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Pflichti II: Erteilung einer Vertretungsvollmacht, oder: Kein Aufhebungsgrund

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Im zweiten Pflichti-Posting dann der OLG Nürnberg, Beschl. v. 23.05.2023 – Ws 468/23. Der äußert sich zur Aufhebung der Pflichtverteidigerbeiordnung, wenn der Angeklagte seinem Pflichtverteidiger gemäß § 329 Abs. 2 S. 1 StPO eine Vertretungsvollmacht erteilt.

Im entschiedenen Fall hatte das AG dem Angeklagten einen Pflichtverteidiger bestellt. Der Angeklagte wird dann verurteilt. Er legt gegen dei Verurteilung Berufung ein.

Im Termin zur Berufungshauptverhandlung vor dem LG legt der Pflichtverteidiger eine Vertretungsvollmacht nach § 329 StPO vor. Das LG hebt daraufhin auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Pflichtverteidigerbestellung auf. Die Berufung des Angeklagten wurde verworfen. Der Angeklagte hat inzwischen Revision eingelegt.

Gegen die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung wird Beschwerde eingelegt. Die hatte beim OLG Erfolg:

„1. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung nach § 143a Abs. 1 StPO liegen nicht vor.

Nach § 143a Abs. 1 S. 1 StPO ist die Bestellung des Pflichtverteidigers aufzuheben, wenn der Beschuldigte einen anderen Verteidiger gewählt und dieser die Wahl angenommen hat. Wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, führt unabhängig davon, ob bei Personenidentität des Verteidigers überhaupt von einem „anderen Verteidiger“ im Sinne der Vorschrift gesprochen werden kann (so BeckOK StPO/Krawczyk, 47. Ed. 1.4.2023, StPO § 143a Rn. 1 unter Verweis auf SK-StPO/Wohlers Rn. 2 „Die Aufhebung der Bestellung muss auch dann erfolgen, wenn der bisherige Pflichtverteidiger gewählt wird.“), die Vorlage einer Vertretungsvollmacht nach § 329 Abs. 2 S. 1 StPO nicht zur Annahme eines Wahlmandats. Davon, dass auch dem Pflichtverteidiger eine Vollmacht im Sinne des § 329 Abs. 2 S. 1 StPO erteilt sein kann (ohne dass dadurch die Pflichtverteidigerbestellung obsolet wird), gehen neben dem OLG Hamm in der von der Generalstaatsanwaltschaft zitierten Entscheidung (Beschluss vom 03.04.2014, 5 RVs 11/14) auch das OLG Köln (Beschluss vom 12.06.2018, 1 RVs 107/18) und der BGH aus (der anders als die beiden vorstehenden Entscheidungen sogar das Fortwirken einer vor der Pflichtverteidigerbestellung erteilten uneingeschränkten Vertretungsbefugnis annimmt, Beschluss vom 24.01.2023, 3 StR 386/21, beck-online Rn. 28). Zu Recht hat die Generalstaatsanwaltschaft ferner darauf hingewiesen, dass es nicht nur an der notwendigen Feststellung fehlt, dass der Pflichtverteidiger als Wahlverteidiger mandatiert und zur Durchführung der Verteidigung dauerhaft und nicht nur punktuell in der Lage ist (vgl. KK-StPO/Willnow, 9. Aufl. 2023, StPO § 143a Rn. 2), sondern vielmehr erhebliche Zweifel bestehen, dass die vom Landgericht angenommene Wahlverteidigerbestellung gesichert wäre.

2. Die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung konnte auch nicht auf der Grundlage des § 143 Abs. 2 S. 1 StPO erfolgen.

Nach § 143 Abs. 2 S. 1 StPO kann die Bestellung aufgehoben werden, wenn kein Fall notwendiger Verteidigung mehr vorliegt. An den für die Pflichtverteidigerbestellung nach § 140 Abs. 2 StPO maßgeblichen Umständen – der Verurteilte stand zur Tatzeit hinsichtlich einer Freiheitsstrafe von einem Jahr zehn Monaten unter Bewährung, deren Widerruf im Raum steht – hat sich allerdings vorliegend nichts geändert. Ein Fall notwendiger Verteidigung ist nach wie vor gegeben. Eine bloße Änderung der rechtlichen Bewertung des Vorliegens der Voraussetzungen der Pflichtverteidigerbestellung kann aus Gründen des prozessualen Vertrauensschutzes eine Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung nicht begründen (KG, Beschluss vom 28.02.2017, 5 Ws 50/17; OLG Nürnberg, Beschluss vom 07.03.2023, Ws 173-174/23, sowie Beschluss vom 04.04.2023, Ws 294/23).“

