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Versuch III: Versuch durch Verstecken der Beute zur späteren Mitnahme?, oder: „…..jetzt geht es los?“

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Und als dritte Entscheidung zum Versuch stelle ich dann den OLG Dresden, Beschl. v. 28.05.2020 – 2 OLG 22 Ss 369/20 – vor, den mit der Kollege Windisch aus Zwickau geschickt hat.

Das LG hat den Angeklagten auf der Grundlage folgender Feststellungen wegen Versuchs des Diebstahls verurteilt:

„Das Landgericht hat festgestellt, dass sich der Angeklagte am 28. Juli 2018 durch Übersteigen des Zaunes auf das umzäumte Werksgelände der Kommunalentsorgung Chemnitzer Land GmbH (KECL) in Glauchau begeben hatte, um dort nach stehlenswerten Sachen zu suchen. Aus einem Container mit Elektroschrott entnahm er diverse Bauteile (Computer, Beleuchtung, Flachbildmonitor u.a.) mit einem wirtschaftlichen Gesamtwert von nicht mehr als 25,- € und legte die Gegenstände unter einer im hinteren Bereich des Werksgeländes gelegenen Überdachung für eine spätere Mitnahme bereit. Zu dieser kam es nicht mehr, weil der Angeklagte von Beamten der herbeigerufenen Polizei noch auf dem Gelände festgenommen wurde.“

Das OLG hat das anders gesehen und den Angeklagten auf dessen Revision hin frei gesprochen:

„1. Das festgestellte Tatgeschehen erfüllt nicht die Voraussetzungen eines versuchten Diebstahls gemäß §§ 242 Abs. 1 und Abs. 2, 243 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB. Es fehlt an einem unmittelbaren Ansetzen zum Versuch im Sinne des § 22 StGB. Die Handlung des Angeklagten ist lediglich als straflose Vorbereitungshandlung zu bewerten.

a) Nach § 22 StGB versucht eine Straftat, wer nach seiner Tatvorstellung zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt. Der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmales bedarf es hierfür nicht.

Es genügt vielmehr, dass der Täter solche Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Merkmals des gesetzlichen Tatbestandes vorgelagert sind und unmittelbar in die tatbestandliche Handlung einmünden (vgl. BGH, MDR 1979, 152; NStZ 1993, 133; NStZ 1993, 398; NStZ 2001, 415; NStZ 2006, 331; NStZ 2008, 209; NStZ 2014, 447; NJW 2014, 1463; NJW 2014, 1463; KG, BeckRS 2013, 00392); OLG Hamm, BeckRS 2009, 24585). Der Versuch einer Straftat erstreckt sich damit auch auf Gefährdungshandlungen, die nach der Vorstellung des Täters in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen (vgl. BGH, a.a.O., sowie NStZ 1986, 20; NStZ 1987, 20; NStZ 1989, 473; NStZ 1993, 289; wistra 2008, 105; KG, a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.).

Für die Annahme eines versuchten Diebstahls kommt es deshalb darauf an, ob der Täter bereits im Sinne des § 22 StGB unmittelbar zum Gewahrsamsbruch angesetzt hat (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; Eser/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 242 Rdnr. 68). Voraussetzung ist, dass er subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und der Täter objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht (vgl. BGH, a.a.O., sowie NStZ 1999, 395; KG, a.a.O.).

b) Angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen bedürfen diese abstrakt-generellen Maßstäbe zur Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium stets einer wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles. Hierbei können etwa der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird, oder die Dichte des Tatplans Bedeutung gewinnen (vgl. BGH, NStZ 2006, 331; NJW 2014, 447; KG, BeckRS 2013, 00392).

