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OWi I: Urteilsanforderungen bei der AAK-Messung, oder: Warum „unbehelflich“ = so „unbeholfen“?

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Heute machen wir dann mal ein wenig Owi-Recht/Bußgeldverfahren. Entscheidungen dazu sind in der letzten Zeit ein wenig kurz gekommen. Es gibt aber auch im Moment nicht so richtig „Knaller“.

Ich beginne mit dem KG, Beschl. v. 14.10.2022 – 3 Ws (B) 253/22, der zu den Urteilsanforderungen bei einer Atemalkoholmessung Stellung nimmt. Auf der Beschluss enthält nichts Neues, sondern führt nur in einem Zusatz aus:

„…. Lediglich erläuternd bemerkt der Senat:

1. Die Rechtsbeschwerde legt nicht dar, dass ein Beweisantrag verfahrensfehlerhaft abgelehnt worden ist. Das namhaft gemachte Beweismittel – Sachverständigengutachten – war gänzlich ungeeignet, zu beweisen, dass der Betroffene bei der Messung des Atemalkohols in einer bestimmten Weise ergebnisverfälschend hyperventiliert hat. Gegenstand der begehrten Beweiserhebung hätte nur sein können, ob das Hyperventilieren im Grundsatz geeignet sein kann, das Messergebnis zu verfälschen. Darauf aber kam es nicht an, weil das Amtsgericht die Beweise so gewürdigt hat, dass es bei der Messung zu keinem „ungewöhnlichen Verlauf“ der „Atemtechnik“ gekommen ist. Diese Beweisbewertung ist, was auch für die Sachrüge von Belang ist, nicht zu beanstanden. Insofern gilt, dass die vom Tatgericht gezogenen Schlüsse nicht zwingend, sondern nur möglich sein müssen. Dies ist hier der Fall.

2. Die tatrichterliche Bewertung des Messverfahrens (Dräger Alcotest 9510 DE) als standardisiert begegnet keinen Bedenken. Das Amtsgericht hat sich die Gewissheit verschafft, dass das verwendete (Einzel-) Gerät geeicht (und damit u. a. auch hinsichtlich der Bauart konformitätsbewertet und vor dem Inverkehrbringen geprüft) war. Einer weitergehenden Darstellung des Mess-verfahrens bedurfte es daher nicht.

3. Der Mitteilung eines Toleranzabzugs (sowie der durch die Rechtsbeschwer-de vermissten „Verkehrsfehlergrenzen“) bedurfte es gleichfalls nicht. Die gemessenen Atemalkoholwerte sind der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24a Abs. 1 StVG ohne Sicherheitsabschläge zugrunde zu legen (vgl. BGH NZV 2001, 267; Thüringer Oberlandesgericht VRS 110, 32). Nicht einmal der Mitteilung der festgestellten Einzelmessergebnisse hätte es bedurft; der Mittelwert hätte genügt (vgl. BGH a.a.O.; Thüringer Oberlandesgericht a.a.O.).

4. Die Ausführungen der Rechtsbeschwerde zur „falschen“ Tatzeit sind urteilsfremd und daher unbehelflich. Nach §§ 79 Abs. 3 OWiG, 261 StPO kann die „Aktenwidrigkeit“ von Urteilsfeststellungen nicht beanstandet werden (vgl. für viele BGH NStZ-RR 1998, 17).“

Wie gesagt: Alles nicht neu, sondern Rechtsprechung der Obergerichte.

Aber etwas stört mich an dem KG-Beschluss dann doch. Und das ist die Formulierung „unbehelflich“. Diese Formuleriung findet man ja häufig in Rechtsmittelentscheidungen, so z.B. auch beim BGH,, wobei ich mich immer frage, ob man das nicht anders = besser formulieren kann. Vor allen, weil ja auch „unbehelflich“ nicht passt, wenn es stimmt, was mit der Duden vorgibt. Nämlich „unbehelflich“ = „unbeholfen“. Das ist aber gar nicht gemeint. Warum schreibt man also nicht „sind urteilsfremd und daher unbeachtlich„. Denn das ist an der o.a. Stelle gemeint. Und das klingt dann auch nicht so „unbeholfen“.

