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Wofür man „Haushaltsmittel“ alles verwenden kann – Das gefährliche Werkzeug „Pumpsprühflasche“

Der Angeklagte verwendet bei einem tätlichen Angriff gegen das Opfer eine Pumpsprühflasche mit Haushaltsreiniger. Er wird wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Das LG ist von einem gefährlichen Werkzeug nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ausgegangen. Der BGH, Beschl. v. 20.03.2012 – 4 StR 20/12 – hat das anders gesehen:

Ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Vorschrift ist jeder Gegen-stand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 27. Januar 2011 – 4 StR 487/10, NStZ-RR 2011, 275, 276; vom 27. September 2001 – 4 StR 245/01, NStZ 2002, 86). Nach den Feststellungen der Strafkammer nahm der Angeklagte die Pumpsprühflasche mit dem Haushaltsreiniger und sprühte aus kurzer Distanz einen Sprühstoß in Richtung des Gesichts des Tatopfers, das an der rechten Gesichtshälfte getroffen wurde. Der Sprühstoß aus der Flasche konnte „gegebenenfalls eine Reizreaktion“ aufgrund der enthaltenen Chemikalien, nicht aber Defekte der Hornhaut des Auges oder der Haut zur Folge haben. Tatsächlich trug das Opfer eine vorübergehende Reizung des rechten Auges davon. Damit ist die für die Annahme eines gefährlichen Werkzeugs nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erforderliche potentielle Gefährlichkeit der konkreten Benutzung des Werkzeugs (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2006 – 4 StR 313/06, NStZ 2007, 95) nicht belegt. Die bloße Eignung, nicht näher konkretisierte Reizreaktionen auszulösen, reicht hierfür nicht aus. Soweit die Strafkammer in ihrer rechtlichen Würdigung auf mögliche Entzündungen der Bindehäute und Reizungen der Haut verweist, wird dies durch die Urteilsausführungen zur Beweiswürdigung, insbesondere zu den wiedergegebenen Darlegungen des hierzu gehörten rechtsmedizinischen Sachverständigen, nicht getragen.“

Messer nicht gesehen – kein besonders schwerer Raub – so einfach ist das…

Der BGH, Beschl. v. 08.11.2011 – 3 StR 316/11 behandelt eine Raubproblematik,die m.E. auf der Hand liegt. Ausgangspunkt war folgendes Sachverhalt:

Die Angeklagten überfielen zusammen mit dem gesondert Verfolgten Y. aufgrund eines gemeinsamen Tatplans nachts auf offener Straße zwei Passanten. Während Y. dem Zeugen K. ein Teppichmesser an den Hals hielt und der Angeklagte S. dessen Taschen durchwühlte, forderte der Angeklagte B. von der Zeugin L. die Herausgabe von deren Handtasche. Die Zeugin hatte zwar das Teppichmesser nicht gesehen, gab aber aufgrund der von ihr als gefährlich und bedrohlich eingeschätzten Situation die Handtasche heraus, aus welcher der Angeklagte B. das Portemonnaie mit 50 € Bargeld, Kredit- und EC-Karten und Ausweispapieren entnahm. Parallel zu diesem Geschehen gelang es dem Zeugen K. , an einem Haus die Klingel zu betätigen. Beim Erscheinen einer Person in der Haustüre flüchteten die Täter, ohne diesem Zeugen etwas weggenommen zu haben…

Dazu der BGH – m.E. zutreffend:

b) Damit ist entgegen der Ansicht des Landgerichts der Tatbestand des vollendeten besonders schweren Raubes gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht erfüllt. Eine Waffe oder – wie hier – ein anderes gefährliches Werkzeug wird nur dann im Sinne von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB „bei der Tat verwendet“, wenn der Täter den Gegenstand als Raubmittel zweckgerichtet einsetzt und wenn das Opfer die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben mittels des Gegenstandes wahrnimmt und somit in die entsprechende qualifizierte Zwangs-lage versetzt wird (BGH, Beschluss vom 1. September 2004 – 2 StR 313/04, BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 5). Da die Zeugin L. das Teppichmesser nicht bemerkte, wurde es bei der Tat ihr gegenüber nicht als Drohmittel verwendet. Die Feststellungen ergeben indes einen zum Nachteil dieser Zeugin begangenen schweren Raub nach § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB, da der gesondert Verfolgte Y. bei der Tat ein gefährliches Werkzeug bei sich führte. Bei dieser Tatqualifikation wird eine Kenntnis des Opfers von der Existenz des gefährlichen Werkzeugs nicht vorausgesetzt.

