Das AG hatte den wegen Verstoßes gegen Weisungen der Führungsaufsicht in zwei rechtlich selbständigen Fällen verurteilt. Dagegen hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden ist. Das LG hat auf die Berufung die vom AG gewährte Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung entfallen lassen.
Dagegen dann die Revision. Die war erfolgreiche. Nach Auffassung des OLG ist das LG „rechtsfehlerhaft von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß ausgegangen und hat demzufolge unter Verstoß gegen seine Kognitionspflicht nicht mehr neu über die Schuldfrage entschieden„:
„b) Vorliegend war die Berufungsbeschränkung unwirksam, weil auf der Grundlage der vom Landgericht übernommenen Feststellungen zum Schuldspruch schon nicht sicher beurteilt werden kann, ob sich der Angeklagte strafbar gemacht hat. Das Amtsgericht hat im Urteil vom 8. April 2019 folgende Feststellungen getroffen:
„Im Rahmen des Verfahrens Az.: 3222 Js 7616/09 der Staatsanwaltschaft Mainz steht der Angeklagte aufgrund des Beschlusses des Landgerichts Strafvollstreckungskammer – Mainz vom 26.08.2014 (Az.: 8 StVK 559/14, BI. 23 des FA-Heftes 65/14) unter Führungsaufsicht, nachdem die Strafvollstreckungskammer beschlossen hatte, dass die kraft Gesetzes eingetretene Maßregel der Führungsaufsicht nicht entfällt. Unter Ziffer 7 des Beschlusses wurde dem Angeklagten der Konsum alkoholischer Getränke untersagt. Der Wortlaut der Ziffer 7 lautet wie folgt:
„Dem Verurteilten wird untersagt, unter das Betäubungsmittelgesetz fallende Substanzen ohne ärztliche Erlaubnis sowie alkoholische Getränke zu konsumieren und dies auf eigene Kosten auf Anweisung des Bewährungshelfers bei dem für seinen Wohnsitz zuständigen Gesundheitsamt oder einer anderen von der Führungsaufsichtsstelle gebilligten Einrichtung durch die Durchführung von bis zu 8 jährlichen Suchtmittelkontrollen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind, zur Feststellung von Drogenrückständen oder E TG nachzuweisen. Die Ergebnisse sind unverzüglich der Bewährungshilfe schriftlich vorzulegen.“
Mit Beschluss des Landgerichts – Strafvollstreckungskammer – Mainz vom 11.07.2016 hatte das Landgericht Mainz den Angeklagten darauf hingewiesen, dass der Verstoß gegen die Abstinenzweisung mit Strafe bedroht ist.
Gleichwohl wurde der Angeklagte an den nachfolgenden Tattagen bei Konsum von Alkohol angetroffen:
Fall 1: 2 Wochen nach seiner letzten Haftentlassung führten am 20.08.2018 die Zeugen KK S. und POK Z. ein Gefährdergespräch mit dem Angeklagten in seiner neuen Wohnunterkunft in pp. durch. Die Zeugen betreuen den Angeklagten in Rahmen des ‚Visier‘-Intensivtäter-Programm und hatten vor diesem Hintergrund nach der Haftentlassung Kontakt zu dem Angeklagten aufgenommen, um ein entsprechendes Visiergespräch zu führen. Während des Gesprächsverlaufs stellte der Zeuge KK S. fest, dass der Angeklagte nach Alkohol roch. Auf Nachfrage und nach Belehrung als Beschuldigter gab der Angeklagte dem Zeugen gegenüber an, „ein Bier getrunken zu haben“, aber ‚das sei ja nicht so schlimm.
Am 18.09.2018 wurde der Angeklagte im Bus der Linie 60 vom Hauptbahnhof Richtung Bismarckplatz einer Fahrscheinkontrolle unterzogen. Nachdem sich der Angeklagte hierüber lautstark beschwert hatte, wurden die Polizeibeamten POK B. und PHK’in H. von den Kontrolleuren am Bismarckplatz angesprochen und zur Sachverhaltsaufnahme hinzugezogen. Der Angeklagte wurde daraufhin im Rahmen der Anzeigenaufnahme im Bereich des Barbarossarings durch die Polizeibeamten POK B. und PHK’in H. angehört. Während der Sachverhaltsaufnahme konnte die Zeugin PHK’in H. Alkoholgeruch feststellen. Der Angeklagte, der drei Sammelkarten bei sich führte und sich vor diesem Hintergrund im Rahmen der Fahrscheinkontrolle ungerecht behandelt fühlte, war aufgrund der Kontrolle aufgebracht, zeigte aber ansonsten keine alkoholbedingten Auffälligkeiten.
In der linken Tasche seiner Jogginghose führte der Angeklagte eine leere Dose Bier mit sich. Nach der Sachverhaltsaufnahme öffnete der Angeklagte eine – zuvor in der rechten Tasche seiner Jogginghose befindliche – volle Dose Cola-Bier vor den Augen der Zeugen und trank diese aus.
Wegen des Weisungsverstoßes vom 20.08.2018 wurde mit Verfügung des Landgerichts Mainz – Führungsaufsichtsstelle vom 22.10.2018 (Bl. 14 d.A.) Strafantrag gemäß 145a StGB gestellt.
