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Pflichtverteidiger bei der Haftbefehlseröffnung, oder: Man verdient Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühr

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Und zum Abschluss dieser heißen Woche – inzwischen ist es ja ein wenig kühler geworden – dann noch etwas fürs Portemannaie.

Zunächst hier der sehr schöne OLG Zweibrücken, Beschl. v. 07.06.2023 – 1 Ws 105/23 – zu den Gebühren des dem Beschuldigten für die Haftbefehlseröffnung bestellte Pflichtverteidigers.

Der Angeklagte war am 17.03.2022 vorläufig festgenommen worden. Das AG hat gegen ihn am 18.03.2022 Haftbefeh erlassen, der am selben Tag eröffnet worden ist. In dem Termin war der Rechtsanwalt anwesend gewesen. Das AG hat den Haftbefehl aufrechterhalten und in Vollzug gesetzt. Weiterhin hat es u.a. folgenden Beschluss erlassen:

„1. Dem Beschuldigten wird Rechtsanwalt pp., als Pflichtverteidiger für den heutigen Haftbefehlseröffnungstermin gem. §§ 140 Abs. 1 Nr. 4, 141 Abs. 4 StPO beigeordnet.

2- Dem Beschuldigten wird Rechtsanwalt pp2. gem. §§ 140 Abs. 1 Nr. 4, 141 Abs. 4 StPO beigeordnet…..“

Der Rechtsanwalt hat für seine Tätigkeit Grundgebühr, Verfahrensgebühr sowie Terminsgebühr Nr. 4109 VV RVG abgerechnet. Festgesetzt worden ist eine Terminsgebühr Nr. 4103 VV RVG. Auf die Erinnerung hat das AG dann Grundgebühr sowie Terminsgebühr Nr. 4109 VV RVG festgesetzt. Dagegen hat sowohl die Landeskasse als auch der Rechtsanwalt Rechtsmittel eingelegt. Das LG hat das Rechtsmittel des Rechtsanwalts verworfen, auf die Beschwerde der Landeskasse dann als Pflichtverteidigervergütung Grundgebühr sowie Terminsgebühr <Nr. 4103 VV RVG festgesetzt. Dagegen dann die zugelassene weitere Beschwerde des Rechtsanwalts, die Erfolg hatte:

„Die auf die weitere Beschwerde gem. § 33 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 RVG veranlasste rechtliche Überprüfung führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit die Verfahrensgebühr (4105 RVG-VV) abgesetzt worden ist.

Zu Recht ist das Landgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer seine Tätigkeit nach Anlage 1 Teil 4 Abschnitt 1 VV abrechnen kann. Diese Gebührentatbestände – und nicht diejenigen in Anlagen Teil 4 Abschnitt 3 VV – gelten nach ganz überwiegender Auffassung, der sich der Senat anschließt, auch für den Verteidiger, dessen Beistandsleistung sich auf einen einzelnen Termin beschränkt (a. A. im Falle eines Hauptverhandlungstermins unter bestimmten Umständen: OLG Rostock, Beschluss vom 15.09.2011, 1 Ws 201/11, juris).

Die Zulässigkeit der Vertretung des Pflichtverteidigers und die Frage, welche Gebührentatbestände des Abschnitts 1 der Verteidiger, der für den verhinderten Pflichtverteidiger einen Termin wahrnimmt, abrechnen kann, sind umstritten (OLG Bamberg, Beschluss vom 21.12.2010 – 1 Ws 700/10 -, Juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 25.08.2009 – 2 Ws 111/09 -, Juris; KG Berlin, Beschluss vom 29.06.2005 — 5 Ws 164/05 -, Juris <zum Beistand>; OLG Celle, Beschluss vom 19.12.2008 – 2 Ws 365/08 -, Juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.10.2008 -III-1 Ws 318/08 -, Juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.07.2008 – 3 Ws 281/08 -, Juris; OLG Köln, Beschluss vom 26.03.2010 – 2 Ws 129/10 -, Juris; OLG München, Beschluss vom 27.02.2014 – 4c Ws 2/14 -, Juris; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 8.12. 2010 — 1 Ws 318/10 -, Juris). Diese Fragen können nach Auffassung des Senats aller-dings für den vorliegenden Fall dahinstehen. Der Beschwerdeführer ist in dem Termin zur Eröffnung des Haftbefehls nicht als Vertreter des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt pp2. tätig geworden.

