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Wenn das Ticket nicht reicht, oder: Betrug oder Beförderungserschleichung?

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de: Benutzer: Eschweiler

Und nach zweimal BGH, dann ans Ende der Leiter, nämlich eine AG-Entscheidung. Das AG Dortmund hat im   AG Dortmund, Urt. v. v. 17.10.2017 –  729 Ds-263 Js 2738/16-23/17–  Stellung genommen zur Abgrenzung von Betrug (§ 263 StGB) und Beförderungserschleichung (§ 265a StGB). Der Angeklagte war in Dortmund mit der U-Bahn gefahren. Er hatte vor Antritt der Fahrt zu wenig Geld und hatte nur ein Kurzstreckenticket für 1,60 € gelöst, welches bereits nach drei U-Bahn-Stationen seine Gültigkeit verlor. Der Angeklagte war zur Zeit des Antreffens durch den Fahrausweisprüfer bereits 6 Stationen weit gefahren und hätte so ein Ticket für 2,70 € benötigt. Trotzdem zeigte er das Kurzstreckenticket vor. Der Angeklagte hatte nach den Feststellungen des AG von vornherein vor, diese dargestellte Strecke zu befahren und aufgrund seiner Voreintragungen auf diesem Gebiet gedacht, es sei schon einmal besser, zumindest für eine kleinere Strecke ein Ticket zu lösen. Angeklagt war insoweit Betrug (§ 263 StGB).

Das AG hat wegen Beförderungserschleichung (§ 265a StGB) verurteilt:

„…. und wegen der Tat vom 07.10.2016 wegen Beförderungserschleichung gemäß §§ 265 a, 248 a StGB zu verurteilen.  Die Tat vom 7.10.2017 stellte auch nicht etwa – wie noch angeklagt – einen Betrug dar. Die Vorlage des nicht ausreichenden, aber anlässlich der Fahrt erworbenen und entwerteten Kurzstreckentickets stellte nämlich schon keine ausreichende Täuschungshandlung dar. Aus dem Ticket ergab sich wahrheitsgemäß, wo der Angeklagte eingestiegen war. Die Vorlage an sich hatte daneben keinen weiteren Erklärungsgehalt. Es war auch nicht feststellbar, dass der Angeklagte durch weitere Handlungen oder Erklärungen bei Vorlage des Tickets eine Täuschungshandlung begangen hat.“

„Ich fahre schwarz“ – an der Mütze rettet nicht….

© Gina Sanders - Fotolia.com

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Ein Zettel mit der Aufschrift“ Ich fahre schwarz“ an der Mütze rettet, wenn man ohne Fahrschein ist, nicht vor einer Verurteilung wegen Erschleichens von Leistungen/Beförderungserschleichung (§ 265a StGB). Das haben in der Vergangenheit bereits einige OLG entschieden und dem ist jetzt das OLG Köln im OLG Köln, Beschl. v. 02.09.2015 – 1 RVs 118/15 – gefolgt.

„Insbesondere hat die Strafkammer auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu Recht angenommen, dass das Verhalten des Angeklagten den objektiven und subjektiven Straftatbestand der Beförderungserschleichung gemäß § 265a Abs. 1 Alt. 3 StGB erfüllt.

Nach der Rechtsprechung wird eine Beförderungsleistung bereits dann im Sinne des § 265a Abs. 1 StGB erschlichen, wenn der Täter ein Verkehrsmittel unberechtigt benutzt und sich dabei allgemein mit dem Anschein umgibt, er erfülle die nach den Geschäftsbedingungen des Betreibers erforderlichen Voraussetzungen (vgl. BGH, Beschluss vom 08.01.2009 – 4 StR 117/08 -, zitiert nach juris, Leitsatz und Rn. 13). Die Vereinbarkeit dieser Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Erschleichen“ mit dem Bestimmtheitsgebot des Artikels 103 Abs. 2 GG hat das Bundesverfassungsgericht bereits zuvor bestätigt (Beschluss vom 09.02.1998 – 2 BvR 1907/97; Beschluss vom 07.04.1999 – 2 BvR 480/99, zitiert nach juris).

