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BVerfG II: Anfangsverdacht beim Besitz kinderpornographischer Schriften, oder: Chat bei www.poppen.de

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In der zweiten Entscheidung, dem BVerfG, Beschl. v. 20.09.2018 – 2 BvR 708/18 – befasst sich das BVerfG mit eine Verfassungsbeschwerde gegen die Sichtung sichergestellter Datenträger, die bei einer auf den Anfangsverdacht des Besitzes kinderpornografischer Schriften gestützten Durchsuchung gewonnen worden waren.

Das BVerfG nimmt zu drei Fragen Stellung: Anfangsverdacht,  Ableitung des Anfangverdachts aus legalem Verhalten und Beweisverwertungsverbot:

BVerfG II: Bezeichnung einer verschleierten muslimischen Frau als „verpacktes Vieh“, oder: Volksverhetzung

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Author Manuelfb55

Die zweite BVerfG-Entscheidung behandelt ebenfalls eine Durchsuchungsproblematik. Nach dem dem BVerfG, Beschl. v. 20.04.2018 – 1 BvR 31/17 – zugrunde liegenden Sachverhalt geht es um eine Wohnungsdurchsuchung (§§ 102, 105 StPO) wegen des Verdachts der Volksverhetzung (§ 103 Abs 1 Nr 2 StGB) durch islamfeindliche Äußerungen im Interne, und zwar: Der Betroffene,der in Berlin als Mitglied der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) politisch aktiv ist, betreibt einen islamkritischen Blog. Durch einen Zeitungsartikel vom 17.06.2016 erfuhr er von einem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB.

Im Verfahren gegen ihn hatte das AG bereits am 24.08.2016 auf Antrag der StA gemäß §§ 102, 105 StPO die Durchsuchung der Wohn- und Nebenräume angeordnet. Der Betroffene stehe im Verdacht, am 22.10.2014 auf der Webseite „D…“ den folgenden Kommentar veröffentlicht zu haben:

„Mir ist vor einiger Zeit auch son Mossi mit seinem verpackten Vieh auf dem S-Bahnhof über den Weg gelaufen – ich habe ihm direkt gesagt, dass er nach Arabien verschwinden soll.“

Zudem solle er am 31.03.2016 auf dem von ihm betriebenen Blog geäußert haben, dass muslimische Frauen – zumindest soweit sie Kopftuch trügen – nicht mehr als Frauen und „sie“, sondern als „es“ oder „er“ (der Kopftuchmoslem) anzusprechen seien. Ziel der Durchsuchung sei – so das AG – das Auffinden von Beweismitteln, insbesondere von internetfähigen Geräten, mit denen die verfahrensgegenständlichen Kommentare veröffentlicht worden seien und aus denen sich ergebe, dass der Beschwerdeführer Inhaber des verfahrensgegenständlichen Blogs sei.

Das BVerfG hat das für die Anordnung der dann am 01.11.2016 beim Betroffenen durchgeführten Durchsuchung ausreichen lassen:

„Hinsichtlich der gerügten Verletzung der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 GG ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Die Einordnung der inkriminierten Äußerungen des Beschwerdeführers als volksverhetzend im Sinne des § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB hält sich im fachgerichtlichen Wertungsrahmen. Der Anfangsverdacht als Eingriffsvoraussetzung einer Durchsuchung gemäß §§ 102, 105 StPO muss eine Tatsachengrundlage haben, aus der sich die Möglichkeit der Tatbegehung durch den Beschuldigten ergibt, ohne dass es auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit ankommt (vgl. BVerfGE 44, 353 <381 f.>; 59, 95 <97 f.>). Ein Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts ist nur geboten, wenn die Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Bestimmungen über die prozessualen Voraussetzungen des Verdachts und die strafrechtliche Bewertung der Verdachtsgründe objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Beschwerdeführers beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f., 96>).

