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Schneckenpost in Beschwerdeverfahren? – Nein, das KG treibt zur Eile

© frogarts -Fotolia.com

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Ganz gut zum BVerfG, Beschl. v. 02.12.2014 – 1 BvR 3106/09 (vgl. dazu Schneckenpost aus Karlsruhe – das BVerfG schafft 1,75 Worte/Tag) passt der KG, Beschl. v. 27.10.2014 – 2 Ws 360/14. In ihm geht es auch um eine Art „Schneckenpost“, so dass ich das Posting zu diesem Beschluss der Entscheidung des BVerfG gleich hinterher schicke. Und zwar um „Schneckenpost“, wenn es um die Vorlage einer Beschwerde beim Beschwerdegericht geht. Da sieht § 306 Abs. 2 StPO eine 3-Tagesfrist vor, innerhalb der die Akten vorzulegen sind. Die Frist wird in Strafverfahren häufig übersehen – ob bewusst oder unbewusst lassen wir mal dahingestellt. Das KG hat jetzt – wie auch schon früher andere OLG – die Einhaltung dieser Frist, vor allem in Haftsachen, mit deutlichen Worten eingefordert. Dazu aus dem Beschluss mit dem zugrundeliegenden Sachverhalt

„Nachdem der Verteidiger gegen das Urteil des Landgerichts Revision eingelegt hatte, erhob er mit Schriftsatz vom 31. August 2014 Haftbeschwerde, die noch am selben Tag beim Landgericht einging. Darin wies er u.a. darauf hin, dass die Untersuchungshaft unverhältnismäßig lang andauere und der Haftbefehl deshalb aufzuheben sei. Das Landgericht fasste eine Nichtabhilfeentscheidung jedoch erst am 10. September 2014; beim Kammergericht ging die Beschwerde mit einem Beschwerdeband gar erst am 21. Oktober 2014, mithin erst 51 Tage später ein. Im  Einzelnen:

 Am 10. September 2014 vermerkte der Strafkammervorsitzende, dass die Akte wegen der eingelegten Revision zur Staatsanwaltschaft übersandt worden sei und er der Haftbeschwerde nicht abhelfe; zugleich verfügte er unter „Haftbeschwerde Eilt sehr“ die Übersendung des Schriftsatzes an die Staatsanwaltschaft. Ob die – schon bis dahin – schleppende Bearbeitung der Haftbeschwerde auf einer verspäteten Vorlage des Schriftsatzes durch die Geschäftsstelle des Landgerichts oder auf einer zögerlichen Bearbeitung des Vorsitzenden beruht, lässt sich dem Beschwerdeband nicht entnehmen. Gleiches gilt für den Zeitpunkt, zu der der Aktenband bei der Staatsanwaltschaft einging. Fest steht hingegen, dass am 1. Oktober 2014 – mithin mehr als einem Monat nach Eingang der Beschwerde beim Landgericht – die dort zuständige Staatsanwältin vermerkte, dass die ihr bislang unbekannten Akten nach Dezernatswechsel am 30. September 2014 erstmals vorgelegen hätten. Da jedenfalls ausweislich eines Eintrags in MESTA die Akten beim Landgericht seien, verfügte sie zunächst die Rücksendung des Beschwerdebandes an das Landgericht, um diesen vervollständigen zu lassen. Da sich diese Verfügung und der Eingang der Sachakten gekreuzt hatten, verfügte sie am 2. Oktober 2014 die Fertigung von Ablichtungen aus den Sachakten (u.a. der Nichtabhilfeentscheidung). Dies geschah indes erst am 7. Oktober 2014, obwohl die Verfügung mit „Eilt! Haft! Sofort!“ überschrieben war. An diesem Tag verfügte die Staatsanwältin sodann die Übersendung an die Generalstaatsanwaltschaft, wo der Beschwerdeband am 10. Oktober 2014 einging und mit Stellungnahme an den Senat weitergeleitet worden ist (Eingang hier am 21. Oktober 2014).

