Schlagwort-Archive: BtM

Verfall beim Hartz-IV Empfänger?

Das LG verurteilt den Angeklagten wegen Verstoßes gegen das BtM-Gesetz und ordnet den Verfall eines Geldbetrags in Höhe von 37.140 € an. Der Angeklagte legt Revision ein und hat beim BGH Erfolg. Der BGH, Beschl. v. 29.02.2012 – 2 StR 426/11 hat die Anordnung des Verfalls aufgehoben:

„..Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 37.140 € begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, da das Landgericht die Ermessensvorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StPO nicht erörtert hat, obwohl dazu Anlass bestanden hätte.

Der Angeklagte bezog nach den getroffenen Feststellungen vor seiner Inhaftierung im vorliegenden Verfahren Hartz IV-Leistungen und hatte nicht unerhebliche Geldschulden, die nicht aus Drogengeschäften stammten. Es liegt daher nicht fern, dass der Angeklagte die für die Tat erlangten Beträge zumindest teilweise verbraucht oder zur Schuldentilgung verwendet hat. Das Landgericht hätte deshalb Veranlassung zu der Prüfung gehabt, ob der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden war und sie deshalb ganz oder teilweise zu unterbleiben hatte…“

Der Politoxikomane und das Fahrrad

Ich hatte vor einigen Tagen über das Vorhaben der Stadt Münster berichtet, Alkoholsündern (auch) das Fahrradfahren zu untersagen (vgl. hier).

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Ich bin jetzt auf OVG Niedersachsen, Beschl. v. 02.02.2012 – 12 ME 274/11 gestoßen, der die Frage zum Gegenstand hat, ob einem sog. Polytoxikomanen die Nutzung des Fahrrads untersagt werden kann. Das OVG hat das im vorläufigen Rechtsschutzverfahren bejaht: Habe eine Person ein Konsumverhalten in der Weise, dass sie zugleich harte Drogen, Cannabis, Alkohol und Schmerzmittel aus der Gruppe der Opioide einnimmt, könne dies zu sich verstärkenden und völlig unvorhergesehenen Wechsel- und Nebenwirkungen führen. Eine solche Person sei auch nicht zum Führen eines Fahrrads geeignet, sodass ihm die Nutzung wegen möglicher Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer verboten werden köne (§§ 3 Abs. FeV, 2 Abs. 4 StVG).

Was ist eine nicht geringe Menge Gamma-Hydroxybuttersäure [GHB; „liquid ecstasy“]?

Ein Kollege hat mich auf das KG, Beschl. v. 29. 9. 2011 – (3) 1 Ss 374/11 (123/11) hingewiesen, der zur Frage der nicht geringen Menge i.S. des BtMG für Gamma-Hydroxybuttersäure [GHB; „liquid ecstasy“] Stellung nimmt. Obergerichtliche Rechtsprechung zu der Frage lag bisher nicht vor.

Das KG hatte über ein Urteil des LG Berlin zu entscheiden. Es führt aus, dass dann, wenn die äußerst gefährliche Dosis eines Betäubungsmittels nicht festgestellt werden kann, Ausgangspunkt für die Berechnung der nicht geringen Menge die durchschnittliche Konsumeinheit ist. Und im Rahmen der Berechnung der nicht geringen Menge des Betäubungsmittels GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure) sei die Zugrundelegung einer durchschnittlichen Konsumeinheit von 1 g NaGHB nicht zu beanstanden.

Bestätigt hat das KG auch den Ansatz des LG. Das hatte den Vergleich mit Heroin für angebracht gehalten, GHB jedoch für nicht ganz so gefährlich wie Heroin, so dass der Tatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllt sei, wenn eine Menge von 200g durchschnittlicher Konsumeinheiten (zu je 1 g NaGHB) erreicht werde.

Nicht jedes „Drogengespräch“ rechtfertigt Handy-Einziehung

Ich hatte ja gestern bereits über OLG München, Beschl. v. 15.11.2011 – 5 St RR (I) 64/11 berichtet (vgl. hier). Da ging es um die amtsgerichtliche Strafzumessung bei dem dem Angeklagten zur Last gelegten Verstoß gegen das BtMG.

Der Beschluss des OLG  ist aber auch noch aus anderen Gründen interessant. Das AG hatte nämlich auch das iPhone des Angeklagten nach § 74 StGB eingezogen. Das hat das OLG ebenfalls beanstandet:

….Auch die Einziehung des Mobiltelefons „I-Phone Apple schwarz mit Ladegerät“ kann keinen Bestand haben.

