Schlagwort-Archive: Erforderlichkeit

Pflichtverteidiger aufgepasst- jetzt immer Erstreckungsantrag

© Gina Sanders – Fotolia.com

Mal wieder etwas Gebührenrecht, auch wenn die Statistik zeigt, dass die Beiträge – was mich erstaunt, da es ja ums Geld geht – gar nicht so nachgefragt sind.

Heute ein Hinweis an die Pflichtverteidiger, in Zukunft nun immer bei Verbindung von Verfahren einen Erstreckungsantrag zu stellen. Bisher war das m.E. nicht erforderlich, wenn zunächst verbunden wurde und dann die Beiordnung erfolgte. Das war/ist nämlich m.E. und nach Auffassung der – bisher – h.M. in der Rechtsprechung kein Fall des § 49 Abs. 5 Satz 3 RVG. Nun hat aber das OLG Koblenz im OLG Koblenz, Beschl. v. 30.05.2012 – 2 Ws 242/12 – das ebenso wie in der Vergangenheit schon das OLG Oldenburg – anders gesehen und verlangt auch in dem Fall einen Erstreckungsantrag, wenn später die gesetzlichen Gebühren für das oder die hinzuverbundenen Verfahren geltend gemacht werden sollen. Es nutzt m.E. nichts, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass die Entscheidung auch falsch ist und die Dinge laufen lässt. Man muss m.E. vorbereitet sein und reagieren, um so wenigstens die formellen Voraussetzungen für die Erstreckung zu schaffen. Sonst gehen Gebühren verloren. Und wer will die schon verlieren.

Die Antragstellung sollte daher nun auch in den OLG-Bezirken erfolgen, die die Frage bislang anders gesehen haben. Denn gegen Rechtsprechungsänderungen ist kein Kraut gewachsen. Und jeder weiß, dass die Bezirksrevisoren solche Entscheidungen wie die des OLG Koblenz als Aufforderung verstehen, gegen eine eingefahrene Rechtsprechung – immer natürlich im Interesse der Staatskasse – anzulaufen.

Achtung zum Schluss kommt Werbung :-). Alles zur Erstreckung kann man in unserem RVG-Kommentar bei § 48 nachlesen.

 

Dauerbrenner: Begründung des Verwerfungsbeschlusses und Revisionshauptverhandlung

Zwei Dauerbrenner/Dauerprobleme behandelt der BGH, Beschl. v. 14.04.2001 – 3 StR 36/11: Nämlich die Frage der Begründung des Verwerfungsbeschlusses nach § 349 Abs. 2 StPO und die Frage der Erforderlichkeit einer Revisionshauptverhandlung. Dazu – kurz und knapp:

Entgegen der Auffassung des Verurteilten bestand insbesondere keine Pflicht, die angegriffene Senatsentscheidung weiter zu begründen (BVerfG, Be-schlüsse vom 22. Januar 1982 – 2 BvR 1506/81, NJW 1982, 925; vom 10. Oktober 2001 – 2 BvR 1620/01, NJW 2002, 814; vom 23. August 2005 – 2 BvR 1066/05, NJW 2006, 136; BGH, Beschluss vom 9. Mai 2007 – 2 StR 530/06 Rn. 5; Beschluss vom 4. Juni 2002 – 3 StR 146/02, BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 7). Mit Blick auf das weitere Vorbringen des Verurteilten weist der Senat im Übrigen erneut darauf hin, dass ein Anlass für die Anberaumung einer Revisionshauptverhandlung nicht gegeben war. Liegen die Voraussetzungen des § 349 Abs. 2 StPO vor, besteht ein Anspruch auf eine Revisionshauptverhandlung weder nach einfachem Recht noch nach Verfassungsrecht (BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2007 – 2 BvR 746/07, StraFo 2007, 370; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 – 4 StR 536/09 jeweils mwN).“

Wann sind Feststellungen zur Eichung erforderlich?

Umstritten ist in Rechtsprechung und Literatur, wann bei einer Geschwindigkeitsmessung Feststellungen zur Eichung erforderlich sind. Dazu verhält sich OLG Oldenburg, Beschl. v.10.05.2011 – 2 SsBs 35/11, der allerdings einen Sonderfall betrifft: Das OLG führt aus:

Das Urteil enthält keine Feststellungen zur Eichung des eingesetzten Messgeräts Multanova 6 F. Der in der Verwaltungsakte befindliche Eichschein bezieht sich auf das Messgerät 01-90-493 und nicht auf das nach dem Messprotokoll eingesetzte Messgerät 11-85-095 (BI. 4. d. unpag. Verwaltungsvorgangs).

Bei der Radarmessung mit dem eingesetzten Radarmessgerät Multanova 6 F handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren (vgl. OLG Bamberg, DAR 2010, 279). Solche Messverfahren sind grundsätzlich beweiskräftig, wenn das Messgerät geeicht ist und richtig aufgestellt und bedient wird (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage, § 3 StVO Rn. 59 m. w. N.).