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte mit dem Einsteigen in den abfahrbereiten ICE und der anschließenden Sitzplatzsuche im Zug mit dem „Anschein der Ordnungsgemäßheit“ im Sinne der zitierten Rechtsprechungsgrundsätze umgeben hat. Der an seiner Mütze angebrachte Zettel mit der sicht- und lesbaren Aufschrift „Ich fahre schwarz“ war nicht geeignet, den durch das Einsteigen in den Zug gesetzten Anschein zu erschüttern. Insoweit wäre erforderlich gewesen, dass in offener und unmissverständlicher Weise nach außen zum Ausdruck gebracht wird, die Beförderungsbedingungen nicht erfüllen und den Fahrpreis nicht entrichten zu wollen (KG Berlin, Beschluss vom 02.03.2011 – (4) 1 Ss 32/11 (19/11) – zitiert nach juris; OLG Naumburg, Beschluss vom 06.04.2009 – 2 Ss 313/07 – zitiert nach juris). Dies war dem Gesamtverhalten des Angeklagten schon nicht zu entnehmen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Vorlageverfügung, die dem Verteidiger bekanntgemacht worden ist und auf die der Senat zur Begründung ergänzend Bezug nimmt, zutreffend darauf hingewiesen, dass sich der Angeklagte mit Ausnahme des an der Mütze zur Schau getragenen Zettels nach außen ordnungsgemäß verhielt, indem er im Ler Hauptbahnhof ohne Erregung von Aufmerksamkeit den Zug bestieg wie alle anderen zahlenden oder zahlungswilligen Fahrgäste, durch die Wagen ging und einen Sitzplatz suchte, den er auch fand. Sein Verhalten erschien insbesondere auch deshalb zunächst regelkonform, weil die Beförderungsbedingungen im konkreten Fall ein Nachlösen der Fahrkarte im Zug ermöglichten. Die Zugbegleiter wurden auf die fehlende Bereitschaft des Angeklagten, das Beförderungsentgelt zu entrichten, erst bei der routinemäßigen Fahrscheinkontrolle während der Fahrt und damit nach Vollendung der Tat aufmerksam. Daraus lässt sich ohne weiteres schließen, dass es dem Angeklagten tatsächlich darum ging, die Beförderung nach Möglichkeit unentgeltlich zu erlangen, was indes nur gelingen konnte, weil sich der Angeklagte bis zu seiner Kontrolle durch die Zugbegleiter nicht hinreichend offenbart hatte. Der Senat schließt sich der auch insoweit zutreffenden Auffassung der Strafkammer an, nach der es nicht darauf ankommt, dass andere Fahrgäste vor dem Einsteigen oder während der Fahrt die Kundgabe mangelnder Zahlungsbereitschaft tatsächlich wahrgenommen haben. Abgesehen davon, dass sich der Fahrgast eines öffentlichen Verkehrsmittels nach der Lebenserfahrung regelmäßig nicht dafür interessiert, ob andere Fahrgäste die Beförderungsbedingungen erfüllen, sind Fahrgäste jedenfalls nicht befugt, den Fahrpreisanspruch der Deutschen Bahn AG durchzusetzen oder einen Fahrgast, der seine mangelnde Bereitschaft, das Beförderungsentgelt zu entrichten, zum Ausdruck bringt, am Betreten des Zuges oder an der Fortsetzung der Fahrt zu hindern.“

Beförderungserschleichung – 3 Monate Freiheitsstrafe passen?

In der letzten Zeit sind eine ganze Reihe oberlandesgerichtlicher Entscheidungen veröffentlicht worden, in denen es um die Strafzumessung/Höhe der Strafe bei sog. „Bagatellkriminalität“ ging. Meist/häufig sind Vergehen der „Beförderungserschleichung“ (§ 265a StGB) Urteilsgrundlage. So auch im AG-Verfahren, das dann zum OLG Hamm, Beschl. v. 10.02.2015 – 5 RVs 76/14 – geführt hat. Da hat das AG für jeden der ausgeurteilten Fälle des § 265a StGB bei einem Schaden/Fahrt von 6,50 € bis 10,50 € eine Einzelstrafe von  drei Monaten und dann eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verhängt, die dann allerdings zur Bewährung ausgesetzt. Das OLG Hamm hat das nicht beanstandet:

„Zwar handelt es sich bei den vom Angeklagten begangenen und hier abzuurteilenden Taten der „Schwarzfahrerei“ um sog. Bagatellkriminalität mit nur geringem Schaden.

