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Strafzumessung: Wenn Geld- neben Freiheitsstrafe, dann aber richtig

© Dan Race - Fotolia.com

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Geldstrafe und Freiheitsstrafe nebeneinander? Geht das? Ja, das geht, wie uns ein Blick in § 41 StGB zeigt. Ist in der Praxis nicht so häufig die Konstellation, aber wird dann ganz gerne von den Gerichten mal gemacht. Nur, wenn man es macht, dann muss man auch darauf achten, dass dann besondere Anforderungen im Rahmen der Strafzumessung zu beachten sind. Und die hatte eine Strafkammer beim LG Mainz übersehen. Ergebnis: Der BGH, Beschl. v. 24.07.2014 – 3 StR 176/14 – hebt auf:

Die gesamten Strafaussprüche haben – bereits unabhängig von der Änderung der Schuldsprüche – keinen Bestand.

Das Landgericht hat bei der Bemessung sämtlicher Einzelstrafen nicht nur Freiheitsstrafen, sondern auch Geldstrafen für geboten erachtet (§ 41 StGB). Die Vorschrift erlaubt indes keine Zusatzstrafe. Wird neben einer verwirkten Freiheitsstrafe auch auf eine Geldstrafe erkannt, so muss sich vielmehr die Strafe in ihrer Gesamtheit im Rahmen des Schuldangemessenen halten. Das Verhältnis zwischen den beiden Sanktionsmitteln richtet sich dabei nach allgemeinen Strafzumessungsgrundsätzen, weshalb bei der Bemessung der Freiheitsstrafe die Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe als bestimmende Strafzumessungstatsache Berücksichtigung zu finden hat (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1985 – 4 StR 53/85, wistra 1985, 147). Zu den Auswirkungen der Geldstrafen auf die Bemessung der Freiheitsstrafen verhält sich das Urteil je-doch nicht. Was den Angeklagten M. betrifft, hätte sich das Landgericht überdies damit auseinandersetzen müssen, ob die Verhängung einer Geldstra-fe neben einer Freiheitsstrafe nach dessen Vermögensverhältnissen überhaupt angebracht ist (hierzu BGH aaO, 148). Nach den Feststellungen verfügt er über kein Vermögen, ist mit 100.000 € verschuldet und bezieht lediglich Sozialleis-tungen.“

Die Höhe der Geldstrafe bei Leistungsempfängern nach dem SGB II – 15 €/Tag dürfen es sein

© mpanch - Fotolia.com

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Die zulässige Höhe der Geldstrafe bzw. des Tagessatzes bei einem Leistungsempfänger nach dem SGB II beschäftigt die OLG immer wieder. So vor kurzem auch das OLG Braunschweig im OLG Braunschweig, Beschl. v. 19.05.2014 – 1 Ss 18/14, dass die insoweit weitgehend einhellige Auffassung der OLG noch einmal zusammenfasst. Daher sollen die Leitsätze genügen, die wie folgt lauten:

„1. Zur Ermittlung des Nettoeinkommens i. S. d. § 40 Abs. 2 S 2 StGB sind bei Leistungsempfängern nach dem SGB II neben dem Regelbedarf (§ 20 SGB II in Verbindung mit den Bekanntmachungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über die Höhe der Regelbedarfe) auch Leistungen gemäß § 22 SGB II (Bedarfe für Unterkunft und Heizung) einzubeziehen.

2. Bei der Bemessung der Geldstrafe und der Anordnung von Zahlungserleichterungen ist darauf zu achten, dass dem Leistungsempfänger monatlich 70 % des Regelbedarfs als unerlässliches Existenzminimum verbleiben.“

Geldstrafenurteil – reicht nicht für den Bewährungswiderruf

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In der letzten Zeit hat es einige Entscheidungen zum Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung wegen einer neuen Straftat gegeben, wenn diese nur mit einer Geldstrafe geahndet worden ist. Auch wir haben darüber berichtet (vgl. hier Gott sei Dank, nur eine Geldstrafe!! Aber damit vor Bewährungswiderruf gerettet? zum KG, Beschl. v. 18. 12. 2013 – 2 Ws 594-595/139). Die Tendenz scheint dahin zu gehen, auch in den Fällen zum Widrruf zu kommen.

