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Zuständigkeit III: Erneute Entscheidung über Ersuchen, oder: Nicht wir, sondern die vom OLG Bamberg

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Und zum Tagesschluß dann noch eine Entscheidung aus dem Auslieferungsrecht, und zwar den OLG Celle, Beschl. v. 05.09.2022 -2 AR (Ausl) 85/22.

Die rumänischen Behörden haben die Auslieferung des Verfolgten beantragt. Das OLG Bamberg hat die Auslieferung für unzulässig erklärt. Begründung: Abwesenheitsurteil. Der Auslieferungshaftbefehl wird aufgehoben. Dann wird der Verfolgte, der inzwischen im Landkreis Holzminden erneut aufgrund der fortbestehenden Ausschreibung festgenommen. Inzwischen hat die GstA Celle beantragt – die Gründe tun nichts zur Sache – die Auslieferung für unzulässig zu erklären. Das OLG Celle zeigt mit dem Finger auf das OLG Bamberg und sagt: Nicht wir, sondern die:

„Der Senat ist zu einer Entscheidung nicht berufen.

Für eine gemäß § 29 Abs. 1 IRG zu treffende erneute Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten an die r. Justizbehörden ist das Oberlandesgericht Bamberg örtlich zuständig.

Gemäß § 14 Abs. 1 IRG liegt die örtliche Zuständigkeit in Auslieferungsverfahren bei dem Oberlandesgericht und der Generalstaatsanwaltschaft, in deren Bezirk der Verfolgte zum Zwecke der Auslieferung ergriffen oder, falls eine Ergreifung nicht erfolgt, zuerst ermittelt wird. Vorliegend erfolgte die erstmalige Ermittlung sowie die Ergreifung des Verfolgten im Zuge des Erlasses des Auslieferungshaftbefehls des Oberlandesgerichts Bamberg vom 17.02.2022. Die hierdurch begründete örtliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Bamberg ist nicht durch den späteren Aufenthalt des Verfolgten sowie seine erneute vorläufige Festnahme am 23.03.2022 im Bezirk des Oberlandesgerichts Celle entfallen. Denn eine einmal bestehende örtliche Zuständigkeit dauert bis zum Ende des Auslieferungsverfahrens an und wird durch Änderungen des Aufenthalts des Verfolgten grundsätzlich nicht berührt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 02.06.2020 – Ausl 301 AR 66/20 –, juris, mwN). Insoweit stellt das Wort „zuerst“ in § 14 Abs. 1 IRG klar, dass sich ein einmal begründeter Gerichtsstand nicht durch erneute Ermittlung des Verfolgten in einem anderen Bezirk ändert (vgl. Schierholt in Schomburg/Lagodny, IRG, 6. Aufl. 2020, § 14 Rd. 4 mwN). Eine zeitlich zuerst begründete örtliche gerichtliche Zuständigkeit bleibt daher auch erhalten, wenn später Umstände eintreten, welche eine andere gerichtliche Zuständigkeit zu begründen geeignet sind. So ist eine Änderung der örtlichen Zuständigkeit von der obergerichtlichen Rechtsprechung für Fälle verneint worden, in denen ein zum Zwecke der Auslieferung zur Strafverfolgung erlassener Europäische Haftbefehl durch den ersuchenden Staat zurückgenommen und zeitgleich oder später ein neuer Europäischer Haftbefehl erlassen wird, sofern beide Europäische Haftbefehle den gleichen Sachverhalt zum Gegenstand haben (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 27.02.2020 – 2 Ausl 18/20 –, juris; OLG Karlsruhe, aaO). Im vorliegenden Fall besteht der Europäische Haftbefehl des Gerichts in Tirgu Bujor vom 09.11.2021 (Az. 1114/316/2017), der bereits Gegenstand der o.g. Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 17.02.2022 über die Unzulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten an die rumänischen Justizbehörden war, unverändert fort. Das in dem Europäischen Haftbefehl formulierte Auslieferungsersuchen der rumänischen Justizbehörden hat sich nach Auffassung des Senats durch die vorgenannte Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg nicht erledigt. In der Folge ist das Oberlandesgericht Bamberg für die im Hinblick auf das fortbestehende Auslieferungsersuchen zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen weiterhin zuständig. In Ansehung der o.g. Grundsätze ändert hieran nichts, dass der Verfolgte zwischenzeitlich im Bezirk des Oberlandesgerichts Celle ermittelt und erneut vorläufig festgenommen wurde. Gerade auch in Fallkonstellationen der vorliegenden Art würde ein Wechsel der gerichtlichen Zuständigkeit dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 14 Abs. 1 IRG zuwiderlaufen, durch eine Festlegung auf das zunächst mit der Sache befasste Oberlandesgericht auch aus außenpolitischen Gründen negative Zuständigkeitskonflikte zu vermeiden und auf diese Weise die Vereinfachung, Beschleunigung und Kontinuität des Auslieferungsverfahrens zu gewährleisten (vgl. OLG Karlsruhe, aaO, unter Hinweis auf BT-Drs. 9/1338, S. 48). Anderenfalls würden, wenn der Verfolgte erneut seinen Aufenthaltsort wechseln würde, zahlreiche verschiedene Oberlandesgerichte mit demselben Auslieferungsersuchen befasst werden.“