Weder das Übermaßverbot noch das Gebot schuldangemessenen Strafens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip schließen jedoch die Verhängung von Freiheitsstrafen, auch über das gesetzliche Mindestmaß von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) hinausgehend, bei Bagatelldelikten bzw. Straftaten mit nur geringem Schaden aus. Aus dem Gebot schuldangemessenen Strafens ergibt sich auch nicht, dass die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe nach § 47 StGB erst ab einer bestimmten Schadenshöhe in Betracht kommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09. Juni 1994 – 2 BvR 710/94). Ob bei Bagatelldelikten bis zu einer bestimmten Schadensgrenze die Verhängung einer die gesetzliche Mindeststrafe übersteigenden Freiheitsstrafe schuldangemessen ist, entscheidet sich vielmehr nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalls (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2007 – 4 StR 400/07; KG Berlin, Beschluss vom 04. November 2008 – (4) 1 Ss 375/08 (249/08); OLG München, Beschluss vom 10. August 2009 – 5 St RR 201/09).

Ausgangspunkt für die Höhe der jeweils zu verhängenden Strafe ist die Vorschrift des § 46 StGB. Es ist eine umfassende Würdigung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände vorzunehmen, wobei der Höhe des im Einzelfall entstandenen Schadens nur die Bedeutung eines unter vielen Gesichtspunkten für die Strafzumessung zukommt. Bedeutsam für die Verhängung einer Freiheitsstrafe sind insbesondere vielfache, einschlägige Vorstrafen sowie der Umstand, dass ein Angeklagter sich durch die Verhängung von Geldstrafen nicht nachhaltig beeinflussen lässt (vgl. BVerfG a.a.O.; OLG München a.a.O.).

Diesen Anforderungen hinsichtlich der vorzunehmenden Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls werden die Ausführungen der Strafkammer zur Zumessung der Strafe gerecht.

So stellt die Strafkammer maßgeblich auf die erheblichen – insgesamt fünf -, sämtlich wegen Erschleichens von Leistungen erfolgten Vorverurteilungen des Angeklagten ab, der sich durch die bisher gegen ihn verhängten spürbaren, teilweise hohen Geldstrafen in keiner Weise hat beeindrucken lassen. Dabei misst die Strafkammer gerade auch dem den Angeklagten erschwerend belastenden Umstand besondere Bedeutung bei, dass es sogar zwischen den hier zur Aburteilung anstehenden Taten zu weiteren Verurteilungen kam. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe wird auch deutlich, dass die Strafkammer die hohe Rückfallgeschwindigkeit des Angeklagten bei der Begehung von Straftaten gesehen hat. Sämtliche Vorverurteilungen sowie die erneut vom Angeklagten begangenen Taten datieren in der Zeit von Januar bis September 2013. Die Ausführungen der Strafkammer machen deutlich, dass dieses delinquente Verhalten und seine völlige Resistenz gegenüber staatlichen Sanktionen für eine verfestigte rechtsfeindliche Gesinnung des Angeklagten sprechen. Zutreffend hat die Strafkammer diesem Umstand ersichtlich mehr Gewicht beigemessen als dem jeweils durch die Tat des Angeklagten entstandenen Schaden von maximal 10,50 € und dies zur maßgeblichen Grundlage für die Bemessung der von ihr verhängten Freiheitsstrafen gemacht. Diese Ausführungen der Strafkammer, die sich auch eingehend mit den zugunsten des Angeklagten sprechenden Aspekten auseinandersetzt, lassen die im vorliegenden Fall gebotene sorgfältige Gesamtwürdigung erkennen und tragen sowohl die Höhe der festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen als auch die Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe.“

Kann man sicherlich diskutieren, aber: Irgendwann ist nun mal Schluss. So lange es die Vorschrift des § 265a StGB noch gibt, müssen die Gerichte sie anwenden. Ansetzen muss man m.E. an anderer Stelle: Nämlich bei der Frage, ob man die Vorschrift nicht ggf. ganz als Strafvorschrift abschafft – dazu gibt es Vorschläge. Ob das allerdings die dadurch auch angestrebte  Entlastung bei den Gerichten bringt, kann man sicherlich bezweifeln.

