© AllebaziB – Fotolia.com
Die Frage, ob der Pflichtverteidiger auf Gebühren verzichten kann, stellt sich immer in den Fragen der sog. „Umbeiordnung“, also der Entpflichtung eines Rechtsanwalts und der Beiordnung eines anderen Verteidigers über die Gründe der Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses hinaus. Das Problem stellt sich häufig, wenn dem Beschuldigten über § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO ein Pflichtverteidiger bestellt worden ist, sich dann aber der „Verteidiger des Vertrauens“ meldet. Dann wird ggf. „umbeigeordnet“, die Umbeiordnung soll aber „kostenneutral“ erfolgen. Wenn der neue Verteidiger dann auf Gebühren, i.d.R. die Grundgebühr und (jetzt) die Verfahrensgebühr, verzichtet, heißt es bei einigen Gerichten (s. die Nachweise im verlinkten Beschluss): Geht nicht, dem steht § 49b BRAO entgegen, der auch für Pflichtverteidiger gilt. So auch vor einiger Zeit beim AG Osnabrück. Die Kollegin, die „Anwältin des Vertrauens“ werden sollte/wollte hat sich aber mit der Ablehnung der Umbeiordnung durch das AG nicht zufrieden gegeben und die Frage beim LG Osnabrück „zum Spruch gestellt“. Und das LG Osnabrück hat ihr Recht gegeben. Die Kollegnin hat mir den Beschluss zukommen lassen und mich gebeten, ihn zu veröffentlichen. Tue ich dann (auch) hier gerne, vor allem auch deshlab weil ich im Vorfeld mit der Kollegin über die Argumentation korrespondiert hatte. Freut einen dann ja, wenn der Kollege damit dann Erfolg hatte. Lag aber nicht nur an meinem Rat, sondern die Kollegin hatte auch unabhängig davon eine „schöne Beschwerdebegründung gebastelt“. 🙂 😀
Das LG führt im LG Osnabrück, Beschl. v. 12.02.2104 – 10 Qs – 1366 Js 49405/13 – 4/14 – zu der Problematik aus:
1. Gebührenrechtliche Gründe stehen dieser Auffassung nicht entgegen.
…..
Das Amtsgericht Osnabrück hat sich in der angefochtenen Entscheidung der letztgenannten Auffassung angeschlossen.
b) Die Kammer schließt sich im Ergebnis — nicht zuletzt im Hinblick auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Oldenburg — der erstgenannten Auffassung an.
(1) Dem Gesetzeswortlaut des § 49b BRAO ist nicht eindeutig zu entnehmen, dass die Vorschrift für sämtliche Gebührentatbestände Geltung beansprucht oder eben nur für solche, die auf vertraglicher Grundlage entstehen. § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO spricht vom „Vereinbaren“ oder „Fordern“ von Gebühren und Auslagen. Die Gerichte, die einen Verzicht für unzulässig halten, sehen in dem Antrag des beigeordneten Verteidigers auf Festsetzung seiner Gebühren (§ 55 RVG) ein „Fordern“ im Sinne des § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO (vgl. nur OLG Naumburg, a.a.O., juris Rn 11).
Allerdings ist der Entstehungsgeschichte des § 49b BRAO zu entnehmen, dass der Gesetzgeber das „Fordern“ nicht auf die Festsetzung von Gebühren eines beigeordneten Verteidigers aus der Staatskasse bezogen hat, sondern eher als Unterfall des „Vereinbarens“, nämlich eines einseitigen Aktes des Rechtsanwalts im Zusammenhang mit dem „Vereinbaren“. Denn Hintergrund der gesetzlichen Regelung war die Erwägung, ein Mandant solle sich nicht aus fiskalischen Gründen einen besonders preisgünstigen Rechtsanwalt suchen müssen (Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucksache 12/4993, Seite 31). Dass der Gesetzestext bei seiner Entstehung auf zivilprozessuale Gegebenheiten bezogen war, ist schon daraus zu ersehen, dass die Gesetzesbegründung in diesem Zusammenhang einzig von „Prozeßkostenhilfe“, „Beratungshilfe“ und „Aufträge erteilen“ spricht (BT-Drucksache 12/4993, Seite 31). Sprachlich finden sich in der Gesetzesbegründung keine Anknüpfungspunkte dafür, dass die gesetzliche Regelung auch für den Strafprozess gelten soll, soweit Gebühren aus der Staatskasse zu zahlen sind. Für einen Mandanten, also den Beschuldigten, wird es im Falle einer „Umbeiordnung“ im Übrigen auch nicht „preisgünstiger“.
Dies erhellt, dass es sich bei der Gleichsetzung des „Forderns“ mit dem Festsetzungsantrag des beigeordneten Verteidigers eher um eine sprachliche Finesse denn um ein inhaltliches Argument handelt.
(2) Soweit die ratio der Vorschrift ins Feld geführt wird, um einen Gebührenverzicht für unwirksam zu erklären, teilt die Kammer diese Bedenken nicht. § 49b Abs. 1 BRAO soll einen Wettbewerb unter Rechtsanwälten verhindern oder zumindest begrenzen, soweit er über Gebühren geführt wird und nicht über die Qualität anwaltlicher Arbeit (BT-Drucksache 12/4993, Seite 31).
Diesem Gesetzeszweck ist dadurch Genüge getan, dass der bisherige Verteidiger der „Umbeiordnung“ zustimmen muss. Es ist damit ausgeschlossen, dass er gegen seinen Willen aus der Verteidigung gedrängt wird.
Die dieser Auffassung entgegen tretenden Gerichte weisen für ihren Standpunkt darauf hin, dass auch der neu zu bestellende Verteidiger sein neues Mandat dadurch „erkaufe“, dass er den gesetzlich vorgesehenen Preis unterbiete (so ausdrücklich OLG Bremen, Beschluss vom 12. Juli 2013 — Ws 184/12; OLG Jena JurBüro’2006, 365).
Die Kammer beobachtet den „Kampf um Pflichtverteidigermandate“ schon seit längerem. Hierbei hat sie festgestellt, dass es in aller Regel die etablierten und wirtschaftlich stärkeren Kanzleien bzw. Rechtsanwälte sind, die eine Beiordnung auch um den Preis des teilweisen Verzichts auf Gebühren erstreben. Es ist mitnichten so, dass wirtschaftlich schwache Anwälte sich um den Preis eines teilweisen Gebührenverzichts den Zugang zu neuen Mandaten „erkaufen“. Ein ruinöser Preiswettbewerb zu Lasten von wirtschaftlich schwächeren Anwälten ist deshalb nicht zu befürchten. Dass der ursprüngliche Verteidiger, bei dem es sich in aller Regel um den wirtschaftlich schwächeren handelt, gegen seinen Willen von dem Zustandekommen weiterer, erst im Laufe eines Strafverfahrens anfallender Gebühren abgehalten wird, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Denn es bedarf seiner Zustimmung zu dem Verteidigerwechsel.“
M.E. muss man in den Fällen, in den der Beschuldigte sein Auswahlermessen nicht hat ausüben können, sogar noch einen Schrift weiter gehen und die Gebührenfragen völlig außen vor lassen. Denn dann war das Verfahren nicht ordnungsgemäß. Warum sollen die daraus entstehenden Nachteile den neuen Verteidiger treffen?