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Alkohol, oder: Wenn eine Atemalkoholmessung nicht verwertbar ist

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Die zweite Entscheidung des Tages kommt heute auch aus dem Saarland, dieses Mal aber mit dem OVG Saarland, Beschl. v. 15.07.2020 – 1 B 173/20, vom OVG. Das hat sich in einem Verfahren, in dem es um die verwaltungsrechtliche Entziehung der Fahreralubnis ging, zur Verwertbarkeit einer als Entscheidungsgrundlage genommenen Atemalkohlmessung geäußert. Die hatte nach Umrechnung 3,48 Promille ergeben, die Polizeibeamten. von denen die Messung durchgeführt worden war, hatten von dem Antragsteller aber nur einen leicht alkoholisierten Eindruck. Das OVG hat bei der Diskrepanz die Messung und das u.a. auf ihr beruhende MPU-Gutachten als nicht verwertbar angesehen und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Entziehungsentscheidung wieder hergestellt:

„Des Weiteren setzt das medizinisch-psychologische Gutachten – ebenso wie das vorangegangene medizinische Gutachten vom 24.5.2019 – als Fakt voraus, dass beim Antragsteller angesichts der gemessenen Atemalkoholkonzentration (AAK) von 3,48 Promille – die AAK wird gemessen in Milligramm Ethanol je Liter Atemluft; in welcher Weise die Messung in Promille umgerechnet wurde (s. hierzu § 24a StVG), kann anhand der Akten nicht nachvollzogen werden – eine Blutalkoholkonzentration (BAK) in vorbezeichneter Höhe vorgelegen habe, weshalb davon auszugehen sei, dass der Antragsteller in einem auf einen Alkoholmissbrauch hindeutenden Ausmaß an Alkohol gewöhnt sei.

Nach zutreffender Auffassung des Antragstellers ist diese in dem Gutachten als Faktum zu Grunde gelegte Schlussfolgerung aus mehreren Gründen ernsthaft anzuzweifeln. Der an den Antragsgegner gerichteten Mitteilung der Polizeiinspektion SPP: vom 9.9.2018 ist zu entnehmen, dass der Antragsteller am Tatabend zum Zeitpunkt des bei ihm durchgeführten Atemalkoholtest einen „nur leicht alkoholisierten Eindruck“ gemacht habe, der sich „in keinster Weise mit dem hohen Promillewert“ gedeckt habe. Diese Feststellung entspricht den – allerdings widersprüchlichen – Angaben der Anzeigenerstatterin, die laut Protokoll vom 9.9.2018 bei ihrer telefonischen Mitteilung an die Polizei angab, „der Mann war auch betrunken“, bei ihrer persönlichen polizeilichen Befragung vor Ort jedoch aussagte, „dass der Täter ihrer Meinung nach nicht alkoholisiert gewirkt hätte“.

Die sich hieraus ergebende kaum nachvollziehbare Diskrepanz zu dem polizeilich angegebenen exorbitanten Messergebnis des Atemalkoholtests von 3,48 Promille lässt sich nach dem Gesamtumständen nicht plausibel mit einer Alkoholgewöhnung des Antragstellers erklären. Sie deutet vielmehr auf eine Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses hin. Insoweit weist der Antragsteller zum einen mit Recht darauf hin, dass bei der Messung mit einem bauartzugelassenen und geeichten Messgerät Verfahrensbestimmungen einzuhalten sind, gegen deren Beachtung fallbezogen erhebliche Bedenken bestehen. Die Messung der AAK darf nicht vor Ablauf einer Wartezeit von 20 Minuten ab Trinkende durchgeführt werden, nach Ablauf der Wartezeit hat eine Doppelmessung in einem Abstand von höchstens fünf Minuten zu erfolgen, und es ist eine Kontrollzeit von 10 Minuten einzuhalten, in der nichts gegessen, getrunken und kein Medikament aufgenommen werden darf.10 Dass diese Vorgaben bei dem beim Antragsteller durchgeführten Atemalkoholtest beachtet worden wären, ist weder vom Antragsgegner vorgetragen noch aus dem diesbezüglichen Polizeibericht ersichtlich. Angesichts der von der Polizei selbst festgestellten Diskrepanz zwischen dem Auftreten des Antragstellers und der gemessenen AAK wären Kontrollmessungen – unterstellt, die an den Antragsteller gerichtete Aufforderung, sich einem Atemalkoholtest zu unterziehen, wäre überhaupt rechtmäßig gewesen – dringend angezeigt gewesen, anstatt vorschnell von einer auf einen Alkoholmissbrauch oder gar auf eine Alkoholabhängigkeit hindeutenden Alkoholgewöhnung des Antragstellers auszugehen. Im Übrigen hält der Antragsteller der Annahme des Verwaltungsgerichts, die Wartezeit von 20 Minuten sei, wenn überhaupt, nur geringfügig unterschritten worden, zu Recht entgegen, dass diese auf nicht belastbare Mutmaßungen gestützt worden ist. Dies gilt auch für die weitere Erwägung des Verwaltungsgerichts, es liege sogar nahe, dass der Antragsteller in der Gaststätte noch überhaupt keinen Alkohol getrunken habe. Der Vorfall ereignete sich um 18:53 Uhr, die unmittelbar aufgesuchte Gaststätte befand sich in einer Entfernung von 30 Metern. Dass dem Antragsteller als einem von zwei dort anwesenden (männlichen) Gästen um 19:44 Uhr noch kein Getränk serviert worden wäre, dürfte eher sehr fern liegen.

