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Altes oder neues Recht nach dem KostRÄnG 2021?, oder: Auftrag für gerichtliches Verfahren nur bedingt

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Am „Gebührenfreitag“ stelle ich dann zunächst den OLG Celle, Beschl. v. 22.09.2022 – 1 Ws 51/22 – vor. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

In Rahmen eines gegen den Angeklagten u.a. wegen des Verdachts der Begehung eines versuchten Tötungsdeliktes zum Nachteil des Geschädigten der Staatsanwaltschaft geführten Ermittlungsverfahrens legitimierte sich der Rechtsanwalt gegenüber der Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 14.12.2020 für den Geschädigten und beantragte zunächst Akteneinsicht. Die vom Geschädigten unterzeichnete schriftliche Vollmacht datiert vom 16.12.2020 und ermächtigte den Rechtsanwalt zur außergerichtlichen und gerichtlichen Erledigung für alle Instanzen, insbesondere die Verteidigung in einem Strafverfahren einschließlich der Vorverfahren. Im weiteren Verfahrensgang wurde der Rechtsanwalt noch im Ermittlungsverfahren mit Beschluss 23.2.2021 als Beistand des Geschädigten nach §§ 397a Abs. 1, 406h Abs. 3 StPO bestellt.

Am 29.03.2021 hat die Staatsanwaltschaft dann Anklage zum Schwurgericht erhoben. Die Anklage wurde mit Beschluss vom 06.05.2021 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Mit demselben Beschluss hat das LG den Geschädigten als Nebenkläger unter Beiordnung des Rechtsanwalts zu.

Mit Urteil vom 22.09.2021 wurde der Angeklagte vom LG zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde; darüber hinaus wurden ihm u.a. die dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen auferlegt. Der Beschwerdeführer nahm an mehreren Hauptverhandlungsterminen teil und legte nachfolgend Revision gegen das am 22.09.2021 verkündete Urteil des Schwurgerichts ein.

Nach Verfahrensbeendigung beantragte der Rechtsanwalt gegenüber der Staatskasse die Festsetzung seiner im Ermittlungsverfahren, erstinstanzlichen Verfahren sowie Revisionsverfahren entstandenen Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 6.657,34 EUR. Er legte dabei für sämtliche Verfahrensabschnitte die Gebührensätze in der ab dem 01.01.2021 geltenden Fassung des RVG zugrunde. Die UdG brachte hingegen unter Verweis auf die Vorschrift des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebührensätze für sämtliche Verfahrensabschnitte in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung in Ansatz und setzte die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen lediglich auf 5.883,36 EUR fest. Die hiergegen eingelegte Erinnerung des Rechtsanwalts wies das LG als unbegründet zurück. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass bereits im Jahr 2020 ein unbedingter Auftrag sowohl für das Ermittlungsverfahren als auch das gerichtliche Verfahren vorgelegen hätte und daher für die gesamte Vergütung des Beschwerdeführers nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG das bisherige Recht anzuwenden sei.

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Rechtsanwalts hatte Erfolg. Das OLG hat zugunsten des Rechtsanwalts auch die über den zuerkannten Betrag hinausgehenden 739,47 EUR zuerkannt:

„2. In der Sache kann der angefochtene Beschluss – soweit dieser noch mit der Beschwerde angefochten wird – keinen Bestand haben. Denn dem Beschwerdeführer steht über den zuerkannten Betrag von 5.883,36 EUR hinaus noch ein Vergütungsanspruch in Höhe von 739,47 EUR zu.

Im Einzelnen:

a) Gegenstand des Beschwerdeverfahren sind allein die für das gerichtliche sowie Revisionsverfahren festgesetzten Kosten, da der Beschwerdeführer die erfolgte Kostenfestsetzung für die im Ermittlungsverfahren angefallenen Gebühren mit seiner Beschwerde nicht weiter angegriffen hat und der Senat diesbezüglich mithin auch nicht zu einer Entscheidung berufen ist.

b) Für die Beurteilung der Frage, ob für das gerichtliche Strafverfahren altes oder neues Gebührenrecht anzuwenden ist, sind zwar sowohl die Urkundsbeamtin als auch das Land-gericht zutreffend davon ausgegangen, dass sich dies maßgeblich danach richtet, ob dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG ein unbedingter Auftrag zur Durchführung vor oder nach dem 1. Januar 2021 (Inkrafttreten des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2021 – KostRÄG 2021) erteilt worden war. Bei der Beurteilung ist jedoch unberücksichtigt geblieben, dass es sich nach § 17 Nr. 10 a RVG bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und dem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren um verschiedene Angelegenheiten handelt (vgl. Volpert, StraFo 2021, 188, 189; Burhoff in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Angelegenheiten §§ 15 ff. Rn. 105, 142).