Auch sind bei der Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium die strukturellen Besonderheiten des jeweiligen Tatbestandes zu berücksichtigen. Die Feststellung allein, dass der Täter durch seine Tatbeiträge eine objektive Gefahr für das anzugreifende Rechtsgut begründet hat, genügt für die Annahme eines unmittelbaren Ansetzens zum Versuch nach § 22 StGB nicht (vgl. BGH, NStZ 1986, 20; NStZ 1987, 20; NStZ 1989, 473).

c) Nach diesen Maßstäben hatte der Angeklagte noch nicht unmittelbar zum Versuch eines Diebstahls – insbesondere zu einem Gewahrsamsbruch – im Sinne des § 22 StGB angesetzt, als er von der Polizei gestellt und hierdurch an einer weiteren Umsetzung seines Tatplanes gehindert wurde.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen weder subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten, noch war er bei der Umsetzung seines Tatplanes objektiv so weit fortgeschritten, dass sein Tun ohne wesentliche Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergehen konnte. Hierzu hätte es vielmehr noch eines weiteren Willensimpulses bedurft.

Indem der Angeklagte die Elektroschrottgeräte aus dem Container nahm und sie unter die Überdachung im hinteren Bereich des Werksgeländes verbrachte, hatte er den Gewahrsam der Berechtigten noch nicht gebrochen.

Gewahrsam ist die von einem Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft. Für die Beurteilung kommt es entscheidend auf die Anschauungen des täglichen Lebens und die Verkehrsauffassung an (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 1971, Az. 1 StR 461/70, juris; BGHSt 16, 271; BGH, NJW 1968, 662; NStZ 2014, 40; OLG Düsseldorf, NJW 1988, 1335; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2005, 140). Gewahrsamsbruch ist die gegen oder ohne den Willen des Gewahrsamsinhabers erfolgende Aufhebung der tatsächlichen Sachherrschaft (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922; OLG Hamm a.a.O.; OLG Karlsruhe, a.a.O.).

Das bloße Bereitstellen oder Bereitlegen einer Sache innerhalb der Sphäre des Gewahrsamsinhabers zum späteren Abtransport reicht in der Regel weder zur Entziehung des Gewahrsams des Berechtigten (Gewahrsamsbruch), noch zur Gewahrsamserlangung des Täters (Begründung eigenen Gewahrsams) aus. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Sache versteckt, die endgültige Erlangung aber noch mit Schwierigkeiten, etwa dem Überwinden eines weiteren Hindernisses, verbunden ist (vgl. BGH, NJW 1955, 71 [Mauer]). Versteckt der Täter die Sache zunächst innerhalb des Herrschaftsbereiches des Gewahrsamsinhabers, um sie bei späterer Gelegenheit mitzunehmen, so kommt es darauf an, ob nach den Umständen des konkreten Einzelfalles die Zugriffsmöglichkeit des Gewahrsamsinhabers durch das Verbergen tatsächlich schon vereitelt bzw. aufgehoben ist und der spätere Abtransport nur noch der endgültigen Sicherung einer tatsächlich schon erlangten Sachherrschaft des Täters darstellt (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; LG Potsdam, NStZ 2007, 336; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 242 Rdnr. 19).

aa) Die Überdachung auf dem Werksgelände ist der Gewahrsamssphäre des Berechtigten zuzuordnen. Die Elektroteile befanden sich dort zwar nicht an dem durch den Berechtigten für sie vorgesehenen Platz (Container). Die Zugriffsmöglichkeit des Berechtigten war aber durch das Verbringen der Gegenstände unter das Dach weder schon tatsächlich vereitelt noch aufgehoben. Auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Gewahrsam einen so genannten Beherrschungswillen des Berechtigten voraussetzt, lag in dem Verbringen der Gegenstände unter das Dach noch kein Gewahrsamsbruch. Für die Annahme eines solchen Beherrschungswillens reicht nämlich ein genereller Sachbeherrschungswille hinsichtlich sämtlicher Gegenstände innerhalb der Sphäre des Berechtigten ohne aktuelles Bewusstsein aus (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; Eser/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 242 Rdnr. 30; Vogel in LK-StGB, 12. Aufl., § 242 Rdnr. 71). Dieser erstreckte sich auf sämtliche Gegenstände auf dem Werksgelände und zwar unabhängig davon, wo sie lagern.