Danach ist die Bejahung eines Anfangsverdachts durch die Strafgerichte verfassungsrechtlich vertretbar und verletzt insbesondere nicht die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers. Die Fachgerichte haben die verfahrensgegenständlichen Äußerungen im Rahmen des vergleichsweise geringen Anforderungen unterliegenden Anfangsverdachts vertretbar als volksverhetzend im Sinne des § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB eingeordnet. Die Feststellung, durch die vorgeschlagene Bezeichnung von Kopftuchträgerinnen als „es“ oder „er“ würde die Menschenwürde muslimischer Frauen angegriffen, ist verfassungsrechtlich vertretbar. Sie bezieht sich ersichtlich auf die in Deutschland lebenden Frauen und impliziert deren Objekthaftigkeit, mit der ihnen zugleich die Achtung als gleichberechtigte Personen abgesprochen wird. Eine ähnliche Herabwürdigung durfte das Gericht in der Bezeichnung vollverschleierter muslimischer Frauen als „verpacktes Vieh“ in der dem Beschwerdeführer zugeschriebenen Kommentar-Äußerung sehen.“

Und: Das BVerfG hatte auch keine (durchgreifenden – „noch) – verfassungrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Durchsuchungsmaßnahme:

b) Die angegriffene Durchsuchung genügt diesen Anforderungen. Die von den Fachgerichten vorgenommene Bewertung der angeordneten Durchsuchung als verhältnismäßig ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten noch tragfähig. Die diesbezüglichen Einwendungen des Beschwerdeführers greifen im Ergebnis nicht durch.

aa) Die Einschätzung der Fachgerichte, die Durchsuchungsanordnung sei zur Erhärtung des Anfangsverdachts geeignet, hält sich im fachgerichtlichen Wertungsrahmen. Die Beurteilung der Frage, ob eine Untersuchung der beschlagnahmten Gegenstände technisch dazu geeignet ist, herauszufinden, ob auch der streitige Kommentar auf einer fremden Webseite von ihm stammt, liegt im ermittlungstaktischen Ermessen der Strafverfolgungsorgane. Es war aus der ex ante-Perspektive zumindest nicht auszuschließen, dass bei der Durchsuchung etwas gefunden werden würde, was auf die Urheberschaft des Beschwerdeführers hinsichtlich des genannten Kommentars schließen ließe.

bb) Die Anordnung der Durchsuchung war zur Erhärtung des Anfangsverdachts auch erforderlich. Das Geständnis des Beschwerdeführers, die inkriminierten Äußerungen stammten von ihm, bezieht sich nur auf den Blogeintrag und ist daher für den ebenfalls vom Anfangsverdacht umfassten Kommentar auf der Webseite „D…“ unbeachtlich. Im Ergebnis ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht das Kooperationsangebot des Beschwerdeführers, alle gewünschten Gegenstände freiwillig herauszugeben, nicht als milderes, aber ebenso geeignetes Mittel zum Auffinden von Beweismitteln wie die angeordnete Durchsuchung eingestuft hat. Eine freiwillige Herausgabe lässt grundsätzlich mangels gleicher Eignung die Erforderlichkeit der Maßnahme nicht entfallen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. September 2008 – 2 BvR 1800/07 -, juris, Rn. 26). Denn bei einem Angebot der freiwilligen Herausgabe ist – sofern es sich dabei nicht um einen einzelnen, eindeutig zu identifizierenden Gegenstand handelt – nicht auszuschließen, dass der Betroffene lediglich einen Teil der bei ihm vorhandenen Geräte herausgibt.

Allerdings begegnet die Handhabung des Angebots der Herausgabe durch das Landgericht verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn durch die Feststellung, eine Aufforderung zur freiwilligen Herausgabe sei „in der Regel nicht erforderlich“ zeigt das Landgericht in der Beschwerdeentscheidung, dass es das bereits erfolgte Angebot des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen hat. Den hierin liegenden Gehörsverstoß im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG hat das Landgericht in der Entscheidung über die Anhörungsrüge vom 26. Januar 2017 jedoch geheilt, indem es nunmehr ausdrücklich und mit vertretbarer Argumentation auf den Einwand des Beschwerdeführers eingeht, er habe die freiwillige Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände zuvor angeboten.

