Ein Tankstellenunfall ist Gegenstand des OLG Naumburg, Urt. v. 25.02.2016 – 1 U 99/15 – gewesen; „25.02.2016“ – also nicht mehr taufrisch 🙂 die Entscheidung, aber dennoch noch interessant, weil es sich um einen m.E. recht alltäglich Grundsachverhalt handelt. Es geht um die Haftung nach einem Unfall auf einem Tankstellengelände. Folgender sachverhalt: Die Beklagte will mit ihrem Pkw das Tankstellengelände verlassen. Es kommt zum Zusammenstoß mit der Kläger, der zu Fuß zwischen den Tankstelleninseln auf dem Weg zur Kasse war und die Fahrbahn des Pkw der Beklagten überquerte. Der Kläger wurde verletzt. Gestritten wird dann um die Anwendung der StVO und die Haftungsquote:
Zur Anwendung der StVO:
„3. Ergibt sich die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten gegenüber dem unstreitig vom fahrenden Kraftfahrzeug verletzten Kläger schon aus der Betriebsgefahr, lassen sich die geltend gemachten Ansprüche nur unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens über § 9 StVG einschränken. Davon ist im Ergebnis der Beweisaufnahme auszugehen. Bei der Entstehung des eigenen Schadens hat zur Überzeugung des Senats ein Verschulden des Klägers mitgewirkt.
a) Zwischen den einzelnen Tankinseln hatten sowohl der Kläger als auch die Beklagte zu 2. die Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung zu beachten. Der von den Kunden zu befahrende Bereich zwischen den Zapfsäulen ist dem Straßenverkehr zugänglicher öffentlicher Verkehrsraum (BGH VersR 1985, 835; OLG Düsseldorf NZV 1988, 231; Hentschel/König/ Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., 1 StVO Rdn. 14 f.).
b) Der Kläger war auf seinem Weg zur Kasse nicht nur nach 1 Abs. 1 StVO zur ständigen Vorsicht angehalten. Entgegen der Auffassung der Klage trafen ihn auch die aus § 25 StVO folgenden speziellen Fußgängerpflichten.
Die Tankstelle ist wie eine Straße mit Fahrbahnen und gehweggleichen Inseln ausgebaut. Schon ihr Erscheinungsbild entspricht damit dem sonstigen öffentlichen Verkehrsraum. Die Fahrbahnen dienen den Fahrzeugen zum Erreichen und Verlassen der Zapfsäulen, während die Inseln ein sicheres Betanken gewährleisten sollen. Gerade weil der Fahrzeugverkehr die Nutzung des Tankstellengeländes besonders prägt, gibt es keinen Anlass zu der Annahme, hier hätten plötzlich Fußgänger Vorrang. Dies wird auch durch das notwendige Überqueren der Fahrbahnen durch sich zur Kasse bewegende Fußgänger nicht verlangt. Vielmehr geben die außerhalb ihrer Fahrzeuge hantierenden, einkaufenden und bezahlenden Kunden dem Fahrzeugverkehr „lediglich“ zu außergewöhnlicher Vorsicht, Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme Anlass.
Für den Kläger bedeutet dies, er hatte beim Überqueren der Fahrbahn den Fahrzeugverkehr zu beachten (§ 25 Abs. 3 Satz 1 StVO). Auch von ihm war erhöhte Sorgfalt gefordert. Insbesondere musste er sich vor dem Überqueren der Fahrbahn vergewissern, keinem Fahrzeug in den Weg zu laufen (Hentschel/König/Dauer, § 2 StVO Rdn. 10; § 25 StVO Rdn. 22; § 9 StVO Rdn. 13). Dies kann der Kläger nach dem nahezu unstreitigen Unfallhergang und den Feststellungen des Sachverständigen nicht getan haben. Es ist nach der Lebenserfahrung nicht vorstellbar, wie der Kläger bei hinreichender Aufmerksamkeit unter das unstreitig langsam angefahrene Fahrzeug der Beklagten gekommen sein soll. Man könnte daher meinen, der Kläger habe einen für sein unfallursächliches Verschulden sprechenden und nicht erschütterten Anscheinsbeweis gegen sich. Entscheidend kommt es hierauf nicht an. Wie schon vom Landgericht angenommen, wurde der bevorrechtigte Verkehr vom Kläger nicht im ausreichenden Maße beachtet. Dies lässt sich zur Überzeugung des Senats positiv feststellen, woraus sich zweifelsohne ein unfallmitursächliches Eigenverschulden ergibt (vgl. bspw. BGH NJW 2000, 3069, 3070)…………“
Und zur Haftungsquote:
„c) Bei der Abwägung der Verursachungsanteile gelangt der Senat zur Schadensteilung bzw. zu einem hälftigen Mitverschulden des Klägers.
Im Ausgangspunkt lässt sich der Unfall ohne die Aufmerksamkeitsdefizite des Klägers und der Beklagten zu 2. nicht erklären. Es hätte nicht zu der Kollision kommen dürfen. Gleichwohl wiegt das Verschulden des Klägers schwerer. Es gehört zu den grundlegendsten Anforderungen an das Verhalten im Straßenverkehr, sich vor dem Überqueren einer Fahrbahn zu vergewissern, dass sich kein Vorrang beanspruchendes Kraftfahrzeug nähert. Auf die Beachtung dieser einfachen und gewöhnlich verinnerlichten Regel durch den Kläger konnte die Beklagte zu 2. auch in einer Tankstelle grundsätzlich erst einmal vertrauen. Ihre dennoch nicht zu entschuldigende Unaufmerksamkeit ist dagegen eher verständlich und damit von geringerem Gewicht. Sie erhöht die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges nur leicht. Insgesamt betrachtet sieht der Senat in Abwägung dieser Umstände gleiche Verursachungsbeiträge.“