bb) Zudem befanden sich die Gegenstände nach den Feststellungen des Landgerichts zu keinem Zeitpunkt in einer so genannten Gewahrsamsenklave des Angeklagten. Eine solche wird angenommen, wenn der Täter kleine Gegenstände innerhalb der Sphäre des Berechtigten in seine Kleidung oder in eine mitgebrachte Tasche steckt (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2015 – 2 OLG 22 Ss 14115 -, juris, Rdnr. 6 m.w.N.; OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922), auch wenn er die mitgebrachte Tasche bis zur späteren Abholung in der fremden Gewahrsamssphäre zurücklässt (vgl. OLG Hamm a.a.O.).

Verbringt ein Täter dagegen handliche Elektrogeräte oder -teile lediglich an einen anderen Ort auf dem Gelände des Geschädigten, wird hierdurch mangels Gewahrsamsraums des Täters als Gewahrsamserwerbers sowie mangels einer damit einhergehenden engen Beziehung zur Sache noch keine Gewahrsamsenklave begründet, selbst wenn er die Sachen versteckt (vgl. OLG Hamm a.a.O.). So liegt der Fall hier. Das Dach, unter dem der Angeklagte die in Aussicht genommene Tatbeute zwischenlagerte, ist nicht als Gewahrsamsraum anzusehen, der dem Angeklagten zuzuordnen wäre.

cc) Auch ein Gewahrsamsbruch nach dem sozial-normativ geprägten Gewahrsams-begriff, auf den teilweise ergänzend abgestellt wird (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2005, 140), scheidet aus. Gewahrsam an einer Sache hat danach derjenige, in dessen Tabubereich sich die Sache befindet. Der Bruch fremden Gewahrsams setzt nach diesem Verständnis voraus, dass die fremde Sache aus der generellen Gewahrsamssphäre, dem Tabubereich, des bisherigen Gewahrsalmsinhabers fort-geschafft wurde, in den Tabubereich eines anderen verbracht worden ist und die Rückgewinnung des Gewahrsams durch den bisherigen Inhaber deshalb sozial auffällig und rechtfertigungsbedürftig wäre (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.).“

Wie im Lehrbuch 🙂

StGB I: Handy gefunden/geklaut?, oder: Klassiker Abgrenzung Diebstahl/Fundunterschlagung

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Heute dann mal wieder ein Tag des materiellen Rechts, also StGB.

Und ich eröffne mit dem BGH, Beschl. v. 14.04.2020 – 5 StR 10/20 -, der einen Klassiker zum Gegenstand hat, nämlich die Abgrenzung von Diebstahl (§ 242 StGB) und Fundunterschlagung (§ 246 StGB). Das LG hatte den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt zur Änderung des Schuldspruchs auf Unterschlagung, zu mehr aber nicht:

„1. Nach den Feststellungen des Landgerichts begegneten der Angeklagte und der freigesprochene Mitangeklagte H. am 1. März 2019 kurz nach Mitternacht auf der Straße dem Geschädigten. Nachdem dieser den Angeklagten gefragt hatte, ob er – der Angeklagte – ihm Drogen verkaufe, kam es aus nicht näher bekanntem Anlass zu einem Gerangel, bei dem niemand verletzt wurde. Im Zuge der Auseinandersetzung entschied sich der Geschädigte zu fliehen, dabei „verlor“ er „von ihm selbst zunächst unbemerkt“ sein Mobiltelefon im Wert von etwa 20 Euro. Dem Geschädigten war bei der Flucht klar, dass er Hab und Gut am Ereignisort zurückgelassen hatte und beschloss schon zu diesem Zeitpunkt, später zurückzukehren und die Sachen wieder an sich zu nehmen. Der Angeklagte und sein Begleiter setzten zunächst ihren Weg fort. Als sie auf ihrem Rückweg am Ort des Geschehens vorbeikamen, „fand“ der Angeklagte das Mobiltelefon des Geschädigten und entschloss sich, dieses an sich zu nehmen, um es für sich zu behalten.

