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Ich bin als Richterin mit einem Angestellten des Rechtsanwalts verheiratet – befangen?

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Folgende Konstellation ist sicherlich nicht alltäglich, aber – wie der AG Dresden, Beschl. v. 27.07.2015 – 142 C 6444/14 zeigt -, eben doch möglich. Da war nämlich die Richterin eines Zivilverfahrens beim AG mit einem Büroangestellten der Prozessbevollmächtigten einer Partei verheiratet. Und die Richterin hat dann in einer sog. Selbstablehnung die Frage der Befangenheit aufgeworfen. Nein, besser formuliert: Die Frage der Besorgnis der Befangenheit, denn nur darum geht es.

Das AG Dresden hat diese „Besorgnis der Befangenheit“ gem. §§ 48, 42 Abs. 2 ZPO bejaht und die Selbstablehnung der Richterin für begründet erklärt.

„Die von der Richterin mitgeteilte Ehe mit einem Büroangestellten der Prozessbevollmächtigten einer Partei des Rechtsstreits rechtfertigt jedoch die Besorgnis ihrer Befangenheit gemäß §§ 48, 42 Abs. 2 ZPO. Denn er kann aus Sicht der Gegenpartei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung der Richterin zu zweifeln.

Soweit in der Rechtsprechung für den Fall einer Ehe oder eines anderen engen verwandtschaftlichen Verhältnisses des Richters mit einem Mitglied der Sozietät eines Prozessbevollmächtigten verschiedentlich die Auffassung vertreten wurde, allein hieraus könne die Besorgnis der Befangenheit nicht hergeleitet werden, weil diese Konfliktlage andernfalls einem absoluten Ausschließungsgrund nach § 41 ZPO nahekäme (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 23.08.1995, 9 W 78/95, zitiert nach juris, Tn. 5; im Ergebnis ebenso OLG Hamburg, Beschluss vom 26.01.2005, 14 U 133/04, OLGR 2005, 406, offengelassen: KG Berlin, Beschluss vom 11.06.1999, 28 W 3063/99, zitiert nach juris, Tn. 3 ff. und OLG Bremen, Beschluss vom 19.12.2007, MDR 2008, 283), ist dem die obergerichtliche Rechtsprechung schon bisher verbreitet nicht gefolgt (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 16.05.2000, 16 W 1000/00, zitiert nach juris, OLG Jena, Urteil vom 25.08.1999, 2 U 755/99, MDR 2000, 540, SächsOVG, Beschluss vom 01.08.2000, 1 B 58/99, zitiert nach juris, Tn. 6 f., LSG Rheinland- Pfalz, Beschluss vom 04.06.1998, aaO.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30.07.2002, L 4 B 220/02 SF, zitiert nach juris, Tn. 9, LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.01.2012, L 8 SO 27/10 B ER, zitiert nach juris, Tn. 3). Letztgenannter Auffassung hat sich auch der Bundesgerichtshof in einer neueren Entscheidung für einen Fall angeschlossen, in dem keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Ehegatte des Richters den Rechtsstreit in der Kanzlei der an Rechtsstreit beteiligten Prozessbevollmächtigten selbst bearbeitete. Schon die besondere berufliche Nähe des Ehepartners des Richters zu den Prozessbevollmächtigten einer Partei gebe der gegnerischen Partei begründeten Anlass zur Sorge, dass es dadurch zu einer unzulässigen Einflussnahme auf den Richter kommen könnte. Auch wenn grundsätzlich davon auszugehen sei, dass Richter über jene Unabhängigkeit und Distanz verfügten, die sie befähigen würden, unvoreingenommen und objektiv zu entscheiden, sei es einer Partei nicht zuzumuten, darauf zu vertrauen, dass eine unzulässige Einflussnahme durch den Gegner unterbleiben werde, und den Richter erst abzulehnen, wenn dies doch geschehe und ihr bekannt werde (Beschluss vom 15.03.2012, V ZB 102/11, VersR 2012, 1057, 1058).