Wegen des Weisungsverstoßes vom 18.09.2018 wurde mit Verfügung vom 07.01.2019 (BI. 74 d.A.) ebenfalls Strafantrag gemäß § 145a StGB durch die Führungsaufsichtsstelle des Landgerichts Mainz gestellt. „
Diese Feststellungen reichen nicht aus, um eine Verurteilung des Angeklagten wegen eines Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht gem. § 145a StGB zu tragen. § 145a StGB stellt eine Blankettvorschrift dar, deren Tatbestand erst durch genaue Bestimmung der Führungsaufsichtsweisung seine Kontur erhält. Erst so wird die Vereinbarkeit der Norm mit Artikel 103 Abs. 2 Grundgesetz gewährleistet. Voraussetzung für eine Bestrafung nach § 145a StGB ist deshalb auch, dass die Weisung rechtsfehlerfrei ist. Rechtsfehlerhafte Weisungen können die Strafbarkeit nach § 145a StGB nicht begründen. Für die Annahme dieser Strafnorm ist daher die Feststellung einer Rechtsfehlerfreiheit der Weisung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal vollständig in den Urteilsgründen darzustellen (für alles: BGH, 5 StR 275/15 v. 19.08.2015 in BeckRS 2015, 15770; MüKoStGB/Groß, 3. Aufl. 2017, StGB § 145a Rn. 10).
Das amtsgerichtliche Urteil verhält sich zur Frage der Gesetzmäßigkeit der dem Angeklagten im Rahmen der Führungsaufsicht erteilten Abstinenzweisung in keiner Weise, obwohl angesichts der Feststellungen zur Person des Angeklagten Anlass zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit bestand.
Zwar ist eine Abstinenzweisung gemäß § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB im Rahmen der Führungsaufsicht grundsätzlich zulässig. Im Einzelfall kann jedoch eine solche Weisung unzumutbare Anforderungen an die Lebensführung des Angeklagten stellen und daher gem. § 68b Abs. 3 StGB unrechtmäßig sein (OLG Dresden, 2 OLG 23 Ss 557/14 v. 10.09.2014 in BeckRS 2014, 18527). Zumutbar und verhältnismäßig ist eine solche Weisung regelmäßig dann, wenn sie gegenüber einer Person angeordnet wird, die ohne weiteres zum Verzicht auf den Konsum von Suchtmitteln fähig ist und wenn im Fall erneuten Alkohol- oder Suchtmittelkonsums mit der Begehung erheblicher, die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit betreffender Straftaten zu rechnen ist. Eine unzumutbare Weisung liegt demgegenüber jedenfalls in solchen Fällen vor, in denen ein langjähriger, mehrfach erfolglos therapierter Suchtabhängiger aufgrund seiner Suchtkrankheit nicht zu nachhaltiger Abstinenz in der Lage ist und von ihm keine die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit erheblich beeinträchtigten Straftaten drohen (Senat, 2 Ws 509/16 v. 02.11.2016; 2 Ws 226, 227/17 v. 08.05.2017; 2 Ws 570/17 v. 10.10.2017; BVerfG, 2 BvR 496/12 v. 30.03.2016 in NJW 2016, 2170).
Im vorliegenden Fall war eine Unzumutbarkeit der dem Angeklagten erteilten Abstinenzweisung nicht fernliegend. So hat bereits das Amtsgericht selbst festgestellt, dass der Angeklagte seit seinem vierzehnten Lebensjahr Alkohol konsumiert und diesen Konsum ab dem fünfzehnten Lebensjahr noch gesteigert‘ hat, so dass eine chronische Alkoholabhängigkeit bei ihm vorliege. Mehrere Alkoholtherapien habe er abgebrochen. Bis zu seiner Festnahme am 9. April 2009 habe er regelmäßig in erheblichem Umfang Alkohol konsumiert, auch im Anschluss an eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, die sich zum 17. September 201 1 erledigt hatte, habe er weiter Alkohol konsumiert, selbst noch im Rahmen der letzten Strafvollstreckung. Auch das Landgericht hat keine davon abweichenden Erkenntnisse getroffen, sondern ebenfalls festgestellt, dass der Angeklagte seit seinem vierzehnten Lebensjahr Alkohol konsumiert und insgesamt acht stationäre Suchttherapien begonnen und jeweils aus disziplinarischen Gründen abgebrochen hat. Konkrete Feststellungen zur Abstinenzfähigkeit des Angeklagten im Zeitpunkt der Erteilung der Weisung einerseits und zu den von ihm im Falle erneuten Alkoholkonsums zu erwartenden Straftaten andererseits haben weder das Amtsgericht noch, das Landgericht getroffen. Eine Entscheidung über die Frage, ob die Weisung rechtmäßig war und ob der Angeklagte sich wegen Verstoßes gegen die Weisung strafbar gemacht hat, kann anhand der getroffenen Feststellungen daher nicht gefällt werden.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände konnte vorliegend nicht von der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung ausgegangen werden. Das Landgericht hätte das amtsgerichtliche Urteil daher umfassend zu überprüfen und hiernach eigene den Schuldspruch tragende Feststellungen zu treffen gehabt.
Gemäß § 353 Abs. 1 und 2 StPO unterliegt das Berufungsurteil deshalb mit den getroffenen Feststellungen der Aufhebung. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Mainz zurückzuweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).“