Mal eine Pauschgebühr im Auslieferungsverfahren, oder: Glück gehabt :-)

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Und als zweite Entscheidung dann ein Beschluss zur Pauschgebühr nach § 51 RVG, und zwar im Auslieferungsverfahren.

Die Kollegin Schmidt aus Hamburg, die mir den Beschluss geschickt hat, hat einen lettischen Verfolgten vertreten, gegen den ein Europäischer Haftbefehl der lettischen Behörden zur Strafverfolgung bestanden hat. Nachdem der Verfolgte am 13.11.2020 vorläufig festgenommen wurde und ihm die Kollegin als Rechtsbeistand bestellt wurde, hat das OLG mit Beschluss vom 17.11.2020 die förmliche Auslieferungshaft angeordnet. Der Verfolgte war mit einer vereinfachten Auslieferung nicht einverstanden. Die Kollegin beantragte am 8.12.2020 die Auslieferung an die Republik Lettland zur Strafverfolgung wegen drohender menschenrechtswidriger Unterbringung im lettischen Strafvollzug für unzulässig zu erklären. Zur Begründung zitierte sie umfangreich aus der internationalen Rechtsprechung und aus Kommissionsberichten. Vor dem Hintergrund des Vortrags der Kollegin veranlasste das OLG die Generalstaatsanwaltschaft, sich um eine Zusicherung der lettischen Behörden wegen bestimmter Haftbedingungen zu bemühen. Nach Erhalt einer Auskunft der lettischen Behörden erklärte das OLG mit Beschluss vom 8.1.2021 die. Auslieferung erstmals für zulässig. Mit Schriftsatz vom 14.1.2021 erhob die Kollegin gegen diese Entscheidung eine Anhörungsrüge und trug unter Hinweis auf entsprechende Nachweise vor, dass die Auskunft der lettischen Behörden unzureichend sei. Mit Beschluss vom 20.1.2021 hat das OLG die Anhörungsrüge zurückgewiesen.

Mit Beschluss des BVerfG vom 2.2.2021 wurde auf Antrag der Kollegin einstweilen die Auslieferung des Verfolgten untersagt, weil die Auskunft der lettischen Behörden als unzureichend erachtet wurde. Dies veranlasste das OLG sich am 12.5.2021 um eine ausdrückliche Zusicherung der Einhaltung bestimmter Haftbedingungen bei den lettischen Behörden zu bemühen. Mit Beschluss vom 22.6.2021 erklärte das OLG nach Erhalt einer ergänzenden Auskunft die Auslieferung nach Lettland erneut für zulässig. Hiergegen erhob die Kollegin mit Schriftsatz vom 25.6.2021 erneut eine ausführlich begründete Anhörungsrüge. Dies veranlasste das OLG durch Beschluss vom 5.7.2021 dem Verfolgten wegen Verletzung rechtlichen Gehörs Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die Auslieferung bis zu einer erneuten Entscheidung des OLG aufzuschieben. Mit. Beschluss vom 12.7.2021 erklärte das OLG dann die Auslieferung erneut für zulässig, die am 19.7.2021 umgesetzt wurde.