So geht das Landgericht zwar zu Recht davon aus, dass bereits im Jahr 2020 eine umfassende Vertretung des Geschädigten im Ermittlungsverfahren sowie in einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren durch den Geschädigten beauftragt worden war. Denn hierfür sprachen schon die Gesichtspunkte, dass gegen den Angeklagten ein Haftbefehl ergangen war und eine zeitnahe Anklageerhebung zu erwarten war. Auch hat der Beschwerdeführer bereits mit Schriftsatz vom 4. Januar 2021 die Bestellung als Beistand nach § 397a Abs. 1 Nr. 2 StPO und die Zulassung als Nebenkläger im Namen des Geschädigten beantragt, was belegt, dass er mit einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren in absehbarer Zeit rechnete.

Trotz dieser umfassenden Beauftragung durch den Geschädigten sowohl für das Ermittlungsverfahren als auch ein nachfolgendes gerichtliches Verfahren handelt es sich vorliegend ungeachtet der zeitgleichen Beauftragung nach § 17 Nr. 10a RVG gebührenrechtlich um verschiedene Aufträge und nicht um einen Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit (Gerold/Schmidt, RVG § 60 Rn. 6, beck-online).

c) Ein unbedingter Auftrag zur Erledigung der Vertretung des Geschädigten in einem gerichtlichen Verfahren vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2021 lag hin-gegen gerade nicht vor, sodass die Vorschrift des § 60 Abs. 1 S. 1 RVG vorliegend nicht zum Tragen kam.

Zum Zeitpunkt der Auftragsannahme durch den Beschwerdeführer Ende des Jahres 2020 lagen vielmehr gleichzeitig ein unbedingter Auftrag für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein bedingter Auftrag für ein nachfolgendes Strafverfahren vor. Letzteres stand unter der Bedingung einer Anklageerhebung durch die Strafverfolgungsbehörde, sodass für die gebührenrechtliche Betrachtung nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG der spätere Zeitpunkt des Bedingungseintritts maßgeblich war (vgl. Volpert in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Buß-geldsachen, §§ 60 f. Übergangsvorschriften Rn. 13; Toussaint/Toussaint, 52. Aufl. 2022, RVG § 60 Rn. 9).

Die Anklageerhebung und damit die Überleitung in ein gerichtliches Strafverfahren erfolgte am 29. März 2021, sodass für die Kostenfestsetzung für das gerichtliche Verfahren das ab dem 1. Januar 2021 geltende Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zugrunde zu legen war.

d) Demgemäß steht dem Beschwerdeführer ein Vergütungsanspruch zu, der sich wie folgt berechnet:…..“

Einmal Widerspruch gegen Beschlussverfahren reicht

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Ist im Bußgeldverfahren einmal der Durchführung des Beschlussverfahrens (§ 72 OWiG) widersprochen worden, reicht das. Das ist das Fazit aus dem OLG Köln, Beschl. v. 15. 8. 2013 – 1 RBs 233/13. Da hatte der Betroffene bereits im Einspruchsschreiben gegenüber der Verwaltungsbehörde dem Beschlussverfahren nach § 72 OWiG widersprochen. Bereits dieser Widerspruch versperrte nach Auffassung des OLG den Weg in das schriftliche Verfahren, den das AG aber gegangen ist. Die Tatsache, dass der Widerspruch nicht gegenüber dem Amtsgericht, sondern gegenüber der Verwaltungsbehörde erklärt wurde, hatte dafür keine Bedeutung, so das OLG. Mit dem Eingang der Akten beim Amtsgericht gilt nämlich auch der im Vorverfahren erklärte Widerspruch gegen eine Entscheidung ohne Hauptverhandlung als gegenüber dem Gericht abgegeben.

Unerheblich ist auch, wenn der Betroffene dann später auf Anfragen des AG nicht mehr reagiert. Denn ein einmal wirksam erklärter Widerspruch gegen das Beschlussverfahren kann nur durch eine eindeutige Rücknahmeerklärung seine Bedeutung verlieren. Eine solche kann jedoch in einem bloßen Schweigen des Betroffenen auf den Hinweis des Gerichts nach § 72 Abs. 1 Satz 2 OWiG nicht gesehen werden.

Auch Kleinvieh macht Mist – 20 € haben oder nicht haben…

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Es gibt ein paar gebührenrechtliche Fragen, die beschäftigen Rechtsprechung und Literatur seit Inkrafttreten des RVG, also seit nunmehr acht Jahren. Dazu gehört die Frage, ob im Strafverfahren (Teil 4) das vorbereitende Verfahren und ein nachfolgendes gerichtliches Verfahren bzw. im Bußgeldverfahren (Teil 5)  das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das gerichtliche Verfahren dieselbe oder verschiedene Angelegenheiten sind. Die Antwort hat Auswirkungen auf die Abrechnung des Verteidigers. Denn handelt es sich um verschiedene Angelegenheiten kann der Rechtsanwalt nach der Anm. zur Nr. 7002 VV RVG in jeder die Postentgeldpauschale in Höhe von 20 € abrechnen.