Hier ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Verfügung des Amtsgerichts, dass Rechtsanwalt pp. für den Vorführungstermin als weiterer Pflichtverteidiger beigeordnet und nicht zum Vertreter des für das weitere Verfahren beigeordneten Verteidigers bestellt werden sollte. Eine bloße Vertretung des Pflichtverteidigers würde auch der Bedeutung des Termins nicht gerecht. Im Übrigen lässt sich die vorliegende Fallkonstellation auch nicht mit dem Fall der Vertretung eines Pflichtverteidigers in einem Termin einer aus mehreren Terminen bestehenden Hauptverhandlung vergleichen. Zu Recht verweist das Landgericht in diesem Zusammenhang schließlich auf § 141 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StPO; diese Vorschrift zeigt, dass der Gesetzgeber der Verteidigung des Beschuldigten in einem Termin, in dem er zur Entscheidung über Haft vorgeführt werden soll, besonderes Gewicht beigemessen hat.

Welche Gebühren entstehen, ist vom Umfang der Tätigkeit des Rechtsanwaltes als Pflichtverteidiger abhängig.

Die Verfahrensgebühr entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (Vorbem. 4 Abs. 2 RVG VV). Durch die Verfahrensgebühr ist die gesamte Tätigkeit eines Rechtsanwaltes im jeweiligen Verfahrensabschnitt abgegolten, soweit hierfür keine besonderen Gebühren vorgesehen sind. Die Verfahrensgebühr entsteht aber nicht erst dann, wenn der Abgeltungsbereich der Grundgebühr überschritten ist (so noch zum früheren Rechtszustand: OLG Bamberg a.a.O.; KG Berlin, Beschluss vom 20. Januar 2009 – 1 Ws 361/08 -, a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Köln, Beschluss vom 17.01.2007 – 2 Ws 8/07 -, Juris und Beschluss vom 26.03.2010 – 2 Ws 129/10 -, a.a.O.). Mit der Änderung des Gebührentatbestands durch das Zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23.07.2013 (BGBl. 12013, 2586) wurde bestimmt, dass die Grundgebühr grundsätzlich nicht allein anfällt, sondern regelmäßig neben einer Verfahrensgebühr (Burhoff in Gerold-Schmidt, RVG VV 4100, Rn. 9; Enders RVG, Straf- und Bußgeldsachen, Rn. 67; Knaudt in BeckOK RVG VV 4104, Rn. 8). Eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr entsteht für die Tätigkeit in jedem gerichtlichen Verfahren, so auch in Strafsachen. Die Grundgebühr soll lediglich den zusätzlichen Aufwand entgelten, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt. Sie hat daher den Charakter einer Zusatzgebühr, die den Rahmen der Verfahrensgebühr erweitert (BT-Drucks. 17/11471, S. 281). Von der Verfahrensgebühr nicht erfasst wird die Teilnahme an gerichtlichen Terminen. Dafür sieht das RVG die Terminsgebühr vor. Die Terminsgebühr erhält der Rechtsanwalt für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen. Das Entstehen der Terminsgebühr bei Haftbefehlseröffnungen setzt allerdings voraus, dass in dem Termin mehr geschehen ist als eine reine Verkündung des Haftbefehls (BT-Drucks. 15/1971, S. 223). Es reicht aus, wenn der Verteidiger gegenüber dem Gericht für den Beschuldigten in der Weise tätig geworden ist, dass er Erklärungen oder Stellungnahmen abgegeben oder Anträge gestellt hat, die dazu bestimmt waren, die Fortdauer der Untersuchungshaft abzuwenden (KG Berlin, Beschluss vom 23.06.2006 – 4 Ws 62/06 -, Juris).

Danach hat das Landgericht die Erfüllung der Gebührentatbestände der Grund- und der Terminsgebühr zu Recht angenommen. Die Annahme, die Verfahrensgebühr sei (noch) nicht angefallen, geht allerdings fehl (vgl. zur Beurteilung einer entsprechenden Fallgestaltung nach neuem Recht: LG Magdeburg, Beschluss vom 19.03.2018 – 25 Qs 14/18 -, Juris). Die Überlegungen des Landgerichts zum Abgeltungsbereich der Grundgebühr einerseits und der Verfahrensgebühr anderseits treffen zwar zu, betreffen aber nur die Bemessung der beiden Gebühren; bemessen werden die Gebühren aber nur beim Wahlverteidiger, während für den Pflichtverteidiger eine Festgebühr gilt.

