m² zur Verfügung gestanden. Damit werde die Mindestgröße von Hafträumen, die in der Literatur als Untergrenze ernsthaft erwogen werde, deutlich unterschritten, wobei erschwerend hinzu komme, dass die Nutzfläche durch die Möblierung des Haftraums mit einer der Kopfzahl der untergebrachten Gefangenen entsprechenden Anzahl von Betten, Spinden, Stühlen und Tischen noch zusätzlich eingeschränkt werde, ebenso wie auch durch die im Haftraum installierte Toilettenkabine. Bei einer Grundfläche von weniger als 5 m² sei der dem Einzelnen unter Berücksichtigung des für die Möblierung notwendigen Flächenbedarfs verbleibende Bewegungsfreiraum so begrenzt, dass eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung kaum noch möglich sei und der auch bei Strafhaft fortbestehende Anspruch des Gefangenen auf Wahrung eines Mindestmaßes an persönlicher Eigenständigkeit und Intimität in einer Weise beschnitten werde, die mit den Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung unvereinbar sei. „

Das ist – so der BGH – aus revisionsrechtlicher Sicht, nicht zu beanstanden. Allerdings hat der BGH das Urteil des OLG Hamm dennoch aufgehoben. Die Ersatzpflicht sei nicht eingetreten, weil der Gefangene es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen habe, den bei ihm eintretenden Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (§ 839 Abs. 3 BGB). Also: Rechtsmittel einlegen, und zwar bei der StVK. Der BGH weist insoweit ausdrücklich auf die entsprechende Rechtsprechung des 1. Strafsenats des OLG Hamm hin, der die menschenwürdige Unterbringung beanstandet hätte.

Interessant der Satz in der Entscheidung: „In einem Rechtsstaat ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Behörden gerichtliche Entscheidungen beachten“. Na ja, wenn man sich das Verhalten der Ermittlungsbehörden beim Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO ansieht, kann man da Zweifel haben.

Jörg Kachelmann – warum eigentlich ein Interview mit dem Leiter der JVA Mannheim bei Antenne Münster?

Zum Fall Jörg Kachelmann ist ja schon einiges geschrieben und über den Ticker gelaufen. Bei den Blogs hier ist es heute sicherlich „das Thema“ (vgl. nur  Stell Dir vor es ist „Internationaler Tag der Meteorologie“ und (Jörg) „Kachelmann (ist) im Knast“ (BILD)“  oder „Verteidigung durch einen Medienrechtler„, wobei m.E. gar nicht klar ist, ob er „wirklich verteidigen will“ oder nur beigezogen ist, oder auch der Beitrag zum Leiter der JVA Mannheim „Kachelmann – „Haftgrund Vergewaltigung“ und Antrittsbesuche„.

Nachdem ich nun gerade bei Antenne Münster die aktuelle Nachrichtensendung gehört habe, frage ich mich, ob das (nicht die Blogbeiträge, sondern das Drum-Herum) wirklich sein musste: (Nochmals?) Das Interview mit dem Leiter der JVA, der haarklein beschreibt, wie groß die Zelle ist oder auch nicht, aber immerhin schon mit abgetrenntem Sanitärbereich, wie man in der JVA den Tag verbringt usw. und: Eine Vorankündigung für den morgigen Tag, an dem offenbar ein Haftprüfungstermin statt finden soll, alles schön aufbereitet, so als ob der Hörer den kleinen StPO-Schein erwerben soll. Im Übrigen: Wir füttern euch an, liebe Hörer, bleibt dran, bei uns erfahrt ihr es auch morgen aus der ersten Reihe.

Von der Unschuldsvermutung spricht kein Mensch im Radio mehr, oder: Warum eigentlich ein solches Medieninteresse bzw. warum macht man ihn kaputt. Die Mitteilung der ARD wird doch nicht mehr lange auf sich warten lassen, in der man mitteilt, dass man sich aufgrund der Vorkommnisse „im besten Einvernehmen“ getrennt hat. Was ich auch vermisse: Eine PM, dass irgendjemand aus dem JM Baden-Württemberg dem Leiter der JVA mal ganz gehörig auf die Füße getreten und einen Maulkorb verpasst hat. Aber wahrscheinlich ist es die Mischung: Promi und Vergewaltigung. Das bringt Zahlen.

