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Verfahrensverzögerung – was wird daraus?

Der BGH, Beschl. v. 25.10.2011 – 3 StR 206/11 nimmt zur Verfahrensverzögerung Stellung und führt aus:

„3. Die Kompensationsentscheidung wird von der Teilaufhebung des Urteils nicht erfasst (BGH, Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135). Der Angeklagte ist durch die rechtsfehlerhaft überhöhte Entschädigung – acht Monate Freiheitsstrafe bei einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von zwei Jahren und drei Monaten – nicht beschwert. Mit Blick auf die Aus-führungen der Revision und des Generalbundesanwalts weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Höhe der im Falle einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zu gewährenden Entschädigung sich nicht nach der Höhe der Strafe richtet, auf die das Tatgericht erkannt hat. Die im Wege des sog. Vollstreckungsmodells vorzunehmende Kompensation koppelt den Ausgleich für das erlittene Verfahrensunrecht vielmehr von vornherein von Fragen des Tatunrechts, der Schuld und der Strafhöhe ab. Der Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung stellt eine rein am Entschädigungsgedanken orientierte eigene Rechtsfolge neben der Strafzumessung dar. Das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld spielen weder für die Frage, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist, noch für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (vgl. schon BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 138; s. auch BGH, Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09, aaO, 138).“

M.E. nicht ganz deckungsgleich mit dem neuen § 198 GVG, in dem es hießt:

§ 198.
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

Die Fragen dürften interessant werden, wenn es um eine andere Wiedergutmachung i.S. des § 198 Abs. 4, 199 GVG geht. M.E. wird man nur dann über § 198 Abs. 4 GVG eine Entschädigung ablehnen können, wenn das, was man vergleicht, auch gleich ist bzw. auf den gleichen Grundlagen beruht. Das scheint mir so nicht der Fall zu sein.

Hilfe gesucht bei dem Problem: „§ 153a StPO, verjährte Straftat, Kosten“

Im Forum auf meiner Homepage www.burhoff.de hat in den vergangenen Tagen ein Kollege unter der Überschrift: „153 a StPO, verjährte Straftat, Kosten“ nachgefragt und folgenden Sachverhalt zur Diskussion gestellt:

„Hallo Forum,

folgendes Problem:

Mein Mandant bekommt ein Schrieb der StA mit der Bitte um Zustimmung zu einer Einstellung gemäß § 153 a gegen Zahlung und kann damit schlicht gar nichts anfangen. Tatvorwurf ist Betrug.

Ich fordere also die Akte an und stelle fest, dass sich der Betrug 2005 ereignet haben soll und daraufhin 2011 eine Strafanzeige erstattet wurde.

Es liegt also Verfolgungsverjährung vor, was ich – freundlich wie ich bin – der StA mit der Bitte um Einstellung nach 170 II auch mitteile.

Nun frage ich mich, ob es irgendeinen Weg gibt, der Staatskasse die Kosten überzuhelfen, weil ich es eine Frechheit finde, dem Mandanten eine Geldauflage „anzubieten“ trotzdem offensichtlich Verjährung eingetreten ist. Z.B. nach dem StrEG?? Und ggf. wie das genau geht.

Also: Mir fällt dazu nichts ein. Auslagenerstattung im Ermittlungsverfahren, gibt es nur in Sonderfällen und davon liegt keiner vor. Und StrEG: Welche zu entschädigende Maßnahme liegt denn vor, die zu entschädigen wäre? Was mir eingefallen ist, ist allenfalls ein Anspruch nach § 839 BGB, was ich aber auch nicht durchgeprüft habe.

Daher: Hat jemand noch eine andere, ggf. zündende Idee?

Vergessene Entscheidung

In Rechtsprechung und Literatur umstritten ist die Frage, wie zu verfahren ist, wenn das Tatgericht im Urteil eine erforderliche Entscheidung über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen nach dem StrEG vergessen hat. Dann gibt es zwei Möglichkeiten, das zu reparieren:

  • Man kann davon ausgehen, dass die Entscheidung dann im Revisions- oder Beschwerdeverfahren nachzuholen ist.
  • Man kann aber auch davon ausgehen, dass das Tatgericht die Entscheidung auf Antrag nachholen kann/muss.

