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Der Schöffe mit Handy in der Hauptverhandlung, oder: Ein Schöffe weniger

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Die Kollegen Rechtsanwälte Sylvain Lermen und Dr. Ingo Fromm, Koblenz, haben mir den LG Koblenz, Beschl. v. 29.09.2015 – 2090 Js 29.752/10 12 KLs – erst jetzt übersandt übersandt. Ist also zwar schon etwas älter und über ihn ist auch schon an anderer Stelle berichtet worden. Aber ich stelle ihn dann doch noch vor, weil er anschließt an das BGH, Urt. v. 17.06.2015 – 2 StR 228/14 (dazu: SMS aus der Hauptverhandlung – das geht gar nicht….). Im LG Koblenz-Verfahren hat das LG die Ablehnung eines Schöffen als berechtigt angesehen und ist dabei von folgendem Sachverhalt ausgegangen:

„Zur Begründung beruft er sich auf einen Vorgang in der Hauptverhandlung vom 22.09.2015, die wegen der Erkrankung eines Verteidigers und eines Mitangeklagten nur von etwa 13:15 Uhr bis 14:15 Uhr dauerte, und in der im Wesentlichen Telefonmitschnitte und Kurznachrichten aus der Telefonüberwachung betreffend den früheren Mitangeklagten pp.  in das Verfahren eingeführt wurden.

Der Angeklagte pp. macht geltend, der abgelehnte Schöffe habe mit dem Gesicht zur Tischplatte geneigt etwa ab 13:45 Uhr seine Aufmerksamkeit zunehmend einem sich dort befindlichen Gegenstand gewidmet. Er, pp., habe aufgrund seiner Sitz-position diesen Gegenstand zwar zunächst nicht wahrnehmen können; er habe jedoch bemerkt, dass dieser Gegenstand bis zum Sitzungsende etwa um 14:15 Uhr immer wieder offenbar die gesamte Aufmerksamkeit des abgelehnten Schöffen in Anspruch genommen habe.

Nach dem Ende der Sitzung habe er dann bemerkt, dass es sich bei dem fraglichen Gegenstand um ein Mobiltelefon gehandelt habe, weil der abgelehnte Schöffe dieses Gerät aus seiner ursprüngliche Position unter der Tischplatte hervorgeholt und nunmehr für ihn sichtbar auf dem Richtertisch abgelegt habe.“

Der abgelehnte Schöffe hat hierzu folgende dienstliche Erklärung abgegeben: „Ich verwende das internetfähige Mobiltelefon gelegentlich während der Verhandlung, um – wie auch Rechtsanwälte und Angeklagte – Vorhalte aus dem Internet nachzuvollziehen und Begriffserklärungen aufzurufen. Ich versichere, dass ich den pp. betreffenden Telefonaten und Kurzmitteilungen meine ungeteilte Aufmerksamkeit gewidmet habe und auch die Inhalte zur Kenntnis genommen habe.“

Das LG hat – in Übereinstimmung mit der StA – das Befangenheitsgesuch durchgreifen lassen:

„Auch aus der Sicht eines besonnenen Angeklagten gab die Nutzung des Mobiltelefons durch den abgelehnten Schöffen während laufender Hauptverhandlung begründeten Anlass zu der Befürchtung, der Schöffe habe sich mangels uneingeschränkten Interesses an der dem Kernbereich richterlicher Tätigkeit unterfallenden Beweisaufnahme auf ein bestimmtes Ergebnis festgelegt (vgl. BGH Urt. v. 17.06.2015 -2 StR 228/14) hat.

Dabei kommt es auch nicht darauf, ob durch die Nutzung des Mobiltelefons die Aufmerksamkeit des Schöffen tatsächlich erheblich eingeschränkt war.

Aus der maßgebliche Sicht der Angeklagten und gestützt auf objektivierbare Umstände hat der Schöffe den Eindruck der Gleichgültigkeit gegenüber dem Inhalt der Beweisaufnahme und damit auch gegenüber den berechtigten Belangen der Angeklagten erweckt.