Pflichti III: Störung des Vertrauensverhältnisses, oder: Anhörungspflicht bei Pflichtverteidigerbestellung

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Und zum Tagesschluss dann noch zwei Entscheidungen, und zwar einmal Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung wegen Störung des Vertrauensverhältnisses und zum Verfahen bei der Bestellung eines (weiteren) Pflichtverteidiger, nämlich.

Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist nach § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO aufzuheben, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem endgültig zerstört ist oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist. Voraussetzung für die Aufhebung einer Beiordnung ist, dass konkrete Umstände vorgetragen werden, aus denen sich der endgültige Fortfall der für ein Zusammenwirken zu Verteidigungszwecken notwendigen Grundlage ergibt. Eine ernsthafte Störung des Vertrauensverhältnisses muss der Angeklagte substantiiert darlegen. Pauschale, nicht näher belegte Vorwürfe rechtfertigen eine Entpflichtung nicht.

Bei § 142 Abs. 5 Satz 1 StPO, wonach dem Beschuldigten vor der Bestellung eines (weiteren) Pflichtverteidigers rechtliches Gehör zu gewähren ist, handelt es sich um eine zwingende Vorschrift.

Absprache III: Der Umfang der Urteilsaufhebung, oder: Aufhebung auch des rechtsfehlerfreien Schuldspruchs

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Und als letzte Entscheidung dann noch einmal etwas vom BGH, und zwar das zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehene BGH, Urt. v. 23.11.2022 – 5 StR 347/22.

Das LG hat den Angeklagten wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und eine Einziehungsanordnung getroffen. Das LG hat im Urteil eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten angenommen. Die Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil zuungunsten des Angeklagten Revision eingelegt und die mit der Sach- und einer Verfahrensrüge begründet. Während sie mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts keinen Erfolg hatte, hatte die Sachrüge Erfolg.

Der BGH hat aber nicht nur den Strafausspruch wegen Rechtsfehlern bei der Anwendung des § 21 StGB aufgehoben, sondern das Urteil insgesamt. Dazu führt der BGH im Hinblick auf § 353 StPO und auf das vom im Rahmen einer Verständigung abgelegte Geständnis aus:

„2. Der Rechtsfehler bei der Strafbemessung zwingt hier in Abweichung von dem revisionsrechtlichen Regelungskonzept zu einer umfassenden Aufhebung des Urteils.

Nach § 353 Abs. 1 StPO ist ein angefochtenes Urteil zwar nur insoweit aufzuheben, als die Revision für begründet erachtet wird; die Feststellungen unterliegen nur der Aufhebung, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden (§ 353 Abs. 2 StPO). Gemessen daran wäre lediglich der Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und der von dem Rechtsfehler nicht betroffene Schuldspruch würde in Rechtskraft erwachsen.

Hat eine zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft allein zum Strafausspruch Erfolg, gebietet der Grundsatz des fairen Verfahrens aber, abweichend von § 353 Abs. 1 StPO auch den Schuldspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben, wenn dieser – wie hier – auf einem im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO abgelegten Geständnis des Angeklagten beruht. Das ergibt sich aus Folgendem:

a) Nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht ist das zur Entscheidung berufene Tatgericht nicht an eine Verständigung gebunden, die in der Vorinstanz zustande gekommen war. Zwar ist der Wegfall der Bindungswirkung ausdrücklich nur in den Fällen vorgesehen, in denen rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, der in Aussicht gestellte Strafrahmen sei nicht mehr tat- oder schuldangemessen, oder in denen das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist (§ 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO). Die Bindungswirkung einer Verständigung gilt nach § 257c StPO aber nur für das Gericht, das die der Verständigung zugrunde liegende Prognose abgegeben hat; das nach Zurückverweisung zuständige (neue) Tatgericht ist nach dem Willen des Gesetzgebers nicht an die Verständigung gebunden (vgl. BT-Drucks. 16/12310, S. 15). Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass andernfalls Richter, die an einer Verständigung nicht beteiligt waren und eine solche mit dem Inhalt auch nicht getroffen hätten, bei ihrem Urteilsspruch gebunden werden könnten. Es entspricht daher sowohl der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als auch der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur, dass nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht das neue Tatgericht nicht an die in der Vorinstanz getroffene Verständigung gebunden ist (vgl. BGH, Urteile vom 1. Dezember 2016 – 3 StR 331/16, NStZ 2017, 373, 374; vom 26. Mai 2021 – 2 StR 439/20, StV 2022, 291, 292; Beschluss vom 17. Februar 2021 – 5 StR 484/20, BGHSt 66, 37; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 257c Rn. 27c; KK-StPO/Moldenhauer/Wenske, 8. Aufl., § 257c Rn. 26; SSW-StPO/Ignor/Wegener, 4. Aufl., § 257c Rn. 88; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 257c Rn. 64; BeckOK StPO/Eschelbach, 45. Ed., § 257c Rn. 30a; MüKo-StPO/Jahn/Kudlich, § 257c Rn. 148; HK-StPO/Temming, 6. Aufl., § 257c Rn. 32; ebenso für die Berufungsinstanz OLG Karlsruhe NStZ 2014, 294, 295 mwN; aA Kuhn StV 2012, 10, 11 f.; siehe auch SK-StPO/Velten, 5. Aufl., § 257c Rn. 29).

b) Die bloße Anwendung von § 353 StPO auf einen solchen Fall würde zudem zu einem nicht tragfähigen Ergebnis führen: Der Schuldspruch würde rechtskräftig, der Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden. Das Verschlechterungsverbot (§§ 331, 358 Abs. 2 StPO) gälte nicht, weil die Staatsanwaltschaft die Revision zuungunsten des Angeklagten eingelegt hatte. Das neue Tatgericht wäre nicht an die in der Vorinstanz zustande gekommene Verständigung gebunden und könnte gegen den Angeklagten deshalb eine Strafe verhängen, die über die im ersten Rechtsgang zugesagte Strafobergrenze hinausginge. Ohne Belang bliebe danach, dass der Schuldspruch (auch) auf einem Geständnis beruht, das der Angeklagte im Vertrauen auf diese Zusage abgegeben hatte. Im Ergebnis würde hiernach ein im Hinblick auf eine zustande gekommene Verständigung abgegebenes Geständnis verwertet, obwohl diese keinen Bestand hat. Dies wäre unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht mit dem verfassungsrechtlich abgesicherten Grundsatz des fairen Verfahrens vereinbar. Im Einzelnen:

aa) Der Gesetzgeber hat der Geltung dieses Grundsatzes mit der Regelung des § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO für das Verständigungsverfahren ausdrücklich Rechnung getragen (BT-Drucks. 16/12310, S. 14). Danach darf ein im Hinblick auf eine Verständigung abgegebenes Geständnis nicht verwertet werden, wenn die Bindung des Gerichts an die Verständigung entfällt. Zwar ist das gesetzliche Verwertungsverbot in einer wie der hier gegebenen Konstellation nicht unmittelbar anwendbar, weil es nach seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung nur eingreift, wenn sich das Gericht aus einem der in § 257c Abs. 4 Sätze 1 und 2 StPO genannten Gründe von der Verständigung gelöst hat. Ebenso wenig kommt eine entsprechende Anwendung des § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO in Betracht (so indes OLG Düsseldorf StV 2011, 80, 81), da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 – 5 StR 484/20, BGHSt 66, 37 mwN). Die Geltung des Grundsatzes des fairen Verfahrens beschränkt sich im Zusammenhang mit Verständigungen im Sinne des § 257c StPO jedoch nicht auf die der Regelung des § 257c Abs. 4 StPO zugrunde liegende Konstellation. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Normierung des Verwertungsverbots dem Grundsatz eines auf Fairness angelegten Strafverfahrens allgemein „Rechnung getragen“ (BT-Drucks. 16/12310, S. 14); dieser Grundsatz stellt ein dem gesamten Strafverfahren und mithin auch dem gesamten Verständigungsverfahren übergeordnetes Leitprinzip dar (vgl. MüKo-StPO/Jahn/Kudlich, § 257c Rn. 172).