cc) Angesichts einer Strafandrohung von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe für die hier in Rede stehende Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 StGB steht der in der Durchsuchung liegende Grundrechtseingriff auch in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts. Wie lange eine richterliche Durchsuchungsanordnung die Durchführung einer konkreten Durchsuchungsmaßnahme trägt, richtet sich nach der Art des Tatverdachts, der Schwierigkeit der Ermittlungen sowie nach der Dauerhaftigkeit der tatsächlichen Grundlagen für die Beurteilung der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit der Durchsuchungsmaßnahme (vgl. BVerfGE 96, 44 <53 f.>). Insgesamt muss die Maßnahme zeitlich und den Umständen nach verfahrensrechtlich in einen Rahmen eingebunden sein, der der Unschuldsvermutung der Betroffenen Rechnung trägt und insoweit nicht gegen das Übermaßverbot verstößt.

Nach diesen Maßstäben war die knapp zweieinhalb Monate nach Erlass der richterlichen Anordnung durchgeführte Durchsuchung noch verhältnismäßig im engeren Sinne. Allerdings ist hier in einer Gesamtschau zu berücksichtigen, dass die Einleitung von Ermittlungen bereits im Juni öffentlich bekannt war, die im November erfolgende Durchsuchung mit der Nominierung des Beschwerdeführers für ein politisches Amt zeitlich zusammentraf und dabei auch der Presse mitgeteilt wurde. Dies hat vorliegend jedoch die Durchsuchung als solche noch nicht unverhältnismäßig werden lassen. Dass aber durch diese Umstände oder sonst in dem Vorgehen der Staatsanwaltschaft ein eigener Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers liegen könnte, hat der Beschwerdeführer nicht substantiiert geltend gemacht.“

Durchsuchung I: Nur dünner Anfangsverdacht, oder: Mit Kanonen auf Spatzen geschossen

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Heute dann ein wenig zur Durchsuchung. Zunächst mit einer Entscheidung des BVerfG, das im BVerfG, Beschl. v. 10.11.2017 – 2 BvR 1775/16 – zur Verhältnismäßigkeit der zur Überprüfung gestellten Durchsuchungsmaßnahme Stellung genommen hat. Der Sachverhalt war wie folgt:

Bei der StA wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls oder (Fund-)Unterschlagung geführt. Das Verfahren war aufgrund einer Strafanzeige einer Zeugin eingeleitet worden. Diese hatte angegeben, ihr Smartphone sei während eines Aufenthalts in einem Billardzentrum gestohlen worden; sie könne aber auch nicht ausschließen, es beim Aussteigen aus dem Auto vor ihrer Wohnung verloren zu haben. Später habe ihr eine weibliche Stimme unter einer Mobilfunknummer mitgeteilt: „Sie kriegen ihr Handy wieder.“ Eine Kontaktaufnahme über SMS sei fehlgeschlagen. Im Laufe der Ermittlungen wurde festgestellt, dass die Mobilfunknummer dem im gegenüberliegenden Haus wohnenden Beschuldigten zugeordnet werden konnte. Auf Antrag der StA ordnete das AG die Durchsuchung der Person und der Wohnung sowie der Fahrzeuge des Beschuldigten nach dem der Zeugin abhanden gekommenen Smartphone an. Dem Beschuldigten wurde Diebstahl oder (Fund-)Unterschlagung zur Last gelegt. Bei der Durchsuchung wurde das Smartphone nicht gefunden. Bei der anschließenden Beschuldigtenvernehmung gab der Beschuldigte an, dass er seinem achtjährigen Sohn ein Handy für gelegentliche Anrufe zur Verfügung gestellt habe. Die Prepaid-Karte sei auf seine Personalien eingetragen. Einige Tage nach dem angeblichen Diebstahl sei seinem Sohn und dessen Freund ein Aushang mit der Überschrift „Smartphon verloren“ aufgefallen. Aus Spaß hätten sie bei der angegebenen Telefonnummer angerufen und mitgeteilt, dass das Wort Smartphone falsch geschrieben worden sei. Sein Sohn habe ihm erzählt, dass auf seinem Handy keine SMS mit einem Herausgabeverlangen angekommen sei. Er könne dies nicht mehr prüfen, da das damalige Handy seines Sohns inzwischen verschwunden sei. Er habe in keiner Weise etwas mit dem Verlust des Handys der Anzeigeerstatterin zu tun. Das Strafverfahren gegen den Beschuldigten wurde daraufhin gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Das LG hat die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss als unbegründet verworfen.

Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Das BVerfG lässt die Frage des Anfangsverdachts letztlich offen – obwohl man m.E. schon sehr deutlich merken kann, wass es davon hält – sieht aber die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme als nicht gegeben:

Unverhältnismäßige Durchsuchung, oder: Man sollte erst mal ein wenig ermitteln

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Zum Mittag dann eine Entscheidung des BVerfG, und zwar den BVerfG, Beschl. v. 10.01.2018 – 2 BvR 2993/14. Mal wieder einer zu einer Durchsuchungsproblematik. Ergangen ist er in einem Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung. Der Beschwerdeführer ist alleiniger Geschäftsführer einer K. GmbH mit Sitz in N., die seit 1998 ein international tätiges Unternehmen für Krantechnik betreibt. Sie stand in langjähriger Geschäftsbeziehung mit der Firma B. mit Sitz in B, von „wegen aller in Betracht kommender Delikte insbesondere gemäß §§ 264, 263, 266 StGB“. Auf der Grundlage wird u.a. ein Verfahren wegen Insolvenzverschleppung eingeleitet und es ergeht Durchsuchungsbeschluss. Das Verfahren wird dann später nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Nun stand der Durchsuchungsbeschluss auf dem Prüfstand beim BVerfG und hat die Prüfung nicht bestanden.

Im Grunde enthält der Beschluss nichts Neues, sondern nur das Übliche vom BVerfG zum Anfnagsverdacht und zur Verhältnismäßigkeit, was man – leider – immer wieder/häufig lesen muss. Das BVerfG referiert seine  Rechtsprechung und führt dann aus:

b) Die angegriffenen Entscheidungen tragen diesen Maßstäben nicht Rechnung. Letztlich kann dahingestellt bleiben, ob zum Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungsanordnung plausible Gründe für einen gegen den Beschwerdeführer gerichteten Anfangsverdacht der Insolvenzverschleppung gemäß § 15a Abs. 4 InsO vorlagen. Jedenfalls war der Verdachtsgrad so schwach, dass sich die Anordnung einer Durchsuchung als unverhältnismäßig darstellt.

aa) Für eine Zahlungsunfähigkeit der K… GmbH sprach, dass ausweislich der Strafanzeige des B… eine langjährige Geschäftsbeziehung zwischen beiden Unternehmen bestand und die K… GmbH die Kranmieten bis August 2013 offenbar regelmäßig wie vereinbart gezahlt hatte. Seitdem aber blieben jegliche Zahlungen aus und der Beschwerdeführer begründete dies nach den Angaben des B… in einem Telefonat im Dezember 2013 mit einer finanziellen Notlage. Danach, so die Strafanzeige weiter, ließ sich der Beschwerdeführer gegenüber Anrufern verleugnen und gab keine Auskunft über die Standorte der vermieteten Krane. Den von B… vorgelegten vorprozessualen Anwaltsschreiben der K… GmbH ließ sich zudem nicht entnehmen, dass in der Sache Einwendungen gegen die Forderungen erhoben werden sollten oder die Aufrechnung mit Gegenforderungen erklärt werden sollte. Sie beschränkten sich auf die Aufforderung, B… möge die fraglichen Mietverträge vorlegen. Da die K… GmbH gleichzeitig jedoch nicht bestritt, im Besitz von Kranen des B… zu sein, erschien es wenig verständlich, dass sie die Mietverträge nicht kennen wollte. Es sprachen daher manche Gründe dafür, ihr vorprozessuales Agieren als bloßes Hinhalten aufzufassen.

Allerdings ging aus dem mit der Strafanzeige vorgelegten Aufforderungsschreiben des Anzeigeerstatters vom 6. Dezember 2013 und insbesondere der beigefügten Forderungsaufstellung hervor, dass B… selbst Gegenforderungen der K… GmbH verrechnete, wobei er sie nur in deutlich geringerer Höhe als von dieser in Rechnung gestellt anerkannte. Angesichts der ganz offensichtlich bestehenden Gegenansprüche erschien die Zahlungsverweigerung der K… GmbH mit einem gewöhnlichen Geschäftsgebaren unter Geschäftspartnern somit nicht von vornherein unvereinbar.