Gegen die Annahme einer Alkoholgewöhnung sprechen des Weiteren die Ergebnisse der medizinischen Untersuchungen des Antragstellers. Sowohl das medizinische Gutachten vom 24.5.2019 als auch das medizinisch-psychologische Gutachten vom 14.8.2019 weisen keinerlei für einen Alkoholmissbrauch sprechenden Befund aus. Vielmehr lagen alle für die der Begutachtung zugrunde liegende Alkoholfragestellung relevanten Laborwerte – insbesondere auch die Leberwerte – im Normbereich. Auch der beim Antragsteller gemessene CDC-Wert lieferte nach den Feststellungen des Gutachtens keinen ausreichenden Hinweis auf einen chronischen Alkoholabusus. Dieses Ergebnis dürfte von einem Probanden, der an Alkohol derart gewöhnt ist, dass er bei einer regulär gemessenen AAK von 3,48 Promille noch in guter körperlicher und geistiger Verfassung mit geordnetem Denkablauf ohne größere Ausfallerscheinungen auftritt, wohl kaum zu erreichen sein. Nach den Vorbemerkungen zu dem medizinisch-psychologischen Gutachten vom 14.8.2019 setzen bereits Blutalkoholwerte ab 1,6 Promille einen vorangegangenen übermäßigen Alkoholkonsum voraus und können nur durch ein längeres „Trinktraining“ erreicht werden. Dass dieses ohne Auswirkungen auf die im Rahmen der Begutachtung des Antragstellers gemessenen Laborwerte bleibt, dürfte auszuschließen sein.

Vor diesem Hintergrund sowie angesichts des Umstandes, dass der Antragsteller soweit ersichtlich seit mehr als 30 Jahren straßenverkehrsrechtlich im Zusammenhang mit Alkohol nicht auffällig geworden ist, kann die in dem medizinisch-psychologischen Gutachten vom 14.8.2019 getroffene Feststellung, es sei „noch nicht“ auszuschließen, dass der Antragsteller unter Alkoholeinfluss ein Kraftfahrzeug führen werde, nicht schlüssig nachvollzogen werden.

Sie lässt sich auch nicht mit dem Ergebnis des mit dem Antragsteller geführten psychologischen Untersuchungsgesprächs rechtfertigen. Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass der Antragsteller sich kooperativ und im psychologischen Untersuchungsgespräch offen gezeigt hat. Die in dem Gutachten aufgeführten Antworten des Antragstellers auf die ihm zu seinem Alkoholkonsum und dessen Hintergründen gestellten Fragen bestätigen dies. Die in dem Gutachten getroffene Feststellung, der Antragsteller habe keine hinreichend realistische Problemsicht entwickelt und die auslösenden oder aufrechterhaltenden Bedingungen des „früheren Alkoholmissbrauchs“ nicht erkannt, entbehren einer tragfähigen Grundlage. Der Antragsteller hat in aller Offenheit bekannt, dass er in der Vergangenheit aus eigener Sicht zeitweise zu viel Alkohol konsumiert hat. Von einer Uneinsichtigkeit kann daher keine Rede sein. Im Übrigen hat der Antragsteller angegeben, seit dem erstmaligen Verlust seiner Fahrerlaubnis (1989) Fahren und Trinken strikt zu trennen. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller hierzu nicht in der Lage wäre, sind der Aktenlage nicht ansatzweise zu entnehmen.“

Beitragsbild passt nicht – ich weiß 🙂 .

