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StPO II: Zwingende Unterzeichnung eines Beschlusses?, oder: Was ergibt sich aus den Umständen?

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Und mit der zweiten Entscheidung, dem OLG Hamm, Beschl. v. 12.09.2023 – 3 Ws 302/23 – bin ich dann mal ganz mutig 🙂 und hoffe, dass nicht allzu viel Kommentare kommen. Es geht nämlich um eine fehlende Unterschrift unter einem Beschluss. Das ist dann doch ein Posting, das den ein oder anderen aus der Abteilung: Urteil nicht unterschrieben und so, herausfordern wird. Ich werde es aber dann mit Fassung tragen (und ggf. auch gerne 🙂 nochmals erklären).

Hier war im Strafvollstreckungsverfahren von der Verteidigung, der sich die GStA angeschlossen hatte, gerügt worden, dass ein Beschluss der StVK nicht vollständig unterzeichnet war. Dazu das OLG:

„1. Die Strafvollstreckungskammer hatte auf den 28.04.2023 einen Termin zur Anhörung des Verurteilten anberaumt. Am Morgen des Tages teilte die JVA mit, dass der Untergebrachte sich bisher nicht zu einer Teilnahme an dem Anhörungstermin, zu dem er eine Terminsnachricht erhalten hatte, geäußert habe. Er sei am Morgen zur Arbeit ausgerückt, so dass davon ausgegangen werde, dass er nicht am Anhörungstermin teilnehme. Zum Anhörungstermin erschien dann nur der Verteidiger des Verurteilten. Die Strafvollstreckungskammer teilte mit, dass sie von einem Anhörungsverzicht ausgehe. Der Verteidiger beantragte die Maßregelaussetzung zur Bewährung und erklärte, im Übrigen keine Angaben machen zu können. Die Anhörung fand in der Besetzung Vorsitzende Richterin am LG A, Richterin am LG B und Richterin am LG C statt. Unter dem Datum des Tages des Anhörungstermins verfasste die Strafvollstreckungskammer den angefochtenen Beschluss. Dieser wurde unterschrieben von der Vorsitzenden Richterin am LG A und der Richterin am LG B; bzgl. der Richterin am Landgericht C findet sich der Vermerk „ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert“, welcher von der Vorsitzenden gezeichnet wurde.

Die Verteidigung zweifelt mit ihrer Beschwerde an, dass der Beschluss tatsächlich am 28.04.2023 gefasst worden sei. Es sei erforderlich, dass die bei der Anhörung anwesenden Richter auch die nachfolgende Entscheidung treffen. Dazu müsse das Ergebnis in einem Vermerk aktenkundig gemacht werden. Nur in einem solchen Fall könne die Unterschrift eines zu einem späteren Zeitpunkt der Fassung der Beschlussgründe abwesenden Richters durch einen Verhinderungsvermerk ersetzt werden. Wenn – wie vorliegend – „das Beratungsergebnis in Form des vollständigen schriftlichen Beschlusses erst zu einem späteren Zeitpunkt niedergelegt wird und zu diesem Zeitpunkt nicht gewährleistet werden kann, dass die diejenigen Richter, die an der Anhörung teilgenommen haben und zur Entscheidung berufen sind (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG), zur Verfügung stehen, muss zugewartet werden bis sie verfügbar sind oder – wenn dies schneller zu bewerkstelligen ist – die Anhörung in anderer Besetzung wiederholt und mit dieser entschieden werden.“ Hier sei weder die eine noch die andere Alternative gegeben.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich in ihrer Antragsschrift dieser Auffassung mit weiteren Ausführungen angeschlossen.

2. Der Senat vermag die Bedenken gegen die Verfahrensweise der Strafvollstreckungskammer nicht zu teilen:

Das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) ist hier nicht verletzt. Die drei Richterinnen, die den Anhörungstermin wahrgenommen haben, haben auch den Beschluss, den Verurteilten nicht bedingt aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen, gefasst. Dies ergibt sich aus dem Beschlussrubrum und dem Anhörungsvermerk vom 28.04.2023.