Die Kollegin hat die Pflichtverteidigergebühren für unangemessen gehalten und beantragt für ihre Tätigkeit das Dreifache der Pflichtverteidigergebühren im ersten Verfahren – bis zur Entscheidung des BVerfG – das Vierfache der Pflichtverteidigergebühren im zweiten Verfahren – nach der Entscheidung des BVerfG, insgesamt 2.340,-. EUR als Pauschgebühr. Der Vorsitzende des für das Auslieferungsverfahren zuständigen Strafsenats des OLG hat in seiner Stellungnahme zu diesem Antrag ausgeführt, dass die mehrfach unzureichenden Auskünfte und Zusicherungen der lettischen Behörden zu einem „erforderlichen Mehraufwand“ geführt hätten. Das OLG Hamburg hat im OLG Hamburg, Beschl. v. 09.08.2022 – 5 s AR 13/22– eine Pauschgebühr in Höhe der Wahlanwaltshöchstgebühren, also insgesamt 1.449,00 EUR, bewilligt:

„Der Antrag hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt in Strafsachen auf Antrag eine Pauschgebühr für das gesamte Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte zu bewilligen, wenn die gesetzlichen Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind. Damit soll der Ausnahmecharakter bei der Bewilligung einer Pauschgebühr zum Ausdruck gebracht werden. Die Vorschrift soll verhindern, dass der Verteidiger im Verhältnis zu seiner Vergütung unzumutbar belastet wird. Die sonst maßgebliche Gebühr muss unzumutbar sein, also augenfällig unzureichend und unbillig_ Diese Situation tritt keineswegs schon bei jeder Strafsache ein, deren Umfang oder Schwierigkeit das Nor-male übersteigt. Das gilt seit der Einführung des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG mit seiner Fülle von Spezialgebühren bei einem größeren Aufwand des Anwalts an Zeit und Mühe erst recht. Die Pauschgebühr soll dem Verteidiger auch keinen zusätzlichen Gewinn bringen, sondern — nur — eine unzumutbare Benachteiligung verhindern.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NStZ-RR 2007, 359 f.), der der Senat folgt, ist die Bestellung zum Pflichtverteidiger eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken. Sinn der Pflichtverteidigung ist es nicht, dem Anwalt zu seinem eigenen Nutzen und Vorteil eine zusätzliche Gelegenheit beruflicher Betätigung zu verschaffen. Ihr Zweck besteht vielmehr ausschließlich darin, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird. Angesichts der umfassenden Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers für die Wahrnehmung dieser im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe hat der Gesetzgeber die Pflichtverteidigung nicht als eine vergütungsfrei zu erbringende Ehrenpflicht angesehen, sondern den Pflichtverteidiger honoriert. Dass sein Vergütungsanspruch unter den als angemessen geltenden Rahmengebühren des Wahlverteidigers liegt, ist durch einen vorn Gesetzgeber im Sinne des Gemeinwohls vorgenommenen Interessenausgleich, der auch das Interesse an einer Einschränkung des Kostenrisikos berücksichtigt, gerechtfertigt, sofern die Grenze der Zumutbarkeit für den Pflichtverteidiger gewahrt ist. In Strafsachen, die die Arbeitskraft des Pflichtverteidigers für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch nehmen, gewinnt die Höhe des Entgelts für den Pflichtverteidiger allerdings existenzielle Bedeutung. Für solche besonderen Fallkonstellationen gebietet das Grundrecht des Pflichtverteidigers auf freie Berufsausübung eine Regelung, die sicherstellt, dass ihm die Verteidigung kein unzumutbares Opfer abverlangt.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die durch § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG in den Blick genommene besondere Fallkonstellation dem Grunde nach verwirklicht. Die Sache war besonders schwierig. Die Antragstellerin hat das Verfahren nicht lediglich begleitet, sondern durch eigene aufwändige Recherchen den Fortgang des Verfahrens in einer Weise gefördert, die durch die Pflichtverteidigergebühren nur unzureichend abgebildet wird. Bereits der Vorsitzende des 1. Strafsenats hat darauf hingewiesen, dass die Schwierigkeit des Verfahrens durch die unzureichenden Auskünfte der lettischen Behörden geprägt war. Angesichts der aufgeführten Umstände hält der Senat jeweils die Gewährung einer Pauschvergütung in Höhe der Höchstwahlverteidigergebühr für angemessen.