Von daher ist das Verhalten des abgelehnten Schöffen aus Sicht der ablehnenden Angeklagten bei verständiger Würdigung geeignet, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).“

M.E. zutreffend.

P.S. Bei dem Verfahren 2090 Js 29.752/10 12 KLs LG Koblenz handelt es sich übrigens um ein Verfahren wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung, das schon mal beim BGH gewesen ist – Stichwort: Aktionsbüro Mittelrhein – – wenn ich es richtig sehe (vgl. BGH, Beschl. v. 07.02.2012 – 3 StR 335/11).  Also zweiter Durchlauf. Irgendwie scheint es in dem Verfahren ein Problem mit den Schöffen zu geben. Denn es sit schon mal ein Schöffe ausgeschieden, und zwar aufgrund des LG Koblenz, Beschl. v. 19.12.2012 – 2090 Js 29.752/10 -12 KLs.

Das war die Geschichte mit dem Schokonikolaus auf dem Tisch des Staatsanwaltes (Nicht Rosen, sondern Schoko-Nikoläuse gibt es beim LG Koblenz für den Staatsanwalt). Man kann nur hoffen, dass die Kammer genug Ergänzungsschöggen bestellt hat. Sonst ist dann ja irgendwann Schluss.

„…der hat ja schon meinen Lebensgefährten verurteilt und ist befangen…..“, oder: Sinnvolle Reform

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„…Der hat ja schon meinen Lebensgefährten verurteilt und ist befangen…..“, ist etwas vereinfacht ausgedrückt ein Einwand, den die Angeklagte in einem Verfahren wegen des Vorwurfs des Mordes gegen den Vorsitzenden Richter erhoben hatte (§§ 24, ff, 338 Nr. 3 StPO). Vorgeworfen wurde der Angeklagten die Ermordung ihres Ehemanns im Jahre 2009, der sich von ihr getrennt hatte und sie nicht mehr an dem wirtschaftlichen Erfolg der – zunächst gemeinsamen – geschäftlichen Unternehmungen teilhaben lassen wollte. Den Mord soll die Angeklagte gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefährten S. begangen haben. Der ist durch Urteil des LG Darmstadt vom 11.07.2011 unter Mitwirkung des Richters Mü. als Berichterstatter wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Richter am LG Mü. ist inzwischen befördert worden und hat im Verfahren gegen die Angeklagte als Vorsitzender mitgewirkt. Die Angeklagte hat ihn wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt (§ 24 Abs. 2 StPO). Die Rüge hatte (auch) beim BGH im BGH, Urt. v. 10.02.2016 – 2 StR 533/14 – keinen Erfolg:

„a) Die Befangenheitsrüge (§ 338 Nr. 3 StPO) ist unbegründet. Dass der damalige Lebensgefährte der Angeklagten, S., durch Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 11. Juli 2011 unter Mitwirkung des Richters Mü. als Berichterstatter wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, begründete nicht die Besorgnis, Richter am Landgericht Mü. sei im vorliegenden Verfahren, in dem er als Vorsitzender mitgewirkt hat, voreingenommen (§ 24 Abs. 2 StPO).

Die Mitwirkung eines Richters an Vorentscheidungen ist regelmäßig kein Ablehnungsgrund. Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters ist nicht gerechtfertigt, soweit er in einem früheren Strafverfahren mitgewirkt hat, in dem dieselben Vorgänge wie in dem jetzigen Verfahren eine Rolle spielten (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 24 Rn. 13). Dies gilt auch dann, wenn die Mitwirkung die Verurteilung eines Mittäters wegen derselben Straftat betraf (Senat, Urteil vom 30. Juni 2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44, 46; BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 – 1 StR 233/96, NJW 1997, 3034, 3036; Beschluss vom 3. Dezember 2015 – 1 StR 169/15). Eine andere Beurteilung ist nur dann angezeigt, wenn besondere Umstände hinzutreten. Dies kann etwa der Fall sein, wenn das frühere Urteil unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über den jetzigen Angeklagten enthielt oder ein Richter sich in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat (BGH, Beschluss vom 27. April 1972 – 4 StR 149/72, BGHSt 24, 336, 338; Urteil vom 29. Juni 2006 – 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864, 2866; Beschluss vom 3. Dezember 2015 – 1 StR 169/15).