Dass es dann doch auch noch anders geht, zeigt der LG Bonn, Beschl. v. 16.04.2014 –  23 Qs 14/14 -, auf den ich hier aus Gründen der „Ausgewogenheit“ hinweisen will. Das LG führt aus:

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

a) Zwar ist gemäß § 56f StGB die einem Verurteilten gewährte Strafaussetzung zu widerrufen, wenn dieser während der Bewährungszeit eine Straftat begeht oder anderweitige Bewährungsauflagen missachtet und dadurch die der Strafaussetzung zugrunde liegende gegenteilige Erwartung nicht erfüllt.

b) Nach dieser Maßgabe rechtfertigt jedoch die Verurteilung des Amtsgerichts Siegburg vom 20.11.2013 keinen Widerruf der Strafaussetzung. Denn das Amtsgerichts hat dort – unter Berücksichtigung der hiesigen laufenden Bewährung sowie zwei weiterer laufender Bewährungen – eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 5 Euro für den vom Beschwerdeführer begangenen versuchten Diebstahl geringwertiger Sachen für ausreichend erachtet und die Verhängung einer Freiheitsstrafe nicht für unerlässlich gehalten (§ 47 StGB). Bei der hierfür erforderlichen Prognoseentscheidung liegt es wegen der mit der größeren Sach- und Zeitnähe verbundenen besseren Erkenntnismöglichkeit grundsätzlich nahe, sich der (günstigen) Zukunftsprognose des (zuletzt) erkennenden Gerichts anzuschließen (vgl. OLG Köln, Beschl. vom 19.03.1993 – 2 Ws 115-116/93, StV 1993, 429; Fischer StGB, 60. Auflage, § 56f Rn 8b).

c) Dass dem Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom 20.11.2013 keine Auseinandersetzung mit den Vorverurteilungen und auch keine Angaben über eine wesentliche Änderung der Lebensführung entnommen werden können, steht dem nicht entgegen. Denn auf eine unzureichende und damit nicht überzeugende Bewertung der dortigen Aussetzungsprognose kann nicht allein deshalb geschlossen werden, wenn – wie hier – lediglich wegen der Abfassung eines abgekürzten Urteils nach § 267 Abs. 4 StPO von einer näheren Begründung abgesehen worden ist (vgl. OLG Köln, Beschl. vom 19.03.1993 – 2 Ws 115-116/93, StV 1993, 429).

 d) Auch die Kammer geht davon aus, dass die Verurteilung wegen versuchten Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Geldstrafe dem Gewicht der Tat und der Entwicklung des Beschwerdeführers Rechnung getragen haben und es zu dessen weiteren Beeindruckung des Widerrufs der ausgesetzten Freiheitstrafe nicht bedarf. Anhaltspunkte, die dieser Bewertung widerstreiten, sind nicht ersichtlich und werden auch in der angegriffenen Entscheidung nicht aufgezeigt.“

Auch der Verkehrsrechtler muss die Auswirkungen einer „Bedarfsgemeinschaft“ kennen?

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Auch der Verkehrsrechtler muss die Auswirkungen einer „Bedarfsgemeinschaft“ kennen? Nun, warum, wird sich manch einer fragen. Die Antwort liegt auf der Hand. Denn eine „Bedarfsgemeinschaft“ kann bei der Frage, über welches Einkommen der Angeklagte verfügt, und damit für die Bemessung der Tagessatzhöhe einer verhängten Geldstrafe von Bedeutung sein. In dem Zusammenhang spielen eben nicht nur die „Einnahmen“ des Angeklagten eine Rolle, sondern auch seine „Ausgaben“. Und dazu gehören auch Unterhaltszahlungen/-verpflichtungen. An der Stelle haben dann häufig auch familien-/sozialrechtliche Fragen Bedeutung, wie der KG, Beschl. v. 07.03.3024 – (3) 122 Ss 14/14 (25/14) – in einem Verfahren wegen Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB) (noch einmal) zeigt, eine Rolle.

Da ging es um die „Unterhaltsleistungen“ und die Frage, ob die anzurechnen waren oder auch nicht, die der Angeklagte gegenüber seiner Lebensgefährtin erbrachte, mit der er in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenlebte. Dazu hatte das AG keine ausreichenden Feststellungen getroffen, so dass das KG das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben hat. Hier die Leitsätze der Entscheidung des KG:

1. Unterhaltsleistungen des Angeklagten an eine „bedürftige“ Person (§ 9 SGB II), mit der er in einer Bedarfsgemeinschaft lebt (§ 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3c SGB II), sind keine gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen.

