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Abziehen im Drogenmilieu, oder: Wenn der ehemalige Vorsitzende nur noch ein „Zweifler“ ist

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Der Kollege Freese aus Heinsberg hat mir gestern das BGH, Urt. v. 17.05.2017 – 2 StR 342/17 – übersandt. Es geht um ein sog. Abziehen im Dogenmilieu.

Im Grunde genommen nichts Besonderes. Das Urteil ist das Ergebnis einer Hautpverhandlung beim BGH, in deren Vorfeld der Kollege und ich korrespondiert hatten. Anlass war mein Posting: Nötigung zur Herausgabe von BtM strafbar?, oder: Auf zum Großen Senat oder „kneift“ der 2. Strafsenat? vom 11.05.2017, also aus der Vorfeld der Hauptverhandlung. Es ging um die Frage, was denn nun wohl mit der Vorlage des BGH im 2. Strafsenat im  BGH, Beschl. v. 01.06.2016 – 2 StR 335/15 zur Frage, ob verkehrsfähige Betäubungsmittel Tatobjekt einer Erpressung sein können, sein würde. Die Frage wollte der 2. Strafsenat – unter „altem Vorsitz“ verneinen, die anderen Senate und dann auch der eigene zweite haben das anders gesehen; kann man alles in dem o.a. Posting nachlesen.

Und dabei bleibt es wohl. Dem 2. Strafsenat ist die Frage schon gar nicht mehr viel Worte wert. Es heißt dazu – bezogen auf Diebstahl und/oder Raub – nur:

„Nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel wie das in Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführte Marihuana können nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fremde bewegliche Sachen und damit Tatobjekt eines Raubes oder eines Diebstahls sein (Senat, Urteil vom 20. Januar 1982 — 2 StR 593/81, BGHSt 30, 359, 360; BGH, Beschluss vom 21. April 2015 —4 StR 92/15, NStZ 2015, 571, 572; Urteil vom 12. März 2015 —4 StR 538/14, StraFo 2015, 216; Urteil vom 4. September 2008 —1 StR 383/08, NStZ-RR 2009, 22, 23; Beschluss vom 20. September 2005 — 3 StR 295/05, NJW 2006, 72 f.; SSW-StGB/Kudlich, 3. Aufl., § 242 Rn. 16; zweifelnd Fischer, StGB, 64. Aufl., § 242 Rn. 5a). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat fest.“

Die eigene (?) Vorlage zur Erpressung wird mit keinem Wort mehr erwähnt. Und der ehemalige Vorsitzende ist nur noch ein Zweifler. So schnell kann es gehen.

Die Passage wäre im Übrigen m.E. nicht nötig gewesen. Denn Raub lag hinsichtlich der 10 EUR und des Schlüsselbundes so oder so vor. Da kam es auf die 10 Gramm Amphetamin gar nicht mehr an.

„Kann ich mal telefonieren“, oder: Das „ertrogene“ Mobiltelefon 2.0

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Ich hatte neulich über den BGH, Beschl. v. 02.08.2016 – 2 StR 154/16 – dazu: Das „ertrogene“ Mobiltelefon,, oder: Klassiker: Betrug oder Diebstahl? – berichtet. Und dazu passt dann das BGH, Urt. v. 12.10.2016 – 1 StR 402/16 – mit einem ähnlichen Sachverhalt und einer ähnlichen Problematik:

Das LG geht von folgende Feststellungen aus:

„In der Nacht vom 30. auf den 31. Oktober 2015 trafen sich der Angeklagte und der Geschädigte M. an einem N. U-Bahnhof. Sie kamen miteinander ins Gespräch, in dessen Rahmen der Angeklagte den Geschädigten bat, ihm dessen Mobiltelefon für ein Gespräch zu überlassen. Tatsächlich wollte der Angeklagte aber gar kein Gespräch mit dem Telefon führen, ihm kam es nur darauf an, das Telefon ausgehändigt zu bekommen. Der Geschädigte glaubte dem Vorwand des Angeklagten und reichte ihm sein Telefon, nachdem er seine eigene SIM-Karte herausgenommen und eine ihm vom Angeklagten übergebene SIM-Karte eingelegt hatte. Er ging irrtümlich davon aus, dass der Angeklagte ihm das Telefon nach dem Telefonat wieder zurückgeben wollte.