Unerlaubte Überlassung von Prepaid-Karten an Häftling führt zur Entlassung – der JVA-Mitarbeiters

Das VG Trier berichtet in seiner PM Nr. 26/2009, dass die Entfernung eines Vollzugsbeamten aus dem Dienst rechtmäßig ist, wenn ein Vollzugsbeamter einem Häftling ohne Erlaubnis der Anstaltsleitung Prepaid-Karten zur freien Verfügung überlässt. Dieser begehe ein schwerwiegendes Dienstvergehen, das zur Entfernung aus dem Dienst führt. In der PM heißt es:

„Der beklagte Justizvollzugsobersekretär, der disziplinarisch nicht vorbelastet ist, hatte in der vom Land gegen ihn erhobenen Disziplinarklage, die auf Entfernung aus dem Dienst gerichtet war, eingestanden, einem Strafgefangenen zwei Prepaid-Karten überlassen zu haben. Er habe dies aus Mitleid und falsch verstandenem Verantwortungsgefühl getan. Als Vertrauensbeamter des Strafgefangenen sei er mit dessen familiären Problemen konfrontiert worden. Er habe miterlebt, dass dessen vier Kinder sehr unter der Trennung von ihrem Vater gelitten hätten. Zudem habe er erfahren, dass die Ehefrau des Gefangenen Trennungsgedanken hege. Deshalb sei er in immer größere Sorge um den Gefangenen geraten. Schließlich habe er sich von ihm überreden lassen, ihm Prepaid-Karten zum Zwecke des regelmäßigen telefonischen Kontakts mit der Familie zu überlassen. Bei Auswertung der Verbindungsdaten wurde später festgestellt, dass insgesamt zehn Gefangene mit den Prepaid-Karten telefoniert hatten.

Die Richter der 3. Kammer urteilten, dass der Beklagte mit seinem Verhalten eklatant gegen seine Kernpflicht, die Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten, verstoßen habe. Strafgefangenen sei zur Sicherheit in den Justizvollzugsanstalten der Besitz von Handys ausdrücklich verboten. Die Anstaltsleitung müsse grundsätzlich die Möglichkeit haben, den Telefonverkehr von Strafgefangenen zu überwachen, um unkontrollierbare Risiken, wie die Behinderung von Ermittlungen, die Vorbereitung von Gefangenenbefreiungen oder die Organisation von kriminellen Aktivitäten aus der Anstalt, zu vermeiden. Sowohl die Anstaltsleitung als auch die übrigen Mitarbeiter einer Justizvollzugsanstalt müssten sich darauf verlassen können, dass jeder Vollzugsbeamte die geltenden Sicherheitsbestimmungen einhalte und sich nicht eigenmächtig, sei es auch aus Gutmütigkeit oder Mitleid, über solche Vorschriften hinwegsetze. Der Beklagte hätte sich auch anders für den Strafgefangenen einsetzen können, indem er bspw. bei der Anstaltsleitung dafür eingetreten wäre, dem Gefangenen den telefonischen Kontakt zu seiner Familie zu ermöglichen, um einer möglichen Verzweiflungstat entgegenzuwirken. Mit dem von ihm gewählten Verhalten habe der Beklagte aber eine von ihm nicht zu beeinflussende Gefahrenquelle geschaffen, was einen gravierenden Mangel an Verantwortungsbewusstsein erkennen lasse. Das zur Fortsetzung des Beamtenverhältnisses im Justizvollzugsdienst erforderliche Vertrauen könne ihm deshalb nicht mehr entgegen gebracht werden.“

VG Trier, Urt. v. 27.10.2009 – 3 K 387/09.TR

Auf die vollständige Begründung darf man gespannt sein.