bb) Davon ausgehend ist die obergerichtliche Rechtsprechung und die Literatur – teils allerdings unter entsprechender Anwendung von § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO – überwiegend der Auffassung, dass ein in der ersten Instanz im Hinblick auf eine Verständigung abgegebenes Geständnis unverwertbar ist, wenn sich das Berufungsgericht von einer in der ersten Instanz erzielten Verständigung lösen will (vgl. OLG Karlsruhe NStZ 2014, 294, 295; OLG Hamm, Beschluss vom 22. November 2017 – III-1 RVs 79/17 Rn. 20; OLG Naumburg NStZ 2018, 238, 239; OLG Düsseldorf StV 2011, 80, 81; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 257c Rn. 29b; KK-StPO/Moldenhauer/Wenske, 8. Aufl., § 257c Rn. 26; SSW-StPO/Ignor/Wegener, 4. Aufl., § 257c Rn. 116; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 257c Rn. 88; BeckOK StPO/Eschelbach, 45. Ed., § 257c Rn. 37; aA HK-StPO/Temming, 6. Aufl., § 257c Rn. 32). Die Beschränkung eines zuungunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft auf den Strafausspruch wird dann überwiegend für unwirksam erachtet (vgl. OLG Hamm aaO; OLG Düsseldorf aaO, 82; OLG Naumburg aaO; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 318 Rn. 17; LR/Stuckenberg, aaO; SSW-StPO/Ignor/Wegener, aaO Rn. 126; BeckOK StPO/Eschelbach, aaO, § 318 Rn. 23; Schneider NZWiSt 2015, 1, 4; offen gelassen von OLG Nürnberg NStZ-RR 2012, 255, 256; siehe auch Wenske NStZ 2015, 137, 143).

cc) Der Bundesgerichtshof hat sich aus den gleichen Gründen für ein Verbot der Verwertung des im Hinblick auf eine Verständigung in der ersten Instanz abgegebenen Geständnisses ausgesprochen, wenn das Urteil auf eine Revision der Staatsanwaltschaft aufgehoben wird und das nach Zurückverweisung zur Entscheidung berufene Tatgericht sich nicht von sich aus an die vom Erstgericht zugesagte Strafobergrenze binden will (vgl. BGH, Urteile vom 1. Dezember 2016 – 3 StR 331/16, NStZ 2017, 373, 374; vom 26. Mai 2021 – 2 StR 439/20, StV 2022, 291, 292; Beschluss vom 17. Februar 2021 – 5 StR 484/20, NStZ 2021, 568, 570 f.; abweichend BGH, Urteil vom 28. Februar 2013 – 4 StR 537/12, NStZ-RR 2013, 373).

dd) Diesen dem Gebot eines fairen Verfahrens geschuldeten Grundsätzen kann das Revisionsgericht unter den hier gegebenen Umständen nur dadurch gerecht werden, dass es abweichend von § 353 Abs. 1 StPO nicht nur den Strafausspruch, sondern auch den Schuldspruch aufhebt und die Sache insgesamt zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverweist. Nur so kann das schützenswerte Vertrauen des Angeklagten in das Gegenseitigkeitsverhältnis seines Geständnisses und der zugesagten Strafobergrenze einerseits mit dem Umstand der fehlenden Bindungswirkung des neuen Tatgerichts an die Verständigung andererseits in Einklang gebracht werden. Denn hätte das neue Tatgericht lediglich noch über den Strafausspruch zu entscheiden, könnte es mangels Bindung an die erstinstanzliche Verständigung über die zugesagte Strafobergrenze hinausgehen, obwohl das im Vertrauen auf den Bestand der Verständigung abgegebene Geständnis des Angeklagten infolge der Rechtskraft des Schuldspruchs faktisch die Grundlage für diese Entscheidung bilden würde. Dies wäre aber ebenso wie in den vorgenannten Konstellationen nicht mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens vereinbar. Dass das Geständnis in der hier gegebenen Konstellation durch das neue Tatgericht nicht nach § 261 StPO verwertet, sondern infolge der revisionsrechtlichen Regelungen der §§ 353, 354 Abs. 2 StPO und der sich daraus ergebenden Teilrechtskraft bei der Entscheidung über den Strafausspruch ohne weiteres zur Geltung kommen würde, ist für die Frage, ob der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt ist, nicht von entscheidender Bedeutung.

