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In der Kürze liegt die Würze – § 154a Abs. 2 StPO nicht übersehen

Das LG verurteilt den Angeklagten wegen Betruges beim Aktenverkauf/-kauf. In den Urteilsgründen hat das LG in einer 103seitigen Tabelle die 662 Geschädigten sowie die Daten und Summen der jeweiligen Aktienkäufe (einzelne Geschädigte erwarben mehrfach Aktien) aufgeführt. Seine Überzeugung hat es auf das „glaubhafte Geständnis“ des Angeklagten gestützt, das es durch die weitere Beweisaufnahme als „bestätigt und ergänzt“ angesehen hat (UA S. 151). Diese weitere Beweisaufnahme hat sich zum einen auf die dominante Stellung des Angeklagten in der Firmengruppe, deren desolate finanzielle Situation ab Anfang 2006 und die Vorgaben des Angeklagten zum Aktienvertrieb erstreckt; zum anderen hat die ermittelnde Polizeibeamtin bekundet, sie habe die „Zahl der Anleger und die Summe der von ihnen geleisteten Zahlungen“, die Gegenstand der Anklage geworden und vom Angeklagten glaubhaft gestanden waren, zusammengestellt.

Der BGH, Beschl. v. 31.01.2012 – 3 StR 285/11 – beanstandet das, weil danach offen bleibe, auf welche Weise sich das LG die Überzeugung davon verschafft hat, dass die 662 Geschädigten zu ihren Aktienkäufen jeweils durch einen dem Angeklagten zuzurechnenden, täuschungsbedingten Irrtum über Tatsachen veranlasst worden sind. An dieser Beurteilung ändere der Umstand, dass dem Urteil eine Verständigung zugrunde gelegen habe, nichts. Die Möglichkeit des Gerichts, sich mit den Verfahrensbeteiligten über das Ergebnis des Verfahrens zu verständigen (§ 257c Abs. 1 Satz 1 StPO), berühre die gerichtliche Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Ermittlung der Wahrheit nicht (§ 257c Abs. 1 Satz 2 StPO).

Soweit so gut – soweit auch nichts Neues. Neu ist auch nicht der Hinweis des BGH am Ende der Entscheidung, aber interessant. Denn:

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Es wird sich empfehlen, den Verhandlungsstoff auf die gravierendsten Anklagevorwürfe zu beschränken (§ 154a Abs. 2 StPO), und diese mit der gebotenen Sorgfalt aufzuklären. Im Falle des Tatnachweises ist eine Strafe in der im angefochtenen Urteil festgesetzten Höhe durchaus auch dann vertretbar, wenn sich der Schuldspruch auf diese Vorwürfe beschränkt. Einer Erstreckung der Verurteilung auf die – eventuellen – Taten zum Nachteil aller 662 Anleger bedarf es hierzu nicht.

Also: Kürzen bzw. in der Kürze liegt die Würze. Am Ergebnis wird sich aber nichts ändern.

Scheppermannfall/Absichtlicher Auffahrunfall – wie intensiv hat es gescheppert?

§ 315b StGB – gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr – und kein Ende. Immer wieder gibt es dazu BGH-Entscheidungen, die im Grunde genommen immer wieder dasselbe sagen bzw. zu denselben Fragen Stellung nehmen. So auch der BGH, Beschl. v. 25.01.2012 – 4 StR 507/11, der noch einmal bestätigt, was der BGH schon vor einiger Zeit zum Merkmal „konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen“ ausgeführt hat. Im Zusammenhang mit der absichtlichen Herbeiführung eines Auffahrunfalls kann die von § 315b StGB vorausgesetzte konkrete Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen nicht hinreichend damit begründet werden, dass in solchen Fällen provozierter Unfälle regelmäßig die Gefahr liege, dass der plötzliche Aufprall bei den von der Situation überraschten Insassen des auffahrenden Fahrzeugs, dessen Auffahrgeschwindigkeit der Täter nicht beeinflussen könne, zu nicht unerheblichen Verletzungen namentlich im Kopf- und  Halswirbelsäulenbereich führe. Vielmehr sind – so der BGH – grundsätzlich konkrete Feststellungen insbesondere zu den Geschwindigkeiten der Pkw im Zeitpunkt der Kollision und der Intensität des Aufpralls zwischen den beteiligten Fahrzeugen erforderlich.

Und daran feht es häufig, weil die LG nur allgemeine Ausführungen machen, womit grundsätzlich in solchen Fällen zu rechnen sei.