Solche Äußerungen und Wertungen enthält das Urteil vom 11. Juli 2011 indes nicht. Soweit in den Urteilsgründen ausgeführt ist, es sei „die Rücksichtslosigkeit zu berücksichtigen, mit welcher [S. und die Angeklagte] vor gingen und mit welcher sie durch die Ermordung M. M. s versuchten, statt diesem in dessen Geschäfte einzutreten und die hierbei entstehenden Gewinne selbst zu vereinnahmen“, entspricht diese Bewertung dem festgestellten Tatgeschehen und der Annahme eines aus Habgier begangenen Mordes. Auch im Übrigen enthält das Urteil vom 11. Juli 2011 keine Feststellungen und Wertungen, die geeignet waren, gegenüber Richter am Landgericht Mü. die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Da das Landgericht das Motiv der Habgier aus der gescheiterten Ehe der Angeklagten mit M. M. und ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von ihrem Ehemann abgeleitet und darüber hinaus die Überzeugung von der Täterschaft des S. maßgeblich auch auf Beweisanzeichen gestützt hat, die zugleich für eine Tatbeteiligung der Angeklagten sprachen, war die Darstellung der Beteiligung der Angeklagten an der von S. durchgeführten Tatbegehung bereits zur Vermeidung von Darstellungsmängeln geboten. Eine Befangenheitsrüge kann in diesem Fall nicht darauf gestützt werden, das Tatgericht sei aufgrund der in dem früheren Urteil festgestellten Tatbeteiligung voreingenommen (vgl. Senat, Urteil vom 5. Februar 1986 – 2 StR 653/85; BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 – 1 StR 233/96, NJW 1997, 3034, 3036 [insoweit in BGHSt 43, 96 nicht abgedruckt]). Nichts anderes gilt im Hinblick auf die in den Urteilsgründen enthaltenen Hinweise auf die feste bzw. sichere Überzeugung des Gerichts von der Mittäterschaft der Angeklagten (UA S. 42 f./85 f./88). Ob entsprechende Formulierungen in einem früheren Urteil gegen einen Tatbeteiligten Anlass zu Missdeutungen geben können (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 9. März 2000 – 4 StR 513/99, NStZ-RR 2001, 129, 130 [Kusch]), kann dahinstehen. Denn die Fassung der Urteils-gründe, die lediglich das erforderliche Maß an Sicherheit zum Ausdruck bringen, das mit Blick auf § 261 StPO für eine Verurteilung erforderlich ist, bieten hier keine Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit.“

„Schwer zu vermitteln“ ist eine solche Konstellation immer und es ist mehr als verständlich, dass ein Angeklagter die Besorgnis der Befangenheit hat. Aber: Die Rechtsprechung sieht es nun mal anders, obwohl m.E. kein Grund dagegen spricht, den § 22 StPO zu erweitern. Das wäre doch mal eine (sinnvolle) Reform Herr Maas 🙂 .

Befangenheit, oder: Wenn der Amtsrichter mehr als drei Wochen Akteneinsichtsantrag nicht bescheidet

© Stefan Rajewski Fotolia .com

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Die zweite AG-Entscheidung, die ich heute „vorstelle“, hat mir der Kollege Hein aus Frankfurt vor einigen Tagen übersandt. Es handelt sich um den AG Frankfurt/Main, Beschl. v. 07.03.2016 – 970 OWi – 862 Js 65796/15. Der Beschluss behandelt eine „Befangenheitproblematik“. Leider erhält er nur wenig Sachverhalt. Aber es ist wohl so, dass der Kollege vor dem auf den 29.02.106 anberaumten Hauptverhandlungstermin am 05.02.2016 Akteneinsicht beantragt und zu dem Antrag dann keine „Nachricht“ vom AG bekommen hat. Weder positiv noch negativ. Mit der Begründung ist der Amtsrichter dann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden. Und mit Erfolg:

„Es besteht die Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters. Dass der abgelehnte Richter dem Verteidiger des Betroffenen die Akte vor dem Termin am 29.02.2016 nicht – wie vom Verteidiger frühzeitig mit am 05.02.2016 eingegangenen Schriftsatz beantragt – zur Einsicht zuverfügte, kann aus Sicht eines objektiven Betroffenen in der Rolle des konkret Betroffenen die Befürchtung begründen, der abgelehnte Richter halte eine Akteneinsicht oder gar eine Bescheidung des entsprechenden Antrags für überflüssig und trete dem Betroffenen daher nicht mit der gebotenen Unvoreingenommenheit auf. Dies gilt jedenfalls unter den Umständen des konkreten Falls, denn weder der dienstlichen Erklärung des abgelehnten Richters noch dem sonstigen Akteninhalt lässt sich ein nachvollziehbarer Grund für dieses Verhalten des abgelehnten Richters entnehmen. Die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters im Nachgang zum Termin beschränkt sich (wie die zuvor zu Protokoll genommene, Seite 2 des Hauptverhandlungsprotokolls) auf die Äußerung, dass er sich nicht befangen fühle; weitere Klarstellungen oder Erklärungen sind ihr nicht zu entnehmen. Da das Befangenheitsgesuch schon wegen der ohne plausiblen Grund vorenthaltenen Akteneinsicht Erfolg hat, kommt es nicht mehr darauf an, ob im konkreten Fall auch der – sich auf einen Einzeiler beschränkenden, auf das persönliche Gefühl abstellenden – dienstlichen Äußerung als solcher, sonstigen vom Betroffenen dargelegten Verhaltensweisen des abgelehnten Richters im konkreten Fall oder aus der Zusammenschau aller Umstände die Besorgnis zu entnehmen ist, dass der abgelehnte Richter dem Betroffenen nicht mit der gebotenen Unvoreingenommenheit auftritt bzw. auftreten werde. Da das erste Ablehnungsgesuch Erfolg hat, erübrigt sich eine Entscheidung über das neuerliche Ablehnungsgesuch im Schriftsatz der Verteidigung mit Datum vom 04.03.2016.“

Und da sag noch mal einer, es gilt die Krähentheorie…. 🙂

Die Akteneinsichtsfragen sind übrigens natürlich dargestellt in Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl., 2015. Das kann man derzeit im Rahmen einer „Mängelbuchaktion“ günstig erwerben. Statt 119 € nur 94,90 €. Zur Bestellung geht es hier.

„Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA…“. oder: Das unfassbare Facebook-Profil eines StK-Vorsitzenden

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Es gibt Dinge, von denen ich immer gehofft habe, dass es sie nicht gibt. Dann wird man aber vom Gegenteil überzeugt, meist schmerzlich. So ist es mit dem BGH, Beschl. v. 12.01.2016 – 3 StR 482/15, den mir gestern einer der Verteidiger, der die beiden Angeklagten gegen den Vorwurf des erpresserischen Menschenraubes bei einer Strafkammer der LG Rostock verteidigt hat, zugesandt hat. „Schmerzlich“ ist allerdings nicht der – zutreffende – BGH, Beschl., sondern der ihm zugrunde liegende Sachverhalt.

Und zum Sachverhalt – es geht um Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden der großen Strafkammer (§§ 24 ff. StGBStPO) – stellt der BGH fest:

„Der Verteidiger des Angeklagten Y. nahm am Abend des 22. Januar 2015 erstmals von dem Facebook-Account des Vorsitzenden der Strafkammer Kenntnis. Im öffentlich zugänglichen Bereich war auf der Profilseite ein Lichtbild des Vorsitzenden zu sehen, auf dem dieser mit einem Bierglas in der Hand auf einer Terrasse sitzt und ein T-Shirt trägt, das mit der Aufschrift: „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA“ bedruckt ist. Auf derselben Seite war vermerkt: „2. Große Strafkammer bei Landgericht Rostock“. In der Zeile darunter hieß es: „1996 bis heute“. Im Kommentarbereich befand sich ein Eintrag des Vorsitzenden, der wie folgt lautete: „Das ist mein ‚Wenn du raus kommst, bin ich in Rente‘-Blick“. Dieser Eintrag wurde von einem Benutzer mit den Worten: „.,.sprach der schwedische Gardinen-Verkäufer! :-))“ kommentiert, was wiederum von zwei Personen, darunter der Vorsitzende, „geliked“ wurde. Zu Beginn des nächsten Hauptverhandlungstages lehnte der Angeklagte daraufhin den Vorsitzenden wegen des Inhalts der Facebook-Seite und weiterer Umstände wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Der Angeklagte E schloss sich diesem Gesuch an. In der Folgezeit äußerte sich der Vorsitzende dienstlich zu dem den Facebook-Account betreffenden Inhalt des Ablehnungsgesuches wie folgt: „Zum weiteren Vorbringen im Ablehnungsgesuch gebe ich keine Stellungnahme ab. Ich werde mich nicht zu meinen privaten Lebensverhältnissen äußern.“ Am 28. Januar 2015 wies die Strafkammer die Ablehnungsgesuche der Angeklagten als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Internetauftritt des Vorsitzenden betreffe ausschließlich dessen persönlichen Lebensbereich und sei offensichtlich humoristisch geprägt.“

Für mich einfach: Unfassbar. Oder? Ich muss ehrlich sagen: Mir fehlen die Worte. Dem BGH allerdings nicht, denn der hat das getan, woran m.E. kein Weg vorbei führte. Er hat das Ablehnungsgesuch als begründet angesehen und das Urteil des LG – ohne viel Worte – wegen eines Verstoßes gegen § 338 Nr. 3 StPO aufgehoben:

„Die Ablehnung eines Richters ist nach § 24 Abs. 2 StPO gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine erforderliche Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann. Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist ein vernünftiger bzw. verständiger Angeklagter (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 1 StR 726/13, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 23; Urteil vom 12. November 2009 – 4 StR 275/09, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 21).

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Inhalt der öffentlich und somit auch für jeden Verfahrensbeteiligten zugänglichen Facebook-Seite dokumentiert eindeutig eine innere Haltung des Vorsitzenden, die bei verständiger Betrachtung besorgen lässt, dieser beurteile die von ihm zu bearbeitenden Strafverfahren nicht objektiv, sondern habe Spaß an der Verhängung hoher Strafen und mache sich über die Angeklagten lustig. Die beschriebene Facebook-Seite enthält auch einen eindeutigen Hinweis auf die berufliche Tätigkeit des Vorsitzenden und betrifft deshalb nicht lediglich dessen persönliche Verhältnisse. Unter diesen Umständen war ein noch engerer Zusammenhang mit dem konkreten, die Angeklagten betreffenden Strafverfahren nicht erforderlich, um bei ihnen die berechtigte Befürchtung zu begründen, dem Vorsitzenden mangele es an der gebotenen Neutralität. Das in dem Ablehnungsgesuch dargelegte Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden ist deshalb gerechtfertigt.“‚ Dessen Internetauftritt ist insgesamt mit der gebotenen Haltung der Unvorgenommenheit eines im Bereich des Strafrechts tätigen Richters nicht zu vereinbaren.“

Die Sache bedarf m.E. keiner weiteren Kommentierung. Aber zwei Anmerkungen will ich dann doch machen:

  1. Der BGH hat von der ihm in § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Verfahren an ein anderes LG, nämlich das LG Stralsund, zurückzuverweisen. Von der Möglichkeit macht er so häufig keinen Gebrauch. Dass er es hier tut, zeigt m.E., was er vom LG Rostock hält.
  2. Es handelte sich um die zweite Aufhebung einer Entscheidung des LG Rostock in diesem Verfahren. Das führt dazu, dass der BGH auf die Frage der Berücksichtigung des langen Zeitablaufs bei einer künftigen Strafzumessung hinweist. Wenn man diese Sache sieht, frage ich mich übrigens, warum Richter beklagen, dass Verfahren so lange dauern. Wie war das noch mit den Steinen und dem Glashaus….?