OWI II: Atemalkoholmessung, oder: Nicht immer ist „Hypoventilation“ eine Schutzbehauptung

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Die zweite Entscheidung des heutigen Tages kommt vom OLG Zweibrücken. Das musste sichim schon etwas älteren OLG Zweibrücken, Beschl. v. 07.02.2019 – 1 OWi 2 Ss Bs 83/18 – in einem Verfahren wegen einer Trukenheitsfahrt nach § 24a Abs. 1 StVG mit der Frage von Messfehlern bei der dem Verfahren zugrunde liegenden Atemalkoholmessung befassen. Gemessen worden war mit einem Dräger ALCOTEST 9510. Ermittelt worden waren Messwerte von 0,250 mg/l. Dazu hatte der Betroffene behauptet, dass die Messung(en) durch eine Hypoventilation verfälscht seien. Das OLG sagt: Das ist grundsätzliche eine Schutzbehauptung, so auch das AG. Aber: Das AG hat seine Auffassung nicht ausreichend begründet. Daher: Zweiter Durchgang:

„Das Amtsgericht ist von einem korrekten, nicht durch äußere Einflüsse zu Ungunsten des Betroffenen veränderten Messergebnis ausgegangen. Die Einlassung des Betroffenen, „aufgrund einer Hypoventilation sei eine Beeinflussung der Atemalkoholkonzentration zu seinen Ungunsten nicht auszuschließen“, hat es als Schutzbehauptung zurückgewiesen. Dies hat das Amtsgericht jedoch nicht tragfähig begründet.

1. Im rechtlichen Ausgangspunkt hat das Amtsgericht zwar zutreffend erkannt, dass es sich bei der Messung mit dem hier eingesetzten Gerät Dräger ALCOTEST 9510 um ein sog. standardisiertes Messverfahren handelt (vgl. Schäfer, NZV 2017, 422, 423). Es genügt daher grundsätzlich die Angabe des Messverfahrens und des Messergebnisses in den Urteilsgründen (Burhoff in ders., Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl., Rn. 3592 m.w.N.), sofern nicht konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler behauptet worden oder sonst ersichtlich sind (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 31.01.2007 – 2 Ss (OWi) 228 B/06, juris Rn. 22).

2. Zu der vom Betroffenen behaupteten äußeren Beeinflussung des Messergebnisses durch eine Hypoventilation (hierzu: OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2005 – 2 Ss OWi 319/05, NZV 2006, 490, 491) hat das Amtsgericht wie folgt ausgeführt:

„Weiter hat der Zeuge Z. ausgeführt, dass eine etwaige Aufregung des Betroffenen mit der Messung der Blutalkoholkonzentration nichts zu tun habe. Wenn das Messgerät einen Wert angebe, dann sei von einer korrekten Messung auszugehen. Andernfalls werde die Messung abgebrochen und kein Wert angezeigt. (…)

Um eine Beeinflussung der Analyse durch bewusste oder unbewusste Fehlbedienung zu vermeiden, erfolgen bei dem eingesetzten Gerät – wie vorliegend auch – weitere Messungen. So wurde vorliegend die Atemtemperatur gemessen (ausweislich des auszugsweise verlesenen Protokollblatts bei der ersten Messung 34,4 Grad Celsius, bei der zweiten Messung 34,6 Grad Celsius). Auch das Atemvolumen wurde zweifach gemessen. Es ergab sich ein Wert von 2,6 l bei der ersten Messung und von 2,3 l bei der zweiten Messung. Auch die Atemzeit wurde festgehalten; erste Messung 8,3 sec.; zweite Messung 7,5 sec.

Nach alledem stand für das Gericht nach der Beweisaufnahme fest, dass es sich bei dem Vortrag des Betroffenen um eine Schutzbehauptung handelt. Auch der Zeuge Z. hat ausgesagt, dass es im Falle einer Hypoventilation nicht zur Anzeige eines Wertes kommt, sondern die Messung abgebrochen wird.“

3. Zutreffend weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass mit dieser Begründung die Behauptung einer Beeinflussung des Messergebnisses durch Hypoventilation nicht ausgeschlossen werden kann. Denn der Umstand, dass das Gerät Dräger ALCOTEST 9510 eine Fehlermeldung nicht ausgeworfen hat, steht im Grenzwertbereich von 0,25 mg/l der Behauptung einer dem Betroffenen nachteiligen, durch eine Hypoventilation verursachten Fehlmessung nicht hinreichend sicher entgegen (OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2005 – 2 Ss OWi 319/05, NZV 2006, 490, 491; dort noch zum Vorgängermodell Dräger ALCOTEST 7110, welches jedoch im Wesentlichen über die gleichen messtechnischen Einrichtungen verfügt [Burhoff aaO. Rn. 3540]).

