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Aktuelles aus Karlsruhe: (Erneut) Erfolgreiche VB gegen nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung

Das BVerfG meldet gerade in einer PM, dass der 2. Senat des BVerfG in einem weiteren Fall die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung wegen Verletzung des Freiheitsgrundrechts des Untergebrachten und des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgebotes aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen hat (BVerfG, Beschl. v. 08.06.2011 – 2 BvR 2846/09).

Zur PM geht es hier.

Im Moment ein wenig aus dem Focus: Die Durchsuchung

Manche Fragen beschäftigen die Rechtsprechung „wellenweise“. Dazu gehören auch Durchsuchung und Beschlagnahme. Die damit zusammenhängenden Porbleme haben vor einigen Jahren ja die obergerichtliche Rechtsprechung „beherrscht“, in der letzten Zeit ist ein wenig Ruhe eingekehrt. Aber die ein oder andere Entscheidung gibt es zu der Problematik schon noch.

Bei meiner Suche nach für den Blog interessanten Entscheidungen bin ich dann auf  LG Limburg, Beschl. v. 15.02.2011 – 1 Qs 6/11 gestoßen, der die Durchsuchung bei einem Dritten betrifft. Dort sind zwei interessante Fragen behandelt:

  1. Bei einem unverdächtigen Dritten darf eine Durchsuchung grundsätzlich nur angeordnet werden, wenn bestimmte Tatsachen vermuten lassen, dass sich bestimmte als Beweismittel dienende Gegenstände in dessen Räumen befinden; allein die pauschale, allgemeine Erwartung , irgendein relevantes Beweismittel zu finden, rechtfertigt einen solchen Eingriff in die Rechte eines Dritten hingegen nicht.
  2. Um der Funktion einer vorbeugenden Kontrolle einer Durchsuchung und ihrer Umgrenzung gerecht zu werden, darf sich die Entscheidung im Abhilfeverfahren auch nicht auf Gründe stützen, die dem Ermittlungsrichter im Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses nicht bekannt waren.

Mal was zur Abschiebehaft… oder: Hätten Sie es gewusst?

Ich bin dann ja doch immer wieder erstaunt, was alles geregelt ist und welche Vorschriften Bedeutung erlangen können, die man bislang nicht kannte.

So ist es mir mit § 72 Abs. 4 AufenthG gegangen, mit dem ich bislang noch nie zu tun hatte (hat sicherlich damit zu tun, dass Abschiebehaftsachen FGG-Sachen sind). In § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ist bestimmt: Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden.

Dazu hat der BGH jetzt Stellung genommen und in seinem Beschl. v. 17.06.2010 – V ZB 93/10 ausgeführt:

Die Anordnung der Haft eines Ausländers, gegen den ein Straf- oder Ermittlungsverfahren anhängig ist, zur Sicherung der Abschiebung scheidet aus, solange die Staatsanwaltschaft der beabsichtigten Abschiebung nicht zugestimmt hat.

Zwar kein Abschiebungshindernis, aber das fehlende Einvernehmen ist ein Umstand, der der Anordnung der Haft entgegensteht. Hätten Sie es gewusst?  Ich – das räume ich ein – nicht.

Nachträgliche Sicherungsverwahrung: Was sind neue Tatsachen? – Auswirkungen auf die Verständigung

Der 2. Strafsenat des BGH hat noch einmal/erneut zum Begriff der „neuen Tatsachen“ i.S. des § 66b Abs. 2 StGB Stellung genommen. Das sind – so der Senat – Tatsachen, die erst nach der Verurteilung erkennbar geworden sind. Zwar können nach Auffassung des BGH auch psychiatrische Befundtatsachen im Einzelfall „neue Tatsachen“ im Sinne des § 66 b Abs. 2 StGB darstellen. Maßgeblich sei aber nicht eine neue sachverständige Bewertung von Tatsachen. Entscheidend sei vielmehr, ob die dieser Bewertung zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen im Zeitpunkt der Aburteilung bereits vorlagen und bekannt oder erkennbar waren (vgl. auch BGHSt 50, 275, 278; jetzt Beschl. v. 12.05.2010 – 2 StR 171/10).

Die Frage, was eine neue Tatsache ist, kann auch bei einer Verständigung eine Rolle spielen, wenn es darum geht, ob sich das Gericht von der Verständigung lösen lann (§ 257c StPO StGB). Die bloß andere Bewertung von bereits bei der Abgabe der Zusage/Verständigung dem Gericht bekannter oder erkennbarer Umständen ist also kein „neuer“ Umstand.

NRW will die Blutprobe für Alkoholsünder abschaffen – Initiative auf der heutigen IMK

Heute morgen sind die Zeitungen – vor allem in NRW, z.B. hier – voll von der Meldung des gestrigen Tages: NRW will die Blutprobe für Alkoholsünder abschaffen. In den Meldungen heißt es weitgehend wortgleich:

Nach dem Willen von Innenminister Ingo Wolf (FDP) sollen Autofahrer künftig auch bei mehr als 1,1 Promille Blutalkohol nur noch „pusten“ müssen, berichtet die in Hagen erscheinende WESTFALENPOST (Donnerstagsausgabe) `Die Messung des Alkoholgehaltes durch die Analyse des Atems ist auch bei höheren Promillewerten so präzise wie bei einer Blutuntersuchung“, sagte Wolf der WESTFALENPOST. Auf der heutigen Innenministerkonferenz in Hamburg will Wolf eine NRW-Initiative einbringen. Derzeit muss der Alkoholsünder bei Werten über 1,1 Promille auf die Polizeiwache. Dort wird nach richterlicher Anordnung ein Arzt hinzugezogen, der Blut entnimmt. Das Ergebnis der Blutuntersuchung liegt erst nach einigen Tagen vor. Bei Werten unter 1,1 Promille ist die Atemalkohol-Analyse ohne richterliche Anordnung schon heute beweissicher möglich. `Ein Blutprobe ist immer ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, der sich heute vermeiden lässt“, sagte Wolf. Angesichts moderner präziser Messverfahren sei die Atemanalyse in Alkoholverdachtsfällen als das `mildere Mittel zu wählen“, betonte Wolf. Damit erübrige sich auch das Erfordernis einer richterlichen Anordnung.“

Das ist also dann der nächste Versuch – zu früheren vgl. u.a. hier -,  die Gesetzeslage an die Praxis anzupassen. Was mich erstaunt ist das Wort „müssen“ in der o.a. Meldung. Denn bislang „musste“ niemand pusten, auch bei geringeren Werten nicht, sondern war/ist das „Pusten“ freiwillig, allerdings mit der Folge der Blutentnahme. Soll sich das jetzt ändern? Ich habe versucht, Näheres über die Initiative im Netz zu finden. Leider klappte das nicht. So muss man warten, was aus Hamburg kommt. Oder sonst woher.