Der OLG Celle, Beschl. v. 08.09.2011 – 32 Ss 207/09 geht den zweiten Weg und schließt sich damit der m.E. überwiegenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung an. Das OLG hat seinen Beschluss folgenden Leitsatz gegeben:

Unterlässt es das Tatgericht im Urteil eine Entscheidung über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen zu treffen, ist diese Entscheidung nicht im Revisions? oder Beschwerdeverfahren nachzuholen. Das Schweigen des Urteils in diesem Punkt stellt keine Versagung der Entschädigung dar, so dass es an einer beschwerdefähigen Entscheidung mangelt. Das Tatgericht hat in einem solchen Fall nach § 8 Abs. 1 Satz 2 StrEG eine nachträgliche Entscheidung im Beschlussweg herbeizuführen.

 

 

Und dann war da noch: Die Einigung im Mediationsverfahren zwischen Max Josef Strauß und dem Freistaat Bayern

Ja, dann war da noch die PM des LG München I zur Einigung im Mediationsverfahren zwischen Max Josef Strauß und dem Freistaat Bayern, also zum „Schadensersatzprozess“: In der PM v. 10.06.2011 heißt es:

Die Parteien im oben genannten Verfahren haben eine gütliche Einigung erzielt.

Herr Max Josef Strauß wurde nach einem 12 – jährigen, wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung geführten Strafverfahren am 6.8.2007 vom Landgericht Augsburg in allen Punkten freigesprochen. In dem rechtkräftigen Urteil wurde gleichzeitig festgestellt, dass die Staatskasse nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) verpflichtet ist, Herrn Strauß aus Anlass eines Beschlusses über die Außervollzugsetzung eines Haftbefehls vom 15.7.2004 bis 2.11.2005 sowie aus Anlass von insgesamt sechs Durchsuchungsbeschlüssen im Zeitraum von 1995 bis 2004 zu entschädigen.

Im Jahr 2008 erhob Herr Strauß vorsorglich zur Vermeidung der Verjährung eine Amtshaftungsklage (Az: 15 O 23666/08) auf Zahlung eines Schmerzensgeldes, Schadensersatzfeststellung sowie Auskunft. Insbesondere beanstandete der Kläger, dass sein Persönlichkeitsrecht beeinträchtigende Informationen aus dem Ermittlungsverfahren an die Öffentlichkeit gelangt seien sowie die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft Augsburg.

Nachdem die Generalstaatsanwaltschaft München am 18.8.2009 die Leistung einer Entschädigung nach dem StrEG abgelehnt hatte, da ein Schaden nicht ausreichend dargelegt worden sei, verfolgte der Kläger diese im Jahr 2009 mit einer zweiten Klage zum Landgericht München I weiter. Beide Verfahren wurden verbunden.

Nunmehr haben die Parteien in einem vom Landgericht München I angebotenen gerichtsinternen Mediationsverfahren nach längeren Verhandlungen eine Einigung erzielt. Dem Vorschlag der eingeschalteten Mediatorin folgend zahlt der Beklagte zur Abgeltung aller Ansprüche an den Kläger bei Aufhebung der Kosten € 50.000.

Bei diesem Betrag handelt es sich um einen Bruchteil des Streitwerts der verbundenen Verfahren. Neben den Prozessaussichten der Parteien und dem anfallendem Aufwand wurde insbesondere ein Interesse beider Parteien an einem baldigen Rechtsfrieden berücksichtigt. Das Einverständnis des Klägers war insbesondere auch durch gesundheitliche Erwägungen motiviert.

Vergleich vom 10.06.2011″

ZPO meets StPO – oder: Nicht mit der einen Hand geben und mit der anderen nehmen…

Der BGH, Beschl. v. 05.05.2011 – VII ZB 17/10 weist nochmals (weitere Nachweise im Beschluss) darauf hin, dass die Pfändung des Geldentschädigungsanspruchs eines Strafgefangenen wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen durch den Staat unzulässig ist. Eine Zulassung der Pfändung eines aus einer menschunwürdigen Haftunterbringung herrührenden Entschädigungsanspruchs zur Befriedigung offener Verfahrenskosten würde die Funktion der Genugtuung, der Sanktion und der Prävention ins Leere laufen lassen.

Dem kann man m.E. nur beitreten: In der Tat widersprüchlich. Erst menschenunwürdig unterbringen und dann die (geringe) Entschädigung wegpfänden.