Eine weitergehende Erhöhung der Pflichtverteidigervergütung hält der Senat dagegen für nicht geboten. Insofern hat bereits die Kostenprüfungsbeamtin zutreffend darauf hingewiesen, dass die besondere Konstellation dieses Verfahrens den Gebührentatbestand zweimal ausgelöst hat. Dabei kommt es für die Angemessenheit der Vergütung nicht darauf an, wer die zweifache Befassung mit diesem Verfahren zu verantworten hatte. Entscheidend ist insofern, dass die Antragstellerin bei der zweiten Befassung mit dieser Materie auf Erkenntnisse zurückgreifen und nutzbar machen konnte, die sie bereits bei der ersten Befassung mit diesem konkreten Einzelfall erlangt hatte. Dieser Synergieeffekt liegt auf der Hand und kann auch nicht durch den Hinweis auf den Seitenumfang von Erwiderungen relativiert werden.“

Viele Worte, aber: Die Entscheidung bringt nichts wesentlich Neues. Sie ist aber ein Beleg dafür, dass die Pauschgebühr nach § 51 RVG dann doch noch nicht vollständig tot ist, auch wenn die Vorstellungen darüber, was als Vergütung angemessen ist, zwischen OLG und Verteidiger/Rechtsanwalt meist erheblich voneinander abweichen werden. So auch hier, wobei die Kollegin m.E. insofern „Glück gehabt“ hat, dass man offenbar wegen der ersten Zulässigkeitsentscheidung des OLG, die vom BVerfG gerügt worden ist, für das weitere Verfahren dann von einem zweiten Auslieferungsverfahren ausgegangen ist, in dem die Verfahrensgebühr Nr. 6101 VV RVG noch einmal entstanden ist. Zwingend ist das m.E. nicht unbedingt.

Was an der Entscheidung erstaunt und bemerkenswert ist: Das OLG verliert kein Wort zur Zumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren und kein Wort zur Höhe der Pauschgebühr in Höhe der Wahlanwaltsgebühren. Offenbar muss die Tätigkeit der Kollegin so umfangreich gewesen sein, dass die Pauschgebühr an sich und auch deren Höhe nicht zweifelhaft war. Das gilt zumindest für den entscheidenden Einzelrichter, die Staatskasse hatte das anders gesehen und Ablehnung der Pauschgebührenantrags beantragt.

Termin beim Amtsgericht im Auslieferungsverfahren, oder: Keine Terminsgebühr

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Und als zweite Entscheidung dann der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.05.2022 – 1 AR 52/21 A. Ergangen nach einem Auslieferungsverfahren. Der Beschluss enthält nichts Neues, sondern bestätigt nur noch einmal die (falsche) h.M. in der Rechtsprechung, dass im Auslieferungsverfahren ein Termin vor dem Richter beim Amtsgericht – sei es zur Entscheidung über eine Festhalteanordnung, sei es zur Verkündung eines Haftbefehls – eine Terminsgebühr nicht entsteht:

„Die Gebühren der Rechtsanwältin für ihre Tätigkeit im vorliegenden Verfahren bestimmen sich nach Teil 6, Abschnitt 1, Unterabschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG. Diese Regelung ist abschließend, so dass Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses – auch nicht ergänzend – herangezogen werden kann. Dort ist lediglich die mit 348 € festgesetzte Verfahrensgebühr (Nr. 6101) vorgesehen, nicht dagegen eine Grundgebühr. Eine Terminsgebühr ist zwar vorgesehen (Nr. 6102), aber hier nicht angefallen.