Es trifft zwar zu, dass das verwendete Messgerät nach Abschluss der beiden Einzelmessungen eine Fehlermeldung auswirft, wenn die jeweils ermittelten Werte hinsichtlich Atemvolumen, Atemzeiten, Atemtemperatur und Atemalkohol eine ungewöhnlich große Differenz ausweisen oder wenn das Atemvolumen einer der Messungen zu klein war (vgl. Schäfer, NZV 2017, 422, 425; Burhoff aaO. Rn. 3550 sowie 4.3 der Bedienungseinleitung [https://www.alkomat.net/documents/products/Media/Bedienungsanleitung%20Dr%C3%A4ger%209510.pdf]). Eine zu große Differenz zwischen beiden Einzelmessungen hinsichtlich der Parameter Atemalkoholkonzentration und Atemtemperatur mit der Folge einer Verwerfung des Messergebnisses ist dabei insbesondere zu erwarten, wenn der Proband bei den beiden Messungen unterschiedliche Atemtechniken angewendet, er insbesondere bei – lediglich – einem der Messvorgänge vor dem Ausblasen die Luft längere Zeit angehalten hat. Wendet der Proband hingegen diese (ungewöhnliche) Atemtechnik bei beiden Messungen in gleicher Weise an, so wird aufgrund der dann ähnlichen Messwerte eine Fehlermeldung nicht provoziert (vgl. OLG Bamberg Beschluss vom 12.12.2005 – 2 Ss OWi 319/05, NZV 2006, 490, 492 m.w.N.; Schäfer aaO. 425).

4. Die Einlassung des Betroffenen, den Messvorgang – bewusst oder unbewusst – durch eine Hypoventilation beeinflusst zu haben, kann vor diesem Hintergrund durch die nicht erfolgte Fehlermeldung für sich genommen nicht widerlegt werden.

Es obliegt jedoch der tatrichterlichen Würdigung, die Glaubhaftigkeit einer solchen Einlassung unter Berücksichtigung der übrigen Gesamtumstände kritisch zu hinterfragen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Beweggründe des Betroffenen, wiederholt in nahezu identischer Weise eine abnorme Atemtechnik anzuwenden, ebenso in den Blick zu nehmen, wie die Frage, ob eine solche auffällige Atemtechnik den mit der Anwendung des Kontrollgeräts erfahrenen Ermittlungspersonen verborgen geblieben sein kann (OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2005 – 2 Ss OWi 319/05, NZV 2006, 490, 492). Ggfs. wäre auch zu klären, ob die gemessene Atemlufttemperatur in auffälliger Weise von den erwartbaren Werten abweicht und ob sich aus der (fehlenden) Abweichung Hinweise auf die Verweildauer der Atemluft im Körper ergeben können.

Trunkenheitsfahrt, oder: Muss das Messgerät im Urteil genau genannt werden?

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Und als dritte OWi-Entscheidung dann noch ein (kurzer) Beschluss des KG, der allerdings schon etwas älter ist. Es ist der KG, Beschl. v. 03.11.2016 – 3 Ws (B) 589/16. Ergangen ist er in einem Verfahren wegen des Vorwurfs einer Trukenheitsfahrt nach § 24a Abs. 1 StVG. Das AG hat der Betroffenen verurteilt, hat aber in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt, mit welchem Messgerät die Atemalkoholmessung durchgeführt worden ist. Das hat zur Aufhebung geführt:

„Zwar ist die Würdigung der Beweise Sache des Tatrichters, das Rechtsbeschwerdegericht hat aber auf die Sachrüge zu prüfen, ob ihm dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung unter anderem dann, wenn sie unklar oder lückenhaft ist. Dabei brauchen die Schlussfolgerungen des Tatrichters zwar nicht zwingend zu sein; es genügt grundsätzlich, dass sie möglich sind und er von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Das Gericht muss jedoch die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Erfahrungssätze des täglichen Lebens und die Gesetze der Logik beachten. Um dem Rechtsbeschwerdegericht diese Nachprüfung zu ermöglichen, müssen die Urteilsgründe daher erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen – wenn auch möglicherweise schwerwiegenden – Verdacht zu begründen vermag (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 3 Ws (B) 473/15 -, DAR 2005, 634 und VRS 122, 232 (233)).