Zwar genügt bei standardisierten Messverfahren in den Urteilsgründen in der Regel die Angabe des Messverfahrens und des berücksichtigten Toleranzwertes (OLG Koblenz, NZV 2010, 212; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage, § 3 StVO Rn. 59 m. w. N.). Unterschiedlich beurteilt wird, ob das Urteil darüber hinaus grundsätzlich Feststellungen zur notwendigen Eichung des eingesetzten Messgeräts enthalten muss (so: OLG Frankfurt, NZV 2002, 135) oder diese Feststellungen ohne konkreten Anlass entbehrlich sind, weil davon ausgegangen werden kann, dass von der Polizei eingesetzte Messgeräte grundsätzlich geeicht sind (so: OLG Düsseldorf, NZV 1994, 41, vgl. auch Hentschel, a. a. 0., anders aber: Hentschel, a. a. 0., Rn. 56 b).

Hier liegen jedoch besondere Umstände vor, die in jedem Fall Feststellungen zur Eichung des eingesetzten Messgeräts erfordert hätten. Denn aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich, dass dem Messbeamten das üblicherweise benutzte Messgerät aufgrund einer Reparatur nicht zur Verfügung stand und der sich daher ein baugleiches Messgerät von der Polizeiinspektion Cloppenburg ausgeliehen hatte. Da danach nicht auszuschließen ist, dass das ausgeliehene Messgerät von der Polizeiinspektion Cloppenburg zur Zeit der Tat nicht für Geschwindigkeitsmessungen vorgesehen war – was den Rückschluss auf die bestehende Eichung zuließe -, sondern nur zu Schulungszwecken eingesetzt worden sein könnte (vgl. S. 11 der Beschwerdebegründung), hätte das Amtsgericht insoweit weitere Feststellungen treffen müssen. Durch das Unterlassen der Inaugenscheinnahme der Eichscheine des ausgeliehenen Geräts der Polizeiinspektion Cloppenburg im Wege des Urkundsbeweises bzw. der unterlassenen Vernehmung des zuständigen Beamten der Polizeiinspektion Cloppenburg hat das Gericht seine Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG verletzt.“

Und noch ein zweiter interessanter Punkt: Dem Beschluss des OLG liegt eine erfolgreiche Aufklärungsrüge zugrunde.

Geplausche am Telefon ist kein rechtlicher Hinweis (§ 265 StPO)

Erst vor kurzem hat der 1. Strafsenat des BGH zur Erforderlichkeit des auf § 265 StPO gestützten rechtlichen Hinweis nach Austausch der Bezugstat beim Verdeckungsmord Stellung genommen und das bejaht (siehe BGH, Beschl. v. 12.01.2011 – 1 StR 582/10), vgl. dazu hier.

Nun nimmt der BGH, Beschl. v. 23.03.2011 – 2 StR 584/10 erneut zu § 265 StPO Stellung: Er bestätigt die frühere Rechtsprechung des BGH zur Erforderlichkeit eines rechtlichen Hinweises nach § 265 StPO bei einer möglichen Verurteilung wegen einer andersartigen Begehungsform desselben Strafgesetzes. Erfolge die Anklage eines Täters zunächst wegen Mordes aus Heimtücke beziehungsweise zur Verdeckung einer Straftat und komme für das erkennende Gericht im Laufe des Verfahrens auch eine Verurteilung wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen in Betracht, so sei, wenn das Urteil darauf gestützt werden solle, ein förmlicher rechtlicher Hinweis seitens des Gerichts in Bezug auf dieses neue Mordmerkmal erforderlich.

Die Entscheidung zeigt, welche Bedeutung die Rechtsprechung des BGH dem zutreffenden rechtlichen Hinweis zumisst. Und zwar auch hinsichtlich der Form. Telefonische Auskünfte von Gerichtsmitgliedern, wie hier der Berichterstatterin, sind nicht ausreichend.

Rechtlicher Hinweis: Wenn der fehlt, hat die Revision häufig Erfolg – oder: BGH, 1 StR 582/10 sollte man lesen

Der vergessene rechtliche Hinweis nach § 265 StPO verhilft einer späteren Revision häufig zum Erfolg, weil die Rechtsprechung des BGH in dem Bereich immer noch verhältnismäßig streng ist. Das zeigt sich sehr deutlich an dem zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehenen Beschl. des BGH v. 12.01.2011 – 1 StR 582/10, in dem es um den Austausch der so. Bezugstat beim Verdeckungsmord ging. Der BGH sieht, was m.E. zutreffend ist, in den Fällen einen rechtlichen Hinweis als erforderlich an. In der Sache ging es um den Austausch „veruntreuende Unterschlagung“ gegen „Körperverletzung“.

Besonders achten muss man als Verteidiger in den Fällen auf die „Beruhensfrage“. Auch dazu macht der BGH lesenswerte Ausführungen, die bei der Abfassung einer Revision beachtet werden sollte. Also: Entscheidung lesen!