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(Isolierte) Fahrerlaubnissperre, oder: Ein Bisschen begründen sollte man schon

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Heute dann gleich noch einmal ein Verkehrsrechtstag. Und den eröffne ich – wie gestern – auch mit einer BGH-Entscheidung, nämlich dem BGH, Beschl. v.  27.03.2019 4 StR 360/18. Das LG hatte gegen den Angeklagten eine isolierte Sperrfrist von zwei Jahren für die Erteilung einer Fahrerlaubnis festgesetzt.

Der BGH beanstandet die „Begründung“:

„b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet jedoch die Anordnung der Maßregel nach §§ 69, 69a Abs. 1 Satz 3 StGB. Die Strafkammer hat zur Begründung der angeordneten zweijährigen Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis lediglich angeführt, der Angeklagte habe sich dadurch als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gezeigt, dass er tateinheitlich in zwei Fällen am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen habe, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis gewesen zu sein. Diese Begründung reicht zum Beleg der Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen eines Kraftfahrzeuges im Sinne von § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht aus. Soll gegen den Täter wegen einer nicht im Katalog des § 69 Abs. 2 StGB enthaltenen Straftat – wie es bei dem vom Angeklagten verwirklichten vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG der Fall ist – die Fahrerlaubnis entzogen oder eine isolierte Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet werden, muss das Tatgericht eine Gesamtwürdigung der Tatumstände und der Täterpersönlichkeit vornehmen, mit der die fehlende Eignung belegt wird, wobei der Umfang der Darlegung vom Einzelfall abhängt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. November 2017 – 4 StR 427/17, StV 2018, 414, 415; vom 17. Dezember 2014 – 3 StR 487/14, juris Rn. 3; vom 17. Mai 2000 – 3 StR 167/00, NStZ-RR 2000, 297, 298); eine solche einzelfallbezogene Begründung der fehlenden Eignung des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr lässt das angefochtene Urteil vermissen.“

Für mich einer dieser „Kopfschüttelentscheidungen“. Man muss ja – auch nach der Rechtsprechung des BGH – in diesen Fällen nicht viel schreiben, aber etwas mehr als den Gesetzestext dann vielleicht doch. Das sollte eine Strafkammer wissen.

Revision III: Wenn man das Revisions 1 x 1 nicht beherrscht, oder: Finger weg….

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Und die letzte Entscheidung, der BGH, Beschl. v. 29.01.2018 –  2 StR 416/18 – ist mal wieder eine, bei der man in die Tischkante beißen möchte, wenn man den Beschluss liest. Aber nicht wegen der Ausführungen des BGH, sondern wegen des Unvermögens des Verteidigers, der es nicht auf die Reihe gebracht hat, eine seine offenbar zahlreichen Verfahrensrügen zulässig zu begründen. Und das in einem Verfahren, in dem das LG den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt hatte. Das bleibt nur ein ungläubiges Kopfschütteln:

a) Die Rügen der Verletzung formellen Rechts sind unzulässig, da sie nicht in dem nach § 344 Abs. 2 StPO erforderlichen Umfang ausgeführt sind.

aa) Die Rüge, das Landgericht habe gegen seine Amtsaufklärungspflicht verstoßen, indem es pflichtwidrig unterlassen habe, Protokolle der aufgezeichneten Telefongespräche zu verlesen, wurde nicht entsprechend den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erhoben, da die Revision nicht vorträgt, welches bestimmte, für den Beschwerdeführer günstige Beweisergebnis erzielt worden wäre, sondern lediglich auf vermutete und mögliche Beweisergebnisse abstellt.

bb) Die Rüge der unrechtmäßigen Mitwirkung von als befangen abgelehnten Richtern ist gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig, da bereits der Inhalt der Ablehnungsanträge nicht mitgeteilt wird (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 338 Rn. 29 mwN).

cc) Auch soweit die Revision die Verletzung von § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO rügt, ist die Rüge unzulässig erhoben, da weder der Beweisantrag noch der Ablehnungsbeschluss mitgeteilt werden, sondern insofern lediglich auf das Protokoll Bezug genommen wird.

dd) Soweit die Revision ein „Verwertungsverbot gem. § 100a StPO“ rügt, wird aus den Ausführungen nicht erkennbar, welches Verfahrensgeschehen der Beschwerdeführer im Einzelnen beanstandet. Auch diese Rüge ist daher unzulässig.“

Ungläubiges Kopfschütteln und der Aufruf: Lasst doch die Finger von der Revision, wenn ihr es nicht könnt. Hier war es ja auch nichts Besonderes/Außergewöhnliches, was der BGH verlangt/lesen möchte, sondern schlichtes „Revisions 1 x 1“.