3. Zu der mit derselben Zielrichtung erhobenen Verfahrensrüge bemerkt der Senat:

Hält das Gericht trotz veränderter Beurteilungsgrundlage an einer zuvor getroffenen Verständigung fest, kommt ein Verfahrensverstoß gegen § 257c Abs. 4 StPO nur dann in Betracht, wenn der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Bei der Beantwortung dieser Frage kommt dem Gericht – wie auch sonst bei Wertungsakten im Rahmen der Strafzumessung – ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Dieser ist erst überschritten, wenn der zugesagte Strafrahmen nicht mehr mit den Vorgaben des materiellen Rechts in Einklang zu bringen ist und sich damit als unvertretbar erweist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 – 4 StR 623/11, BGHSt 57, 273, 280). So liegt der Fall indes nicht. Nach der vom Landgericht angenommenen Milderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB sah der gesetzliche Strafrahmen die Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren bis zu elf Jahren und drei Monaten vor; der zugesagte von vier Jahren und sechs Monaten bis zu fünf Jahren und sechs Monaten hielt sich in diesem Rahmen.“

Zu dem vom Angeklagten im Rahmen der Verständigung nach § 257c StPO abgelegten Geständnis merkt er noch an:

„1. Das in der ersten Hauptverhandlung abgelegte Geständnis des Angeklagten darf verwertet werden, wenn das neue Tatgericht den Rahmen der in der ersten Instanz getroffenen Verständigung nicht verlässt, also insbesondere die Strafobergrenze nicht überschreiten will (vgl. BGH, Urteile vom 26. Mai 2021 – 2 StR 439/20, StV 2022, 291, 292; vom 23. Januar 2019 – 5 StR 479/18 Rn. 43; offengelassen BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 – 5 StR 484/20, NStZ 2021, 568, 571). Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der zugesagte Strafrahmen nach dem Inbegriff der neuen Verhandlung mit den Vorgaben des materiellen Rechts in Einklang zu bringen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 – 4 StR 623/11, BGHSt 57, 273, 280; Beschluss vom 25. Oktober 2012 – 1 StR 421/12, StV 2013, 193, 194).“

 

Rückwirkende Aufhebung der “Pflichtibestellung”, oder: Das LG Amberg kann es auch nicht

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Und dann Gebührenfreitag.

Ich hatte im November über den AG Amberg, Beschl. v. 12.10.2022 – 6 Gs 398/21 – berichtet (vgl. hier Rückwirkende Aufhebung der “Pflichtibestellung”, oder: Das AG Amberg als Gesetzgeber). Der Kollege Jendricke, der mir den Beschluss geschickt hatte, hat natürlich gegen die falsche Entscheidung Rechtsmuttel eingelegt. Und: Ebenso natürlich (?) hatte das kein Erfolg. Das LG Amberg hat sich dem AG angeschlossen und geht im LG Amberg, Beschl. v. 05.12.2022 – 11 Qs 79/22 – ebenso davon aus, dass ein Gebührenanspruch mit Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung entfallen ist.:

„Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst Bezug genommen auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 12.10.2022.

Ergänzend wird ausgeführt:

Zwar erhält nach § 48 Abs. 6 RVG der Rechtsanwalt, der in Angelegenheiten nach den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses im ersten Rechtszug bestellt oder beigeordnet wird, die Vergütung auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung, in Strafsachen einschließlich seiner Tätigkeit vor Erhebung der öffentlichen Klage und in Bußgeldsachen einschließlich der Tätigkeit vor der Verwaltungsbehörde.

Vorliegend wurde aber die Pflichtverteidigerbestellung auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft aufgehoben. Die Kammer sah die Voraussetzungen für eine Beiordnung nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens im konkreten Fall für nicht gegeben an. Es kann deshalb nicht von einer erfolgten Pflichtverteidigerbestellung i.S.d. § 48 Abs. 6 RVG ausgegangen werden. Der vorliegende Fall ist auch nicht mit den Fällen vergleichbar, bei denen es nachträglich zu einer Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung, z.B. durch Entpflichtung, Widerruf oder Zurücknahme, gekommen ist. Denn in diesen Fällen erfolgte eine (rechtskräftige) Pflichtverteidigerbestellung bzw. dauerte eine Pflichtverteidigerbestellung u.U. schon mehrere Wochen an. Erst nachträglich erfolgte dann eine Beendigung der Pflichtverteidigerbestellung.