Vor allem aber fehlten nähere Erkenntnisse zu den finanziellen Verhältnissen der K… GmbH bei Erlass der Durchsuchungsanordnung vollständig. Es waren keine Informationen darüber vorhanden, welche Umsätze sie erzielte, in welcher Höhe und gegenüber wie vielen Gläubigern fällige Verbindlichkeiten bestanden und inwiefern den Verbindlichkeiten Kapital und eigene realisierbare Forderungen gegenüberstanden. Unbekannt war insbesondere, ob die K… GmbH auch Forderungen anderer Gläubiger trotz Mahnungen nicht bediente. Der Ermittlungsakte lässt sich noch nicht einmal entnehmen, dass vor Erlass des Durchsuchungsbeschlusses ermittelt worden war, ob der Beschwerdeführer einen Insolvenzantrag gestellt hatte. Das in der Akte befindliche Auskunftsersuchen der Polizei an das Insolvenzgericht datiert jedenfalls erst vom 4. Juni 2014.

Wenn in dem Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts die Auffassung vertreten wird, der mit einer Durchsuchung verbundene schwerwiegende Grundrechtseingriff könne auch mit der möglichen Entlastung des Beschwerdeführers gerechtfertigt werden, legt dies – wie der Generalbundesanwalt zu Recht anmerkt – im Übrigen nahe, dass die Durchsuchung erst der Begründung des Anfangsverdachts dienen sollte.

bb) Bei dieser Sachlage waren die Ermittlungsbehörden zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit gehalten, alle in Betracht kommenden, nahe liegenden und grundrechtsschonenderen Ermittlungsmaßnahmen auszuschöpfen, bevor sie eine Durchsuchung in Betracht ziehen durften. Solche grundrechtsschonenderen Ermittlungsmaßnahmen standen zahlreich zur Verfügung und waren ohne großen Aufwand zu bewerkstelligen.

Die Staatsanwaltschaft hätte etwa bei dem zentralen Vollstreckungsgericht des Landes Brandenburg Einsicht in das Schuldnerverzeichnis nehmen (vgl. § 882f Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 ZPO) und auf diese Weise in Erfahrung bringen können, ob in der Vergangenheit Zwangsvollstreckungsverfahren gegen die K… GmbH betrieben worden waren, die zu einer Eintragungsanordnung geführt hatten. Auf einfache Weise hätte so ermittelt werden können, ob der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der K… GmbH in der Vergangenheit die Vermögensauskunft abgegeben hatte oder dieser Pflicht unentschuldigt nicht nachgekommen war und ob etwaige Vollstreckungsverfahren nicht zur Befriedigung der beitreibenden Gläubiger geführt hatten. In ein eventuell für die K… GmbH abgegebenes Vermögensverzeichnis hätte nach § 802k Abs. 1 Satz 2 ZPO Einsicht genommen werden können. Da die K… GmbH als Kapitalgesellschaft gemäß § 325 HGB zur Offenlegung ihrer Jahresabschlüsse verpflichtet ist, waren ihre Jahresabschlüsse für die vergangenen Jahre zudem über die Internetseite des Bundesanzeigers ohne weiteres zugänglich. Ergänzend hätte die Staatsanwaltschaft die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gemäß § 24c Abs. 3 Nr. 2 KWG um Auskünfte aus der Kontenabrufdatei ersuchen und auf dieser Grundlage gemäß § 161 Abs. 1 StPO die einzelnen Kreditinstitute um Informationen über die Kontoumsätze der K… GmbH bitten können. Die genannten Informationsquellen hätten bereits eine recht zuverlässige Einschätzung über die Finanzlage der K… GmbH ermöglicht, die gegebenenfalls noch durch eine Bonitätsauskunft einer privaten Wirtschaftsauskunftei hätte erhärtet werden können.