Der Angeklagte nahm das Mobiltelefon entgegen und hielt es – etwa ein bis zwei Armlängen von dem Geschädigten entfernt stehend – in seiner Hand fest. Nunmehr fiel ein vom Angeklagten mitgeführtes Mobiltelefon zu Boden. In dem Moment drehte sich der Angeklagte um und rannte mit dem Telefon des Geschädigten für diesen völlig überraschend davon. Der Geschädigte nahm die Verfolgung des Angeklagten auf. Als dieser nach etwa 100 m zurück blickte und den hinter ihm her laufenden Geschädigten bemerkte, zog er ein in seiner Ja-ckentasche mitgeführtes Messer mit einer feststehenden Klinge von 15 cm her-aus und hielt dieses für den nunmehr nur noch 50 m entfernten Geschädigten sichtbar hoch, um ihn von der weiteren Verfolgung abzuhalten. Der Geschädigte ließ sich aber nicht von der Verfolgung des Angeklagten abhalten; ihm gelang es schließlich, die Polizei auf den flüchtenden Angeklagten aufmerksam zu machen. Diese konnte den Angeklagten festnehmen.“

Das LG hat u.a. wegen vollendeten Betruges verurteilt. Der BGH sieht das anders:

„2. Die Bewertung des rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhalts als Betrugin Tateinheit mit Nötigung kann allerdings keinen Bestand haben.

a) Die Würdigung des Landgerichts geht für die Abgrenzung von Diebstahl und Betrug von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab aus, indem es allein auf das äußere Erscheinungsbild der Übergabe des Mobiltelefons abstellt und deswegen darin eine Vermögensverfügung des Geschädigten sieht. Es nimmt nicht in den Blick, dass in Fällen, in denen sich der Täter, eine Sache durch Täuschung verschafft – wie hier unter dem Vorwand, nur ein Telefonat führen zu wollen und das Telefon dann zurückzugeben –, für die Abgrenzung von Wegnahme (§ 242 StGB) und Vermögensverfügung (§ 263 StGB) auch die Willensrichtung des Getäuschten und nicht nur das äußere Erscheinungsbild des Tatgeschehens maßgebend ist (BGH, Urteile vom 16. Januar 1963 – 2 StR 591/62, BGHSt 18, 221, 223; vom 9. April 1968 – 1 StR 650/67, JZ 1968, 637; vom 23. Juni 1965 – 2 StR 12/65, GA 1966, 212 und vom 17. Dezember 1986 – 2 StR 537/86, BGHR StGB § 242 Abs.1 Wegnahme 2; Beschluss vom 2. August 2016 – 2 StR 154/16).