2. Das Landgericht hat das Tatgeschehen als Diebstahl bewertet. Es liege nicht lediglich eine Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 StGB vor, da der Gewahrsam des Geschädigten nur gelockert gewesen sei. Denn dieser habe gewusst, dass er das Mobiltelefon am Tatort zurückgelassen hatte, und von vornherein beabsichtigt zurückzukehren und es wieder an sich zu nehmen.

3. Dieser Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Angeklagte hat bei der Ansichnahme des Mobiltelefons keinen für die Erfüllung des Diebstahltatbestandes vorausgesetzten fremden, auch keinen gelockerten Gewahrsam gebrochen.

Gewahrsam ist die von einem Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft. Ein einmal begründeter Gewahrsam besteht fort, solange der Gewahrsamsinhaber noch Einwirkungsmöglichkeiten auf die Sache hat. Entscheidend für die Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft ist, dass der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben kann (BGHSt 16, 271, 273; BGH, Urteil vom 6. März 2019 – 5 StR 593/18, NStZ 2019, 613, 614)

und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen. Ob die tatsächliche Sachvorherrschaft vorliegt bzw. wer sie innehat, bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls und den Anschauungen des täglichen Lebens (BGH, Beschluss vom 9. Januar 2019 – 2 StR 288/18, juris Rn. 5; Beschluss vom 21. März 2019 – 3 StR 333/18, NStZ 2019, 726, 727).

Gemessen daran hatte der Geschädigte hier zum Zeitpunkt der Mitnahme des Mobiltelefons durch den Angeklagten keinen Gewahrsam. Dieser war nicht am Ort des Geschehens und so tatsächlich nicht in der Lage, auf das im öffentlichen Raum liegende Mobiltelefon einzuwirken. Vielmehr konnte der Angeklagte ungehindert das Mobiltelefon an sich nehmen.

Zwar kann der Gewahrsam in gelockerter Form fortbestehen, etwa dann, wenn der Gewahrsamsinhaber durch eine Täuschung veranlasst scheinbar kurzfristig einen Gegenstand an den Täter übergibt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 – 1 StR 402/16, BGHR StGB § 242 Abs. 1, Wegnahme 16; BGH, Beschluss vom 24. April 2018 – 5 StR 606/17, juris; BGH, Beschluss vom 13. November 2019 – 3 StR 342/19, juris) oder eine räumliche Entfernung vorliegt, wenn beispielsweise ein Landwirt Geräte auf dem Feld zurücklässt (BGHSt 16, 271, 273; vgl. auch Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 242 Rn. 26; SSW-Kudlich, StGB, 4. Aufl., § 242 Rn. 19). Anderes gilt jedoch, wenn der Gegenstand – wie hier – in einem öffentlichen, mithin für jede Person zugänglichen Bereich liegt und der ortsabwesende Geschädigte nicht in der Lage ist, auf die Sache einzuwirken und so die Sachherrschaft gemäß seinem Willen auszuüben.

4. Der Angeklagte hat sich vielmehr wegen einer (Fund-)Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Der Senat hat den Schuldspruch des angefochtenen Urteils entsprechend geändert; § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Angesichts der vom Landgericht aufgeführten Strafzumessungserwägungen schließt der Senat aus, dass es bei zutreffender rechtlicher Bewertung eine noch mildere Strafe verhängt hätte.“

Wie gesagt: Klassiker, so dass mich die LG-Entscheidung schon ein wenig erstaunt.

Urteilsgründe II: Höhe der Diebstahlsbeute, oder: Die muss man für die Strafzumessung kennen

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Die zweite Entscheidung kommt vom OLG Hamm. Das hat in im OLG Hamm, Beschl. v. 07.01.2020 – 1 RVs 79/19  – zu den Feststellungen beim Diebstahl im Hinblick auf die Strafzumessung Stellung genommen. Das AG hatte keine Feststellungen zur Höhe der Beute getroffen. Das beanstandet das OLG:

„Soweit das Amtsgericht hinsichtlich der Tat zu Ziffer 1. keine Feststellungen zur Höhe des Diebesguts getroffen hat, sind diese bereits deshalb nicht entbehrlich, weil sich das Maß der Schuld, das für den Rechtsfolgenausspruch maßgeblich ist, jedenfalls auch an der Höhe des verursachten Schadens orientiert (vgl. Senatsbeschluss vom 07.08.2014 — 111-1 RVs 66/14 — m.w.N., juris). Da dem Senat auf die erhobene Sachrüge die Überprüfung des amtsgerichtlichen Urteils in diesem Punkt deswegen nicht möglich war, war die Entscheidung insoweit im Schuldspruch und im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben, wobei die durch das Amtsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen bisherigen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten bleiben, so dass die diesbezüglich weitergehende Revision entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen war.“

Auf die Entscheidung komme ich dann demnächst noch mal zurück.

StGB I: Klassiker, oder: Vollendung der Wegnahme beim Raub

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Heute dann mal ein Tag mit Entscheidungen zu „materiell-rechtlichen“ Fragen, also StGB bzw. Nebengebiete.

Und den Opener macht der BGH, Beschl. v. 05.09.2019 – 3 StR 307/19 – mit dem Klassiker: Vollendung der Wegnahme beim Raub, wenn es um handliche und leicht bewegliche Sachen geht.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Diebstahls und wegen Raubes verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO verworfen worden ist; die Revision hat aber eine Schuldspruchänderung gebracht.

„Nach den vom Landgericht zu Fall II. 2. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen begaben sich der Angeklagte und der Mitangeklagte S. gemeinsam mit dem Nebenkläger nachts in einen Park, um dort alkoholische Getränke zu konsumieren. Der Angeklagte und der Nebenkläger setzten sich auf eine Bank, während S. davor stehen blieb. Spätestens zu diesem Zeitpunkt beschlossen der Angeklagte und S., dem Nebenkläger dessen Mobiltelefon zu entwenden, um es zu behalten und anschließend gemeinsam zu Geld zu machen oder zu nutzen. Um die Wegnahme zu ermöglichen, bat der Angeklagte den Nebenkläger, ihm das Handy zu übergeben; er gab vor, seine Telefonnummer darin speichern zu wollen. Nachdem ihm der Nebenkläger das Mobiltelefon zu diesem Zweck ausgehändigt hatte, tippte der Angeklagte darauf herum und warf es dann plötzlich S. zu, der es in seine Jackentasche steckte. Der Nebenkläger stand auf, wandte sich an S. und bat ihn, ihm das Handy zurückzugeben. Daraufhin umfasste der Angeklagte – dem gemeinsamen Tatplan mit S. entsprechend – von hinten den Hals des Nebenklägers, umklammerte ihn mit einem Arm und drückte den Hals mehrere Sekunden lang zu. Während der Nebenkläger nach Luft rang, schlug S. ihm mit der Faust mindestens dreimal ins Gesicht und trat auf ihn ein.

Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten nicht wegen Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB), sondern wegen räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB). Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift vom 5. Juli 2019 ausgeführt:

„Ausweislich der Urteilsgründe war die Wegnahme des Mobiltelefons zum Zeitpunkt der Gewalthandlungen gegen den Geschädigten bereits vollendet, wenn auch nicht beendet, weil der Mitangeklagte S. das Smartphone des Geschädigten in seine Jackentasche gesteckt hatte (UA S. 10). Die Wegnahme in Zueignungsabsicht ist dann vollendet, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist.