Und zu den Konkurrenzen:

d) Der vollendete schwere Raub zum Nachteil der Zeugin L. und der versuchte besonders schwere Raub zum Nachteil des Zeugen K. stehen im Verhältnis der Idealkonkurrenz, § 52 StGB. Anders als in den Fällen, in denen sich die Tat nur gegen ein Opfer richtet (BGH, Beschluss vom 1. September 2004 – 2 StR 313/04, BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 5), tritt hier der versuchte besonders schwere Raub nicht hinter dem vollende-ten schweren Raub zurück. Raub und räuberische Erpressung sind Willensbeugungsdelikte. In das höchstpersönliche Rechtsgut der Willensfreiheit haben die Angeklagten zum Nachteil beider Zeugen eingegriffen. Wer durch eine Handlung höchstpersönliche Rechtsgüter von mehreren Personen angreift, begeht dadurch die gleiche Tat mehrmals (BGH, Urteil vom 28. April 1992 – 1 StR 148/92, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 2). Wenn der Täter mehrere Personen an der Ausübung von Widerstand gegen eine Wegnahme hindern will, ist der Tatbestand mehrfach erfüllt (BGH aaO für den Fall der Nöti-gung mehrerer Personen zur Vornahme einer vermögensschädigenden Hand-lung). Hieraus ergibt sich, dass auch in Fällen wie dem vorliegenden die ange-messene Bewertung des Tatunrechts die Annahme von Tateinheit erfordert.“

Das „Schweizer Offiziersmesser“ – ein gefährliches Werkzeug…

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen „Diebstahls geringwertiger Sachen“ schuldig gesprochen, ihn verwarnt und sich die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40,- € vorbehalten. Dagegen die Berufung der StA, zu der das LG folgende Feststellungen trifft:

Der Angeklagte begab sich am 30.01.2010 gegen 14:45 Uhr in die Verkaufsräume der Firma S in K. Dort entnahm er einer Auslage die Verpackung eines Head-Sets und öffnete mit einem mitgeführten Taschenmesser die Verpackung. Sodann entnahm er die Ware und versteckte die leere Verpackung. An der Kasse bezahlte er sodann einen anderen Gegenstand und verließ das Ladenlokal, ohne das entnommene Head-Set, im Wert von 40,95 € zu bezahlen. Nachdem der Angeklagte das Ladenlokal verlassen hatte, wurde er von Detektiven, die den Diebstahl beobachtet hatten, auf den Diebstahl angesprochen. Der Angeklagte räumte die Tat ein und bezahlte nachträglich die Ware. Die Firma S stellte Strafantrag wegen Diebstahls. Bei dem vom Angeklagten mitgeführten Taschenmesser handelt es sich um ein sog. Schweizer Offiziersmesser mit einer heraus klappbaren Klinge von 6 cm Länge und maximal 1,2 cm Breite, wobei eine Seite der Klinge scharf und die andere stumpf ist.“

Die Berufung der StA mit dem Ziel der Verurteilung wegen Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB) wird verworfen. Dagegen dann die Revision, die beim OLG Köln Erfolg hat. Das OLG Köln, Urt. v. 10.01.2012 – III-1 RVs 258/11 sagt: Das verwendete „Schweizer Offiziersmesser“ mit der Klingenlänge von 6 cm ist zwar keine Waffe, aber ein gefährliches Werkzeug i.S. des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB, denn es bleibt bleibt die latente Gefahr des Einsatzes gegenüber Menschen. Auf den Umstand, dass der Einsatz des Messers gegen Menschen konkret nicht gedroht habe, komme es nicht.

