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Die Marihuana-Outdoor-Plantage im Wald – wer hat Besitz?

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Es gibt natürlich nicht nur Marihuana-Indoor-Plantagen (vgl. dazu unser Posting  hier), sondern – vermutlich häufiger – auch Marihuana-Outdoor-Plantagen. Eine davon hat vor kurzem das OLG Celle beschäftigt, das sich im OLG Celle, Beschl. v. 21.01.2013 – 32 Ss 160/12 – in dem Zusammenhnag mit der Frage des Besitzes auseinandersetzen musste. Das AG hatte festgestellt, dass „die Angeklagten die Idee entwickelt hatten, eine Marihuana-Outdoor-Plantage zu errichten, um davon ihren Eigenbedarf – der Angeklagte S. auch zur Milderung seiner Schmerzsymptome – zu decken. Sie brachten in einem abgelegenen, nicht unmittelbar einsehbaren Waldstück in der Gemarkung K. in Richtung E. auf einer Fläche von ca. 10m x 10m Cannabissamen aus und zogen Cannabispflanzen auf. Sie gossen und düngten die Pflanzen, umzäunten die Fläche zum Schutz vor Verbiss mit einem Wildzaun aus Draht und häuften einen Wall aus Zweigen und Geäst an. Ferner schützten sie die Pflanzen durch Krempen und Gift vor Mäusen. Bis zum 19. August 2011 gelang es ihnen, 67 Marihuanapflanzen aufzuziehen.…“

Das AG hatte das Geschehen um die Errichtung der Outdoor-Marihuana-Plantage und das Aufziehen der Cannabispflanzen als Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gem. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gewertet . Das wird vom OLG Celle ebenso gesehen:

„Besitzen im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes setzt ein bewusstes tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis sowie Besitzwillen und Besitzbewusstsein voraus, die darauf gerichtet sind, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf das Betäubungsmittel zu erhalten (st. RSpr., BGH NStZ-RR 2008, 54; BGH NStZ-RR 2008, 212; BGH NJW 1978, 1696; BGH, NStZ-RR 1998, 148). Für die Einstufung als Besitz kommt es weder auf die Eigentumsverhältnisse an noch darauf, ob der Täter die Betäubungsmittel unmittelbar in seiner Herrschaftsgewalt hat oder sie an irgendeiner Stelle verwahrt, zu der er sicheren Zugang hat, so dass er ohne Schwierigkeit darüber verfügen kann (BGH NJW 1978, 1696). Danach ist es entgegen der ausgeführten Sachrüge für die Beurteilung als Besitz unerheblich, ob die Angeklagten Dritte von der Herrschaft über die in freier Natur angebauten Betäubungsmittel ausgeschlossen hatten. Es reicht aus, dass die Angeklagten selbst jederzeit ungehinderten Zugang hatten. Dies war hier schon deswegen der Fall, weil sie überlegenes Wissen zur Belegenheit der Plantage hatten, die nach den Feststellungen des Amtsgerichts an versteckter Stelle in einem Waldgebiet lag. Die Manifestation des Herrschaftswillens an der Waldfläche als „Inbesitznahme“ ergibt sich hier neben der Aussaat von Pflanzen zu eigenen Zwecken auch – worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hingewiesen hat ? durch die faktische Einfriedung der Anbaufläche mit einem Zaun und einem natürlichen Wall. Dass diese Maßnahme nach den Feststellungen der Abwehr von Wild und nicht von Menschen diente, ändert nichts daran, dass die Angeklagten hierdurch die Grundfläche und die darauf befindlichen Pflanzen nach ihrem Willen schützen wollten. Darin kommt eine für die Begründung eines tatsächlichen Herrschaftswillens ausreichende Ausübung der Sachgewalt zum Ausdruck.“

Marihuana-Indoor-Plantage im Einfamilienhaus – ist der Gärtner Gehilfe?