Auch wenn die Voraussetzungen für eine Richterablehnung mit Blick auf den durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch der Parteien auf ihren gesetzlichen Richter nicht vorschnell angenommen werden dürfen, sind die in dem Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 15.03.2012 angestellten Erwägungen auf den vorliegenden Fall übertragbar. Zwar ist der Ehemann der Richterin nicht Mitglied der Anwaltssozietät, sondern in der Rechtsanwaltskanzlei nur als Büroangestellter beschäftigt. Auch eine solche berufliche Nähe ist jedoch geeignet, den zu vermeidenden „bösen Schein“ einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität der Richterin zu begründen, zumal auch angestellte Büromitarbeiter von Rechtsanwaltskanzleien häufig sehr weitgehend in die Bearbeitung der Rechtssache involviert sind und oft nicht weniger als die federführenden Anwälte selbst Einblick in die Details der zugrundeliegenden Vorgänge nehmen. Zwar kann auf die Zulassungsbeschränkung des § 20 Abs. 1 Nr. 3 BRAO a.F. für Büroangestellte – anders als bei Mitgliedern einer Anwaltssozietät – nicht in gleicher Weise wie für Rechtanwälte zurückgegriffen werden, um die Relevanz der Ehe an sich für einen zu vermeidenden „bösen Schein“ der Voreingenommenheit des Richters argumentativ zu untermauern. Dies hat jedoch seinen Grund nicht darin, dass dieser durch die Ehe zu einem Richter erweckte „böse Schein“ bei einem Büroangestellten weniger schwer wiegt als bei einem Rechtsanwalt, sondern ist allein dem Fehlen eines gesetzlich geregelten Berufsstandes der Büroangestellten geschuldet. Um das Vertrauen in die Rechtspflege im Einzelfall zu erhalten und – möglicherweise auch unberechtigter, aber durch eine persönliche Nähebeziehung nahegelegter – Kritik von Verfahrensbeteiligten zu entziehen, ist es im Zweifel geboten, vor Vorliegen einer Besorgnis der Befangenheit auszugehen (vgl. LSG Reinland-Pfalz, Beschluss vom 04.06.1998, aaO., Tn. 5, 8).“

Schon ein wenig überraschend – jedenfalls für mich. Allerdings: Entscheidend ist eben nicht, ob die Richterin befangen ist, sondern ob sie es aus Sicht der Partei sein könnte – eben „Besorgnis“.

Ich frage mich auch, ob man die Grundsätze auf das Straf-/Bußgeldverfahren übertragen kann/darf (§ 24 StPO). Also „Besorgnis der Befangenheit“ des Richters/der Richterin, wenn er/sie mit einem/einer Büroangestellten des Verteidigers verheiratet ist? Der „böse Schein“ ist da wahrscheinlich auch zu bejahen. Inwieweit im Straf-/Bußgeldverfahren allerdings Büroangestellte „in die Bearbeitung der Rechtssache involviert sind und oft nicht weniger als die federführenden Anwälte selbst Einblick in die Details der zugrundeliegenden Vorgänge nehmen“, wird eine Frage des Einzelfalls sein. Ich würde sie eher verneinen, da m.E. doch die „persönliche Leistungserbringung“ des Verteidigers im Vordergrund steht. Aber dennoch: Interessante – ausbaufähige 🙂 – Frage.

Wie werde ich einen „missliebigen Richter los“?

HammerKlein, aber fein, der AG Nürnberg, Beschl. v. 23.09.2014 – BwR 403 Ds 304 Js 6812/10, der eine Problematik behandelt, zu der die „Big Two“ – BVerfG und BGH – in der Vergangenheit auch schon etwas gesagt haben. Nämlich zu der Frage, ob die Besorgnis der Befangenheit eines Richters gerechtfertigt ist, wenn der vom Angeklagten beleidigt worden ist und deswegen Strafantrag gestellt hat. So war der Ablauf wohl in einem Strafvollstreckungsverfahren beim AG Nürnberg-Fürth. Und das AG sagt – in Übereinstimmung mit den „Big Two“: ist

„Gleiches gilt für die Tatsache, dass Richter am Amtsgericht- vom Antragsteller beleidigt wurde, der insoweit auch Strafantrag gestellt hat. Insoweit wurde der Antragsteller mittlerweile auch wegen Beleidigung verurteilt. Die Beleidigung eines Richters durch den Angeklagten kann aber generell nicht dessen Befangenheit begründen, da es ansonsten im Belieben eines Angeklagten stünde, durch eine Beleidigung den missliebigen Richter loszuwerden.“

„Schön“ die Formulierung „loszuwerden“. Aber zutreffend: Mit einer Beleidigung und anschließendem Strafantrag des Richters wird man den nicht los 🙂 .