Eine solche Verfahrensweise lässt sich mit § 306 Abs. 2 StPO nicht in Einklang bringen. Hiernach ist nach Eingang einer Beschwerde eine (Nicht-) Abhilfeentscheidung zu treffen. Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, ist diese „spätestens vor Ablauf von drei Tagen dem Beschwerdegericht vorzulegen“. Der Umstand, dass es sich bei der genannten Regelung allein um eine „Soll-Vorschrift“ handelt (vgl. KG, Beschluss vom 3. Juli 2000 – 3 Ws 303/00 – [juris]; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 57. Aufl. § 306 Rdn. 11; Zabeck in KK, 7. Aufl. § 306 Rdn. 18), darf nicht dazu verleiten, eine Beschwerde erst mit erheblicher Verzögerung an das Beschwerdegericht weiterzuleiten (so auch OLG Naumburg, Beschluss vom 8. August 2000 – 1 Ws 359/00 – [juris]). Vielmehr stellt die unverzügliche Weiterleitung der Beschwerde nach dem Willen des Gesetzgebers den Regelfall, deren Nichteinhaltung hingegen die Ausnahme dar. Die Frist beginnt auch nicht erst mit der Nichtabhilfeentscheidung, sondern bereits mit dem Eingang der Beschwerde beim Gericht (vgl. Zabeck in KK a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O.). Da sich die Vorschrift nach ihrem Wortlaut an den

Erstrichter wendet, beschreibt sie, bis wann die Vorlage der Beschwerde anzuordnen ist, nicht hingegen den Zeitpunkt bis zum Eingang der Beschwerde beim Beschwerdegericht (vgl. Matt in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 306 Rdn. 23).

Auch wenn die Regelung vordergründig nur die Verfahrensweise bis zur Anordnung der Weiterleitung der Akten beschreibt, darf sie nicht dahin missverstanden werden, dass die nachfolgende – die Anordnung ausführende – Übermittlung der Beschwerde samt Akten nunmehr zögerlich erfolgen dürfte. Denn Ziel des § 306 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO ist es, dem Obergericht eine möglichst rasche Entscheidung über die Beschwerde zu ermöglichen. Die einfachgesetzliche Regelung stellt daher eine spezielle Ausprägung des Beschleunigungsgrundsatzes dar (vgl. Matt in Löwe/

Rosenberg a.a.O. Fn. 71). Der mit einer frühzeitigen Nichtabhilfeentscheidung erreichte Zeitgewinn würde aber zunichte gemacht werden, wenn die anschließende Weiterleitung der Akten und die Bearbeitung der Beschwerde verspätet erfolgen würde. Mithin gebieten Sinn und Zweck des § 306 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO ebenso wie der allgemeine Beschleunigungsgrundsatz – auch nach Erlass der Nichtabhilfeentscheidung – eine insgesamt vorrangige Bearbeitung des Beschwerdeverfahrens. Dies gilt umso mehr, wenn Gegenstand der Beschwerde eine Entscheidung ist, mit der ein Eingriff in die Rechte des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verbunden ist. Eine Überschreitung der Dreitagesfrist kann hingegen dann zulässig sein, wenn der Beschwerdeführer gegenüber dem iudex a quo weiteren Vortrag angekündigt hat und mit einer dadurch verursachten Verzögerung des Verfahrens einverstanden ist; gleiches kann gelten, wenn zur Bearbeitung der Beschwerde weitere kurzfristige Ermittlungen erforderlich erscheinen (vgl. OLG München NJW 1973, 1143; Matt in Löwe/Rosenberg a.a.O.; a.A. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O.).