Wenn der VorsRiBGH und der Präsident des OLG mit Kind und Kegel zusammen verreist sind: Besorgnis der Befangenheit

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Beim BGH ist eine Revision in einem dienstgerichtlichen Verfahren anhängig. In dem Verfahren hatte der Antragsteller, ein Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe, ein Prüfungsverfahren gegen eine Maßnahme der Dienstaufsicht der früheren Präsidentin des OLG Karlsruhe beantragt (ich ahne, worum es gehen könnte 🙂 , nämlich: Darf ein Gerichtspräsident einen nach seiner Auffassung zu langsamen Richter ermahnen?). Das Dienstgericht hatte dem Antrag teilweise stattgegeben und ihn im Übrigen zurückgewiesen. Gegen die Zurückweisung seiner Berufung durch den Dienstgerichtshof hat der RiOLG beim Dienstgericht des Bundes Revision eingelegt. Nun hat der der Vorsitzender Richter am BGB Prof. Dr. B. , der nach dem Geschäftsverteilungsplan des BGH als Vorsitzender des Dienstgerichts zur Mitwirkung an dem Revisionsverfahren berufen ist, angezeigt, dass er seit über 20 Jahren mit dem neu ernannten Präsidenten des OLG Karlsruhe befreundet sei, die Familien früher mehrfach gemeinsame Sommerurlaube verbracht hätten und sie sich weiterhin regelmäßig zu Geburtstagsfeiern und ähnlichen Anlässen einladen würden.

Das Dienstgericht des Bundes/der BGH hat im BGH, Beschl. v. 02.12.2015 – RiZ (R) 1/15 – die Selbstablehnug für begründet erklärt:

„Auf die Selbstanzeige ist die Ablehnung für begründet zu erklären, § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 54 Abs. 1 VwGO, §§ 48, 42 Abs. 2 ZPO. Die Besorgnis der Befangenheit führt zur Ablehnung, wenn aus der Sicht eines Verfahrensbe-teiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 15. März 2012 – V ZB 102/11, NJW 2012, 1890 Rn. 10; Beschluss vom 10. Juni 2013 – AnwZ (Brfg) 24/12, NJW-RR 2013, 1211 Rn. 6; Beschluss vom 24. November 2014 – BLw 2/14, MDR 2015, 608 Rn. 3). Besondere persönliche Beziehungen des Richters zu einem Verfahrensbeteiligten können geeignet sein, ein solches Misstrauen eines Verfahrensbeteiligten in die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (BGH, Beschluss vom 24. April 2013 – RiZ 4/12, juris Rn. 28; Beschluss vom 15. März 2011 – II ZR 237/09, WM 2011, 812 Rn. 2; Beschluss vom 15. März 2011 – II ZR 244/09, NJW-RR 2011, 648 Rn. 2). Eine Bekanntschaft oder lockere Freundschaft stellt allerdings regelmäßig noch keine für eine Besorgnis der Be-fangenheit ausreichende besondere persönliche Beziehung dar (vgl. BGH, Be-schluss vom 29. Juni 2009 – I ZR 168/06, juris Rn. 6 f.; Beschluss vom 13. Juni 2005 – X ZR 195/03, juris Rn. 8; BAG, NZA-RR 2010, 516, 517). Die von Vorsitzendem Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. B. angezeigten Umstände begründen aber die Besorgnis der Befangenheit, weil danach eine über eine Bekanntschaft oder lockere Freundschaft hinausreichende persönliche Beziehung zum Präsidenten des Oberlandesgerichts Karlsruhe besteht.“

Nun, die Grundsätze wird man auch in „unteren Instanzen“ im Auge behalten müssen/können. Es gibt ja mannigfaltige Konstellationen.