Gefesselt, oder: Der „brodelnde Vulkan“

© Andy Dean - Fotolia.com

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Ein in der Hauptverhandlung gefesselter Angeklagter, ist ein Horrorbild für jeden Verteidiger, denn die „Außenwirkung“ ist sicherlich fatal. Signalisiert sie doch eine nicht unerhebliche Gefährlichkeit, der eben nur mit Fesselung begegnet werden kann. Zudem stellt die Fesselung einen erheblichen Grundrechtseingriff. Daher wird sich jeder Angeklagte/Verteidiger gegen eine ihn/seinen Mandanten betreffende Fesselungsanordnung wehren. So auch der Verteidiger/Angeklagte in einem beim LG Essen anhängigen Berufungsverfahren wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung. In dem hatte sich der Angeklagte mit einem Ablehnungsantrag gewehrt, der bei der Strafkammer keinen Erfolg hatte. Das wurde dann in der Revision beim OLG Hamm gerügt. Das OLG hat mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 09.01.2014 – 5 RVs 134/13 – die Revision verworfen. Es hatte wegen der Fesselungsanordnung keine Bedenken hinsichtlich der Unbefangenheit des Vorsitzenden:

a) Für die Beurteilung des Befangenheitsgesuchs kann dahingestellt bleiben, ob sich die zu Beginn der Berufungshauptverhandlung am 06. September 2013 getroffene Anordnung zur Fesselung des Angeklagten – wie vom Landgericht angenommen – als sitzungspolizeiliche Maßnahme des Vorsitzenden nach § 176 GVG darstellt (vgl. hierzu Keller, NStZ 2001, 233, 234) oder aber als Maßnahme der äußeren Verhandlungsleitung nach § 231 Abs. 1 Satz 2 StPO einzuordnen ist (vgl. insoweit BGH, NJW 1957, 271; OLG Dresden, NStZ 2007, 479). Denn sowohl die Anforderungen an eine sachlich gerechtfertigte sitzungspolizeiliche Maßnahme nach § 176 GVG als auch die für eine Anordnung nach § 231 Abs. 1 Satz 2 StPO maßgeblichen Voraussetzungen entsprechend § 119 StPO (vgl. insoweit Meyer-Goßner, a.aO., § 231 Rdnr. 2) sind vorliegend erfüllt.

Da es sich bei der Fesselung um den stärksten Eingriff in die Bewegungsfreiheit eines Betroffenen und zugleich um einen Grundrechtseingriff von erheblichem Gewicht handelt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03. August 2011 – 2 BvR 1739/10 -; OLG Celle, NStZ 2012, 649, 650; OLG Hamm, NStZ-RR 2011, 291), kommt eine solche Fesselung nur in Betracht, wenn konkrete Tatsachen einen Fesselungsgrund begründen und die mit der Fesselung beabsichtigten Zwecke nicht auf weniger einschneidende Art und Weise erreicht werden können (vgl. BVerfG, a.a.O.; OLG Celle, a.a.O.). Diese einschränkenden Voraussetzungen gelten sowohl für Maßnahmen nach § 176 GVG als auch Anordnungen nach § 231 Abs. 1 Satz 2 StPO. Derartige konkrete, eine Fesselung rechtfertigende Tatsachen können zwar nicht allein aus dem Bestehen von Fluchtgefahr als Haftgrund im Sinne des § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO hergeleitet werden, wohl aber aus Auffälligkeiten des Verfolgten im Vollzug, soweit diese durch Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, Fluchtversuche oder Suizidabsichten gekennzeichnet sind (so auch OLG Celle, NStZ 2012, 649, 650). Liegen derartige Erkenntnisse vor, so ist bei der Frage nach der Rechtmäßigkeit einer Fesselungsanordnung außerdem zu berücksichtigen, dass der Vorsitzende neben einem störungsfreien äußeren Verhandlungs- bzw. Sitzungsablauf vor allem auch die Sicherheit der Verfahrensbeteiligten im Sitzungssaal zu verantworten und gewährleisten hat. Deshalb ist dem Vorsitzenden bei der Entscheidung, ob hinreichender Anlass für eine sitzungspolizeiliche Maßnahme bzw. eine auf § 231 Abs. 1 Satz 2 StPO gestützte Fesselung besteht, ein Ermessensspielraum einzuräumen.