Im Auslieferungsverfahren löst ein Termin vor dem Richter beim Amtsgericht – sei es zur Entscheidung über eine Festhalteanordnung, sei es zur Verkündung eines Haftbefehls – eine Terminsgebühr nicht aus (OLG Bamberg, Beschluss vom 07. Mai 2007, 5 Ausl 12/2007, Rn. 8 + 9; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 05. Mai 2011, <1> 53 AuslA 43/10 <20/10>, Rn. 8 + 9; Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 12. September 2018, 1 Ausl A 2/18, Rn. 10 – 19; OLG Dresden, Beschluss vom 01. Dezember 2017, OLGAusl 111/16, Rn. 12 – 15; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. November 2020, 2 Ws 91/20, Rn. 6 – 13; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 16. Februar 2021, Ausl 35/20, Rn. 22 – 36; OLG Hamm, Beschluss vom 25. Oktober 2016, III-1 Ws 241/16; OLG Koblenz, Beschluss vom 29. Februar 2008, <1> Ausl – III – 20/07, Rn. 8 + 9; OLG Köln, Beschluss vom 10. Januar 2018, 6 AuslA 195/17 – 110, Rn. 6 – 15; OLG München, Beschluss vom 19. Juli 2021, 4 Ws 3/21, Rn. 14 – 24; OLG Oldenburg, Beschluss vom 16. März 2009, Ausl 56/08, Rn. 6 – 8; OLG Rostock, Beschluss vom 12. März 2009, Ausl 14/08 I 7/08; OLG Stuttgart, Beschluss vom 01. Oktober 2009, 1 <3>, Ausl 1110/09, Rn. 6; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 11. März 2021, Ausl AR 55/20, Rn. 10 + 11; alle zitiert nach juris).“

Eine Begründung gibt das OLG für seine Entscheidung nicht. Die Zusammenstellung von Rechtsprechungszitaten ist keine Begründung……

Ablehnung der Auslieferung nach Polen als unzulässig, oder: Werden Kosten und/oder Auslagen erstattet?

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Bei der zweiten Entscheidung, die ein etwas abgelegeneres Rechtsgebiet betrifft, handelt es sich um den OLG Celle, Beschl. v. 21.02.2022 – 2 AR (Ausl) 67/21. Am Aktenzeichen kann man erkennen: Es geht um ein Auslieferungsverfahren. In dem ist die Auslieferung des Verfolgten nach Polen als unzulässig abgelehnt worden. Der Verfolgte beantragt dann, die Kosten des Verfahrens der Landeskasse aufzuerlegen. Der Antrag hat beim OLG keinen Erfolg:

„Der Antrag des Verfolgten war abzulehnen, weil eine Kosten- oder Auslagenentscheidung nicht veranlasst ist. Auch für eine Entschädigungsentscheidung für erlittene Auslieferungshaft fehlt eine Grundlage.

1. Nach ganz herrschender Rechtsprechung kommt in Auslieferungsverfahren eine Erstattung notwendiger Auslagen auf der Grundlage von § 77 IRG i.V.m. §§ 467, 467a StPO in entsprechender Anwendung allenfalls in Betracht, wenn bereits ein Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit der Auslieferung nach § 29 IRG gestellt worden war (BGH, Beschluss vom 17. Januar 1984 – 4 ARs 19/83, BGHSt 32, 221; OLG Celle, Beschluss vom 14.06.2010 – 1 Ausl 7/10, juris; OLG Koblenz, MDR 1983, 691; OLG Köln, NStZ-RR 2000, 29; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 252 und StV 2007, 151; OLG Frankfurt am Main vom 4. Oktober 2007, 2 Ausl A 53/07). Erst dieser hat – wie die Erhebung einer zur unmittelbaren Anwendung von §§ 467, 467a StPO führenden Anklage – zur Folge, dass in einem Auslieferungsverfahren eine gerichtliche Entscheidung in der Sache zu ergehen hat (BGH, Beschluss vom 9. Juni 1981, 4 ARs 4/81, BGHSt 30, 152 noch zur – im Ergebnis vergleichbaren – Rechtslage nach dem bis zum Erlass des IRG geltenden § 25 DAG).