Das Amtsgericht hat festgestellt, „die um 3.15 Uhr“ bei der Betroffenen „festgestellte Atemalkoholkonzentration betrug 0,27 mg/l“. Zwar handelt es sich bei der Messung der Atemalkoholkonzentration, wenn diese mit einem von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zugelassenen Messgerät unter Beachtung der Bedienungsvorschriften durchgeführt wird, um ein so genanntes standardisiertes Messverfahren, bei dessen Anwendung die Mitteilung des Messverfahrens und des Messergebnisses in den Urteilsgründen ausreicht, (vgl. Senat, NZV 2001, 388 und Beschlüsse vom 28. September 2015 – 3 Ws (B) 450/16 -, 29. Mai 2012 – 3 Ws (B) 282/12 – und 4. Juni 2008 – 3 Ws (B) 152/08-; OLG Hamm BA 46, 413 (414); OLG Bamberg DAR 2010, 143; Thüringer OLG VRS 110 32 (33); OLG Brandenburg VAS 112, 280 (281)). Weitere Feststellungen zur ordnungsgemäßen Durchführung der Messung sind lediglich erforderlich, wenn die ordnungsgemäße Durchführung der Messung bezweifelt wird oder sich sonstige Anhaltspunkte für eine Abweichung von der Regel bieten (vgl. Thüringer OLG a.a.O.; OLG Brandenburg a.a.O.).

Diese Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht.

Das Gericht geht zwar erkennbar von einem standardisierten Messverfahren aus. Es teilt auch das Messergebnis mit, versäumt jedoch, das Gerät, mit welchem die Atemalkoholkonzentrationsmessung erfolgt ist, zu benennen.“

Wie gesagt: Kurzer Beschluss. M.E. zu kurz. Denn: Die vom KG entschiedene Frage ist in der Rechtsprechung der OLG schon mal behandelt worden. Und die anderen OLG sind zu einem anderen Ergebnis gekommen. Sie sind davon ausgegangen, dass es ausreicht, wenn in den tatsächlichen Feststellungen nur mitgeteilt wird, dass eine „Atemalkoholmessung“ durchgeführt worden ist und zudem der festgestellte Atemalkoholwert aufgeführt wird. Das Atemalkoholmessgerät muss danach nicht namentlich genannt werden, da andere Geräte als die der Firma Dräger derzeit nicht im Einsatz sind (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 06.05.2013 – 3 Ss OWi 406/13 und dazu Absolutes Alkoholverbot für Fahranfänger/Innen- Verstoß bei 0,2 oder bei 0,15 Promille? und OLG Hamm zfs 2004, 536). A.A.– aber ohne nähere Begründung – war der OLG Hamm, Beschl. v. 25.06.2009 – 2 Ss OWi 376/09 und dazu: OLG Hamm: Rechtsprechungsänderung oder nur die eigene Rechtsprechung übersehen?

Abschied von der Blutprobe?

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Müssen wir uns bald im Verkehrsstrafrecht von der (guten/alten) Blutprobe verabschieden? Ja, das kann sein. Denn es gibt wohl eine bundesweites Forschungsprojekt, in dem überprüft wird, ob der Atemalkoholtest beweissicher und gerichtsfest ist und auch in Strafverfahren ausreicht. Bisher ist seine Verwendung dort ja nicht zulässig und es darf nach der obergerichtlichen Rechtsprechung auch nicht umgerechnet werden von den Werten des Atemalkoholtestes auf eine BAK.

Das wird nun demnächst ggf. anders, wenn die Ergebnisse des Forschungsprojekts vorliegen. An dem beteiligt sich im Übrigen seit dem 01.09.2015 auch NRW. Klar, dass die Polizei das begrüßt. „Es ist zweifelsfrei, dass eine beweissichere Atemalkoholanalyse gegenüber einer Blutentnahme einen geringeren Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit darstellt“, sagt Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). (vgl. hier). Und die GdP hält das einjährige Pilotprojekt schon gar nicht mehr für notwendig. „Wir haben jetzt schon enorme Personalnot – seit Jahren warten wir, dass die Polizei entlastet wird“, sagte ein Sprecher. „ (vgl. auch hier). Nun so schnell schießen die Preussen dann aber doch nicht 🙂 .