Vorliegend hält sich die Fesselungsanordnung des Vorsitzenden in den Grenzen pflichtgemäßen Ermessens. Entgegen der von Seiten der Verteidigung vertretenen Ansicht liegt gerade kein Fall vor, in dem sich der Vorsitzende lediglich auf eine allgemein gehaltene Einschätzung des Leiters der Justizvollzugsanstalt zu Fluchtplänen o.ä. des Angeklagten gestützt hätte (vgl. hierzu OLG Dresden, NStZ 2007, 479). Vielmehr geht aus dem Bericht des Leiters der Justizvollzugsanstalt F vom 04. September 2013 eindeutig hervor, dass der Angeklagte aus dortiger Sicht ohne jeden Zweifel als gewaltbereite Person einzustufen ist, die besonderer Sicherungsmaßnahmen bedarf. In dem Bericht wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Angeklagte seit seiner Inhaftierung wegen einer „Kette gewaltbesetzter Szenen“ – in Gestalt der „Zerstörung und Beschädigung von Sachwerten, Wutausbrüchen gegenüber Mitgefangenen und Bediensteten und auch wiederholten Verletzung(-sversuchen) gegenüber Bediensteten“ – aufgefallen und deshalb in strenge Einzelhaft genommen worden ist. Ausweislich des Berichts hat sich der Angeklagte während des Vollzugs der Untersuchungshaft „immun gegen jedwede Ermahnung oder Belehrung und völlig desinteressiert an Kooperation“ gezeigt. Die vorbeschriebene Gefährlichkeit des Angeklagten wird – entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht – nicht etwa dadurch infrage gestellt, dass der Angeklagte in dem Bericht als „momentan unauffällig“ bezeichnet wird, denn er wird zugleich als „brodelnder Vulkan, der jederzeit zum Ausbruch neigt“ beschrieben. Der Bericht endet zudem mit dem unmissverständlichen Hinweis, dass „Gewalttätigkeiten anlässlich des Berufungstermins nicht einmal annähernd“ ausgeschlossen werden könnten und „Sicherungsmaßnahmen wie z.B. ständige Fesselung ratsam“ seien. Vor diesem Hintergrund lagen für den Kammervorsitzenden hinreichend konkrete Erkenntnisse vor, um den Angeklagten jedenfalls zu Beginn der Hauptverhandlung gefesselt zu lassen, nachdem dieser bereits mit Hand- und Fußfesseln von der Justizvollzugsanstalt in den Sitzungsaal des Landgerichts überführt worden war. In diesem Zusammenhang ist keinesfalls zu beanstanden, dass sich der Vorsitzende nicht allein auf die Anwesenheit mehrerer Justizwachtmeister im Sitzungsaal verlassen hat. Denn das vorbeschriebene Vollzugsverhalten des Angeklagten zeigt, dass er auch vor Angriffen gegenüber dem Wachpersonal nicht zurückschreckt.

Da hat sich die Frau Sachverständige aber im Ton vergriffen = Befangen

© eccolo - Fotolia.de

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So ganz häufig sind erfolgreiche Ablehnungen von Sachverständigen im Strafverfahren (§ 74 StPO) m.E. nicht. Deshalb ist m.E. ein (amtsgerichtlicher) Beschluss, durch den ein AG eine Sachverständige wegen Besorgnis der Befangenheit aus dem Verfahren nimmt, berichtenswert.

Zum Sachverhalt: Die Staatsanwaltschaftt hatte gegen einen Angeklagten Anklage wegen Raubes erhoben. Nach Zustellung der Anklage und Pflichtverteidigerbestellung ersucht das  AG die Staatsanwaltschaft um die Durchführung von Nachermittlungen. Diese waren nach Auffassung des AG erforderlich, weil ausreichende Ermittlungen zum Gesundheitszustand des mutmaßlich Geschädigten fehlten. Diese Nachermittlungen ergeben, dass der Zeuge an schwerwiegenden psychischen Erkrankungen leidet und deshalb aufgrund betreuungsrichterlicher Beschlüsse wiederholt geschlossen untergebracht, wurde. Das AG hält nun die Einholung eines Gutachtens zur Glaubhaftigkeit der belastenden Angaben des Zeugen für erforderlich. Zur Sachverständigen wird eine Fachärztin für Psychiatrie bestellt. Diese fertigt ein vorläufiges schriftliches Gutachten. Zu dem nimmt dann der Verteidiger Stellung und beanstandet Mängel, zusammengefasst: Das Gutachten entspricht nicht den Anforderungen von BGHSt 45, 99.