OWi III: Verfahrensrüge „Nichtladung des Verteidigers“, oder: Verteidiger als Hellseher?

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Und als letzte Entscheidung dann der OLG Hamm, Beschl. v. 23.10.2018 – 4 RBs 313/18. Er stammt aus dem schier unerschöpflichen Reservoir der Entscheidungen zur Anforderung der Verfahrensrüge (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Gerügt hatte der Betroffene mit seiner Verfahrensrüge, dass die Hauptverhandlung beim AG ohne seinen Wahlverteidiger durchgeführt worden war. Ich hatte mich beim „Einsender“ der Entscheidung erkundigt, warum er nicht anwesend war. Grund: Das AG hatte schlicht vergessen, den Kollegen H. Urbanzyk aus Coesfeld zu laden. Der Kollege hatte dann mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vorliege und auch darauf hingewiesen, dass ggf. Beweisanträge gestellt worden wären. Als Antwort hat er vom OLG darauf erhalten:

„Soweit der Betroffene hinsichtlich der Durchführung der Hauptverhandlung ohne den Wahlverteidiger die Verfahrensrüge erhebt, genügt diese bereits nicht den Begründungsanforderungen der §§ 344 Abs. 2 StPO, 79 Abs. 3 OWiG, weil nicht vorgetragen wird, welche Beweisanträge der Wahlverteidiger im Falle seiner Anwesenheit in der Hauptverhandlung gestellt hätte. Allein die Behauptung, dass das Urteil auf dem gerügten Fehler bestehe, da ein anderer Verfahrensgang unter Beisein des Wahlverteidigers als möglich angenommen werden könne, genügt nicht.“

Sorry „liebes“ (?) OLG: Wie soll das den bitte gehen?. Mal wieder der Verteidiger als Hellseher, der – ohne an der Hauptverhandlung teilgenommen zu haben – darlegen soll, welche Beweisanträge er, wenn er teilgenommen hätte, gestellt hätte. Wie soll der Verteidiger das denn wissen, was sich ggf. aus dem Verlauf der Hauptverhandlung ergeben hätte, wenn er zugegen gewesen wäre und Zeugen ggf. hätte befragen können?

Mir wäre es lieber gewesen, wenn sich das OLG mal mit der Frage auseinander gesetzt hätte, ob hier nicht in der Tat ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vorgelegen hat. Es geht um einen Verstoß gegen § 19 StVO – Überquerens einer Bahnübergangs unter Verstoß gegen die Wartepflicht. Der Bußgeldbescheid hatte eine Geldbuße von immerhin 240,00 € festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Das AG vergisst (!!!) dann den Wahlverteidiger zu laden und „verhandelt durch“. Der Kollege nennt es: „überrumpelt den Mandanten“, der auf seinen Wahlverteidiger verzichtet. Und das soll dann kein Verstoß gegen den Grudnsatz des fairen Verfahrens sein? Aber die Frage muss man ja nicht beantworten, wenn man die Zulässigkeitsrügen für die Verfahrensrüge (zu) hoch legt.

OWi I: Verfahrensrüge gegen Verwerfungsurteil, oder: Vortragen, vortragen, vortragen….

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Heute ist in Teilen der Republik wiederFeiertag, in den anderen Teilen wird aber gearbeitet. Daher gibt es auch heute drei Entscheidungen. Die kommen aus dem OWi-Bereich.

Ich starte mit dem KG, Beschl. v.21.06.2018 – 3 Ws (B) 170/18. Thematik: Anforderungen an eine ausreichende Begründung der Verfahrensrüge bei übergangenem Entbindungsantrag.

Nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid war der Betreoffene zu dem auf seinen Einspruch anberaumten Hauptverhandlungstermin nicht erschienen. Das Amtsgericht hat den Einspruch durch nach § 74 Abs. 2 OWiG erlassenes Urteil verworfen. Dagegen die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die nicht ausreichend begründet war:

1. Die Verfahrensrüge, das Verwerfungsurteil verstoße gegen § 74 Abs. 2 OWiG oder verletze das rechtliche Gehör, ist nicht den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend ausgeführt.