Der Gebührenanspruch des Verteidigers berechnet sich danach wie folgt:…..“

„Vertretung“ des Pflichtverteidigers im Hafttermin, oder: „Schönes“ vom LG Frankenthal

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Und im zweiten Posting dann die „schöne“ Entwicklungsentscheidung. Dabei handelt es sich um den LG Frankenthal (Pfalz), Beschl. v. 27.04.2023 – 1 Qs 76/23. Das ist die Nachfolgeentscheidung zum AG Ludwigshafen, Beschl. v. 03.03.2023 – 4a Ls 5227 Js 9474/22 – den ich unter „Vertretung“ des Pflichtverteidigers im Hafttermin, oder: „Unschönes“ aus Ludwigshafen teilweise kritisiert hatte.

Zur Erinnerung: Gestritten wird um die Gebühren des Vertreters des Pflichtverteidigers im Hafttermin. Das AG hatte gesagt: Ja, Abrechnung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG, was richtig ist, aber es werden nur die Terminsgebühr und die Grundgebühr gezahlt. Die Verfahrensgebühr hingegen nicht, denn: „Die Verfahrensgebühr entsteht dagegen mit der ersten Tätigkeit, die der Rechtsanwalt aufgrund des Auftrags, die Verteidigung im Ganzen zu übernehmen, erbringt. Eine solche Übernahme ist vorliegend jedoch gerade nicht erfolgt.“

Dass das falsch war und das Verhältnis von Grund- und Verfahrensgebühr verkennt, lag m.E. auf der Hand. Das LG hat es dann auch gerichtet:

„1. Die Verfahrensgebühr entsteht – so die Vorbemerkung 4 Abs. 2 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG – für das Betreiben eines Geschäfts einschließlich der Information. Nach Nr. 4104 VV RVG kann diese Verfahrensgebühr auch schon im vorbereitenden Verfahren, d.h. im Zeitraum bis zum Eingang der Anklageschrift […], entstehen. Die Verfahrensgebühr gilt grundsätzlich die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im vorbereitenden Verfahren mit Ausnahme der (besonderen) Tätigkeiten, die durch die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG oder gegebenenfalls durch die Gebühr für die Teilnahme an den in Nr. 4102 VV RVG genannten Terminen abgegolten werden, ab (Gerold/Schmidt/Burhoff RVG VV 4104 Rn. 6). Nr. 4100 Abs. 1 VV RVG sieht vor, dass die Grundgebühr neben der Verfahrensgebühr für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall nur einmal und unabhängig davon, in welchem Verfahrensabschnitt sie erfolgt, entsteht. Während vor dem Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes die Abgrenzung zwischen der jeweiligen Verfahrensgebühr von der Grundgebühr streitig war, wurde durch die zuvor genannte Formulierung der Nr. 4100 Abs. 1 VV RVG klargestellt, dass für die Tätigkeit des Rechtsanwalts in (jedem) gerichtlichen Verfahren eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr entsteht. Die Grundgebühr, die den zusätzlichen Aufwand für die erstmalige Einarbeitung in die Angelegenheit honorieren soll, entsteht daneben (Gerold/Schmidt/Burhoff RVG VV Vorbemerkung 4 Rn. 11). Tätigkeiten, die in den Abgeltungsbereich der Grundgebühr fallen, schließen das Anfallen der Verfahrensgebühr nicht aus. Grund- und Verfahrensgebühr entstehen insbesondere nicht zeitlich aneinander-gereiht, d. h. die Verfahrensgebühr entsteht – zeitlich gesehen – nicht erst, wenn die Grundgebühr durch erste Einarbeitung in den Fall entstanden ist, deren Abgeltungsbereich also abgegolten ist, und sodann weitere Tätigkeiten erbracht werden. Vielmehr haben beide Gebühren überschneidende Abgeltungsbereiche dahingehend, dass das Betreiben des Geschäfts einschließlich der In-formation auch durch die erste Akteneinsicht bzw. das erste Mandantengespräch erfolgt, was durch die Klarstellung in Nr. 4100 Abs. 1 VV RVG deutlich wird (BeckOK RVG/Knaudt RVG VV 4104 Rn. 9 f.). Dies zugrunde gelegt und wie von der Beschwerdeführerin zutreffend im Rahmen der Beschwerdebegründung ausgeführt, ist vorliegend daher auch von einer Entstehung der Verfahrensgebühr neben der Grundgebühr auszugehen, weshalb diese nebst anteiliger Umsatzsteuer ergänzend festzusetzen war.“

Zutreffend.