Zwar hat die Generalstaatsanwaltschaft mit ihrer Zuschrift vom 8. Februar 2022 beim Senat beantragt, über die Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten zu entscheiden. Dieser Antrag war indes nicht geeignet, die Folge einer Auslagenerstattung auszulösen. So, wie die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft regelmäßig mit dem Ziel einer Verurteilung des Angeschuldigten erfolgt, muss mit einem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach § 29 Abs. 1 IRG, der für den Fall der Ablehnung der Zulässigkeit die Kostenfolge der §§ 467, 467a StPO auslöst, von dieser mit ihrem Antrag vertreten werden, dass die Auslieferung zum Zeitpunkt der Antragstellung weiterhin zulässig ist. Dies folgt schon daraus, dass für die Generalstaatsanwaltschaft regelmäßig, jedenfalls im Rechtshilfeverkehr mit Nicht-EU-Staaten, kein Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Zulässigkeitsentscheidung besteht, wenn sie die vom ersuchten Staat begehrte Auslieferung ihrerseits nicht für bewilligungsfähig hält (Schomburg/Lagodny/Riegel, 6. Aufl. 2020, IRG § 29 Rn. 2, 5). Dementsprechend kommt eine Auslagenerstattung nicht in Betracht, wenn die Generalstaatsanwaltschaft ihrerseits wie hier die Auslieferung bereits für unzulässig hält und lediglich – aus welchem Grund auch immer – eine gerichtliche Bestätigung ihrer Rechtsauffassung begehrt.

Vorliegend hat die Generalstaatsanwaltschaft ausweislich der Begründung ihrer Zuschrift vom 8. Februar 2022 ausdrücklich begehrt, die Auslieferung aufgrund eines aus der deutschen Staatsangehörigkeit des Verfolgten gemäß § 9 Nr. 2 IRG folgenden Auslieferungshindernisses für unzulässig zu erklären. Hierzu war sie – unabhängig von der Frage, ob dies verfahrensrechtlich geboten ist – entsprechend den Ausführungen in der Antragsschrift jedenfalls aus behördeninternen Gründen aufgrund eines Erlasses des Niedersächsischen Justizministeriums verpflichtet. Hintergrund hierfür wiederum ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, wonach vollstreckende Justizbehörden im Sinne des Art. 6 Abs. 2 des Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (Rb-EuHB) weisungsunabhängig sein müssen (EuGH, Urteil vom 24 November 2020 – C-510/19), was auf deutsche Staatsanwaltschaften im Lichte der §§ 146, 147 GVG nicht zutrifft (vgl. insoweit bereits EuGH, Urteil vom 27. Mai 2019 – C-508/18). Ob deutsche Staatsanwaltschaften auf Grundlage dieser Rechtsprechung im Auslieferungsverkehr auf Grundlage des Rb-EuHB auch nicht mehr eigenständig entscheiden dürfen, ob eine Auslieferung – wie vorliegend – offenkundig unzulässig ist, ist umstritten und Gegenstand einer bislang nicht entschiedenen Anrufung des Bundesgerichtshofes durch den Senat (Beschluss vom 7. Mai 2021 – 2 AR (Ausl) 26/21). Sofern die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Notwendigkeit der Weisungsunabhängigkeit der vollstreckenden Justizbehörde dazu führen sollte, dass nach nationalem Recht nicht mehr die Generalstaatsanwaltschaften, sondern die Oberlandesgerichte über die Unzulässigkeit einer Auslieferung entscheiden müssen, ist nicht erkennbar, warum dies einen Einfluss auf einen Auslagenerstattungsanspruch des Verfolgten haben könnte. Bei ablehnender Entscheidung bereits durch die Generalstaatsanwaltschaft ist ein solcher Anspruch unzweifelhaft nicht gegeben. Daran kann sich nichts ändern, weil nunmehr – möglicherweise – das Oberlandesgericht entscheiden muss. Die Frage der Unabhängigkeit der Justizbehörden hat mit der Frage der Auslagenerstattung des Verfolgen nichts zu tun.

Unabhängig von der Beantwortung dieser Rechtsfrage war der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ersichtlich nicht darauf gerichtet, die Auslieferung des Verfolgten – entsprechend einer mit dem Ziel der Verurteilung erhobenen Anklage – durch den Senat für zulässig erklären zu lassen. Dementsprechend ist für eine Auslagenerstattung entsprechend der §§ 467, 467a StPO vorliegend kein Raum.“

Akteneinsicht III: AE im Auslieferungsverfahren, oder: Reicht Akteneinsicht erst in Polen nach Überstellung?

entnommen wikimedia.org

Das dritte Posting des Tages betrifft den OLG Celle, Beschl. v. 23.06.2021 – 2 AR (Ausl) 12/21. Der Beschluss ist im Auslieferungsverfahren ergangen. Es geht um die Frage, ob ein Auslieferungshindernis gemäß § 73 Satz 2 IRG vorliegt, wenn dem Verfolgten Akteneinsicht erst nach seiner Überstellung und seiner sich daran unverzüglich anschließenden Vernehmung im ersuchenden Staat – hier war es Polen –  gewährt werden soll. Das OLG sagt: Nein:

„bb) Der beantragten Zulässigkeitserklärung steht auch das Rechtshilfeverbot des § 73 IRG nicht entgegen.