Die Beförderungserschleichung des Überzeugungstäters

Das LG Berlin hatte folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

„Der Angeklagte nutzt die öffentlichen Verkehrsmittel in Berlin ständig bewusst ohne Bezahlung. So ist er auch zur hiesigen Berufungsverhandlung mit der U-Bahn gefahren, ohne einen Fahrschein bezahlt zu haben.

Zu den folgenden Zeitpunkten wurde er von Kontrolleuren der Berliner Verkehrsbetriebe angetroffen, als er jeweils mit der U-Bahn unterwegs war, ohne zuvor einen Fahrschein, insbesondere einen Einzelfahrschein im Wert von 2,10 Euro gelöst zu haben oder im Besitz eines gültigen Fahrausweises wie z.B. einer Monatskarte zu sein, weil er die Auffassung vertritt, für diese Leistung nicht zahlen zu wollen. Beim Betreten der U-Bahn-Wagen und während der Fahrt trug er an seiner Kleidung etwa in Brusthöhe ein Schild etwa in Größe einer Scheckkarte mit dem Aufdruck ´Für freie Fahrt in Bus und Bahn` und ´Ich zahle nicht` sowie in der Mitte einem Foto augenscheinlich von drei Bussen der BVG mit dem Querdruck ´Streik`. Dabei handelt es sich um folgende Tage:…

Die Berliner U-Bahn erlaubt den Fahrgästen einen barriere- und kontrollfreien Zugang zu den Bahnsteigen und den Zügen. Allerdings hat der Fahrgast beim Antritt der Fahrt im Besitz eines gültigen Fahrausweises zu sein, um zur Fahrt mit der U-Bahn oder anderer Verkehrsmittel aus dem Verkehrsverbund berechtigt zu sein.“

Auf der Grundlage ist der Angeklagte wegen Beförderungserschleichung (§ 265a StGB) verurteilt worden.

Dagegen seine Revision, über die das KG, Beschl. v.02.03.2011 – (4) 1 Ss 32/11 (19/11) entschieden hat. Das KG geht davon aus, dass die Beförderung durch ein Verkehrsmittel auch derjenige erschleicht, der bei dessen Betreten den allgemeinen äußeren Anschein erweckt, er sei im Besitz eines gültigen Fahrausweises und komme den geltenden Beförderungsbedingungen nach. Ein für den Fall einer Fahrscheinkontrolle vorgesehener Vorbehalt in der Form eines auf der Kleidung angebrachten scheckkartengroßen Schildes, mit dem die fehlende Zahlungswilligkeit zum Ausdruck gebracht wird, sei jedenfalls nicht geeignet, den äußeren Anschein zu erschüttern oder zu beseitigen.

Dazu u.a.: Weiterlesen

Schwarzfahrer muss in den Knast

Das LG Bautzen meldet mit einer PM vom 25.01.2011:

Schwarzfahrer muss in den Knast
Die 2. Strafkammer unter Vorsitz des Landgerichtspräsidenten Konrad Gatz hat die Berufung des Angeklagten als unbegründet verworfen.
Erstinstanzlich war der Angeklagte wegen fünf Fällen der Leistungserschleichung und einem Fall des Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt worden.
Der Angeklagte hatte die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und wollte eine milde Strafe. Ihm war jedoch bewusst, dass er keine Bewährung mehr zu erwarten hatte.
Es war jeweils eine Fahrstrecke von 7,5 km zum Fahrpreis i.H.v. 1,90 Euro zurückzulegen. Auf die Frage des Vorsitzenden erklärte der Angeklagte, dass er wohl nun „aus Bequemlichkeit“ in den Knast gehen müsse. Er hätte gut auch mit dem Fahrrad fahren können und habe auch gewusst, dass er unter Bewährung wegen einer einschlägigen Tat stand.
Gegen das Urteil  kann noch Revision zum OLG Dresden eingelegt werden. Mal sehen, ob das geschieht und was das OLG dann daraus macht.