Dass die Richterin am Landgericht C den vollständig mit Gründen versehenen Beschluss urlaubsbedingt nicht selbst unterzeichnet hat, ist unschädlich.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird zwar vertreten, dass das Verfahren nach § 454 StPO grundsätzlich schriftlich sei und deswegen Entscheidungen darin auch schriftlich ergingen. Es sei möglich, dass der Anhörungstermin, die Beschlussfassung als solche und die Formulierung der Beschlussgründe zeitlich auseinanderfallen. In allen denkbaren Fällen sei es erforderlich, dass die an der Anhörung anwesenden Richter die nachfolgende Entscheidung auch selbst träfen. Das könnten sie bereits in der der Anhörung nachfolgenden Beratung tun und das Ergebnis in einem Vermerk schriftlich niederlegen. In einem solchen Fall wäre die Unterschrift eines zum späteren Zeitpunkt der Fassung der Beschlussgründe abwesenden Richters durch einen Vertretungsvermerk ersetzbar. Alternativ dazu könnten die die Richter das Beratungsergebnis in Form des vollständigen schriftlichen Beschlusses zu einem späteren Zeitpunkt niederlegen (KG Berlin, Beschl. v. 22.07.2014 – 2 Ws 265/14 – juris; KG Berlin, Beschl. v. 20.05.2015 – 2 Ws 73/15 – juris; KG Berlin, Beschl. v. 09.06.2015 – 2 Ws 105/15 – juris; KG Berlin, Beschl. v. 06.02.2018 – 2 Ws 2/18 – juris; OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.01.2023 – 1 Ws 153/22 (S) -juris).

Wenn mit dieser Rechtsprechung gemeint sein sollte, dass nur dann die Unterschrift eines mitentscheidenden Richters durch einen Verhinderungsvermerk unter dem vollständig mit Gründen abgesetzten Beschluss ersetzt werden kann, wenn das Ergebnis der Beschlussfassung zuvor in einem Vermerk niedergelegt wurde, ist dem nicht zu folgen. Nach höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung ist für eine wirksame Beschlussfassung die gesetzmäßige Besetzung des Spruchkörpers erforderlich (RGSt 43, 217, 218). Hingegen ist es bei Beschlüssen nicht erforderlich, dass sie überhaupt unterzeichnet sind, denn die Regelung des § 275 Abs. 2 StPO gilt nur für Urteile und ist auf Beschlüsse nicht anwendbar (BGH, Urt. v. 14.02.1985 – 4 StR 731/84 – juris). Auch eine entsprechende Anwendung scheidet aus. Die StPO enthält keine Vorschrift, wonach Beschlüsse zu ihrer Wirksamkeit der eigenhändigen Unterschrift aller mitwirkenden Richter bedürften (Stuckenberg in: Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 275 Rdn. 43 m.w.N.). Ist ein Beschluss (gar) nicht (oder nicht von allen zur Entscheidung berufenen Richtern) unterschrieben, so muss sich aber zumindest aus den Umständen zweifelsfrei ergeben, dass die Entscheidung auf der Willensbildung der zur Entscheidung berufenen Richter beruht (OLG Düsseldorf NJW 1970, 1937; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 05.11.1998 – 1 Ws 454-547/98 – juris; OLG Hamm, Beschl. v. 27.12.1977 – 2 Ws 239/77 – juris; OLG Nürnberg, Beschl. v. 21.09.2018 – 1 Ws 173/18 – juris). Ein zwingendes Erfordernis, dass eine mündliche Beschlussfassung zunächst in einem Vermerk niedergelegt werden müsste, damit ein späterer Verhinderungsvermerk auf dem vollständig abgefassten Beschluss zulässig sein soll, mag aus Gründen der Rechtssicherheit eventuell wünschenswert sein. Es lässt sich aber dem Gesetz nicht entnehmen.