Welche Antwort richtig ist, ist höchst umstritten. Die Literatur geht weitgehend übereinstimmend davon aus, dass es sich um verschiedene Angelegenheiten handelt. Die Rechtsprechung kommt im Strafverfahren wohl überwiegend dazu, dass es sich um dieselbe Angelegenheit handelt, während im Bußgeldverfahren m.E. die Auffassung überwiegt, die von verschiedenen Angelegenheiten ausgehen. Und die RSV? Nun, die Antwort liegt, wie ich es von Kollegen immer wieder höre, auf der Hand: Natürlich dieselbe Angelegenheit.

Das Hin und Her hat nun demnächst ein Ende. Denn der Regierungsentwurf zum 2. KostRMoG sieht – abweichend vom Referentenentwurf – vor, die Frage gesetzlich zu regeln, und zwar durch einen neuen § 17 Nr. 10b bzw. Nr. 11 RVG. Danach handelt es sich um verschiedene Angelegenheiten. Demnächst kann dann immer mindestens zweimal die Nr. 7002 VV RVG abgerechnet werden. Ist nicht viel mehr, eben  nur 20 €. Aber auch Kleinvieh macht Mist.

Eins muss man allerdings beachten: Das gilt wegen der Übergangsregelungen in §§ 60, 61 RVG nur für die Mandate, in denen der unbedingte Auftrag ab 01.07.2013  erteilt worden ist. In den laufenden Mandaten gilt das noch nicht. Es sei denn, die Staatskasse, der Mandant und die RSV sind großzügig.

Ach so: Solche Änderungen machen natürlich auch RVG-Kommentatoren Freude. Zumal, wenn sie die Auffassung, die jetzt Gesetz werden soll, vertreten haben :-).

Unscharfe Gesetzesformulierung: In dubio contra Gesetzgeber

Der Beschl. des AG Herford v. 17.02.2011 – 11 OWi-63 Js 1201/09-588/09, auf den ich über den Newsletter der Verkehrsrechtsanwälte gestoßen bin, ist nicht so sehr wegen seiner materiellen Inhalts berichtenswert – das AG geht zutreffend davon aus, dass im Bußgeldverfahren das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das gerichtliche Verfahren verschiedene Angelegenheiten sind mit der Folge, dass in beiden Angelegenheiten die Nr. 7002 VV RVG abgerechnet werden kann: Nein, der Beschluss, der im Übrigen von dem Kollegen stammt, von dem auch die sog. Massenfreisprüche stammen, ist wegen seiner Begründung interessant/berichtenswert. Der Kollege stellt zur Begründung seiner Ansicht nämlich darauf ab:

„Soweit von der Gegenmeinung damit argumentiert wird, dass eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für das Ordnungswidrigkeitenverfahren fehle, ist dem entgegenzutreten. Es ist Sache des Gesetzgebers, eindeutige gesetzliche Regelungen zu schaffen, insbesondere, wenn es sich um eine Vielzahl von Fällen handelt, so wie es im Bußgeldrecht der Fall ist. Eine unscharfe gesetzliche Formulierung kann somit nicht zu Lasten eines Betroffenen ausgelegt werden, sondern muss stets zu Lasten des Gesetzgebers gehen. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit, durch gesetzliche Neuregelungen nachzubessern, falls ihm die gerichtliche Anwendung der Vorschriften nicht passt. Solange eine solche Nachbesserung nicht geschieht, ist es zulässig, die jeweiligen Vorschriften des RVG erweiternd auszulegen. Es begegnet deshalb keinen Bedenken, das „Verwaltungsverfahren“ im Sinne von § 17 Abs. 1 Ziff. 1 RVG auch als Bußgeldverfahren zu verstehen.“

Verfahrensgebühr: Kreativ gedacht, aber leider nicht richtig…

Kreativ gedacht hatte der Verteidiger, der Beim AG Hof gegen die RSV seines Mandaten geklagt hat. Der Verteidiger war während des vorbereitenden Verfahrens für den Mandanten auch mit einer Beschwerde gegen einen § 111a-Beschluss tätig. Über die hat der Ermittlungsrichter entschieden. Der Verteidiger hat die Auffassung vertreten, dass damit, da ja ein Richter tätig geworden sei, ein gerichtliches Verfahren stattgefunden habe und somit auch die gerichtliche Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG angefallen sein.

Nein, sagt das AG Hof, Urt. v. 12.01.2011 – 12 C 1372/10. Die gerichtliche Verfahrensgebühr falle nur an, wenn der Strafrichter als zuständiger Richter im Strafverfahren tätig werde. Richtig. Die Anm. zur Nr. 4104 VV RVG zeigt deutlich, wie lange das vorbereitende Verfahren dauert. Eben u.a. bis zum Eingang der Anklage beim Gericht. Alle vorher erbrachten Tätigkeiten fallen unter die Nr. 4104 VV RVG.