Ein kleiner Wermutstropfen bleibt aber. Die Kollegin Hierstetter hatte auch die Nr. 7002 VV RVG geltend gemacht. Die hat das LG leider nicht auch noch festgesetzt:

„2. Die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG war vorliegend jedoch nicht festzusetzen. Während deren Höhe irrelevant ist, ist Voraussetzung für die Festsetzung der Pauschale, dass überhaupt entsprechende Entgelte angefallen sind, was bei einer mündlichen Beratung bzw. Besprechung nicht der Fall ist. Dies ist vom Rechtsanwalt im Rahmen der Vergütungsfestsetzung – zum Beispiel durch Vorlage eines ent-sprechenden Schreibens – nachzuweisen (BeckOK RVG/K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt RVG VV 7002 Rn. 2 f.). Soweit die Entgelte lediglich im Rahmen der Geltendmachung der Vergütung entstehen, können sie nicht abgerechnet werden (BeckOK RVG/K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt RVG VV 7001 Rn. 3). Da sich weder aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens noch aus der Akte im Übrigen ergibt, dass Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen tatsächlich angefallen sind, entspricht deren Nichtfestsetzung der Sach- und Rechtslage.“

Nun ja, damit wird man leben können.

„Vertretung“ des Pflichtverteidigers im Hafttermin, oder: „Unschönes“ aus Ludwigshafen

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Als zweite Entscheidung dann der „unschöne“ – und falsche – AG Ludwigshafen, Beschl. v. 03.03.2023 – 4a Ls 5227 Js 9474/22. Das AG hat zu der Frage Stellung genommen, welche Gebühren der nur für den „Hafttermin“ beigeordnete Pflichtverteidiger erhält. Das AG meint: Nur die Grundgebühr:

„Der Entscheidung zugrunde liegt folgender Sachverhalt:

Der mittlerweile verurteilte pp. wurde am 22.12.2021 vorläufig festgenommen und am 23.12.2021 dem Haftrichter des Amtsgerichts Mannheim vorgeführt, der Haftbefehl gegen den diesen erlassen hat. Laut Protokoll des Amtsgerichts Mannheim vom 23.12.2021 war Rechtsanwältin Pp1 „- als Vertreterin für RA pp2 anwesend. Der damals Beschuldigte erklärte im Termin laut Protokoll: „Ich möchte, dass mir RAin Pp1 nur für den Termin als Pflichtverteidigerin beigeordnet wird. RA pp2 soll mir für das gesamte Verfahren als Pflichtverteidiger beigeordnet werden“. Sodann wurde folgender Be-schluss erlassen:

„1. Dem Beschuldigten wird gemäß § 140 Abs. 1 Nr.4 StPO i.V.m. § 142 StPO Rechtsanwältin pp1 ausschließlich für die Haftbefehlseröffnung als Pflichtverteidigerin bestellt.

2. Dem Beschuldigten wird gemäß § 140 Abs. 1 Nr.4 StPO i.V.m. § 142 StPO Rechtsanwalt pp2 als Pflichtverteidiger für das gesamte Verfahren bestellt.“

Seit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 ist die Vorführung des Beschuldigten nach §§ 115, 115a StPO zur Entscheidung über Haft ein Fall der notwendigen Verteidigung, mithin die Mitwirkung eines Verteidigers zwingend. Eine in diesem Rahmen erfolgende Beiordnung als Pflichtverteidiger ist grundsätzlich eine umfassende Beiordnung und nicht nur eine Beiordnung für den Termin, so dass regelmäßig auch davon auszugehen ist, dass die Grund- und Verfahrensgebühr mit der Beiordnung anfällt. Der Tatsache, dass entsprechende Vorführungen regelmäßig innerhalb kurzer Zeit nach vorläufiger Festnahme oder Ergreifung erfolgen müssen und der Betroffene damit nur kurze Zeit hat von seinem Wahlrecht Ge-brauch zu machen, trägt das Gesetz durch die Möglichkeit des Verteidigerwechsels nach § 143 a Abs.2 Nr.1 StPO Rechnung.