(1) Grundsätzlich kann § 73 IRG der Zulässigkeit einer Auslieferung allerdings entgegenstehen, wenn der ersuchende Staat dem Verfolgten Akteneinsicht vollständig verweigert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2019, 2 BvR 1832/19; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. November 2020, Ausl 301 AR 104/19, juris). Denn der Zugang zu den Ermittlungsakten ist eine Voraussetzung dafür, eine sachgerechte Verteidigung vorzubereiten und eine „Waffengleichheit“ im Strafverfahren zu ermöglichen; seine Verweigerung kann deshalb eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 und 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) begründen (EGMR, Urteil vom 17.02.1997, NStZ 1998, 429). Ein solcher Verstoß würde zugleich eine Verletzung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten aus Art. 48 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GrCh) darstellen, denn die Auslegung des Art. 6 EMRK ist gemäß Art. 52 Abs. 3 GrCh auch zur Bestimmung der Gewährleistung von Art. 48 GrCh heranzuziehen (vgl. EuGH, Urteil vom 06. November 2012, C-199/11).

Durch die Richtlinie 2012/13/EU wurden die mit Art. 6 EMRK und Art. 48 Abs. 2 GrCh garantierten Verteidigungsrechte durch detailliertere Bestimmungen konkretisiert (vgl. Erwägungsgrund 8 zur RL 2012/13/EU). Artikel 7 Abs. 1 dieser Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten, einem Beschuldigten im Falle seiner Inhaftierung alle für die Anfechtung der Haft wesentlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Artikel 7 Abs. 2 und 3 der Richtlinie bestimmen ferner, dass dem Beschuldigten zur Vorbereitung seiner Verteidigung rechtzeitig Einsicht in die Beweismittel zu gewähren ist, spätestens mit Einreichung der Anklageschrift.

(2) Ein Verstoß gegen diese Verteidigungsrechte des Verfolgten liegt im vorliegenden Fall nicht vor.

Es ist im Lichte der europarechtlichen Regelungen nicht zu beanstanden, dass die p. Behörden dem Verfolgten während der Auslieferungshaft keine Einsicht in die Ermittlungsakten gewährt haben. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes gilt das Recht aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2012/13/EU nicht für Personen, die zum Zwecke der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls festgenommen werden (EuGH, Urteil vom 28.01.2021, C-649/19).

Ein entsprechender Anspruch kann auch nicht unmittelbar aus Art. 6 EMRK oder Art. 48 Abs. 2 GrCh abgeleitet werden, denn diese stellen selbst – ebenso wenig wie Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2012/13/EU – keine Vorgaben dazu auf, zu welchem Zeitpunkt dem Beschuldigten die Unterlagen zur Verfügung zu stellen sind. Auch der Europäische Gerichtshof geht deshalb davon aus, dass das Recht eines Beschuldigten auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz nicht allein deshalb verletzt ist, weil er erst nach seiner Übergabe an die zuständigen Behörden des um Auslieferung ersuchenden Staates Einsicht in die Verfahrensakte nehmen kann (EuGH, Urteil vom 28.01.2021, C-649/19).

(3) Eine Verletzung der Verteidigungsrechte des Verfolgten, die das Rechtshilfeverbot des § 73 Satz 2 IRG auslösen würde, ist auch in der Zeit nach seiner Übergabe an die p. Behörden nicht zu erwarten.

Denn die p. Behörden haben auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, dass der Verfolgte in P. unverzüglich vernommen werden und ihm anschließend – unabhängig von seinem Aussageverhalten – Akteneinsicht gewährt werden wird. Nach der Erklärung der p. Behörden werden dabei alle möglichen Handlungen unternommen, um den Zeitraum bis zur Vernehmung möglichst kurz zu halten. Abhängig vom Ort der Überstellung, der Terminvereinbarung mit seinem Verteidiger und möglicher Infektionsschutzmaßnahmen solle dies nicht länger als 14 Tage dauern.