Die Pflichtverteidigerbestellung ist nunmehr seit dem 01.01.2020 nach § 142 Abs. 7 StPO nur noch mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Der Gesetzgeber hat mit Einführung der sofortigen Beschwerde das Ziel verfolgt, schnell Klarheit über die Bestellung zu schaffen und das weitere Verfahren nicht mit Fragen über die Rechtmäßigkeit der Bestellung oder deren Ablehnung zu belasten. Die Sachlage ist somit im vorliegenden Fall, also im Fall einer Aufhebung der Bestellung im Rahmen einer sofortigen Beschwerde, völlig anders als in den Fällen, in denen nachträglich eine Aufhebung der rechtskräftigen Bestellung erfolgt. Dies gilt umso mehr, als vorliegend Rechtsanwalt Jendricke ausschließlich vor der (aufgehobenen) Pflichtverteidigerbestellung tätig wurde und nach dem Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 08.03.2021 keinerlei Tätigkeiten mehr in Bezug auf das bereits eingestellte Ermittlungsverfahren entfaltete.“

Wenn man die Entscheidung gelesen hat, möchte man aufstehen, zum Fenster gehen, dieses öffnen und zum Himmel rufen: „Herr, lass Hirn vom Himmel regnen und schicke viel davon nach Amberg“. Denn – ich hatte bereits in der Anmerkung zum Beschluss des AG Amberg (AGS 2022, 516) darauf hingewiesen -: Die Ansicht des AG und jetzt auch die des LG sind falsch. Die vom LG gegebene Begründung ist in keiner Weise nachvollziehbar. Nicht nur, dass das LG keins der gegen die Entscheidung des AG Amberg vorgebachten Argumente entkräftet, sondern die Entscheidung zeigt m.E. auch, dass sich das LG nicht mit den Folgen der Bestellung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger auseinander gesetzt hat. Der wird, wenn er bestellt wird, Pflichtverteidiger, und zwar ohne „Wenn und Aber“ und nicht nur, wovon offenbar das LG ausgeht, „bedingt“ bis der Bestellungsbeschluss in Rechtskraft erwachsen, also die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde des § 142 Abs. 7 StPO abgelaufen ist. Alles andere ist m.E. Unsinn, denn sonst wäre der Beschuldigte bis zu dem Zeitpunkt nicht ordnungsgemäß verteidigt.

Zudem führt die spätere – hier im Übrigen auch noch falsche – Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung nicht zum rückwirkenden Entfallen der Stellung des Verteidigers während des Bestellungszeitraums. Denn das hätte, wenn man es konsequent zu Ende denkt, dann ggf. auch zur Folge, dass zwischenzeitliche Handlungen des Rechtsanwalts für seinen Mandanten unwirksam (geworden) wären. Will das LG das wirklich behaupten bzw. vertreten? Zudem ist auch, worauf ich schon im Zusammenhang mit dem AG-Beschluss hingewiesen habe, keine Rechtsgrundlage ersichtlich, die die Annahme des LG stützen könnte, dass der Gebührenanspruch nachträglich entfällt und dazu führt, dass der Rechtsanwalt ohne Gebühren tätig geworden ist. Das ist bzw. wäre mal wieder „Verteidigung zum Nulltarif“, womit der LG aber offenbar kein Problem hat.

Der einzige kleine Lichtblick im Beschluss ist, dass das LG die weitere Beschwerde zum OLG – in diesem Fall das OLG Nürnberg – zugelassen hat. Das sieht im Übrigen die materielle Frage der Zulässigkeit einer nachträgliche/rückwirkenden Pflichtverteidigerbestellung – zutreffend – anders als das LG (vgl. OLG Nürnberg, Beschl. v. 6.11.2020 – Ws 962/20, StraFo 2021, 71 = StRR 1/2021, 21), was dieses aber bei seinem Beschluss vom 8.4.2021 nicht weiter interessiert hat. Man kann nur hoffen, dass das OLG dem LG erklärt, welche Folgen die (falsche) Aufhebung einer nachträglichen Pflichtverteidigerbestellung hat.