Im vorliegenden Verfahren hatte der Beschuldigte bereits im Vorfeld der Vorführung von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Gemäß der Beschuldigtenvernehmung des pp. vom 22.12.2021 (BI. 21 d.A.) hat dieser nach entsprechender Belehrung angegeben, anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen. Hierauf wurde Rechtsanwalt pp2 in Kenntnis gesetzt, der auch vor Ort erschien. Vermerkt ist weiter, dass sich Rechtsanwalt da er zum Termin beim Haftrichter nicht anwesend sein könne, um Ersatz kümmern werde. Es ist insofern davon auszugehen, dass Rechtsanwältin Pp1 durch Rechtsanwalt pp.2  gebeten wurde, den Termin beim Haftrichter für ihn wahrzunehmen. Damit handelte es sich, wie auch im Protokoll vom 23.12.2021 vermerkt und mit dem erfolgten Beiordnungsbeschluss dokumentiert, um eine Terminsvertretung durch Rechtsanwältin Pp1.

Die kostenrechtliche Folge einer solchen Terminsvertretung ist umstritten. Teilweise wird von einem doppelten Anfall der Grund- und Verfahrensgebühr ausgegangen, teilweise wird dies abgelehnt. Soweit hinsichtlich der jeweiligen Ansichten sowohl von der Erinnerungsführerin als auch der Bezirksrevisorin Entscheidungen zitiert wurden, treffen diese jeweils nicht den konkret hier vorliegenden Fall. Zwar wird bei einem einvernehmlichen Pflichtverteidigerwechsel im laufenden Verfahren regelmäßig ein entsprechender Verzicht auf die Geltendmachung der entsprechenden Gebühren durch einen Verteidiger erwartet, um mehrfache Gebührenentstehungen zu vermeiden, vorliegend ist jedoch aufgrund der entsprechenden gesetzlichen Regelung zwingend eine Verteidigung im Termin notwendig und aufgrund des Erfordernisses einer zeitnah nach der Festnahme zu erfolgenden Vorführung vor den Haftrichter eine Teilnahme des gewünschten Verteidigers häufig nicht möglich. Aufgrund dieser zeitlichen Komponente weicht der Fall auch von Terminsvertretungen im Rahmen von Hauptverhandlungen ab, bei denen sowohl Gericht als auch Verteidigung in der Regel einen weit größeren Spielraum haben, Termine zu finden, die vom (Pflicht-)verteidiger wahrgenommen werden können und eine Vertretung damit nicht erforderlich machen. Erfolgt eine Terminsvertretung gleichwohl wegen Terminskollisionen des Verteidigers mag es in so gelagerten Fällen sachgerecht sein, dass sich dies gebührenrechtlich zu Lasten der Verteidiger auswirkt. Weshalb die vom Gesetzgeber durch die Einführung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung getroffene Entscheidung zur Notwendigkeit der Verteidigung dagegen kostenrechtlich zu Lasten des die Verteidigung im Vorführungstermin übernehmenden Verteidigers oder des vom Betroffenen innerhalb der drei Wochenfrist gewählten Verteidigers erfolgen soll, ist nicht ersichtlich. Es ist auch nicht so, dass die Grundgebühr im Verfahren nur einmal anfallen kann, da diese personenbezogen (auf den Verteidiger) ist. Insoweit ist anzumerken, dass in der von der Bezirksrevisorin zum einverständliche Pflichtverteidigerwechsel angeführten Kommentierung (Anlage 6) wiederum nur Bezug genommen wird auf Entscheidungen, die vor der Einführung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung, insbesondere der Regelung des § 143 a Abs. 2 Nr. 1 StPO, ergangen sind.