Betrug liegt vor, wenn der Getäuschte aufgrund freier, nur durch Irrtum beeinflusster Entschließung Gewahrsam übertragen will und überträgt (vgl. BGH, Urteile vom 9. April 1968 – 1 StR 650/67, JZ 1968, 637 und vom 23. Juni 1965 – 2 StR 12/65, GA 1966, 212). In diesem Fall wirkt sich der Gewahrsamsübergang, dem ein Handeln, Dulden oder Unterlassen zu Grunde liegen kann, unmittelbar vermögensmindernd aus. Diebstahl ist gegeben, wenn die Täuschung lediglich dazu dienen soll, einen gegen den Willen des Berechtigten gerichteten eigenmächtigen Gewahrsamsbruch des Täters zu ermöglichen oder wenigstens zu erleichtern (BGH, Urteile vom 13. März 1951 – 1 StR 20/51 und vom 17. Dezember 1986 – 2 StR 537/86, BGHR StGB § 242 Abs.1 Wegnah-me 2; Vogel in LK, StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 120). Von der Vorschrift des § 242 StGB werden insbesondere auch solche Fallgestaltungen erfasst, in denen der Gewahrsamsinhaber mit der irrtumsbedingten Aushändigung der Sa-che eine Wegnahmesicherung aufgibt, gleichwohl aber noch zumindest Mitgewahrsam behält, der vom Täter gebrochen wird. Vollzieht sich der Gewahrsamsübergang mithin in einem mehraktigen Geschehen, so ist die Willensrichtung des Getäuschten in dem Zeitpunkt entscheidend, indem er die tatsächliche Herrschaft über die Sache vollständig verliert (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1986 – 2 StR 537/86, BGHR StGB § 242 Abs. 1 Wegnahme 2; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Dezember 1989 – 2 Ss 415/89, NJW 1990, 923; Beschluss vom 2. August 2016 – 2 StR 154/16). Um diesen Zeitpunkt des vollständigen Verlustes der Sachherrschaft bestimmen zu können, bedarf es der Berücksichtigung des äußeren Erscheinungsbildes der Tat.
b) Nach diesen Maßgaben kann der Ansicht des Landgerichts, mit der Übergabe des Mobiltelefons sei eine Vermögensverfügung eingetreten, da der Geschädigte jede Zugriffsmöglichkeit verliere, auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts nicht gefolgt werden. Denn diese Wertung lässt unberücksichtigt, dass der Geschädigte das Mobiltelefon dem neben ihm stehenden Angeklagten nur für kurze Zeit überließ, damit dieser ein Gespräch führen könne und es ihm sodann zurückgeben werde. Dass unter diesen Voraussetzungen der Geschädigte gegen seinen Willen die tatsächliche Herrschaft über die noch in seiner unmittelbaren Nähe befindlichen Sache vollständig verloren haben könnte, ist ohne das Hinzutreten besonderer Umstände (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 8. März 1988 – 5 StR 532/87, NStZ 1988, 270) regelmäßig mit den maßgeblichen Anschauungen des täglichen Lebens nicht vereinbar (vgl. BGH, Urteile vom 13. März 1951 – 1 StR 20/51; vom 23. Juni 1965 – 2 StR 12/65, GA 1966, 212; vom 9. April 1968 – 1 StR 650/67, JZ 1968, 637 und vom 19. Juni 1973 – 1 StR 202/73, bei Dallinger MDR 1974, 15; Beschluss vom 15. Septem-ber 1987 – 1 StR 460/87, BGHR StGB § 242 Abs. 1 Gewahrsam 2 mwN; Vogel in LK, StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 73, 88). Denn die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit wird unter den obwaltenden Umständen allein durch die Aufgabe der Sicherung, die darin liegt, die Sache unmittelbar bei sich zu tragen, noch nicht entzogen. Wie auch das Landgericht – angesichts der räumlichen Verhältnisse naheliegend – in Rechnung stellt, konnte der Geschädigte nach der Übergabe, aber vor dem Weglaufen des Angeklagten bei „freiwilliger oder erzwungener Mitwirkung des Empfängers oder mit körperlicher Gewalt wieder auf die Sache zugreifen“. Der fortdauernde Sachherrschaftswille ergibt sich aus der Vorstellung, das Telefon „unverzüglich“ zurückzuerhalten und wird durch das festgestellte weitere Verhalten des Geschädigten belegt. Anhaltspunkte dafür, dass der Geschädigte aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, die Sachherrschaft seinem Willen gemäß auszuüben, was nach den Um-ständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (BGH, Urteile vom 29. September 1953 – 1 StR 254/53, LM § 242 StGB Nr. 11 und vom 11. Juni 1965 – 4 StR 276/65, GA 1966, 244; Beschluss vom 8. März 1988 – 5 StR 532/87, NStZ 1988, 270; OLG Köln, Urteil vom 20. März 1973 – Ss 279/72, MDR 1973, 866 f.), sind nicht ersichtlich und liegen nach der anschließenden Verfolgung auch fern.

c) Es kommt nicht darauf an, ob auch der Angeklagte schon durch die Entgegennahme des Mobiltelefons ein Gewahrsamsverhältnis begründete. Angesichts der Gegebenheiten im vorliegenden Fall kann es sich allenfalls um die Erlangung von Mitgewahrsam Übertragung von Mitgewahrsam ist jedoch noch keine Vermögensverfügung; sie bewirkt keinen unmittelbaren Vermögensschaden, sondern lediglich eine Gewahrsamslockerung, die darin zu sehen ist, dass sich der Berechtigte der alleinigen Sachherrschaft begeben hat und nicht mehr in demselben Maße auf sie einwirken kann wie zuvor (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1986 – 2 StR 537/86, BGHR StGB § 242 Abs. 1 Wegnahme 2; BayObLG, Beschluss vom 11. Februar 1992 – RReg. 2 St 245/91, JR 1992, 519 m. Am. Graul; Vogel in LK, StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 119).

d) Seinen Mitgewahrsam hatte der Geschädigte erst in dem Moment verloren, als der Angeklagte mit dem Telefon davongelaufen ist. Dieses Verhalten entsprach aber nicht mehr dem Willen des Geschädigten. Es handelte sich um einen eigenmächtigen Vorgang des Nehmens und nicht um ein Geben.“

Lehrbuch 2.0 🙂 .