Im Übrigen: Das LG irrt, wenn es meint, es gebe zu der Problematik nur die zum „alten“ Recht ergangene Entscheidung des LG Kaiserslautern (vgl. RVGreport 2019, 135 = JurBüro 2019, 245). Abgesehen davon, dass die Rechtsänderung in 2019 m.E. keine Auswirkungen auf die Frage des Bestehenbleibens des Gebührenanspruchs hat, hat bereits auch das AG Osnabrück anders entschieden (AGS 2021, 548 = RVGprofessionell 2022, 18). Dort hätte das LG nachlesen können, was richtig ist.

Pflichti II: Aufhebung der „Pflichti-Zweitbestellung“, oder: Auswahlrecht des Beschuldigten

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Die zweite Entscheidung des Tages, der OLG Saarbrücken, Beschl. v. 01.09.2022 – 4 Ws 268/22, passt ganz gut zu dem vorhin vorgestellten BGH, Beschl. v. 25.08.2022 – StB 35/22 (vgl. dazu Pflichti I: BGH zu Aufhebung der Zweitbestellung, oder: Zweitbestellung nicht zur „Verhinderungsentlastung“). Denn das OLG hat Stellung genommen zum Verfahren bei der Aufhebung der Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Gegen den Angeklagten ist bei einer Wirtschaftsstrafkammer des LG ein umfangreiches Verfahren wegen vorsätzlichen gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Dopingmitteln in über 1.000 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Inverkehrbringen von bedenklichen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, anhängig. Mit Beschluss vom 13.7.2022 bestellte der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer Rechtsanwalt M. zusätzlich zu dem bereits bestellten Pflichtverteidiger Rechtsanwalt S. als weiteren Pflichtverteidiger, da dies zur Sicherung der zügigen Durchführung des Verfahrens erforderlich sei, nachdem der bisherige Pflichtverteidiger mitgeteilt hatte, an zwei der anberaumten Hauptbehandlungstermine verhindert zu sein.

Nach Durchführung mehrerer Hauptverhandlungstermine teilte der Vorsitzende der Staatsanwaltschaft, den beiden Pflichtverteidigern und dem inhaftierten Angeklagten mit, dass das Gericht beabsichtige, die Bestellung von Rechtsanwalt M. als zusätzlichem Verteidiger gemäß § 144 Abs. 2 StPO aufzuheben und räumte eine Frist zur Stellungnahme bis zum 08.08.2022, 12 Uhr ein. Nachdem beide Pflichtverteidiger jeweils mit am 08.08.2022 eingegangenem Schriftsatz Stellung genommen und sich gegen die Entpflichtung ausgesprochen hatten, hob der Vorsitzende die Bestellung von Rechtsanwalt M. als zusätzlichem Pflichtverteidiger mit Beschluss vom 09.08.2022 gemäß § 144 Abs. 2 StPO auf. In dem Beschluss wird insbesondere ausgeführt, dass bei Aufhebung der Bestellung eines zusätzlichen Verteidigers der zuletzt bestellte Rechtsanwalt zu entpflichten sei. Die Stellungnahme des Angeklagten vom 08.08.2022 ging am 09.08.2022 – laut Vermerk des Vorsitzenden erst nach der Entscheidung über die Aufhebung der Bestellung – bei Gericht ein. In der Stellungnahme machte der Angeklagte geltend, dass er von Rechtsanwalt M. erfahren habe, dass dieser entpflichtet werden solle, das Anhörungsschreiben des Gerichts sei ihm selbst erst am Abend des 08.08.2022 zugegangen. Er widersprach der Entpflichtung und begründete dies im Wesentlichen damit, dass Rechtsanwalt S. im Gegensatz zu Rechtsanwalt M. nicht an allen Verhandlungstagen anwesend gewesen sei und dass zwischen ihm und Rechtsanwalt M. ein starkes Vertrauensverhältnis bestünde. Es sei ihm völlig unverständlich, warum er seinen Pflichtverteidiger nicht aussuchen könne. Wenn das Gericht einen der beiden Pflichtverteidiger entpflichten wolle, bitte er um Entpflichtung von Rechtsanwalt S.

Gegen den dem Aufhebungsbeschluss legte der Angeklagte sofortige Beschwerde ein. Das Rechtsmittel hatte Erfolg:

„Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Vorsitzenden.

