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Was denn nun: Strafantrag gestellt oder nicht?

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Irgendwie komme ich mit dem dem BGH, Beschl. v. 21.08.2012 –  4 StR 157/12 – zugrunde liegenden Sachverhalt nicht ganz klar und frage mich: Was denn nun? Lag ein Strafantrag vor – scheint fast so. Aber dann hätte die Strafkammer doch zur Tat Stellung nehmen müssen. Oder hat Sie den Strafantrag übersehen?? Kann auch sein. Jedenfalls sind für mich die Ausführungen unklar, wenn es im BGH-Beschluss heißt:

Der ohne Erörterung des Schuldvorwurfs erfolgte Freispruch im Fall II. 6 der Urteilsgründe ist rechtsfehlerhaft. Stellt sich in der Haupt-verhandlung heraus, dass erforderliche Strafanträge fehlen und ist die Antragsfrist abgelaufen, so ist das Verfahren nach § 260 Abs. 3 StPO insoweit einzustellen. Ein Freispruch kommt in diesem Fall nur dann in Betracht, wenn bereits feststeht, dass dem Angeklagten keine Straftat nachzuweisen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1965 – KRB 3/65, BGHSt 20, 333, 335; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 260 Rn. 44 mwN). Eine Einstellung durch das Revisionsgericht nach § 354 Abs. 1 Satz 1 StPO konnte nicht erfolgen, weil im Fall II. 6 der Urteils-gründe ein rechtzeitig gestellter Strafantrag des Dienstvorgesetzten der beleidigten Vollzugsbeamten vorliegt und die Tat deshalb entgegen der Annahme des Landgerichts verfolgbar war (§ 194 Abs. 3 Satz 1 StGB). Indes ist der Angeklagte durch den Freispruch nicht beschwert.

 

Änderungen/Ergänzungen des § 153a StPO – (mal wieder) Opferschutz

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Mal wieder etwas aus der Ecke: Was gibt es Neues aus Berlin? Über meinen Jurion-Newsletter bin ich auf die Meldung des Bundestages vom 28.06.2012 gestoßen. Danach hat der Bundestag -bei Enthaltung der Linksfraktion und der Grünen am 28.06.2012 einen Gesetzentwurf des Bundesrates (BT-Drs. 17/1466) zur Stärkung der Täterverantwortung in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (BT-Drs. 17/10164) beschlossen.

Die gesetzlichen Neuregelungen zielen (natürlich/mal wieder) auf einen besseren Opferschutz vor allem bei häuslicher Gewalt. Beschuldigte oder Verwarnte können künftig über staatsanwaltschaftliche oder gerichtliche Weisungen Programmen zugewiesen werden, in denen sie sich mit ihren Taten auseinandersetzen und lernen, für ihr Handeln Verantwortung zu übernehmen und sich selbst zu kontrollieren. Den Beschuldigten kann bei vorläufiger Einstellung des Verfahrens die Teilnahme an einem bis zu einjährigen Programm auferlegt werden. Geändert worden sind u.a. § 153a StPO und das StGB.

In § 153a StPO ist eine neue Nr. 6 eingefügt worden – die Einstellung ist in Zukunft auch unter der Auflage möglich,  „6. an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder“. In dem Fall kann dann das Verfahren bis zu einem Jahr eingestellt werden (§ 153a Abs. 3 S. 1 StPO neu).

Damit korrespondiert eine Änderung in § 59a StGB. Dort ist jetzt in einer neuen Nr. 5 geregelt, dass als Weisung auch aufgegeben werden kann, „„5. an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.“

AG/LG – Deckungsgleiche Taten?

Die Tat, über die das LG im Berufungsverfahren entscheidet sollte schon die sein, die auch Gegenstand des amtsgerichtlichen Urteils gewesen ist. Zu Abweichungen ist es da beim AG Hameln/LG Hannover gekommen:

  • Das AG geht von einem Führen ohne Fahrerlaubnis am 26.10.2010 aus.
  • Das LG geht von einem Führen ohne Fahrerlaubnis am 27.102.2010 aus.

