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Erstattung II: Einstellung wegen Verjährung der OWi, oder: Zweistufige Prüfung und Ausnahme

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Und dann habe ich hier den LG Landau (Pfalz), Beschl. v. 30.04.2025 – 5 Qs 5/25, der sich mal wieder zu den Grundlagen der Auslagenerstattung im Bußgeldverfahren wegen Verjährung äußert. Und zwar wie folgt:

„Die mit Schriftsatz vom 24.02.2025 eingelegte Beschwerde ist als sofortige Beschwerde nach § 464 Abs. 3 StPO auszulegen und als solche statthaft Die Beschränkung des § 464 Abs. 3 5. 1, 2. Hs StPO gilt nicht, wenn gegen die Hauptentscheidung als solche – hier die Einstellungsentscheidung nach § 206a StPO – zwar im Grundsatz ein Rechtsmittel statthaft ist, dieses aber einem Prozessbeteiligten – wie hier dem Betroffenen – mangels Beschwer nicht zusteht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage 2024, § 464 Rdnr. 19 mit diversen Nachweisen aus der obergerichtlichen Rechtsprechung).

Die sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden.

Der Rechtsbehelf ist auch begründet.

Die Voraussetzungen des § 46 Abs. I OWG i.V.m. § 467 Abs 3 Satz 2 Nr 2 StPO liegen nicht vor.

Gemäß § 46 Abs OWiG i.V.m. § 467 Abs. 3 Satz 2 2 Nr. 2 StPO kann bei Einstellung wegen Verfahrenshindernisses davon abgesehen werden, die notwendigen Auslagen eines Betroffenen der Landeskasse aufzuerlegen, wenn er nur wegen des Verfahrenshindernisses nicht verurteilt wird.

Ein Absehen von der Auferlegung der notwendigen Auslagen des Betroffenen an die Staatskasse erfordert eine zweistufige Prüfung. Zunächst ist ein Verdachtsgrad festzustellen, bei welchem davon ausgegangen werden kann, dass eine Verurteilung nur aufgrund des Verfahrenshindernisses nicht erfolgt ist. In einem zweiten Schritt hat das Tatgericht sein Ermessen dahingehend auszuüben, ob eine Kosten- und Auslagenentscheidung zum Nachteil des Angeklagten ergehen kann (etwa OLG Celle, Beschluss vom 17.07.2021, Az. 1 Ws 283/14 Beck-Online).

Zwar lässt sich noch feststellen dass eine Verurteilung des Betroffenen wegen Verstoßes gegen §§ 9 Abs. 3, 1 Abs. 2, 49 StVO, 24 Abs. 1, 3 Nr, 5, 25 StVG bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses aller Voraussicht nach erfolgt wäre.

Der Betroffene wendete sich zuletzt allein noch gegen die Verhängung eines Fahrverbots.

Allerdings erweist es sich als ermessensfehlerhaft dem Betroffenen die Erstattung seiner notwendigen Auslegen zu versagen.

Bei der Ermessensausübung ist zu beachten, dass der Verurteilungswahrscheinlichkeit keine Bedeutung mehr zukommen kann, sondern jenseits der bloßen Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine unterbleibende Auslagenüberbürdung auf die Landeskasse zusätzliche beachtliche Gründe gerade für eine solche Entscheidung streiten müssen (BGH, Beschluss vom 24.5.2018, Az. 4 StR 51/17, LG Berlin, Beschluss vom 20.7.2023, Az. 510 Qs 60/23; LG Neuruppin, Beschluss vom 18.12.2020, Az. 11 Qs 95/20; LG Bückeburg, Beschluss vom 07.06.2024, Az: 4 Cs 46/24, jeweils Beck-Online).

Darüber hinaus muss dem Ausnahmecharakter einer Entscheidung gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO Rechnung getragen werden. Es müssen besondere Umstände vorliegen, die die Belastung der Landeskasse mit den Auslagen des Betroffenen als billig erscheinen lassen (BVerfG, Beschluss vom 26.05.2017, Az. 2 BvR 1821/13; BGH, Beschluss vom 24.05.2018, AZ: 4 StR 51117, jeweils Beck-Online; Meyer-Goßner/Schmitt, Rdnr. 18 m.w.N.). Ein Rückgriff auf pauschalisierende und nicht am jeweils vorliegenden Einzelfall orientierte Faustregeln verbietet sich.

Einen Regelsatz, nachdem die notwendigen Auslagen eines Betroffenen grundsätzlich nicht der Landeskasse aufzuerlegen seien, wenn sich im Laufe des Verfahrens der Eintritt der Verjährung herausstellt, gibt es nicht.

Gegen eine Auslagenerstattung durch die Landeskasse kann insbesondere sprechen, dass das Verfahrenshindernis durch den Betroffenen herbeigeführt worden ist oder sonst auf einem vorwerfbaren prozessualen Fehlverhalten beruhte (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., 467 Rn. 18,

Daran gemessen sind besondere Gründe für ein Absehen von der Auslagenüberbürdung auf die Landeskasse gemäß § 46 Abs, 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO hier nicht auszumachen – und werden im übrigen durch das Amtsgericht auch nicht dargelgt.

Der Eintritt der Verfolgungsverjährung ist in keiner Weise der Sphäre des sich zu jedem Zeitpunkt ordnungsgemäß und sachlich verteidigenden Betroffenen zuzuordnen, sondern ausschließlich auf den Umstand zurückzuführen, dass die Akte, eingegangen bei Gericht am 10.07.2024. ohne aktenkundig gemachte Gründe bis zum 30.01.2025 unbearbeitet beim Amtsgericht Germersheim lag, wobei zwischendurch lediglich jeweils durch den Referatsvorgänger der letztlich entscheidenden Richterin mehrfach die Wiedervorlage zur Terminierung, letztmalig am 17.12.2024 für den 17.01.2028 neu verfügt wurde. Der Eintritt der Verfolgungsverjährung ist damit ausschließlich auf gerichtsinterne Umstände zurückzuführen. Die Entscheidung des Amtsgerichts, die notwendigen Auslagen der vormals Betroffenen nicht der Staatskasse aufzuerlegen, stellt sich vor diesem Hintergrund als ermessensfehlerhaft dar und war zu korrigieren.“

Alles schon häufig gelesen, aber immer wieder schön zu lesen 🙂 . Oder: Manche lernen es nie 🙂