Gemäß § 144 Abs. 2 S. 1 StPO ist die Bestellung eines zusätzlichen Verteidigers aufzuheben, sobald seine Mitwirkung zur zügigen Durchführung des Verfahrens nicht mehr erforderlich ist. Gemäß § 144 Abs. 2 S. 2 StPO gilt § 142 Abs. 5 bis 7 S.1 StPO entsprechend.

Nach § 142 Abs. 5 S. 1 StPO ist dem Beschuldigten vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. Nach Abs. 5 S. 3 ist der von dem Beschuldigten innerhalb der Frist bezeichnete Verteidiger zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht, wobei ein wichtiger Grund auch vorliegt, wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.

Im Fall der Aufhebung der Bestellung eines zusätzlichen Verteidigers nach § 144 Abs. 2 S. 1 StPO kann dies bei entsprechender Anwendung des § 142 Abs. 5 StPO nur bedeuten, dass der Beschuldigte im Hinblick darauf anzuhören ist, welcher der Pflichtverteidiger ihn fortan verteidigen soll, und dass der durch den Beschuldigten bezeichnete Verteidiger gerade nicht entpflichtet werden kann, sofern kein wichtiger Grund dies ausnahmeweise gebietet.

Nach Auffassung des Senats gilt die Verweisungsregelung wegen ihrer eindeutigen systematischen Stellung – jedenfalls auch – für die Fälle des Absatzes 2. Etwas anderes folgt weder aus den Gesetzesmaterialen (BT-Drs. 19/13829, 49 f.) noch aus der durch die Generalstaatsanwaltschaft zitierten Kommentierung (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Auflage, § 144 Rn. 10), da beide Quellen sich zu der Frage der in Absatz 2 geregelten Aufhebung der Bestellung nicht verhalten. Soweit der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer II ausweislich der Beschlussbegründung aus dem Wortlaut des § 144 Abs. 2 S. 1 StPO schlussfolgert, dass der zuletzt bestellte Pflichtverteidiger zu entpflichten ist, steht dies im Widerspruch zu der Regelung der §§ 144 Abs. 2 S. 2, 142 Abs. 5 S. 1 StPO, die dem Angeklagten ein Bezeichnungsrecht einräumt. Auch in der Sache ist kein Grund ersichtlich, weshalb zwingend der zuletzt bestellte Pflichtverteidiger entpflichtet werden muss, wenn das besondere Bedürfnis für die Mitwirkung eines weiteren Verteidigers zur Sicherung der zügigen Durchführung des Verfahrens nachträglich weggefallen ist, insbesondere ist die Aufgabe eines zweiten Pflichtverteidigers nicht allein auf die Verfahrenssicherung beschränkt. Vielmehr muss er in gleicher Weise die sachgerechte Verteidigung des Angeklagten gewährleisten, wie der zuerst bestellte Pflichtverteidiger (OLG Hamm, NStZ 2011, 235, m. w. N.).

Die Entscheidung des Vorsitzenden entspricht daher nicht den Vorgaben der §§ 144 Abs. 2 S. 2, 142 Abs. 5 S. 1 und S. 3 StPO hinsichtlich des vor der Entscheidung einzuhaltenden Verfahrens. Zwar hat der Vorsitzende veranlasst, dass sich der Angeklagte zur beabsichtigten Entpflichtung von Rechtsanwalt M. äußern kann, faktisch hatte der Angeklagte jedoch keine Möglichkeit hierzu, da ihn das Schreiben des Gerichts erst am Abend des 08. August 2022 – also nach Fristablauf – erreicht hatte und seine Stellungahme dem Vorsitzenden nicht im Zeitpunkt der Entscheidung über die Entpflichtung vorlag. Darüber hinaus wurde dem Angeklagten auch nicht die Gelegenheit gegeben, von seinem Bezeichnungsrecht nach §§ 144 Abs. 2 S. 2, 142 Abs. 5 S. 1 StPO Gebrauch zu machen und den Pflichtverteidiger zu benennen, von dem er weiterhin verteidigt werden möchte. Anders als nach früherer Rechtslage hat die Anhörung zur Bezeichnung des Verteidigers grundsätzlich zwingend zu erfolgen (Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 142 Rn. 32; BeckOK-StPO, 44. Edition, Stand: 01. Juli 2022, § 142 Rn. 17)….. „