Ergebnis des Revisionsverfahrens beim OLG Celle: Einstellung des Verfahrens wegen der Tat vom 27.10.2010 und Zurückverweisung an das LG. Der OLG Celle, Beschl. v. 28.03.2012 – 32 Ss 36/12 – geht von fehlender Tatidentität aus:

Gemäß § 264 Abs. 1 StPO ist Gegenstand der Urteilsverkündung allein die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt. Wenn sich das Urteil nicht auf die Tat erstreckt, die Gegenstand der Anklage gewesen ist, so führt dies zu einem absoluten Verfahrenshindernis, das vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten ist (vgl. OLG Hamm, NStZ?RR 1997, 139 m. w. N.).

Dies ist hier der Fall. Es fehlt an der Identität der Tat, die Gegenstand des angefochtenen Urteils war, mit derjenigen, die durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Hameln vom 10.06.2010 und dem erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Hameln vom 27.07.2010 bezeichnet ist. Im Strafbefehl wird der Tatort mit „H.“ und die Tatzeit mit dem 26.01.2010 angegeben, im Berufungsurteil bleibt der Tatort offen („der Angeklagte wollte das Fahrzeug nach H. zurückführen“), die Tatzeit wird auf den 27.01.2010 datiert.

Die Gründe des angefochtenen Urteils lassen damit nicht erkennen, ob es sich bei der dort festgestellten Tat um diejenige handelt, die Gegenstand des Strafbefehls und des erstinstanzlichen Urteils war. Zwar kann im Einzelfall auch bei einer Abweichung  der Angaben von Anklageschrift und Urteil zur Tatzeit und/oder zum Tatort die prozessuale Tat noch hinreichend individualisiert werden, dies setzt aber voraus, dass jedenfalls bestimmte Merkmale die Tat weiterhin als einmaliges unverwechselbares Geschehen kennzeichnen und trotz der Abweichungen deutlich wird, dass es sich um dasselbe Geschehen handelt (vgl. BGH NStZ 2002, 659, Rdnr. 6 nach juris; Senat, Urteil vom 12.06.1997, 22 Ss 110/97, NStZ?RR 1997, 367). Jedoch liefern die Feststellungen des angefochtenen Urteils abgesehen vom Tattag, dem Kennzeichen des Kleintransporters sowie der Tatsache, dass der Angeklagte beim Führen dieses Fahrzeugs von der Polizei angehalten wurde, keine weiteren Details. Weder teilt das Urteil mit, ob das Fahrzeug die F. Straße in H. befahren hat, noch, an welcher Stelle der Angeklagte angehalten wurde, als er das Fahrzeug nach H. zurückführen wollte.

Somit bleibt es allein bei dem Kennzeichen des benutzten Fahrzeuges als übereinstimmende Angabe zur Tat im Strafbefehl, im erstinstanzlichen Urteil und im Berufungsurteil. Aus der Angabe dieses Kennzeichens lässt sich unter den konkreten Umständen die Tat aber nicht hinreichend individualisieren. Der Angeklagte ist tätig als Auslieferungsfahrer und bei dieser Gelegenheit soll er die ihm vorgeworfene Tat begangen haben. Ohne nähere Feststellungen liegt deshalb die Annahme fern, er habe das Tatfahrzeug nur ein einziges Mal, nämlich bei der konkreten Tat, benutzt.

Die Argumentation zum Aushilfsfahrer kann mann ggf. auch in anderen Fällen nutzen.