Nunmehr wird der Sachverständigen aufgegeben, zum Schriftsatz der Verteidigung und den dort erhobenen Einwendungen Stellung zu nehmen. Und sie nimmt Stellung, und zwar führt „die Sachverständige unter anderem aus, dass „der Herr Verteidiger wohl kaum jemals ein echtes aussagepsychologisches Gutachten zu Gesicht bekommen hat“. Ferner bittet die Sachverständige „um Nachsicht, sollte sie ihre differentialdiagnostischen Ausführungen zu fachspezifisch“ dargestellt haben, auch spricht Sie – offensichtlich auf den Verteidiger gemünzt – von einem „Laien“. Auch habe der Verteidiger fachpsychiatrische Gutachten mit aussagepsychologischen Gutachten verwechselt.“ Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den vom Verteidiger erhobenen Einwendungen erfolgt nicht, zumindest nicht ausreichend.

Der Verteidiger lehnt daraufhin die Sachverständige wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Der AG Backnang, Beschl. v. 14.02.2013 –  2 Ls 113 Js 112185/12 – sagt: Zu Recht, denn: Ein Sachverständiger muss  zwar gänzlich unsubstantiierte, polemische oder gar beleidigende Angriffe gegen seine Person und/oder seine Arbeitsweise nicht hinnehmen. Zeigt er hierbei nachvollziehbare Emotionen oder auch Empörung, begründet dies – so das AG – die Besorgnis der Befangenheit nicht. Andererseits darf aber der Angeklagte ebenso wie die weiteren Verfahrensbeteiligten auch erwarten, dass Sachverständige auf sachliche Einwendungen ebenso sachlich reagieren und zu Fragen und Beanstandungen der Verfahrensbeteiligten in angemessener Weise Stellung nehmen. Und da hatte sich die Frau Sachverständige nach Auffassung des AG im Ton vergriffen:

1. In vorliegender Sache verhält es sich jedoch so, dass der Schriftsatz des Verteidigers durchweg in sachlichem Ton gehalten ist, und der Angeklagte darf ebenso wie die weiteren Verfahrensbeteiligten erwarten, dass Sachverständige auf sachliche Einwendungen ebenso sachlich reagieren und zu Fragen und Beanstandungen der Verfahrensbeteiligten in angemessener Weise Stellung nehmen. Dies hat die abgelehnte Sachverständige vorliegend nicht getan. Zu den substantiiert und unter Bezugnahme auf höchstrichterliche Rechtsprechung vorgetragenen Einwendungen nimmt sie in dem nunmehr monierten Schreiben allenfalls am Rande Stellung, teilweise beschränken sich die Ausführungen auf einen einzigen Satz. Der Auffassung der Staatsanwaltschaft, es liege inhaltlich eine „erschöpfende“ Auseinandersetzung mit den Inhalten des Verteidigervorbringens vor, vermag das Gericht daher nicht beizutreten.

 2. Diese Verhaltensweise in Verbindung mit der Tonart, in der die ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen gehalten ist, begründet aus Sicht eines verständigen Angeschuldigten die Besorgnis der Befangenheit. Dabei hat das Gericht nicht verkannt, dass sich die kritisierten Bemerkungen der Sachverständigen nicht gegen den Angeschuldigten, sondern „nur“ gegen den Verteidiger richten. Ebenso wenig wurde verkannt, dass die Rechtsprechung wiederholt entschieden hat, dass Spannungen zwischen Richter bzw. Sachverständigen und Verteidiger grundsätzlich nicht geeignet sind, das Vertrauen des Angeklagten in die Unparteilichkeit zu beeinträchtigen. Diese Rechtsprechung betrifft jedoch in aller Regel Fälle, in denen Spannungen durch unangemessenes Verhalten des Verteidigers provoziert wurden; ein Verteidiger soll es nicht in der Hand haben, durch Provokationen des Gerichts selbst Ablehnungsgründe zu schaffen.“

Und da diese Spannungen sich nach Auffassung des AG auch auf den Angeklagten übertragen können, hat es den Sachverständigen aus dem Verfahren „ausgeschlossen“. Also: Lieber „sine ira et studio“, Frau/Herr Sachverständige(r).