306 Abs. 2 StPO ist keine bloße Ordnungsvorschrift. Sie regelt zwar nicht, welche Folge eine Fristüberschreitung nach sich zieht. Doch darf weder daraus noch aus ihrem Charakter als „Soll-Vorschrift“ geschlossen werden, dass eine Fristüberschreitung ausnahmslos folgenlos bleiben müsste. Jedenfalls bei erheblichen Fristüberschreitungen ist vorstellbar, dass der damit einhergehende Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz einer Beschwerde (mit) zum Erfolg verhelfen kann (offen gelassen vom OLG Naumburg, Beschluss vom 8. August 2000 – 1 Ws 359/00 – [juris]).

Die Voraussetzungen waren im vom KG entschiedenen Fall nicht gegeben – noch nicht? Jedenfalls aber ein deutlicher Hinweis und eine Entscheidung, die sich m.E. die Instanzgerichte hinter den sprichwöttlichen „Spiegel stecken“ sollten, wenn es um die Vorlage von Beschwerden geht. Und nicht nur die Gerichte, sondern auch die Staatsanwaltschaften.

Versagung von PKH – Beschwerde des Nebenklägers zulässig?

ParagrafenNach § 397a Abs. 3 Satz 3 StPO a.F. waren Entscheidungen über die Prozesskostenhilfe beim Nebenkläger unanfechtbar. Was häufig übersehen wird. Diese Regelung ist durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG) vom 26.06.2013 (BGBl. I, S. 1805) mit Wirkung vom 01. 09.2013 aufgehoben worden. Damit sind Beschwerden des Nebenklägers in diesem bereich zulässig. Darauf weist ausdrücklich der KG, Beschl. v. 06.03.2014 – 2 Ws 88/14 – hin. Danach war die Beschwerde der Nebenklägerin zwar zulässig, aber: Sie hatte in der Sache keinen Erfolg, und zwar:

„Es entspricht der überwiegenden Auffassung in der Literatur und Rechtsprechung (vgl. Lutz Meyer-Goßner, StPO 56. Auflage, § 397a Rdnr. 9 m.w.N.), dass in Fällen, in denen sich das Rechtsmittel des Angeklagten nur gegen den Strafausspruch richtet, in der Regel dem Nebenkläger keine Prozesskostenhilfe gewährt wird. Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte seine Berufung nicht nur allgemein auf den Strafausspruch, sondern konkret auf die Tagessatzhöhe der verhängten Geldstrafe und die Höhe des im Adhäsionsverfahren verhängten Schmerzensgeldes beschränkt, soweit es 1.300,00 Euro übersteigt. Gegenstand der Berufungsverhandlung wird daher lediglich die Frage sein, ob die Tagessatzhöhe und die Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes mit den derzeitigen Einkommensverhältnissen des Angeklagten vereinbar sind. Da darüber hinausgehende Fragen der Strafzumessung, insbesondere die Anzahl der Tagessätze nicht Gegenstand des Rechtsmittels und damit auch nicht Gegenstand der Erörterung in der Berufungshauptverhandlung sind, ist nicht ersichtlich, warum die Beschwerdeführerin ihre Interessen nicht selbst wahrnehmen kann oder ihr dies nicht zuzumuten ist, selbst wenn aufgrund der erheblichen Verletzungen, die die Beschwerdeführerin erlitten hat, von einer psychischen Betroffenheit durch die Tat auszugehen ist.“

Beides sollte man bedenken.