Der Diebstahl nach einer Vergewaltigung ist kein Raub…

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„Der Diebstahl nach einer Vergewaltigung ist kein Raub…“. Das ist die Kern- bzw. die auf den Punkt gebrachte Aussage des BGH, Beschl. v. 28.07.2015 – 2 StR 109/15. Das LG hatte den Angeklagten wegen wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Raub und Körperverletzung zu  verurteilt. Grundlage war ein Tatgeschehen, bei dem der Angeklagte mit der Nebenklägerin gegen deren Willen den Geschlechtsverkehr vollzogen hatte. Anschließend entwendete der Angeklagte u.a. das Mobiltelefon der Nebenklägerin. Das LG ist davon ausgegangen, dass die Tat eine Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung sei. Die Wegnahme des Mobiltelefons und des Tablets hat es als einen tateinheitlich begangenen Raub gewertet.

Der BGH hebt auf:

„Der Raubtatbestand erfordert eine finale Verknüpfung zwischen dem Nötigungsmittel und der Wegnahme fremder Sachen. Daher genügt es nicht, wenn der Einsatz des Nötigungsmittels nicht zum Zweck der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss, dem Opfer eine Handlung abzunötigen, erst nach der Gewaltanwendung fasst. Zwar kann ein Raub auch vorliegen, wenn die Gewaltanwendung zum Zeitpunkt des Entschlusses zur Wegnahme als aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung fortwirkt, der Täter diese Situation erkennt und bewusst zum Zweck der Wegnahme ausnutzt (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 1995 – 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 124; Urteil vom 27. Mai 1982 – 4 StR 181/82, NStZ 1982, 380, 381). Jedoch ist eine solche konkludente Drohung den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.“

2. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung aussagekräftige Beweise für die Annahme eines Raubs gefunden werden können. Er ändert deshalb den Schuldspruch dahin ab, dass hinsichtlich der Wegnahme von Sachen der Nebenklägerin durch den Angeklagten nur Diebstahl vorliegt. Dieser bildet gegenüber der Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung eine rechtlich selbständige Handlung, weil er auf einem neuen Tatentschluss beruht und – anders als der vom Landgericht aufgrund derselben qualifizierten Nötigungshandlung angenommene Raub – im objektiven Tatgeschehen nicht mit der vorangegangenen Tat verknüpft ist. Besondere Umstände, aus denen sich eine natürliche Handlungseinheit ergeben könnte, hat das Landgericht nicht festgestellt.“

Diebstahl und Unterschlagung geht nicht, aber: Außer Spesen nichts gewesen

entnommen openclipart.org

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Viele BGH-Entscheidungen sind für die Praxis interessant. Zwar enthalten sie nicht immer bahnbrechend Neues, aber sie rücken häufig doch die ein oder andere Frage, die in der Praxis von Bedeutung ist/sein kann, wieder in den Fokus. So der BGH, Beschl. v. 09.06.2015 – 3 StR 113/15. Und der gleich in doppelter Hinsicht, nämlich sowohl wegen einer materiell-rechtlichen Fragestellung als auch wegen einer verfahrensrechtlichen Problematik. Zunächst zu der materiell-rechtlichen Problematik, die verfahrensrechtliche folgt dann nachher.

Das LG hat die Angeklagten jeweils wegen schweren Raubes in zwei Fällen sowie wegen Diebstahls in Tateinheit mit Unterschlagung verurteilt. Festgestellt worden ist, dass die Angeklagten und der ein weiterer Mitangeklagter, der nicht Revision eingelegt hat, übereingekommen waren, einen Raubüberfall auf die Tankstelle vorzutäuschen, bei der der Mitangeklagate Angestellter war. Die den vorgetäuschten Überfall ausführenden Angeklagten R. und H. entwendeten in erheblichem Umfang Zigaretten aus den Regalen der Tankstelle und nahmen im Einverständnis mit dem Mitangeklagten die Wechselgeldkasse mit, die 350 € Bargeld enthielt.