Der Betroffene rügt, das Amtsgericht habe einen im Vorfeld der Hauptverhandlung gestellten Entbindungsantrag übergangen und ihn daher zu Unrecht als säumig behandelt. Bei dieser Sachlage muss die Rechtsbeschwerde nicht nur mitteilen, dass ein Gerichtsbeschluss unterblieben ist. Insbesondere ist der gestellte Entbindungsantrag in seinem vollständigen Wortlaut oder jedenfalls seinem wesentlichen Inhalt nach darzulegen. Ist der Entbindungsantrag durch einen Verteidiger gestellt worden, ist weiterhin dessen über die Verteidigervollmacht hinausgehende besondere Vertretungsvollmacht (vgl. Senat VRS 120, 200; BayObLG NZV 2001, 221; OLG Köln NZV 2002, 241, 466; OLG Brandenburg VRS 116, 276; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG 17. Aufl., § 73 Rn. 4) darzutun. 

Dies ist hier nicht in revisionsrechtlich zulässiger Weise geschehen. Dabei kann dahinstehen, ob der in der Rechtsbeschwerdeschrift kursorisch mitgeteilte Inhalt des Entbindungsantrags den Darstellungsanforderungen der §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Offen bleiben kann auch, ob der in dem Entbindungsantrag bezeichnete Hinweis auf §§ 233, 234 StPO im Grundsatz ausreichen könnte, die Vertretungsvollmacht darzulegen, wenn er Bestandteil der Verfahrensrüge geworden wäre. Denn jedenfalls enthält die Verfahrensrüge selbst keinen Hinweis auf die über die Verteidigervollmacht hinausgehende Vertretungsvollmacht, und die Verweisung auf eine Anlage („Beweis: Entbindungsantrag vom 20.04.2018“) kann diese Darlegung nicht ersetzen. Denn es ist anerkannt, dass Verfahrensrügen ohne Bezugnahmen und Verweisungen begründet werden müssen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 61. Aufl., § 344 Rn. 21; 345 Rn. 14). Unzulässig ist demnach nicht nur die Bezugnahme auf Akten, das Sitzungsprotokoll und andere Schriftstücke, sondern namentlich auch auf Anlagen zur Rechtsbeschwerdeschrift (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO mwN). Damit fehlt es der Verfahrensrüge zumindest an der Darlegung der besonderen Vertretungsvollmacht. Die Rüge ist unzulässig.“

Also: Vortragen, vortragen, vortragen….

Verfahrensrüge III: Urkunde nicht verlesen, oder/aber: Die Begründungsanforderungen sollte man kennen

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Und zum Schluss des Reigens „unzulässige Verfahrensrügen“ dann noch der BGH, Beschl. v. 14.08.2018 – 4 StR 637/17. Das ist allerdings ein Klassiker – Stichwort „Inbegriffsrüge“; die Begründungsanforderungen insoweit sollte man als Verteidiger kennen:

„Die Rüge, das Landgericht habe gegen § 244 Abs. 2 StPO verstoßen, weil es das ihr seit dem 15. Mai 2017 bekannte (nicht rechtskräftige) Urteil des Amtsgerichts Erlangen vom 16. August 2016 gegen den Zeugen D.    nicht verlesen habe, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 StPO), weil die Revision nicht mitteilt, ob der Inhalt dieses Urteils – gegebenenfalls auf Vorhalt – Gegenstand der Vernehmung dieses Zeugen am 30. Mai 2017 war. Hierzu bestand insbesondere deshalb Anlass, weil der Zeuge nach § 60 Nr. 2 StPO trotz eines entsprechenden Antrages nicht vereidigt wurde. Dies und Urkundenfälschungen des Zeugen betreffende Ausführungen im Urteil (UA 37 unten) deuten aber darauf hin, dass die Straftaten des Zeugen D.  zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sind. Die Mitteilung in der Revisionsbegründungsschrift (dort auf Seite 14 unter 3.), dass die Kammer das Urteil „weder vor noch nach der Vernehmung des Zeugen“ in die Hauptverhandlung eingeführt habe, reicht dafür nicht aus.“