In der letzten Zeit sind eine ganze Reihe oberlandesgerichtlicher Entscheidungen veröffentlicht worden, in denen es um die Strafzumessung/Höhe der Strafe bei sog. „Bagatellkriminalität“ ging. Meist/häufig sind Vergehen der „Beförderungserschleichung“ (§ 265a StGB) Urteilsgrundlage. So auch im AG-Verfahren, das dann zum OLG Hamm, Beschl. v. 10.02.2015 – 5 RVs 76/14 – geführt hat. Da hat das AG für jeden der ausgeurteilten Fälle des § 265a StGB bei einem Schaden/Fahrt von 6,50 € bis 10,50 € eine Einzelstrafe von drei Monaten und dann eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verhängt, die dann allerdings zur Bewährung ausgesetzt. Das OLG Hamm hat das nicht beanstandet:
„Zwar handelt es sich bei den vom Angeklagten begangenen und hier abzuurteilenden Taten der „Schwarzfahrerei“ um sog. Bagatellkriminalität mit nur geringem Schaden.
Weder das Übermaßverbot noch das Gebot schuldangemessenen Strafens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip schließen jedoch die Verhängung von Freiheitsstrafen, auch über das gesetzliche Mindestmaß von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) hinausgehend, bei Bagatelldelikten bzw. Straftaten mit nur geringem Schaden aus. Aus dem Gebot schuldangemessenen Strafens ergibt sich auch nicht, dass die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe nach § 47 StGB erst ab einer bestimmten Schadenshöhe in Betracht kommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09. Juni 1994 – 2 BvR 710/94). Ob bei Bagatelldelikten bis zu einer bestimmten Schadensgrenze die Verhängung einer die gesetzliche Mindeststrafe übersteigenden Freiheitsstrafe schuldangemessen ist, entscheidet sich vielmehr nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalls (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2007 – 4 StR 400/07; KG Berlin, Beschluss vom 04. November 2008 – (4) 1 Ss 375/08 (249/08); OLG München, Beschluss vom 10. August 2009 – 5 St RR 201/09).
Ausgangspunkt für die Höhe der jeweils zu verhängenden Strafe ist die Vorschrift des § 46 StGB. Es ist eine umfassende Würdigung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände vorzunehmen, wobei der Höhe des im Einzelfall entstandenen Schadens nur die Bedeutung eines unter vielen Gesichtspunkten für die Strafzumessung zukommt. Bedeutsam für die Verhängung einer Freiheitsstrafe sind insbesondere vielfache, einschlägige Vorstrafen sowie der Umstand, dass ein Angeklagter sich durch die Verhängung von Geldstrafen nicht nachhaltig beeinflussen lässt (vgl. BVerfG a.a.O.; OLG München a.a.O.).
Diesen Anforderungen hinsichtlich der vorzunehmenden Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls werden die Ausführungen der Strafkammer zur Zumessung der Strafe gerecht.
So stellt die Strafkammer maßgeblich auf die erheblichen – insgesamt fünf -, sämtlich wegen Erschleichens von Leistungen erfolgten Vorverurteilungen des Angeklagten ab, der sich durch die bisher gegen ihn verhängten spürbaren, teilweise hohen Geldstrafen in keiner Weise hat beeindrucken lassen. Dabei misst die Strafkammer gerade auch dem den Angeklagten erschwerend belastenden Umstand besondere Bedeutung bei, dass es sogar zwischen den hier zur Aburteilung anstehenden Taten zu weiteren Verurteilungen kam. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe wird auch deutlich, dass die Strafkammer die hohe Rückfallgeschwindigkeit des Angeklagten bei der Begehung von Straftaten gesehen hat. Sämtliche Vorverurteilungen sowie die erneut vom Angeklagten begangenen Taten datieren in der Zeit von Januar bis September 2013. Die Ausführungen der Strafkammer machen deutlich, dass dieses delinquente Verhalten und seine völlige Resistenz gegenüber staatlichen Sanktionen für eine verfestigte rechtsfeindliche Gesinnung des Angeklagten sprechen. Zutreffend hat die Strafkammer diesem Umstand ersichtlich mehr Gewicht beigemessen als dem jeweils durch die Tat des Angeklagten entstandenen Schaden von maximal 10,50 € und dies zur maßgeblichen Grundlage für die Bemessung der von ihr verhängten Freiheitsstrafen gemacht. Diese Ausführungen der Strafkammer, die sich auch eingehend mit den zugunsten des Angeklagten sprechenden Aspekten auseinandersetzt, lassen die im vorliegenden Fall gebotene sorgfältige Gesamtwürdigung erkennen und tragen sowohl die Höhe der festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen als auch die Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe.“
Kann man sicherlich diskutieren, aber: Irgendwann ist nun mal Schluss. So lange es die Vorschrift des § 265a StGB noch gibt, müssen die Gerichte sie anwenden. Ansetzen muss man m.E. an anderer Stelle: Nämlich bei der Frage, ob man die Vorschrift nicht ggf. ganz als Strafvorschrift abschafft – dazu gibt es Vorschläge. Ob das allerdings die dadurch auch angestrebte Entlastung bei den Gerichten bringt, kann man sicherlich bezweifeln.