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Marihuanaplantage im Einfamilienhaus, sicherlich eine besondere Art der Nutzung eines Hauses. So aber betrieben von einem Angeklagten, der dafür vom LG Kleve wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist. Dieser Angeklagte hat die Verurteilung hingenommen. Nicht aber sein Bruder, der vom LG ebenfalls verurteilt worden ist, und zwar wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln. Die Beihilfehandlung hatte das LG darin gesehen, dass der Angeklagte, der von der Marihuanaaufzucht seines Bruders wusste, in Kenntnis dieses Umstandes regelmäßig zu dessen Haus gefahren ist dort Gartenarbeiten durchgeführt, die auch von den Nachbarn wahrgenommen wurden. Dass der Angeklagte auch bei der Aufzucht der Marihuanapflanzen geholfen habe, hat die Strafkammer nicht festgestellt.

Der BGH, Beschl. v. 15.11.2012 – 3 StR 355/12 hat das landgerichtliche Urteil aufgehoben, der BGh hat Bedenken hinsichtlich des Gehilfenvorsatzes;

„Nach der vom Landgericht vorgenommenen Wertung lag in den Gartenpflegearbeiten allein deshalb ein Unterstützen der Haupttat, weil der Angeklagte – in Kenntnis der Marihuanaaufzucht – dadurch seinem Bruder geholfen ha-be, den Schein aufrecht zu erhalten, dass das Grundstück – wenn auch nicht zum Bewohnen – in üblicher Weise genutzt werde. Dass der Angeklagte diese Arbeiten, die für den eigentlichen Betrieb der Plantage im Inneren des Hauses oder für den späteren Absatz der Betäubungsmittel ersichtlich keinen Nutzen hatten, in dem Bewusstsein erbrachte, dadurch die Haupttaten seines Bruders zu fördern, ergibt sich hingegen nicht. Dies versteht sich angesichts der geringen Bedeutung dieses Beitrags für das Gelingen der Haupttat an sich auch nicht von selbst, zumal nach den Ausführungen der Strafkammer unklar bleibt, worin sie die „übliche“ Nutzung eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks erblickt – wenn es denn erkennbar nicht bewohnt wird – und warum der Angeklagte angesichts dessen gemeint haben sollte, er werde durch die Gartenpflege zur Aufrechterhaltung des Scheins einer solchen Nutzung beitragen.

Wann liegt eine nicht geringe Menge von Nitrazepam vor – für „Btm-Verteidiger“ wichtig

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Machen wir noch mal was zu den Betäubungsmitteln, und zwar den OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.0.2012 – 2 Ss 154/12, der sich mit dem Besitz einer nicht geringen Menge von bei Erwerb noch nicht in der Positivliste enthaltenen Betäubungsmitteln befasst. Dazu das OLG mit folgenden Leitsätzen:

1. Wer Betäubungsmittel besitzt, die erst nach deren Erwerb in die Anlagen zum BtMG aufgenommen wurden, macht sich nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG wegen unerlaubten Betäubungsmittelbesitzes strafbar, wenn er zum Zeitpunkt des Besitzes keine Erlaubnis hat.

2. Dagegen scheidet eine Strafbarkeit nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG wegen unerlaubten Betäubungsmittelbesitzes in nicht geringer Menge aus, wenn zum Zeitpunkt des Erwerbs keine Erlaubnispflicht nach § 3 Abs. 1 BtMG bestand.

Interessant ist der Beschluss darüber hinaus, weil das OLG – in einem obiter dictum – davon ausgeht, dass bei Nitrazepam eine nicht geringe Menge ab einem Wirkstoffgehalt von 2,4 g vorliegt. Dazu gibt es bisher nichts.

Wie wird das Ermessen bei der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtmG richtig ausgeübt?

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Für diejenigen, die häufig(er) in Btm-Sachen verteidigen, ist die Vorschrift des § 35 BtMG keine „unbekannte Größe“. Aber auch die haben sicherlich an dem OLG Naumburg, Beschl. v. 11.07.2012 – 1 VAs 433/12, den mir der Kollege Siebers übersandt hat (vgl. der Kollege dazu selbst auch hier). Das OLG macht noch mal Ausführungen zur Ausübung des der StA eingeräumten Ermessens.