Hier ergibt sich schon aus dem Beschlussrubrum, dass der Beschluss auf der bereits am 28.04.2023 gefassten Willensbildung aller drei Richterinnen beruht. Der Senat hat keinen Anlass zu der Annahme, dass die zwei unterschreibenden Richterinnen nachträglich alleine einen Beschluss gefasst und diesen zurückdatiert und eine nicht mitentscheidende Richterin mit in das Rubrum aufgenommen hätten. Auch der Verfahrensablauf legt nahe, dass noch am 28.04.2023, als die dritte Richterin noch nicht urlaubsbedingt verhindert war (sie war in der Anhörung zugegen), die Beschlussfassung erfolgte, der Beschluss also auf einer Willensbildung aller drei an der Anhörung beteiligten Richterinnen beruht.

Einer Vorlage nach § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG bedurfte es nicht, da die dort geregelte Vorlagepflicht nur für Entscheidungen über die Erledigung der Maßregel gilt, nicht aber – wie hier – für Fälle, in denen allein eine Maßregelaussetzung zur Bewährung nach § 67d Abs. 2 StGB in Betracht kommt.“

Die Ablehnung des Staatsanwaltes

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Das OLG Celle hat im Sommer 2015 im OLG Celle, Beschl. v. 10.07.2015 – 2 VAs 5/15 – in einem Verfahren betreffend einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§§ 23 ff. EGGVG) dargelegt, dass ein Anzeigeerstatter – ebenso wie im Strafverfahren nach h.M. der Angeklagte – keinen Anspruch auf Ablehnung/Ersetzung des Staatsanwaltes hat. Dazu wird ausgeführt:

„b) Der Antragsteller hat überdies nicht dargetan, dass er durch eine unterlassene oder abgelehnte Bestimmung einer anderen Staatsanwaltschaft außerhalb des Zuständigkeitsbereiches der Generalstaatsanwaltschaft Celle in seinen Rechten verletzt wäre. Nach ganz herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, besteht für den Beschuldigten im Rahmen eines Strafverfahrens kein Rechtsanspruch auf Substituierung des ermittelnden Staatsanwaltes (vgl. Löwe?Rosenberg, StPO, 26. Aufl. vor § 22 GVG Rdnr. 9, 11 m. w. N.). In einem solchen Fall kann der Beschuldigte auch die Verfügung des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft, mit der die Substitution des Staatsanwalts nach § 145 GVG abgelehnt worden ist, nicht mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG anfechten (vgl. Löwe?Rosenberg a. a. O. Rdnr. 11 und Löwe?Rosenberg, StPO, 26. Aufl. § 23 EGGVG Rdnr. 125). Dass dem Antragsteller in dem von ihm angestrengten Ermittlungsverfahren weitergehende Rechte als einem Beschuldigten im Strafverfahren zustehen könnten, vermag der Senat nicht zu erkennen.“

Schon ein wenig älter der Beschluss, aber erst jetzt bekannt geworden.

Das riecht mal wieder nach Zoff beim BGH, oder: Die Ersetzung des Zeugenbeweises durch Erklärungsverlesung

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Ein wenig riecht der Beschluss des 2. Strafsenats des BGH, also der „Rebellensenats“ 🙂 , mal wieder nach Zoff bzw. aufziehendem Gewitter. denn der 2. Strafsenat ist (mal wieder) anderer Auffassung, als der 1. Strafsenat es vor einiger Zeit gewesen ist. Na ja, so richtig noch nicht. Aber er neigt immerhin dazu. Der BGH, Beschl. v. 11.11.2015 – 2 StR 180/15 – ist also (nur) ein „Neigungsbeschluss“, der andeutet, wohin es beim 2. Strafsenat in Abweichung der Auffassung des 1. Strafsenats gehen könnte.