„Großer Senat“ beim LG – kein Ablehnungsgrund…

© sss78 – Fotolia.com

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Bei der 10. Zivilkammer der LG Karlsruhe waren mehrere Zivilverfahern mit demselben Streigegenstand anhängig. In diesen Parallelverfahren haben sich die fünf der 10. Zivilkammer angehörenden Richter abgesprochen und sich für alle Parallelverfahren auf eine einheitliche Linie geeinigt hätten, wie man mit identischem Sachvortrag in den Verfahren umgeht. Man hat sich dann auf „eine Linie geeinigt“, was für die Kläger im Hinblick auf den Lauf der Verjährungsfristen nachteilig war. In einem der Verfahren wird dann der „mitbeschließende“ (Einzel)Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.Das LG hat das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde landet das Verfahren beim OLG Karlsruhe, das zu der Problematik im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 09.09.2013 – 17 W 16/13 – Stellung nimmt. Das OLG sieht keinen Grund für eine Besorgnis der Befangenheit:

„Die vom Kläger vorgebrachten Ablehnungsgründe vermögen bei der gebotenen objektiven Betrachtung eine Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters nicht zu begründen. Dieser hat sich, anders als der Kläger meint, nicht in willkürlicher Weise zur Vermeidung einer Beweisaufnahme auf einen nach Auffassung des Klägers unhaltbaren Rechtsstandpunkt zum Inhalt des BaFin-Berichts gestellt und sich auch nicht durch willkürliche Entscheidungen zu Lasten anderer Kläger in vergleichbaren Parallelverfahren über deren Vorbringen und Beweisanforderungen hinweggesetzt mit der Folge, dass der Kläger annehmen könnte, er werde im vorliegenden Verfahren in gleicher Weise willkürlich behandelt und mit seiner Klage ohne weitere Prüfung wegen Verjährungseintritts abgewiesen. Die vom Kläger mit seinem Befangenheitsgesuch gegen den als Einzelrichter zur Entscheidung berufenen Richter erhobenen Vorwürfe greifen nach der gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände im Ergebnis nicht durch.

Mit dem Landgericht geht auch der Senat davon aus, dass die Mitteilung der (vorläufigen) Rechtsauffassung in der mündlichen Verhandlung, auch wenn sie sich durch Entscheidungen und Äußerungen in Parallelverfahren bereits verfestigt hat, keinen Befangenheitsgrund gibt. Dies gilt auch dann noch, wenn die Zivilkammer, bei der eine Vielzahl von gleich gelagerten Verfahren anhängig ist, durch Besprechungen und Austausch von Argumenten im Vorfeld der Verfahrensbearbeitung durch die originär zuständigen Einzelrichter versucht, eine einheitliche Linie zu finden.

Wie der Senat bereits im Rahmen des gegen die Kammervorsitzende gerichteten Ablehnungsgesuchs des Klägers ausgeführt hat, hätte eine Abstimmung der Rechtsauffassungen innerhalb der Zivilkammer auch durch Vorlage ausgewählter Pilotverfahren an die Kammer zur Entscheidung gemäß § 348 Abs. 3 ZPO erfolgen können, was zweckmäßiger erschienen wäre. Die Kammer hätte dann die sich stellenden Verfahrensfragen in bestimmter Weise behandeln und ihre Rechtsauffassung nach Beratung im Urteil nach außen dokumentieren und gegebenenfalls eine ständige Rechtsprechung der Zivilkammer begründen können. Angesichts des dadurch entstehenden höheren Aufwands und unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts, dass die 10. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe schon Erfahrung mit Fällen aus dem „B.-Komplex“ hatte, lässt sich daraus ein Befangenheitsgrund jedoch nicht herleiten. Dass Richter einer Zivilkammer für Parallelverfahren ihre Rechtsauffassungen austauschen und versuchen, für die gleich gelagerten Rechtsstreitigkeiten, zumal wenn größtenteils identischer Vortrag von den Parteien gehalten ist, eine einheitliche Linie zu finden, das heißt die Kraft der wechselseitigen Argumente abwägen und sich jeweils ihre eigene Rechtsauffassung bilden, wobei der einzelne Richter für sich abwägen wird, ob er eine sich herauskristallisierende Auffassung der Mehrheit der Kammermitglieder im Sinne der Einheitlichkeit der Kammerrechtsprechung mittragen kann und sich zu eigen macht oder – was immer vorbehalten ist – künftige Fälle gegebenenfalls auch in Abweichung von der Mehrheitsmeinung der Kammer entscheiden wird, gibt einem Verfahrensbeteiligten keinen Grund, von Voreingenommenheit des Richters auszugehen. Denn es versteht sich von selbst (auch ohne, dass dies ausdrücklich ausgesprochen wird), dass sich der originäre Einzelrichter durch seine Teilnahme an einer solchen Besprechung für die ihm zugewiesenen Verfahren in keiner Weise rechtlich bindet, auch nicht binden kann. Seine sachliche Unabhängigkeit ist daher durch eine solche Handhabung oder Verfahrensweise nicht beeinträchtigt….“