Für die Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft ist entscheidend, dass der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Anschauungen des täglichen Lebens. Einen bereits gesicherten Gewahrsam setzt die Tatvollendung nicht voraus. Hiervon ausgehend genügt es bei handlichen und leicht beweglichen Sachen, wenn der Täter diese in seiner Kleidung verbirgt (Senat, NStZ 2015, 276). Damit hat er nach der Verkehrsauffassung die Sachherrschaft des bisherigen Gewahrsamsinhabers aufgehoben und ein eigenes, dessen freie Verfügungsgewalt ausschließendes, tatsächliches Sachherrschaftsverhältnis hergestellt. Daran ändert auch eine etwaige Beobachtung nichts. Weder ist Diebstahl eine „heimliche“ Tat, noch setzt die Vollziehung des Gewahrsamswechsels voraus, dass der Täter endgültigen und gesicherten Gewahrsam erlangt (BGHR StGB § 242 Abs. 1, Wegnahme 5 – Vollendung trotz Beobachtung; vgl. ebenso BGH, NJW 1961, 2266; Senat, NStZ 2011, 158, Rn. 10 – 13). Demnach brach der Angeklagte G. nach der Verkehrsauffassung zwar den Gewahrsam des Geschädigten nicht bereits dadurch, dass er mit dessen Einverständnis das Mobiltelefon unter dem Vorwand in die Hand nahm, seine Rufnummer einzuspeichern (vgl. zur Gewahrsamslockerung bei – scheinbar kurzfristiger – Übergabe von Gegenständen an den Täter BGH, Beschluss vom 24. April 2018, 5 StR 606/17, Rn. 6, 11, juris). Indem er aber das Mobiltelefon ohne Absprache mit dem Geschädigten dem Mitangeklagten S. zuwarf, der dieses in seine Jackentasche steckte, wurde der Gewahrsam des Geschädigten gebrochen; nach der Verkehrsauffassung wäre eine Rückholung des Mobiltelefons aus der Jackentasche des Mitangeklagten S. sozial rechtfertigungsbedürftig gewesen.

Auf Grund der eingetretenen Vollendung des gemeinschaftlich begangenen Diebstahls kam ein Raub (§ 249 Abs. 1 StGB) durch die anschließende Gewaltanwendung gegen den Geschädigten nicht mehr in Betracht (vgl. Senat, NStZ 2015, 276; BGH, Beschluss vom 24. September 1990, 4 StR 384/90, Rn. 2, juris). Vielmehr wollten sich beide Angeklagte als Mittäter den Besitz an dem Mobiltelefon erhalten, indem sie gegen den Geschädigten Gewalt anwendeten, sodass sie sich wegen räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB) strafbar gemacht haben (vgl. zur Möglichkeit des räuberischen Diebstahls auch für den nicht unmittelbar besitzenden Mittäter Senat, NStZ 2015, 276).“

Dem schließt sich der Senat an. ….“

Das sind so Entscheidung, bei denen sich der Angeklagte fragt: Was soll es 🙂 ?

Strafzumessung II: Diebstahl im besonders schweren Fall, oder: Doppelverwertungsverbot

Die zweite Entscheidung kommt dann mit dem BGH, Beschl. v. 06.08.2019 – 1 StR 305/19 – auch vom 1. Strafsenat. Er behandelt – mal wieder – einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, und zwar bei einem Diebstahl in besonders schwerem Fall: ,

„Bei der Strafzumessung für die vollendete Diebstahlstat, für deren Ahndung das Landgericht den für besonders schwere Fälle gemäß § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB bestimmten Strafrahmen zugrunde gelegt hat, hat es – nach Bejahung der Regelwirkung – gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) verstoßen. Es hat dem Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne straferschwerend zur Last gelegt, dass er ein die Regelwirkung auslösendes Regelbeispiel, nämlich das des Einbruchs in einen umschlossenen Raum (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Variante 1 StGB), verwirklichte. Dies ist rechtsfehlerhaft. Denn die tatbestandsähnlich umschriebenen Regelbeispiele, die regelmäßig zu einem bestimmten verschärften Strafrahmen führen, sind den „Merkmalen des gesetzlichen Tatbestandes“ im Sinne des § 46 Abs. 3 StGB gleichzustellen. Umstände, die bereits ein Regelbeispiel begründet und den Strafrahmen festgelegt haben, dürfen also nicht nochmals herangezogen werden, um die konkret zu verhängende Strafe zu bemessen (BGH, Beschlüsse vom 18. Oktober 1982 – 3 StR 353/82 Rn. 2 und vom 14. Juni 1993 – 4 StR 302/93 Rn. 5).“