Nach § 74 Abs. 1 StGB können Gegenstände, die zur Begehung oder Vorbereitung einer vorsätzlichen Tat gebraucht worden sind, eingezogen werden. Der Gegenstand muss bei Begehung oder Vorbereitung gerade der abgeurteilten Tat eine bestimmende Rolle gespielt haben, die im Urteil festzustellen ist (Fischer, StGB    § 74 Rdn. 4 mwN). Das Amtsgericht hat hierzu lediglich ausgeführt, auf dem Handy hätten sich einschlägige Hinweise zum Drogenkauf gefunden (UA S. 3); auf dem Handy seien Drogengespräche geführt worden (UA S. 4). Ob und inwieweit diese Gespräche mit der dem Angeklagten zur Last liegenden Straftat des unerlaubten Besitzes von Marihuana zusammenhängen, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Da der Angeklagte bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist und im Zweifel von einer geringen Gewichts- und Wirkstoffmenge des besessenen Marihuanas auszugehen ist, wäre auch ein Absehen von der Einziehung aus Gründen der Unverhältnismäßigkeit zu erörtern gewesen (§ 74 b Abs. 1 StGB).“

Es gibt also keinen Automatismus: BtM-Verstoß – Gespräche auf dem Handy betreffend Drogengeschäfte – Einziehung des Handys.

Aus zwei mach eins, oder Trunkenheitsfahrt und Btm-Besitz…

Der Angeklagte hält sich in einer Gaststätte auf, wo er ein Amphetamingemisch zu sich nimmt, das er dort unentgeltlich erhalten hatte. Er will nach Hause fahren, um von dort seinen Hund zu holen. Da er mehr Amphetamingemisch erhalten hat, als er im Lokal – in Wasser aufgelöst – zu sich genommen hatte, steckte er die verbliebene Restmenge des Gemisches, 552 Milligramm, in seine Bauchtasche, fährt mit dem Auto seines Bekannten nach Hause und holt den Hund. Als er den PKW auf dem Rückweg in das Lokal führt, gerät er in eine Polizeikontrolle. Hierbei führte der Angeklagte immer noch in seiner Bauchtasche die 552 Milligramm Amphetamingemisch mit sich. Auf dem Polizeiabschnitt wurde es in seiner Bauchtasche gefunden.

Der Angeklagte wird durch Strafbefehl wegen der Trunkenheitsfahrt verurteilt und dann noch einmal durch Urteil des AG wegen des Besitzes des Amphetamin. Gegen die zweite Verurteilung wendet er Strafklageverbrauch ein. Das KG sagt in KG, Beschl. v. 11.11.2011 – 4) 1 Ss 334/11 (270/11): Nein:

„Zwischen Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges begangen werden, und dem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln während dieser Fahrten besteht verfahrensrechtlich keine Tatidentität im Sinne des § 264 StPO, wenn der Betäubungsmittelbesitz in keinem inneren Beziehungs- bzw. Bedingungszusammenhang mit dem Fahrvorgang steht (vgl. BGH NStZ 2009, 705; NStZ 2004, 694; OLG Hamm, Beschluss vom 14. September 2009 – 2 Ss 319/09 – [Juris]). Zwar ist ein solcher Zusammenhang denkbar, etwa wenn die Fahrt mit dem PKW den Zweck verfolgt hat, die mitgeführten Drogen an einen sicheren Ort zu bringen (vgl. BGH NStZ 2009, a.a.O.). Aber allein die Gleichzeitigkeit und eine enge örtliche Verknüpfung der strafbaren Handlungen führt nicht zur Annahme einer Tat im Sinne des § 264 StPO, also eines einheitlichen Lebensvorgangs, der durch getrennte Würdigung und Aburteilung unnatürlich aufgespalten würde (vgl. BGH NStZ 2004, a.a.O.; Senat a.a.O.).

Ein innerer Beziehungs- bzw. Bedingungszusammenhang zwischen dem Führen des PKW unter Alkoholeinfluss und dem Besitz des Betäubungsmittels ist nicht gegeben. Ob ein solcher Zusammenhang zwischen dem Konsum des Amphetamins vor Fahrtantritt und der anschließenden Fahrt bestand, weil der Angeklagte das Rauschmittel zur Bekämpfung seiner Müdigkeit genommen hat, kann vorliegend dahinstehen. Denn jedenfalls zwischen der hier verfahrensgegenständlichen Tat, dem Besitz des nicht konsumierten Amphetamins während der Fahrt, und der bereits abgeurteilten Tat, dem Führen des PKW, bestand kein innerer Zusammenhang. Soweit die Verteidigung diesen damit zu begründen sucht, dass der Angeklagte das Amphetamingemisch „an sich“ und „mit sich“ genommen habe, „um der Müdigkeit entgegen zu wirken“ (Revisionsbegründung) bzw. er „eine kleine Restmenge“ bei sich geführt habe, „um auch bei dieser Fahrt notfalls darauf zurückgreifen zu können, falls die Müdigkeit ihn erneut übermannt“ (Gegenerklärung), handelt es sich um urteilsfremdes Vorbringen. In den Urteilsgründen findet eine solche Motivation für das Einstecken und den Besitz des Amphetaminsgemisches keine Erwähnung, und sie bieten dafür auch keine Stütze.“

Also: Es bleibt bei der „Doppelverurteilung“.