Regelmäßig werden Grund- und Verfahrensgebühr zusammen treffen, allerdings haben beide einen eigenen Abgeltungsbereich. Die Grundgebühr entsteht grundsätzlich bei Übernahme des Mandats und erfasst eine erstmalige Einarbeitung u.a. auch das erste Gespräch mit dem Mandanten. Diese ist damit auch im vorliegenden Fall entstanden.

Die Verfahrensgebühr entsteht dagegen mit der ersten Tätigkeit, die der Rechtsanwalt aufgrund des Auftrags, die Verteidigung im Ganzen zu übernehmen, erbringt. Eine solche Übernahme ist vorliegend jedoch gerade nicht erfolgt.“

Nun ja, ganz falsch ist der Beschluss nicht. Denn richtig ist zumindest, dass nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abgerechnet wird. Aber: Es entstehen auch in dem Fall alle Gebühren, also Grundgebühr, Verfahrensgebühr und Terminsgebühr. Und wenn man die Grundgebühr bejaht, muss man auch die Verfahrensgebühr bewilligen. Denn Grundgebühr und Verfahrensgebühr entstehen immer (!!) nebeneinander. Das war gerade der Sinn der Neuregelung an der Stelle vor einigen Jahren.

Vernehmungsterminsgebühr für einen „Hafttermin“, oder: Hauptsache, es wird zur Haft „verhandelt“

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Und heute dann „Money-Day“ 🙂 mit zwei schönen AG-Entscheidungen.

Ich beginne mit dem AG Neuss, Beschl. v. 18.05.2022 – 6 Ds-110 Js 6494/20-314/20 – zur Nr. 4102 Tiff. 3 VV RVG – Stichwort: Hafttermin. Das AG hat eine Vernehmungsterminsgebühr festgesetzt:

„Nach Nr. 4102 Ziff.3 VV RVG erhält der Verteidiger eine Terminsgebühr für die Teilnahme an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft verhandelt wird. Vorliegend handelte es sich um einen solchen Termin und nicht um einen Termin, in dem lediglich ein Haftbefehl verkündet wurde. Der Haftbefehl wurde erst im Verlauf des Termins erlassen und anschließend verkündet.

Für das Entstehen der Gebühr ist es unerheblich, zu welchen Haftfragen die Verhandlung stattgefunden hat und in welchem Umfang verhandelt worden ist. Ob der Beschuldigte auf Anraten seines Verteidigers schweigt oder Angaben zur Sache macht, ist ebenfalls nicht maßgeblich. Das Gebrauchmachen vom Schweigerecht – wie es vorliegend vom Verteidiger erklärt worden ist – stellt ein Verhandeln zum dringenden Tatverdacht als Voraussetzung -für den Erlass eines Haftbefehls nach § 112 Abs. 1 S. 1 StPO dar. Das Schweigen des Angeklagten beeinflusst die Entscheidungsfindung des Ermittlungsrichters, da daraufhin allein maßgeblich das sich im Zeitpunkt der Haftentscheidung aus den Ermittlungsakten ergebende gerichtsverwertbare Ermittlungsergebnis ist. Dem Gebrauchmachen vom Schweigerecht liegt mithin eine verfahrenstaktische Überlegung und Beratung des Verteidigers zugrunde, ob eine Einlassung zu diesem Zeitpunkt für den Beschuldigten sinnvoll ist oder nicht.

Insoweit kommt es vorliegend nicht darauf an, ob darüber hinaus auch noch -insoweit nicht protokolliert, aber nach der dienstlichen Stellungnahme des Ermittlungsrichters nicht ausgeschlossen – über die Haftfähigkeit des Beschuldigten in Bezug auf eine Suchterkrankung und die Voraussetzungen einer Fluchtgefahr verhandelt wurde, was ebenfalls den Gebührentatbestand der Nr. 4102 Ziff. 3 W RVG auslösen würde.“

35 Minuten – dafür gibt es auf jeden maximal Fall 137 € – der Hafttermin

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Das RVG sieht in der Nr. 4102, 4103 VV RVG eine sog. (Vernehmungs)Terminsgebühr für einige außerhalb der Hauptverhandlung stattfindende Termine vor. Letztlich sind die Gebühren nicht an besondere Voraussetzungen geknüpft, ausreichend ist – wie bei anderen Terminsgebühren auch – letztlich die Teilnahme des Rechtsanwalts an dem jeweils genannten Termin. Nur bei der Nr. 4203 Ziff. 3 VV RVG muss zusätzlich hinzukommen, dass in dem Hafttermin, um den es da geht , auch „verhandelt“ worden sein muss. Und um die Frage, wann denn „verhandelt“ worden ist bzw. was „Verhandlung“ bedeutet, gibt es immer wieder Streit.