Der BGH beanstandet den Schuldspruch, soweit die Angeklagten tateinheitlich zu der rechtlich zutreffenden Verurteilung wegen Diebstahls auch der Unterschlagung schuldig gesprochen worden sind:

b) Zwar ist die Annahme nicht zu beanstanden, dass der Nichtrevident B. , der als Angestellter während der Dauer seiner Schicht verantwortlich fürdie Wechselgeldkasse war, als Kassenverwalter Alleingewahrsam an dem in der Kasse befindlichen Bargeld hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 19883 StR 115/88, BGHR StGB § 246 Abs. 1 Alleingewahrsam 1 mwN) und dassdeshalb insoweit – anders als hinsichtlich der durch die gleiche Tat erbeuteten Zigaretten – eine Verurteilung wegen Diebstahls mangels Gewahrsamsbruchs nicht in Betracht kommt. Der Verurteilung auch wegen Unterschlagung steht indes die Subsidiaritätsklausel des § 246 Abs. 1 StGB entgegen, nach der dieser Tatbestand zurücktritt, wenn der Täter sich durch die Tat zugleich auchnach einer anderen Vorschrift strafbar gemacht hat und diese nach der im konkreten Fall anzuwendenden gesetzlichen Strafdrohung eine Höchststrafe von mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe vorsieht (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2014 – 3 StR 188/14, juris Rn. 2). Dies ist hier der Fall, weil die Höchststrafe des durch dieselbe Tat verwirklichten Tatbestands des Diebstahls (an den Zigaretten) gemäß § 242 Abs. 1 StGB fünf Jahre Freiheitsstrafe beträgt.

Aber: Außer Spesen – nämlich Änderung des Schuldspruchs – nichts gewesen, denn:

c) Die Änderung der Schuldsprüche lässt die in diesem Fall verhängten Einzelstrafen unberührt. Das Landgericht hat in der Strafzumessung ausdrücklich nicht straferschwerend berücksichtigt, dass die Angeklagten tateinheitlich zu dem Diebstahl noch eine Unterschlagung begangen hätten.“

Wie gesagt: Nichts Bahnbrechendes, aber als kleine Erinnerung dann doch mal wieder ganz nett. Und ggf. kann es ja auch für die Strafzumessung Auswirkungen haben.

Das hätte für drei Aufhebungen gereicht….

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Es war „nur“ eine Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls (§§ 242, 243 StGB), die  dem OLG Dresden, Beschl. v. 12.03.2015 – 2 OLG 22 Ss 14/15 – zugrunde gelegen hat. Also amtsgerichtliches Alltagsgeschäft. Aber das OLG listet in seinem Beschluss drei große Kritikpunkte an der zu überprüfenden amtsgerichtlichen Entscheidung des AG Chemnitz auf. Und das sind:

1. Keine ausreichenden Feststellungen zur Wegnahmehandlung enthalten.

„Den Darlegungen im angefochtenen Urteil kann nicht entnommen werden, ob die Diebstahlshandlungen jeweils vollendet wurden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe in vollem Umfang geständig war. Es wird lediglich mitgeteilt, dass er die Waren „entwendet“ habe, um sie ohne Bezahlung für sich zu behalten. Der tatsächliche „Entwendungs“vorgang wird allerdings nicht geschildert. Damit aber ist das Tatbestandsmerkmal der Wegnahme im Sinne des § 242 Abs. 1 StGB nicht belegt. Wegnahme bedeutet Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams. Die rudimentären Urteilsgründe lassen diesbezüglich nicht die Beurteilung zu, ob der bisherige Gewahrsam des Berechtigten aufgehoben worden oder ob es lediglich zu einer bloßen Gewahrsamslockerung gekommen war.“

2. Fehler 1 bei der Strafzumessung:

Der Urteilsbegründung kann allerdings schon nicht zweifelsfrei entnommen werden, ob das Amtsgericht bereits das gesetzliche Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB („durch eine Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesicherte Sache“) für erfüllt angesehen hat (was rechtlich fehlerhaft wäre), oder ob es die Taten aus allgemeinen Gesichtspunkten – außerhalb des Regelbeispielkatalogs – als „besonders schwer“ gewertet hat. Denn einerseits (UA S. 4; Pkt. IV. 1. Absatz) führt das Amtsgericht aus, der Angeklagte habe sich „des Diebstahls…gemäß §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB“ schuldig gemacht. Andererseits wertet es den Einsatz des Magneten zum Lösen der Sicherheitsetiketten als Ausdruck „erkennbar erhöhter krimineller Energie“, die deshalb den „Unwertgehalt dieser Tat dem in den Regelbeispielen des § 243 Abs. 1 S. 2 StGB erfassten Unwertgehalt vergleichbar“ erscheinen ließe (UA S. 5, Pkt. IV. letzter Absatz).“

Diese offene Ambivalenz in den Urteilsgründen ist rechtsfehlerhaft.

aa) Rechtlich nicht haltbar wäre es, bereits das in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB gesetzlich aufgeführte Regelbeispiel für erfüllt anzusehen.

