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Nach „Akteneinsicht a la AG Langenfeld“ nun das OLG Hamm und der OLG Hamm, Beschl. v.03.09.2012 – III 3 RBs 235/12, mit dem das OLG m.E. eine Chance vertan hat, ein klärendes Wort in dem „Akteneinsichtsmarathon“ zu sprechen. Das tut das OLG Hamm nicht, sondern kneift und versteckte sich (mal wieder) hinter der nicht ausreichenden Begründung der Rechtsbeschwerde (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Was ist passiert? Dazu aus dem OLG Beschluss: .
a) Der Verfahrensrüge liegt im Wesentlichen folgendes Geschehen zugrunde: Bei der Anhörung des Betroffenen hatte die Stadt Bielefeld als Verwaltungsbehörde ein so bezeichnetes „Merkblatt für Rechtsanwälte“ übersandt, in dem es u. a. hieß: „Der Übersendung von Kopien der Betriebsanleitung der Messanlage steht der urheberrechtliche Schutz dieser Aufzeichnungen entgegen.“
Mit anwaltlichem Schreiben vom 5. Dezember 2011 erklärte der Betroffene, er sehe das Merkblatt als „antizipierte Ablehnung einer Übersendung“ der Bedienungsanleitung in Kopie an und beantragte gerichtliche Entscheidung. Das Amtsgericht Bielefeld wies den Antrag mit Beschluss vom 11. Januar 2012 zurück. In der Beschlussbegründung, die in der Begründung der Rechtsbeschwerde mitgeteilt ist, führte es aus, der Verteidiger habe keinen Anspruch auf eine Übersendung einer Kopie. Es bleibe ihm aber unbenommen, die Bedienungsanleitung in den Räumen der Verwaltungsbehörde einzusehen.
In der Hauptverhandlung vom 10. Mai 2012 beantragte der Betroffene die Aussetzung der Hauptverhandlung gemäß §§ 145 Abs. 3, 265 Abs. 4 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG. Die Akteneinsicht sei unzureichend gewesen, weil die Bedienungsanleitung nicht übersandt worden sei. Das Amtsgericht verwarf den Antrag als unzulässig, da ihm die Rechtskraft des Beschlusses vom 11. Januar 2012 entgegenstehe.
Alles richtig gemacht. Und was macht das OLG? Es kneift und zieht sich auf eine nicht ausreichende Begründung der Verfahrensrüge zurück.
„Daran fehlt es hier jedoch. Der Begründung der Rechtsbeschwerde zufolge hat der Verteidiger bis auf die Anträge im Verwaltungsverfahren und in der Hauptverhandlung nichts weiter unternommen, um Einsicht in die Bedienungsanleitung zu erhalten. Insbesondere hat er nicht die Möglichkeit genutzt, die Bedienungsanleitung in den Räumen der Verwaltungsbehörde einzusehen. Dabei kann offen bleiben, ob dies unzumutbar ist, wenn — wie hier — zwischen dem Sitz der Verwaltungsbehörde und der Niederlassung des Verteidigers eine große Entfernung liegt. Denn jedenfalls zur Hauptverhandlung am 10. Mai 2012 hatte sich der Verteidiger nach Bielefeld begeben. Dass ihm an diesem Tag ein Aufsuchen der Verwaltungsbehörde und die Einsicht in die Bedienungsanleitung nicht möglich waren, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.“
Der Verteidiger soll/muss also auch noch vortragen, dass am HV-Tag eine Einsicht in die Bedienungsanleitung nicht möglich war. Wirklich. Oder geht das weit über das hinaus, was man vom Betroffenen und vom Verteidiger erwarten darf und bekommen wir damit Probleme mit der Rechtsprechung des BVerfG? Und: Kein Wort verliert das OLG zu der Frage,was denn nun eigentlich eine Akteneinsicht am HV-Tag noch bringen soll. Akteneinsicht bedeutet ja nicht nur, dass ich mal in die Akten hinein sehe. Nein das Recht auf rechtliches Gehör, auf dem das Akteneinsichtsrecht basiert, gewährt an sich auch genügend Zeit und auch die Möglichkeit, sich auf den Inhalt der Akten einzustellen. Das ist aber so doch wohl kaum möglich. Das OLG unterstellt damit, dass der Verteidiger die technischen Fragen, die sich aufgrund einer Akteneinsicht ggf. stellen, selbst beantworten kann. Und zwar sofort. Kann er das? Muss er das können? Wohl nicht.
Also gekniffen, oder?