Daraus folgt, dass bei der Ermessensausübung die Tatschuld nicht herangezogen werden darf. Ebenso wenig darf die Zurückstellung grundsätzlich wegen einer ungünstigen Sozialprognose versagt werden, da die Bestimmung des §. 35 BtMG gerade dann zur Anwendung kommen soll, wenn die Voraussetzungen für eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht vorliegen und auch „Risikopatienten(vgl. OLG Hamburg StV 1998,390 f. ; OLG Zweibrücken StV 2000, 157f.) eine Therapiechance eröffnen soll. Auch die Anforderungen an die Therapiefähigkeit dürfen nichtüberspannt. werden (vgl. OLG Hamm NStZ 1982 485), denn der Gefahr, dass ein Therapieversuch scheitert, war sich der Gesetzgeber bewusst. Ihr soll mit der Möglichkeit der raschen. Fortsetzung der Vollstreckung (§ 35 Abs.5. BtMG.). und. Inhaftnahme (§ 35 Abs. 7.BtMG) begegnet werden. Eine Zurückstellung. kann daher allein dann nicht verantwortet werden, wenn im Einzelfall Erkenntnisse vorliegen, welche die Therapie von vornherein als völlig oder nahezu aussichtslos erscheinen lassen, namentlich wenn ein vernünftiger Zweifel. an der fehlenden Therapieaussicht ausgeschlossen ist. Dann müssen aber die dieser Beurteilung zugrunde liegenden Erwägungen und Tatsachen im Ablehnungsbescheid mitgeteilt werden (vgl. OLG Karlsruhe StV 1983, 112f.). Hierzu genügen die wesentlichen Faktoren und typischen Erscheinungsformen der Betäubungsmittelabhängigkeit, insbesondere die charakterliche. Labilität, die Drogenkarriere, Häufigkeit der Vorstrafen und zunehmende Rückfallgeschwindigkeit nicht (vgl. Weber, BtMG, 3. Aufl., § 35 Rn. 154f.).

Diesen Vorgaben wird der Ablehnungsbescheid nicht gerecht: Insbesondere. steht die Erwägung, der Antragsteller sei nach einer bereits im Jahr 2004 erfolgten Zurückstellung nach § 35 BtMG hinsichtlich der mit Urteil des Landgerichts Halle vom 03. Februar 2003 (28 KLs 502 19529/02 (26/02)) verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und der nach der durchgeführten Therapie gewährten Reststrafenaussetzung zur Be­währung erneut und mehrfach straffällig geworden, dem Zweck des § 35 BtMG entgegen. Diese Begründung der Ablehnung berücksichtigt nicht, dass der Weg aus der Drogensucht regelmäßig mit gescheiterten Therapieversuchen und Rückfällen in kriminelle Verhaltensweisen verbunden ist, weshalb diese einer erneuten Zurückstellung nicht entgegenstehen (vgl. OLG Hamm StV 2010, 147f.; OLG Karlsruhe StraFo 2008, 42ff.). Der Weg aus der Sucht verläuft nicht gradlinig nach einem festen Therapieplan, sondern ist ein langes prozesshaftes Geschehen, in dem es darum geht, Rückfälle therapeutisch zu verarbeiten, drogenfreie Intervalle zu vergrößern und Erfolge in kleineren Schritten anzustreben (vgl. Körner/Patzak/Volkmer, a.a.O., Rn. 207).