 2. Bei der Bemessung der Tagessatzhöhe (§ 40 Abs. 2 Satz 2 StGB) sind solche Unterhaltsleistungen gleichwohl zu berücksichtigen, wenn die „bedürftige Person“ wegen der bestehenden Bedarfsgemeinschaft und des Einkommens des Angeklagten keinen oder nur einen gekürzten Anspruch auf Sozialleistungen hat (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II).

 3. Liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte mit einer „bedürftigen“ Person in einer Bedarfsgemeinschaft lebt und diese faktisch unterhält, muss der Tatrichter Feststellungen im Urteil treffen, ob und in welcher Höhe diese Person ohne das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft Anspruch auf staatliche Sozialleistungen haben würde.

Absenkung der Geldstrafe bei „einkommensschwachen Angeklagten“?

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Bei der Bemessung einer Geldstrafe läuft in der Regel der Automatismus ab: Ermittlung des Nettoeinkommens geteilt durch 30 gleich Tagessatz. Ganz so einfach ist es allerdings nicht, wenn es sich um eine hohe Geldstrafe bei einkommensschwachen Personen handelt. Denn diese werden durch eine Geldstrafe ggf. mehr getroffen als „Normalverdiener“. Deshalb ist bei ihnen ggf. eine Absenkung der Geldstraße in Betracht zu ziehen. So auch noch einmal der KG, Beschl. v. 02. 11. 2012 – (4) 121 Ss 146/12 (265/12) :

„bb) Das Landgericht hat zudem zwei Gesichtspunkte nicht erkennbar bedacht, die bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe zu berücksichtigen waren:

Zum einen ist bei einer hohen Geldstrafe – d.h. regelmäßig einer solchen, die 90 Tagessätze übersteigt – eine Absenkung der Tagessatzhöhe in Betracht zu ziehen, um einer progressiven Steigerung des Strafübels entgegen zu wirken (vgl. Senat, Beschluss vom 8. November 2007 – (4) 1 Ss 367/07 (245/07) -; OLG Stuttgart StV 2009, 131 m.w.N.). Denn mit der zunehmenden Zahl der Tagessätze steigert sich die Fühlbarkeit der Geldstrafe bei gleich bleibender Tagessatzhöhe nicht in entsprechender Weise, sondern sie wächst progressiv. Das auf dem Nettoeinkommensprinzip aufgebaute Tagessatzsystem kann deshalb zu einem Einwirkungsübermaß und desozialisierenden Folgen führen, die nicht mehr mit der Pflicht des Richters zu vereinbaren sind, im Rahmen einer sachgerechten Strafzumessung alle Wirkungen zu bedenken, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB). Bleiben solche Folgen auch unter Berücksichtigung von nach § 42 StGB einzuräumenden Zahlungserleichterungen bestehen, ist eine Verringerung der Tagessatzhöhe erforderlich (vgl. BGHSt 26, 325, 330 ff.; 34, 90, 93; OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2007, 167; StV 2007, 470; 2009, 137; Senat aaO m.w.N.).

Zum anderen kann es bei besonders einkommensschwachen Personen, die am Rande des Existenzminimums leben, geboten sein, unter Berücksichtigung der nach § 42 StGB möglichen, zeitlich grundsätzlich nicht beschränkten Zahlungserleichterungen und unter Beachtung der Notwendigkeit der Wahrung der Strafe als ernsthaft fühlbares Übel die Tagessatzhöhe unterhalb eines Dreißigstels des monatlichen Nettoeinkommens festzusetzen, weil diese Personen bei strikter Einhaltung des Nettoeinkommensprinzips härter als normal Verdienende getroffen werden (vgl. OLG Köln aaO und StV 1993, 365; OLG Stuttgart aaO und NJW 1994, 745; OLG Frankfurt am Main StV 2007, 470; 2009, 137; OLG Hamburg NStZ 2001, 655; OLG Celle NStZ-RR 1998, 272 und StV 2009, 131; OLG Dresden NJW 2009, 2966 und Beschluss vom 7. August 2000 – 1 Ss 323/00 – [juris]; OLG Oldenburg NStZ-RR 2008, 6; Fischer, StGB 59. Aufl., § 40 Rn. 11a, 24; Häger in LK, StGB 12. Aufl., § 40 Rn. 37; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB 28. Aufl., § 40 Rn. 8 m.w.N.).“