Es geht in einem Verfahren wegen eines Totschlagsvorwurf um die Revision der Nebenklägerin. Die hatte gerügt, das LG habe gegen seine Amtsaufklärungspflicht gem. § 244 Abs. 2 StPO verstoßen, da es den Inhalt des ärztlichen Berichts eines sachverständigen Zeugen Dr. S. nicht verlesen habe. Der 2. Strafsenat nimmt dazu Stellung, zwar nur einem Zusatz und er „niegt2 auch nur, aber immerhin:

Die Aufklärungspflicht ist nicht verletzt. Der Senat neigt zu der Ansicht, dass die Verlesung des ärztlichen Berichts von Dr. S. bereits unzulässig gewesen wäre, weil seine Einführung in die Hauptverhandlung den in § 250 StPO – 3 – enthaltenen Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt hätte. Dr. S. , der kurz nach der Tat von den Ärzten, die die Angeklagte nach einem Suizidversuch intensiv-medizinisch behandelt hatten, im Hinblick auf eine möglicherweise weiterhin bestehende Suizidgefahr als Konsiliararzt hinzugezogen worden war und über seine Untersuchung einen schriftlichen Bericht gefertigt hatte, machte in der Hauptverhandlung zwar Angaben zur „Befindlichkeit“ der Angeklagten anläss-lich dieser konsiliarischen Untersuchung, berief sich im Übrigen aber – nach dem (vorsorglichen) Widerruf der Schweigepflichtentbindung durch die Angeklagte – auf sein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO.

„Bei dieser Sachlage liefe die Verlesung des von dem Zeugen gefertigten Berichts auf eine nach § 250 Satz 2 StPO unzulässige Ersetzung des Zeugenbeweises hinaus. Denn Dr. S. hatte zum Inhalt des Berichts, der auch Angaben zu einer Befragung der Angeklagten enthielt, aus denen die Revision Rückschlüsse auf einen schon länger zuvor gefassten Tatplan ziehen will, vollumfänglich die Auskunft verweigert und lediglich Angaben zum Zustand der Angeklagten gemacht. Macht aber ein Zeuge zu einem bestimmten Sachver-haltskomplex von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch, würde die Verlesung der von ihm stammenden schriftlichen Erklärung dazu dienen, seine mündliche Vernehmung insoweit zu ersetzen. Dies würde zu einer Umgehung des durch § 53 StPO bezweckten Schutzes des Vertrauensverhältnisses zwi-schen den dort genannten Berufsgeheimnisträgern und einem Angeklagten führen. Der Senat neigt daher zu der Ansicht, dass eine Teilaussage nicht den pauschalen Zugriff auf alle schriftlichen Erklärungen ermöglicht (vgl. Pauly in: Radtke/Hohmann, StPO, § 250 Rn. 20). Soweit der 1. Strafsenat demgegenüber im Falle eines die Aussage nach § 55 StPO verweigernden Zeugen die Verlesbarkeit einer von ihm schriftlich abgegebenen Erklärung auch mit Blick auf § 250 Satz 2 StPO für zulässig erachtet hat, weil dieser jedenfalls Fragen zur Herkunft dieser Erklärung beantwortet hatte, weshalb sich ihre spätere Verlesung nicht als Ersetzung, sondern als zulässige Ergänzung seiner (auf die Herkunft begrenzten) Aussage darstellte (BGH, Urteil vom 23. Dezember 1986 – 1 StR 514/86, NStZ 1988, 36 m. krit. Anm. Dölling NStZ 1988, 6, 10), vermag dies den Senat daher nicht zu überzeugen.

Indes bietet der vorliegende Fall keinen Anlass zur Erörterung der Frage, ob die im Zusammenhang mit § 55 StPO ergangene Entscheidung des 1. Strafsenats der Ansicht des Senats entgegenstehen würde, denn letztlich kommt es im hiesigen Fall darauf nicht an. Die Verwertung des schriftlichen Berichts des Zeugen Dr. S. musste sich dem Landgericht schon nicht aufdrängen. Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer in ihrer ablehnenden Entschei-dung eines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Verlesung des Berichts auch darauf hingewiesen, dass den Angaben der Angeklagten gegenüber Dr. S. nur geringe Bedeutung zukommen könne, weil sie anlässlich der Untersuchung nicht zu sachgerechten Äußerungen in der Lage gewesen sei.“