Die Erwägung vor-dem Hintergrund, dass der Antragsteller „seit 1994 wiederholt und regel­mäßig massiv straffällig geworden [ist], er sich weder durch Verurteilungen von weiterem strafbarem Verhalten abhalten lassen [hat], noch das in ihn gesetzte Vertrauen durch Strafaussetzungen zur Bewährung jemals [hat] rechtfertigen können“, müsse seine Zusage, sich erneut einer Therapie unterziehen zu wollen, als reines Zweckverhalten gewertet werden; dies umso mehr, da „die dem Vollstreckungsverfahren zugrundeliegende Verurteilung erneut auf szenetypischer Beschaffungskriminalität beruht“, lässt zum einer die Tatsachen für den aktuelle Schluss auf die fehlende Therapiebereitschaft vermissen und berücksichtigt zum anderen die vom-Antragsteller gezeigten. Bemühungen zur Überwindung seiner Drogensucht nicht, wie sie etwa in der Bescheinigung der Suchtgruppenteilnahme der Justizvoll­zugsanstaltBurg .vom 07. Dezember 201.1 erkennbar werden.Sie stellt vielmehr ermessensfehlerhaft auf die nach Ansieht des Generalstaatsanwalts fehlende positive Sozialprognose ab.

Strafzumessung – ist es denn wirklich so schwer…? Immer wieder dieselben Fehler.

Ein Kollege aus Augsburg hat mir OLG München, Beschl. v. 15.11.2011 – 5St RR (I) 64/11 übersandt, in dem das OLG München die Rechtsfolgenentscheidung einer amtsgerichtlichen Entscheidung wegen eines Verstoßes gegen das BtMG aufgehoben. Also: mal wieder Strafzumessungsfehler.

Wenn man den Beschluss des OLG in dem Teil liest, kann man m.E. nun wirklich nur denken: Ist es den  so schwer…? Das OLG führt aus:

„3. Der Rechtsfolgenausspruch kann keinen Bestand haben. Er ist lückenhaft und verstößt gegen den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“.

a) Das Tatgericht hat bei der Strafzumessung im engeren Sinn zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung ge-treten ist. Sonst spräche nichts für ihn (UA S. 3). Es hat dabei außer Acht gelas-sen, dass die Menge und der Wirkstoffgehalt des besessenen Rauschgifts für die zu verhängende Rechtsfolge bestimmend sind. Die Rechtsprechung verlangt des-halb in den Urteilsgründen neben Ausführungen zum Wirkstoff auch Feststellun-gen zur Menge des besessenen Rauschgifts (BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 18). Kann der Wirkstoffgehalt des Rauschgifts nicht anhand hinreichend feststell-barer Tatumstände ermittelt werden, ist von dem für den Angeklagten günstigsten Mischungsverhältnis auszugehen (Bundesgerichtshof NStZ 1985, 221, 222, OLG München, Beschluss vom 23. Februar 2006 – 4 St RR 24/06 – st. Rspr.). Hinsicht-lich der Gewichtsmenge des besessenen Rauschgifts hat der Zeuge C. bekundet, dass es sich um eine „geringe“ Menge gehandelt habe (UA S. 3).

b) Der Angeklagte hat zur Sache keine Angaben gemacht (UA S. 3). Nach den Feststellungen des Tatgerichts hat der Angeklagte „gemauert“, ein Unrechtsbe-wusstsein sei nicht vorhanden gewesen (UA S. 3). Das Amtsgericht hat bei der Strafzumessung berücksichtigt, dass der Angeklagte ein Geständnis nicht abgelegt hat (UA S. 3). Zu Lasten des Angeklagten hat es herangezogen, dass er keinerlei Drogentests zulasse, sich weiterhin im Milieu befinde, Dealer und Abnehmer schütze und wo er nur könne, „mauere“. Er solle ganz klar sehen, dass ein solches Verhalten nicht geduldet werde (UA S. 4).

Diese Ausführungen lassen befürchten, dass das Amtsgericht grundlegende Prin-zipien der Strafzumessung außer Acht gelassen hat. Ein schweigender Angeklag-ter kann weder Reue noch Schuldeinsicht zeigen. Sein Schweigen darf nicht zu seinem Nachteil herangezogen werden (Fischer, StGB 58. Aufl. § 46 Rdn. 50 lit. b mwN). Das Strafverfahren kennt weder einen Geständniszwang, noch eine Pflicht des Angeklagten, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Andernfalls wäre der Angeklagte gezwungen, seine Verteidigungsposition aufzugeben (BGH NStZ 1985, 545).