Sitzungshaftbefehl I – zu schnell ging es in Sachsen – da hilft nur der VerfGH

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Etwas schnell bei der Hand mit der (nachträgliche) Verwerfung einer Beschwerde gegen einen 230-iger Haftbefehl waren das LG Leipzig und das OLG Dresden. Da war der Angeklagte einem für den 08.08.2011 anberaumten  Hauptverhandlungstermin ferngeblieben. Das AG hatte daraufhin Sitzungshaftbefehl gem. § 230 Abs. 2 StPO gegen den ihn erlassen. Der Angeklagte wurde am 02.09.2011 festgenommen und dem AG Tiergarten zur Verkündung des Haftbefehls vorgeführt. Am 16.09.2011 wurde er dem AG Leipzig zur Vernehmung vorgeführt. Nach der Vernehmung ging das AG Leipzig unmittelbar in die Hauptverhandlung über und verurteilte den Beschwerdeführer am selben Tag – nicht rechtskräftig – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zugleich hob das AG den Haftbefehl auf. Am 19.09.2011 legte der Beschwerdeführer gegen den Haftbefehl des AG Leipzig v Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 24. 10. 2011 verwarf das LG Leipzig die Beschwerde gegen den Haftbefehl als unzulässig. Die Beschwerde sei nicht zulässig erhoben worden, weil sie zu einem Zeitpunkt eingelegt worden sei, zu dem der Beschwerdeführer bereits aus der Haft entlassen und der angegriffene Haftbefehl aufgehoben worden sei. Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit sei auch unter dem Aspekt der Gewährung effektiven Rechtsschutzes und bei Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG nicht zu bescheiden. Nachdem der Beschluss des LG dem Beschwerdeführer zunächst nicht zugestellt werden konnte, legte dieser gegen den Beschluss dann weitere Beschwerde ein. Das OLG Dresden hat diese als unzulässig verworfen, weil der Beschwerdeführer seine weitere Beschwerde nahezu zehn Monate nach Erlass des angefochtenen Beschlusses eingelegt habe.

Beide Begründungen halten beim VerfGH Sachsen nicht. Der führt im VerfGH Sachsen, Beschl. v. 17. 10 2013 – Vf. 40-IV-13 – aus:

„… Während vormals generell eine nachträgliche gerichtliche Klärung schwerwiegender Grundrechtseingriffe verfassungsrechtlich davon abhängig gemacht wurde, dass deren direkte Belastung sich auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in dem von der maßgeblichen Prozessordnung vorgesehenen Verfahren kaum erlangen kann, wird mittlerweile im Hinblick auf das bei Freiheitsentziehungen bestehende Rehabilitierungsinteresse dem konkreten Ablauf des Verfahrens, dem Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme oder der Frage, ob Rechtsschutz typischerweise noch vor Beendigung der Haft erlangt werden kann, keine Bedeutung für die gebotene Gewährung von Rechtsschutz mehr beigemessen (BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 2005, BVerfGK 6, 303 [309] m.w.N.; Beschluss vom 5. Dezember 2001, BVerfGE 104, 220 [235]; Beschluss vom 13. März 2002, NJW 2002, 2701; vgl. SächsVerfGH, Beschluss 27. August 2013 – Vf. 61- IV-13 [HS]/Vf. 62-IV-13 [e.A.]). Das Rechtsmittel darf in solchen Fällen nicht als unzulässig verworfen werden; vielmehr ist die Rechtmäßigkeit der zwischenzeitlich erledigten Maßnahme zu prüfen und gegebenenfalls deren Rechtswidrigkeit festzustellen (BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 2005, BVerfGK 6, 303 [309], m.w.N.).

bb) Das Oberlandesgericht und das Landgericht haben bei ihren Entscheidungen verkannt, dass nach diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben ein schutzwürdiges Interesse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit eines solch schwerwiegenden Grundrechtseingriffs wie einer Freiheitsentziehung aufgrund eines Sitzungshaftbefehls regelmäßig auch nach dessen Erledigung und unabhängig davon besteht, ob der Betroffene Rechtsschutz tatsächlich auch vor Beendigung der Haft hätte erlangen können.