Voraussetzung für die indizierte Strafschärfung ist es, dass eine Schutzvorrichtung überwunden wird, welche nach ihrer Zweckbestimmung gerade den Gewahrsam des Berechtigten gegen den Bruch durch einen Unbefugten sichern soll. Danach darf der Gewahrsamsbruch bei Wirksamwerden der Schutzvorrichtung noch nicht vollendet sein. Mit Recht verweist die Revision darauf, dass elektronische Sicherungsetiketten diesen Schutz nicht gewähren. Denn sie dienen nicht dem Schutz gegen einen Gewahrsamsbruch, sondern nur der Wiedererlangung des bereits an den Täter verlorengegangenen Gewahrsams durch Ergreifen des Berechtigten oder seiner Hilfspersonen (OLG Stuttgart NStZ 1985, 385; OLG Frankfurt/Main MDR 1993, 671 [672]; Ruß in LK, StGB, 11. Auflage, § 243 Rdnr. 19; KG Berlin, Beschluss vom 04. Februar 1998 – (4) 1 Ss 209/97 (135/97) -, Rdnr. 7, zitiert nach juris).

3. Fehler 2 bei der Strafzumessung

Das Amtsgericht meint, die Verhängung der drei kurzen Freiheitsstrafen von zweimal drei und einmal vier Monaten sei unerlässlich, weil der Angeklagte „sich auch durch vorhergehende Verurteilungen nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten ließ“ (UA S.5 Pkt. V. 5. Absatz). Dies reicht zur Begründung nicht aus, selbst wenn das Urteil formal den Terminus „unerlässlich“ gebraucht……

Das Amtsgericht sieht vorliegend die besonderen Umstände ersichtlich in der Persönlichkeit des Angeklagten begründet, weil es darauf abstellt, dass sich der Angeklagte „auch durch vorhergehende Verurteilungen nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten ließ“ (UA S.5 Pkt. V. 5. Absatz). Das Vorliegen der Ausnahmevorschrift darf jedoch nicht schematisch auf das Vorliegen einschlägiger Vorstrafen gegründet werden (vgl. KG Beschluss vom 16. Juni 1997 – 5-12/97 -). Dies umso mehr, als die Sachverhalte der früheren Verurteilungen nicht näher dargelegt werden. Überdies weist der in den Urteilsgründen mitgeteilte Auszug aus dem Bundeszentralregister lediglich zwei vorangegangene Ahndungen – eine Geldstrafe von 5 Tagessätzen wegen Leistungserschleichung (Urteil des Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal vom 24. Juli 2012) und eine Gesamtgeldstrafe von 45 Tagessätzen wegen Diebstahls (Beschluss nach § 460 StPO des Amtsgericht Zwickau vom 16. Oktober 2013) – aus. Soweit das angefochtene Urteil auf das dieser Gesamtgeldstrafe zugrundeliegende Urteil des Amtsgerichts Zwickau vom 23. März 2013 abstellt (UA S. 5, Pkt V. 3. Absatz), verkennt es, das diese Entscheidung durch den nachgefolgten Gesamtstrafenbeschluss vom 16. Oktober 2013 rechtlich nicht mehr selbständig existent war. Dass angesichts dessen, dass gegen den Verurteilten zuletzt im Februar 2014 eine Jugendstrafe verhängt worden war, nunmehr für die zeitlich davor liegenden verfahrensgegenständlichen Taten die Verhängung einer Freiheitsstrafe unerlässlich war, liegt ebenfalls nicht ohne weiteres auf der Hand. Es hätte deshalb umfassenderer Darlegungen bedurft, worauf das Amtsgericht seine Annahme gründet, eine Geldstrafe sei nicht mehr vertretbar und mit Sicherheit zur Abschreckung nicht mehr ausreichend gewesen. Solche Erörterungen erübrigten sich auch nicht deshalb, weil etwa aufgrund besonderer Umstände in der Tat die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe derart nahegelegen hätte.“

Das alles hätte für mindestens drei Aufhebungen gereicht. M.E. aber nichts Besonderes, sondern alles amtsrichterliches Einmal-Eins, das man wissen/kennen sollte.