Dieses Vorgehen der p. Behörden begegnet zwar noch insoweit Bedenken, als dem Verfolgten auch während der in P. zu vollziehenden Untersuchungshaft zumindest bis zu seiner Vernehmung weiterhin keine Akteneinsicht gewährt werden soll und dadurch das in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2012/13/EU vorgesehene Recht des Verfolgten berührt sein könnte.

Allerdings rechtfertigt nicht jeder Verstoß gegen Beschuldigtenrechte die Ablehnung von Rechtshilfe gemäß § 73 Satz 2 IRG. Im Rahmen einer europarechtskonformen Auslegung des Rechtshilfeverbots ist vielmehr die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu berücksichtigen, der für die Ablehnung einer Auslieferung aufgrund eines Europäischen Haftbefehls verlangt, dass das Grundrecht auf ein faires Verfahren in seinem Wesensgehalt verletzt wird (EuGH, Urteil vom 25.07.2018, C-216/18; vgl. zu diesem Maßstab KG, Beschluss vom 03. April 2020, (4) 151 AuslA 201/19 (234/19), juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Juni 2019, 4 AR 38/19, juris; OLG Bremen, Beschluss vom 07. September 2018, 1 Ausl A 31/18, juris).

Diese Rechtsprechung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Verstöße gegen Art. 6 EMRK nur ausnahmsweise von Verfassungs wegen ein Auslieferungshindernis begründen, namentlich wenn diese einer Zerstörung des Wesensgehalts des durch Art. 6 EMRK garantierten Rechts gleichkommen (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2018, 2 BvR 107/18; BVerfG, Beschluss vom 04. Dezember 2019, 2 BvR 1832/19). Im Hinblick auf die Beschränkung von Akteneinsicht hat das Bundesverfassungsgericht dies im Falle einer vollständigen Verweigerung von Akteneinsicht in einem Strafverfahren für möglich gehalten (BVerfG, Beschluss vom 04. Dezember 2019, 2 BvR 1832/19).

Hieran gemessen kann das von den p. Behörden angekündigte Vorgehen ein Rechtshilfeverbot gemäß § 73 Satz 2 IRG nicht begründen. Denn sie beabsichtigen nicht, dem Verfolgten die Akteneinsicht vollständig zu verweigern. Absehbar ist vielmehr eine um höchstens zwei Wochen verzögerte Gewährung von Akteneinsicht. Eine solche Verzögerung verletzt selbst dann, wenn sie gegen Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2012/13/EU verstößt, nicht den Wesensgehalt der Verfahrensrechte des Verfolgten aus Art. 6 EMRK und Art. 48 Abs. 2 GrCh. Denn der Verfolgte behält trotz der Verzögerung die Gelegenheit, seine Verteidigung vor Beginn des Hauptverfahrens aufgrund einer vollständigen Akteneinsicht vorzubereiten, und damit sein in Art. 7 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2012/13/EU konkretisiertes bedeutsames Verteidigungsrecht. Der von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2012/13/EU konkretisierte Teilaspekt seines Verteidigungsrechts, gegen die Haftanordnung vorzugehen, kann durch das absehbare Vorgehen demgegenüber zwar in zeitlicher Hinsicht beeinträchtigt sein. Die kurze Dauer des bis zur Vernehmung des Verfolgten vergehenden Zeitraums spricht dabei aber dagegen, dies als wesentliche Beeinträchtigung seines über diesen Gesichtspunkt deutlich hinausgehenden Rechts aus Art. 6 EMRK und Art. 48 Abs. 2 GrCh anzusehen. Dies gilt umso mehr, als die p. Behörden um eine Beschleunigung bemüht sind und der Vernehmungstermin maßgeblich von Umständen außerhalb des behördlichen Einflussbereichs mitbestimmt wird. Da zudem die Akteneinsicht nach Mitteilung der p. Behörden auch unabhängig vom Aussageverhalten des Verfolgten gewährt wird, ist eine den Wesensgehalt seiner Verteidigungsrechte berührende Verschlechterung seiner Stellung infolge der Verzögerung insgesamt nicht anzunehmen.“