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OWI II: Atemalkoholmessung, oder: Nicht immer ist „Hypoventilation“ eine Schutzbehauptung

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Die zweite Entscheidung des heutigen Tages kommt vom OLG Zweibrücken. Das musste sichim schon etwas älteren OLG Zweibrücken, Beschl. v. 07.02.2019 – 1 OWi 2 Ss Bs 83/18 – in einem Verfahren wegen einer Trukenheitsfahrt nach § 24a Abs. 1 StVG mit der Frage von Messfehlern bei der dem Verfahren zugrunde liegenden Atemalkoholmessung befassen. Gemessen worden war mit einem Dräger ALCOTEST 9510. Ermittelt worden waren Messwerte von 0,250 mg/l. Dazu hatte der Betroffene behauptet, dass die Messung(en) durch eine Hypoventilation verfälscht seien. Das OLG sagt: Das ist grundsätzliche eine Schutzbehauptung, so auch das AG. Aber: Das AG hat seine Auffassung nicht ausreichend begründet. Daher: Zweiter Durchgang:

„Das Amtsgericht ist von einem korrekten, nicht durch äußere Einflüsse zu Ungunsten des Betroffenen veränderten Messergebnis ausgegangen. Die Einlassung des Betroffenen, „aufgrund einer Hypoventilation sei eine Beeinflussung der Atemalkoholkonzentration zu seinen Ungunsten nicht auszuschließen“, hat es als Schutzbehauptung zurückgewiesen. Dies hat das Amtsgericht jedoch nicht tragfähig begründet.

1. Im rechtlichen Ausgangspunkt hat das Amtsgericht zwar zutreffend erkannt, dass es sich bei der Messung mit dem hier eingesetzten Gerät Dräger ALCOTEST 9510 um ein sog. standardisiertes Messverfahren handelt (vgl. Schäfer, NZV 2017, 422, 423). Es genügt daher grundsätzlich die Angabe des Messverfahrens und des Messergebnisses in den Urteilsgründen (Burhoff in ders., Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl., Rn. 3592 m.w.N.), sofern nicht konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler behauptet worden oder sonst ersichtlich sind (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 31.01.2007 – 2 Ss (OWi) 228 B/06, juris Rn. 22).

2. Zu der vom Betroffenen behaupteten äußeren Beeinflussung des Messergebnisses durch eine Hypoventilation (hierzu: OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2005 – 2 Ss OWi 319/05, NZV 2006, 490, 491) hat das Amtsgericht wie folgt ausgeführt:

„Weiter hat der Zeuge Z. ausgeführt, dass eine etwaige Aufregung des Betroffenen mit der Messung der Blutalkoholkonzentration nichts zu tun habe. Wenn das Messgerät einen Wert angebe, dann sei von einer korrekten Messung auszugehen. Andernfalls werde die Messung abgebrochen und kein Wert angezeigt. (…)

Um eine Beeinflussung der Analyse durch bewusste oder unbewusste Fehlbedienung zu vermeiden, erfolgen bei dem eingesetzten Gerät – wie vorliegend auch – weitere Messungen. So wurde vorliegend die Atemtemperatur gemessen (ausweislich des auszugsweise verlesenen Protokollblatts bei der ersten Messung 34,4 Grad Celsius, bei der zweiten Messung 34,6 Grad Celsius). Auch das Atemvolumen wurde zweifach gemessen. Es ergab sich ein Wert von 2,6 l bei der ersten Messung und von 2,3 l bei der zweiten Messung. Auch die Atemzeit wurde festgehalten; erste Messung 8,3 sec.; zweite Messung 7,5 sec.

Nach alledem stand für das Gericht nach der Beweisaufnahme fest, dass es sich bei dem Vortrag des Betroffenen um eine Schutzbehauptung handelt. Auch der Zeuge Z. hat ausgesagt, dass es im Falle einer Hypoventilation nicht zur Anzeige eines Wertes kommt, sondern die Messung abgebrochen wird.“

3. Zutreffend weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass mit dieser Begründung die Behauptung einer Beeinflussung des Messergebnisses durch Hypoventilation nicht ausgeschlossen werden kann. Denn der Umstand, dass das Gerät Dräger ALCOTEST 9510 eine Fehlermeldung nicht ausgeworfen hat, steht im Grenzwertbereich von 0,25 mg/l der Behauptung einer dem Betroffenen nachteiligen, durch eine Hypoventilation verursachten Fehlmessung nicht hinreichend sicher entgegen (OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2005 – 2 Ss OWi 319/05, NZV 2006, 490, 491; dort noch zum Vorgängermodell Dräger ALCOTEST 7110, welches jedoch im Wesentlichen über die gleichen messtechnischen Einrichtungen verfügt [Burhoff aaO. Rn. 3540]).

Es trifft zwar zu, dass das verwendete Messgerät nach Abschluss der beiden Einzelmessungen eine Fehlermeldung auswirft, wenn die jeweils ermittelten Werte hinsichtlich Atemvolumen, Atemzeiten, Atemtemperatur und Atemalkohol eine ungewöhnlich große Differenz ausweisen oder wenn das Atemvolumen einer der Messungen zu klein war (vgl. Schäfer, NZV 2017, 422, 425; Burhoff aaO. Rn. 3550 sowie 4.3 der Bedienungseinleitung [https://www.alkomat.net/documents/products/Media/Bedienungsanleitung%20Dr%C3%A4ger%209510.pdf]). Eine zu große Differenz zwischen beiden Einzelmessungen hinsichtlich der Parameter Atemalkoholkonzentration und Atemtemperatur mit der Folge einer Verwerfung des Messergebnisses ist dabei insbesondere zu erwarten, wenn der Proband bei den beiden Messungen unterschiedliche Atemtechniken angewendet, er insbesondere bei – lediglich – einem der Messvorgänge vor dem Ausblasen die Luft längere Zeit angehalten hat. Wendet der Proband hingegen diese (ungewöhnliche) Atemtechnik bei beiden Messungen in gleicher Weise an, so wird aufgrund der dann ähnlichen Messwerte eine Fehlermeldung nicht provoziert (vgl. OLG Bamberg Beschluss vom 12.12.2005 – 2 Ss OWi 319/05, NZV 2006, 490, 492 m.w.N.; Schäfer aaO. 425).

4. Die Einlassung des Betroffenen, den Messvorgang – bewusst oder unbewusst – durch eine Hypoventilation beeinflusst zu haben, kann vor diesem Hintergrund durch die nicht erfolgte Fehlermeldung für sich genommen nicht widerlegt werden.

Es obliegt jedoch der tatrichterlichen Würdigung, die Glaubhaftigkeit einer solchen Einlassung unter Berücksichtigung der übrigen Gesamtumstände kritisch zu hinterfragen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Beweggründe des Betroffenen, wiederholt in nahezu identischer Weise eine abnorme Atemtechnik anzuwenden, ebenso in den Blick zu nehmen, wie die Frage, ob eine solche auffällige Atemtechnik den mit der Anwendung des Kontrollgeräts erfahrenen Ermittlungspersonen verborgen geblieben sein kann (OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2005 – 2 Ss OWi 319/05, NZV 2006, 490, 492). Ggfs. wäre auch zu klären, ob die gemessene Atemlufttemperatur in auffälliger Weise von den erwartbaren Werten abweicht und ob sich aus der (fehlenden) Abweichung Hinweise auf die Verweildauer der Atemluft im Körper ergeben können.