Und das OLG bekommt noch einen weiteren „Rüffel“:

„aa) Das Rechtsschutzbedürfnis kann – auch bei an sich unbefristeten Anträgen – entfallen, wenn die verspätete Geltendmachung eines Anspruchs gegen Treu und Glauben verstößt, etwa weil der Berechtigte sich verspätet auf das Recht beruft und unter Verhältnissen untätig geblieben ist, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt. Das öffentliche Interesse an der Wahrung des Rechtsfriedens kann in derartigen Fällen verlangen, die Anrufung des Gerichts nach langer Zeit untätigen Zuwartens als unzulässig anzusehen.Gleichwohl darf hierdurch der Weg zu den Gerichten nicht in unzumutbarer Weise erschwert werden (BVerfG, Beschluss vom 4. März 2008, BVerfGK 13, 382 [388], m.w.N.; Beschluss vom 26. Januar 1972, BVerfGE 32, 305 [308 f.]).

bb) Diesen Anforderungen hat das Oberlandesgericht nicht Rechnung getragen. Der Zeitraum von etwa zehn Monaten, der zwischen der Übermittlung der landgerichtlichen Beschwerdeentscheidung und dem Einlegen der weiteren Beschwerde verstrichen sei, weist für sich betrachtet keine derart lange Dauer auf, dass nach den Umständen dieses Einzelfalls nicht mehr damit zu rechnen gewesen wäre, dass der Beschwerdeführer von der weiteren Beschwerde Gebrauch macht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. März 2008, BVerfGK 13, 382 [389 f.]). Gemessen daran lässt sich den Ausführungen des Oberlandesgerichts nicht entnehmen, weshalb das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers entfallen sein sollte. Auch der weitere Umstand, dass die Beschwerde zunächst nicht begründet wurde, vermag ein Vertrauen in die Wahrung des Rechtsfriedens durch die Beschwerdeentscheidung schon deshalb nicht zu stützen, weil der Beschwerdeführer ausdrücklich eine Begründung nach Einsicht in die Verfahrensakten angekündigt hatte, ihm die beantragte Akteneinsicht jedoch erst – nach der Bestellung einer Pflichtverteidigerin – am 20. März 2012 über seine Verteidigerin gewährt wurde….“

Auch einen schlechten Pflichtverteidiger muss man bezahlen….

Geld MünzenDer OLG Dresden, Beschl. v. 19.09.2013 – 2 Ws 445/12 lässt sich zusammenfassen in der Überschrift: Auch einen schlechten Pflichtverteidiger muss man = der Angeklagte bezahlen, denn auch die an ihn ausgezahlten Gebühren sind Kosten des Verfahrens. Mit dem Hinweis auf ungenügende Einsatzbereitschaft eines Pflichtverteidigers wird der Angeklagte im kostenrechtlichen Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren nicht gehört. Denn:

„Soweit die Verurteilte sinngemäß vorträgt, Rechtsanwalt B. habe aufgrund seiner ungenügenden Einsatzbereitschaft für die Verteidigung seinen Gebührenanspruch verwirkt, ist dieses Vorbringen im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren gegen den Kostenansatz nicht zu berücksichtigen. Dieses Rechtsbehelfsverfahren ist allein wegen einer Verletzung des Kostenrechts statthaft. Die Verurteilte rügt mit ihrem Vortrag zur ungenügenden Einsatzbereitschaft des Pflichtverteidigers aber nicht die kostenmäßige Richtigkeit der in Ansatz gebrachten Beträge, sondern wendet sich gegen die Anspruchsberechtigung des Rechtsanwalts dem Grunde nach. Damit kann sie jedoch nicht gehört werden.

Im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren darf auch nicht geprüft werden, ob die Anordnung, welche die Auslagen verursacht hat – hier die Aufrechterhaltung der Pflichtverteidigerbestellung von Rechtsanwalt B. durch die Zurückweisung des Entpflichtungsantrags durch den Kammervorsitzenden – rechtsfehlerfrei gewesen ist. Hierfür wäre ein eigenständiges Anfechtungsverfahren (Beschwerde gemäß § 304 StPO) eröffnet gewesen, welches die – durch Rechtsanwalt S. wahlverteidigte -Verurteilte allerdings nicht wahrnahm.