Damit Änderung des Schuldspruchs möglich, aber dennoch Zurückverweisung. Denn:

Es fehlt aber bisher an Feststellungen zur subjektiven Tatseite (Vorsatz) des Qualifikationstatbestandes (vgl. insoweit Fischer a.a.O. § 244 Rn. 31). Dass der Angeklagte das Messer zur Wegnahme – zum Öffnen der Verpackung des Head-Sets – eingesetzt hat, erübrigt solche Feststellungen nicht. Der Vorsatz muss sich auch auf die Gefährlichkeit des Werkzeugs erstrecken (vgl. OLG Schleswig NStZ 2004, 212; Fischer a.a.O.).

Die Wasserpistole als „gefährliches Werkzeug“

Die tatsächlichen Feststellungen und die Begründung des BGH, Beschl. v. 11.05.2011 2 StR 618/10 sprechen für sich. Da heißt es zu einer Verurteilung  wegen schwerer räuberischer Erpressung:

„1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Prüfung insoweit nicht stand, als das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 2. der Urteilsgründe der schweren räuberischen Erpressung nach § 255 i.V.m. § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB für schuldig befunden hat.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts überfiel der Angeklagte am 12. April 2010 eine Sparkasse, nachdem er für die Tatausführung unmittelbar zuvor aus der Auslage eines Drogeriemarktes eine Wasserpistole entnommen hatte. Die grellbunte Spielzeugpistole, die auch in ihrer Form einer echten Waffe nicht ähnelte, verbarg er in seiner Jackentasche. Nach Betreten der Sparkasse begab sich der Angeklagte zu dem Filialleiter und erklärte ihm, dass es sich um einen Banküberfall handele und er so schnell wie möglich so viel Geld wie möglich haben wolle. Zugleich deutete er an, mit einer Schusswaffe bewaffnet zu sein, indem er seine Hand in die Jackentasche steckte und mit der darin befindlichen Wasserpistole eine zielende Bewegung machte. Der Filialleiter, der den in der Jackentasche verborgenen Gegenstand nicht sehen konnte, aber befürchtete, dass es sich um eine echte Waffe handelte, ging mit ihm zum Kassenraum. Dort befanden sich zwei weitere Bankangestellte, die in dem Angeklagten den Täter wiedererkannten, der sie bei einem früheren Überfall im Vorjahr bereits mit einer echt aussehenden Pistole bedroht hatte. Sie sahen, dass der Angeklagte mit einem in seiner Jackentasche verborgenen Gegenstand drohte, und gingen davon aus, dass er eine echte Schusswaffe mit sich führe. Daraufhin erhielt der Angeklagte Bargeld in Höhe von 2.490 € ausgehändigt. Weiterlesen

Gefährliches Werkzeug: Nicht der Kopf

Zur gefährlichen Körperverletzung in der Tatmodalität: Gefährliches Werkzeug“  (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) führt der BGH, Beschl.v. 11.01.2201 – 4 StR 450/10 aus:

Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht angenommen, der Angeklagte habe dadurch den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt, dass er der Nebenklägerin „plötzlich und gezielt eine Kopfnuss gegen die Stirn versetzte“, wodurch sich dort „sofort eine schmerzhafte Schwellung“ bildete. Nach ständiger Rechtsprechung sind die Körperteile des Täters an sich kein gefährliches Werkzeug im Sinne der Vorschrift (vgl. die Nachweise bei Fischer, StGB, 58. Aufl., § 224 Rn. 8a). Der Angeklagte hat sich im Fall II. 3 der Urteilsgründe daher lediglich wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht; das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung gemäß § 230 Abs. 1 StGB hat die Staatsanwaltschaft dadurch konkludent bejaht, dass sie in diesem Fall Anklage wegen (einfacher) Körperverletzung erhoben hat.“

Manchmal ist allerdings, das, was im Kopf „drin ist“ ein gefährliches Werkzeug bzw. kann gefährlich werden.