 

Polizisten können auch nicht alles – jedenfalls muss das AG sagen, warum sie es richtig gemacht haben

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Etwas sperrige Überschrift, aber sie trifft m.E. den Kern des OLG Köln, Beschl. v. 20.03.2012 – III-1 RBs 65/12 -, in dem es um einen sog. qualifizierten Rotlichtverstoß ging. Also um mehr als eine Sekunde Rotlichtzeit und damit nach Nr. 132.3 BKat um ein Fahrverbot. Die hatte das AG auf der Grundlage von Schätzungen eines Polizeibeamten ermittelt. Das OLG sagt: Grds. möglich, aber:

„Stützt das Tatgericht seine Überzeugung vom Vorliegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes (hier: länger als 1 Sekunde Rot) auf die Entfernungsschätzungen von Zeugen (hier: Polizeibeamte), bedarf es in der Regel einer wertenden Auseinandersetzung mit Grundlagen und Beweiswert dieser Schätzung.“

Also: Die Schätzung und ihre Grundlagen müssen überprüfbar sein. Kann ein Ansatz sein, um zumindest im ersten Anlauf ein solches Urteil „zu kippen“ und Zeit zu gewinnen.

250 €/500 € – sind das noch geringfügige Geldbußen?

Die Antwort auf die Frage, ob es sich bei Geldbußen von 250/500 € noch um geringfügige Geldbußen handelt, hat Bedeutung für den erforderlichen Umfang zu den wirtschaftlichen Verhältnissen im Urteil des Amtsrichters. Das OLG Jena, Beschl. v. 01.09.2011 – 1 Ss Bs 66/11 beantwortet die Frage mit „grundsätzlich ja“, und führt dazu aus:

„Es ist auch nicht zu beanstanden, dass in dem Urteil nähere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen fehlen.
Entbehrlich sind solche Feststellungen gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 OWiG in der Regel bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten. Als geringfügig sieht der Senat in ständiger Rechtsprechung solche Ordnungswidrigkeiten an, die im konkreten Fall mit einer Geldbuße von nicht mehr als 250 € geahndet werden. Nach ebenfalls gefestigter Rechtsprechung des Senats sind konkrete Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen ausnahmsweise aber auch bei einer Geldbuße bis zu 500 € entbehrlich, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht erkennbar vom Durchschnitt abweichen, weil Anhaltspunkte für außergewöhnlich schlechte oder außergewöhnlich gute wirtschaftliche Verhältnisse fehlen, und es sich bei der festgesetzten Geldbuße um den im Bußgeldkatalog bestimmten Regelsatz handelt (vgl. nur Senatsbeschluss vom 22.12.2004, Az.: 1 Ss 282/04).

Ergebnis/Folgerung: Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen muss also vorgetragen werden.

Sauklaue – und: Da hat es aber einer eilig gehabt

Als Kommentar zu dem OLG Köln, Beschl. v. 19.07.2011 – III 1 RVs 166/11 – zugrundeliegenden amtsgerichtlichen Urteil fiel mir spontan ein: Sauklaue, und: Da hat es aber einer eilig gehabt. Denn das OLG hat die amtsgerichtliche Entscheidung aus zwei Gründen aufgehoben.

Zunächst: Wegen der Sauklaue – ein formeller Mangel. Das Urteil war nämlich nicht unterschrieben. Nun ja, unterschrieben war es bzw. da stand etwas, aber nicht so, wie man sich eine Unterschrift wünscht. Zur wirksamen Unterzeichnung eines Urteils ist nämlich ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender individueller Schriftzug erforderlich, der sich nicht nur als Namenskürzel (Paraphe) darstellt, sondern charakteristische Merkmale einer Unterschrift mit vollem Namen aufweist und die Nachahmung durch einen Dritten zumindest erschwert. Dazu das OLG:

„Eine diesen Anforderungen genügende Unterschrift weist das angefochtene Urteil nicht auf. Es ist handschriftlich lediglich mit Zeichen versehen, die keinerlei Ähnlichkeit mit einem einzigen Buchstaben oder mit einer Buchstabenfolge aus dem Namen „Q.“ aufweisen. Sie bestehen vielmehr lediglich aus einer Art nach rechts geneigter Sinuskurve mit einer kleinen Schlaufe am unteren linken Rand des Aufstrichs.“

Und dann: „Da hat es aber einer eilig gehabt“….denn: Das Urteil hatte keine tatsächlichen Feststellungen, sondern da hieß es nur: Die Hauptverhandlung hat zu folgenden Feststellungen geführt:<einrücken wie () AS Bl. 65 d. A.>“ Super :-(. Nein ganz schlecht. Denn der Amtsrichter hatte es wohl wirklich eilig. Er hat nicht nur die „Feststellungen eingerückt“. Das Kürzel „AS“ spricht für die Anklageschrift, also hat er offenabr keine eigenen Feststellungen in der Hauptverhandlung getroffen, oder? Und: Er hat beim Unterschreiben (s.o.) noch nicht einmal gemerkt, dass die Kanzlei seine Arbeitsanweisung „einrücken wie…2 nicht ausgeführt, sondern einfach so übernommen hat. Also ein ganz Schneller/Eiliger.

Also: „Sauklaue“ ist nicht so schlimm, das kann passieren und sollte für den Verteidiger gelegentlich Anlass sein, seine Unterschrift mal zu überprüfen. Lesbar? Schlimmer finde ich den zweiten Punkt. So eilig sollte man es nun nicht haben. Denn immerhin war eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen festgesetzt…