Ausgehen muss man bei der Auslegung der Vorschrift von ihrem Sinn und Zweck. Der Begriff „Verhandeln“ soll verhindern, dass auch bloß kurzfristige Haftbefehlseröffnungen zu einer Terminsgebühr führen. Der Gesetzgeber ist wohl davon ausgegangen, dass Verteidiger nichts anderes zu tun haben, als ggf. an Haftbefehlseröffnungen teilzunehmen, um als Pflichtverteidiger dann später ggf. die Gebühr Nr. 4102, 4103 VV RVG mit einem Festbetrag von max. 137 € (für bis zu drei Termine!!!)  abrechnen zu können. Deshalb entsteht die Gebühr nicht, wenn im Termin lediglich eine Aushändigung und Bekanntgabe, also die Verkündung eines schon bestehenden Haftbefehls gemäß § 114 a StPO, stattfindet. Alles, was darüber hinaus passiert, wird aber i.d.R. zu der Gebühr N.r 4102, 4103 VV RVG führen

So auch der LG Traunstein, Beschl. v.  20.09.2012 – 1 Ks 201 Js. 3874/1 . Da hatte der Termin 35 Minuten gedauert und es ist auch einiges „passiert“ mit der Folge, dass die Gebühr gewährt worden ist.

Insgesamt dauerte der Termin vor der Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Rosenheim 35 Minuten. Schon aufgrund des dargestellten Ablaufs und der Dauer dieses Termins steht für die Strafkammer hier außer Frage, dass ein ‚Verhandeln“ stattfand, das Grundlage für den Erlass des Haftbefehls und für den Beschluss über die Pflichtverteidigerbestellung war. Es fand nicht nur die bloße Aushändigung oder Bekanntgabe eines schon bestehenden Haftbefehls gemäß § 114 a StPO statt, sondern eine Verhandlung mit Anhörung und Antragstellung, deren Ergebnis der Erlass des Haftbefehls (ohne Außervollzugsetzung), also eine Entscheidung über Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft war. Ein stärker belastendes und bindendes Ergebnis dieser „Verhandlung“ vor der Ermittlungsrichterin ist kaum denkbar.

Insoweit an sich nichts Besonderes. Aber: Das LG setzt sich dann auch noch mit der Frage auseinander, wie es mit mit dem Anfall der Gebühr aussieht, wenn der Beschuldigte im Termin schweigt/sich nicht einlässt. Und die Ausführungen bieten Argumentationshilfe in anderen Fällen:

Der Beschuldigte hatte nach Eröffnung des Tatvorwurfs und nach Belehrung über seine Verfahrensrechte über seinen Verteidiger nicht bloß geschwiegen, sondern die ausdrückliche Erklärung abgegeben, dass er derzeit keine weiteren Angaben mache; damit hat er von einer ihm zuvor eröffneten Möglichkeit, nämlich inhaltlich sich nicht zur Sache zu äußern, Gebrauch gemacht; prozessual hat er sich aber insoweit geäußert,

 Würde an diese dem Beschuldigten frei zur Auswahl stehende Wahlmöglichkeit nachträglich im Wege des Kostenrechts die Folge geknüpft, dass der Verteidiger für die Teilnahme an dem Termin keine Gebühr erhielte, so würde über den Umweg des Kostenrechts Druck auf den Beschuldigten ausgeübt und er in seiner Entscheidungsfreiheit beschränkt, weil ihm wegen der kostenrechtlich nachteiligen Folgen für seinen Verteidiger es zweckmäßiger erscheinen könnte und müsste, sich Inhaltlich zur Sache zu äußern, damit sein Verteidiger keinen Gebührennachteil erleidet Dies würde aber im Widerspruch zu der dem Beschuldigten vorher eröffneten Wahlfreiheit stehen, sich inhaltlich zur Sache zu äußern oder nicht, und dieses Verfahrensgrundrecht („nemo tenetur se ipsum accusare“) aushöhlen.