Bobbycar-, Pkw- und Kleideraffäre Wulff: Verfahren in Berlin eingestellt

Die Meldungen über Bundespräsident a.D. Christian Wulff und die Darlehensaffäre, Bobbycar-Affäre, die Leasingkonditionen für einen Pkw und das Kleidersponsoring haben Anfang des Jahres die Medien bewegt. Die deswegen eingeleiteten Strafverfahren haben dann zum Rücktritt des Bundespräsidenten geführt. Inzwischen ist es ruhiger geworden. Jetzt meldet die Tagespresse, dass gegen Christian Wulff eingeleitete Ermittlungsverfahren bei der Berliner Staatsanwaltschaft eingestellt worden ist (vgl. hier Welt-online). In der Meldung heißt es:

„Es seien zwar Vorteile gewährt worden, das Geschehen sei teilweise auch intransparent gewesen, so die Staatsanwaltschaft. Die Firmen hätten aber vorrangig das Ziel verfolgt, die Wulff-Familie als Werbeträger zu nutzen, so die Staatsanwaltschaft.

Es sei nicht darum gegangen, sich politische Einflussnahme zu erkaufen. Es habe keine tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Unrechtsvereinbarung gegeben.

„Offen“ isr damit dann nur noch das Ermittlungsverfahren in Hannover.

 

In der Kürze liegt die Würze – § 154a Abs. 2 StPO nicht übersehen

Das LG verurteilt den Angeklagten wegen Betruges beim Aktenverkauf/-kauf. In den Urteilsgründen hat das LG in einer 103seitigen Tabelle die 662 Geschädigten sowie die Daten und Summen der jeweiligen Aktienkäufe (einzelne Geschädigte erwarben mehrfach Aktien) aufgeführt. Seine Überzeugung hat es auf das „glaubhafte Geständnis“ des Angeklagten gestützt, das es durch die weitere Beweisaufnahme als „bestätigt und ergänzt“ angesehen hat (UA S. 151). Diese weitere Beweisaufnahme hat sich zum einen auf die dominante Stellung des Angeklagten in der Firmengruppe, deren desolate finanzielle Situation ab Anfang 2006 und die Vorgaben des Angeklagten zum Aktienvertrieb erstreckt; zum anderen hat die ermittelnde Polizeibeamtin bekundet, sie habe die „Zahl der Anleger und die Summe der von ihnen geleisteten Zahlungen“, die Gegenstand der Anklage geworden und vom Angeklagten glaubhaft gestanden waren, zusammengestellt.

Der BGH, Beschl. v. 31.01.2012 – 3 StR 285/11 – beanstandet das, weil danach offen bleibe, auf welche Weise sich das LG die Überzeugung davon verschafft hat, dass die 662 Geschädigten zu ihren Aktienkäufen jeweils durch einen dem Angeklagten zuzurechnenden, täuschungsbedingten Irrtum über Tatsachen veranlasst worden sind. An dieser Beurteilung ändere der Umstand, dass dem Urteil eine Verständigung zugrunde gelegen habe, nichts. Die Möglichkeit des Gerichts, sich mit den Verfahrensbeteiligten über das Ergebnis des Verfahrens zu verständigen (§ 257c Abs. 1 Satz 1 StPO), berühre die gerichtliche Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Ermittlung der Wahrheit nicht (§ 257c Abs. 1 Satz 2 StPO).

Soweit so gut – soweit auch nichts Neues. Neu ist auch nicht der Hinweis des BGH am Ende der Entscheidung, aber interessant. Denn:

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Es wird sich empfehlen, den Verhandlungsstoff auf die gravierendsten Anklagevorwürfe zu beschränken (§ 154a Abs. 2 StPO), und diese mit der gebotenen Sorgfalt aufzuklären. Im Falle des Tatnachweises ist eine Strafe in der im angefochtenen Urteil festgesetzten Höhe durchaus auch dann vertretbar, wenn sich der Schuldspruch auf diese Vorwürfe beschränkt. Einer Erstreckung der Verurteilung auf die – eventuellen – Taten zum Nachteil aller 662 Anleger bedarf es hierzu nicht.

Also: Kürzen bzw. in der Kürze liegt die Würze. Am Ergebnis wird sich aber nichts ändern.