Ergänzend ist anzumerken, dass die Aufrechterhaltung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers zusätzlich zu der bereits bestehenden Wahlverteidigung eines Verurteilten ihren Grund darin hatte, die Hauptverhandlung gegen einen möglichen Ausfall des Wahlverteidigers abzusichern. Auch wenn eine solche Verfahrensweise in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen ist, so ist sie doch zulässig und sogar geboten, wenn anders der zügige Fortgang des Verfahrens und vor allem der Hauptverhandlung nicht gesichert werden kann. Nur so kann auch dem Beschleunigungsgebot im Strafverfahren, das nicht zuletzt die Interessen eines Angeklagten im Auge hat, Genüge getan werden (vgl. BVerfGE 39, 238 (246 f.); 63, 45 (68 f.); BVerfG NStZ 1984, 561; BGHSt 15, 306, 309; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 141 Rdnr. 2; § 143 Rdnr. 2). Erfolgt die Bestellung eines Pflichtverteidigers (oder die Aufrechterhaltung seiner Bestellung) gegen den Willen eines Angeklagten, kann sie zwar zum Wegfall der Einheitlichkeit der Verteidigung führen; dies muss aber im Interesse einer wirkungsvollen staatlichen Strafrechtspflege in Kauf genommen werden. Kommt es zur Verurteilung, so greift auch hier das Verursachungsprinzip der Kostenbelastung nach § 465 Abs. 1 StPO. Eine Entlastung der Angeklagten von den Kosten einer durch prozessuale Vorsorge veranlassten zusätzlichen Pflichtverteidigung sieht das Gesetz auch dann nicht vor, wenn sie sich ausdrücklich gegen eine solche Maßnahme stellt (vgl. BVerfG NStZ 1984, 561, 562).

Die Anfechtbarkeit der Terminsverfügung – etwas weit geht der Ls. des OLG Hamm

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Die Frage der Anfechtbarkeit von Terminsbestimmungen macht in der Praxis im Hinblick auf die Vorschrift des § 305 Satz 1 StPO immer wieder Schwierigkeiten. Die h.M. geht davon aus, dass die Vorschrift des § 305 Satz 1 StPO der Anfechtbarkeit entgegensteht und die Terminsverfügung des Vorsitzenden nur in Ausnahmefällen angefochten werden kann. Mit den Fragen befasst sich auch der OLG Hamm, Beschl. v. 6. 11. 2012 – III-5 Ws 333/12, dem der „Leitsatz des Gerichts“ vorangestellt ist, der da lautet:

Terminsverfügungen des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts, die der Urteilsfällung vorausgehen, sind nicht mit der Beschwerde anfechtbar.

Dazu ist Folgendes ist anzumerken:
Der gerichtliche Leitsatz der Entscheidung ist m.E. zu weit gefasst. Denn danach wären (alle) Terminsverfügungen, die der Urteilsfällung vorausgehen, nicht mit der Beschwerde anfechtbar. Das will das OLG aber gar nicht sagen und sagt es in seiner weiteren Begründung auch nicht. Mit der h.M. lässt es nämlich Ausnahmen dann zu, wenn dem Vorsitzenden bei der Terminierung Ermessenfehler unterlaufen sind (vgl. zu den Terminierungsfragen Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl., 2013, Rn. 2772; Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 7. Aufl., 2013, Rn. 2644).

Nur inzidenter entschieden hat das OLG die in der Rechtsprechung umstrittene Frage inwieweit überhaupt auch die berufliche Verhinderung des Nebenklägervertreters zu berücksichtigen ist. Die Frage wird vom OLG Bamberg bejaht (vgl. OLG Bamberg StraFo 1999, 237) vom OLG Stuttgart (Justiz 2004, 127) und vom LG Nürnberg-Fürth (NStZ 2009, 472) hingegen verneint. Das OLG nimmt dazu nicht ausdrücklich Stellung. Es scheint aber der Auffassung des OLG Bamberg zu sein. Sonst wäre seine Argumentation nicht nachvollziehbar.