Daneben hätte die Staatsanwaltschaft Einsicht in die zivilgerichtlichen Akten nehmen oder auch den Anzeigeerstatter zu dem Fortgang des Zivilprozesses vernehmen lassen können. Aus dem dort zu Tage tretenden prozessualen Verhalten der K… GmbH hätten sich gegebenenfalls Anhaltspunkte für oder gegen eine Zahlungsunfähigkeit gewinnen lassen können.“

Durchsuchung II: Kein Anfangsverdacht bei anonymer Anzeige….

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In der zweiten Durchsuchungsentscheidung, dem LG Augsburg, Beschl. v. 12.09.2017 – 1 Qs 339/17 – geht es ebenfalls um den Anfangsverdacht als Grundlage einer Durchsuchungsanordnung. Das AG Augsburg hatte den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft hatte keinen Erfol. AG und LG meinen: Bei einer anonymen Anzeige liegt kein Anfangsverdacht vor:

„Am 24. Juli 2017 ging beim Polizeipräsidium Schwaben-Nord ein datumsloses und nicht unterschriebenes handschriftlich gefertigtes Schreiben ein. Dieses lautet:

„Die Pädophilen sind überall. So ist mir bekannt, dass auch in D. die Pädophilen ihr Unwesen treiben. Besonders Herr … und sein Sohn vertreiben Kinderpornographie der übelsten Art. Der Computer ist im Keller versteckt“.

Die zuständige KPI stellte fest, dass die namentlich benannten Personen tatsächlich existierten, dass aber deren Wohnadresse falsch angegeben sei. Beide seien polizeilich noch nicht in Erscheinung getreten…..

II.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der drei beantragten Durchsuchungsbeschlüsse ist zwar zulässig, aber unbegründet.

Bei der vorliegenden Sachlage kann schon kein Anfangsverdacht angenommen werden.

Es gibt kein einziges, auf irgendeine Art und Weise objektivierbares Indiz, das einen Tatverdacht gegen die Beschuldigten begründen könnte.

Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 Abs. 1 GG gebietet, dass nur dann in den daraus resultierenden Schutzbereich eingegriffen werden darf, wenn hierfür konkrete tatsächliche Anhaltspunkte bestehen.

Im Einklang mit der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 14.07.2016, 2 BvR 2474/14) bedeutet dies, dass eine anonyme Anzeige grundsätzlich nicht ausreicht, einen Anfangsverdacht zu begründen.

Jegliche andere Sichtweise würde dem Denunziantentum Tür und Tor öffnen. Es ist mit der Rechtsordnung und dem Wertesystem der Bundesrepublik Deutschland nicht vereinbar, wenn allein aufgrund einer anonymen Behauptung Durchsuchungen bei bislang völlig unbescholtenen Bürgern erfolgen. Insoweit hat die Staatsanwaltschaft auch die Unschuldsvermutung zu beachten.

Soweit die Staatsanwaltschaft die anonyme Anzeige rechtsirrig für nicht pauschal erachtet, weil eine Adresse angegeben wurde und als Standort eines Computers der Keller genannt wurde, verkennt sie, dass sich aus derart nichtssagenden Angaben bei objektiver Betrachtung keinerlei Erkenntnisse ergeben, die einen Verdacht begründen oder erhärten können.

Daraus, dass ein Haus einen Keller hat, lässt sich jedenfalls kein Schluss darauf ziehen, dass kinderpornographische Schriften vertrieben werden. Und die Behauptung, dort sei ein Computer, ist genauso pauschal gehalten, wie die Beschuldigung selbst. Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt der anonymen Anzeige lassen sich hieraus nicht ziehen.

Anders als bei namentlich gekennzeichneten Anzeigen setzt sich ein anonymer Anzeigeerstatter nicht der Strafverfolgung wegen falscher Verdächtigung und übler Nachrede aus. Weder die Glaubwürdigkeit des Anzeigeerstatters noch die Glaubhaftigkeit seiner Angaben ist für die Ermittlungsbehörden einschätzbar. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb im bereits zitierten Beschluss ausführlich und zu Recht dargelegt, dass eine anonyme Anzeige nur genügen kann, „wenn sie von beträchtlicher sachlicher Qualität ist oder mit ihr zusammen schlüssiges Tatsachenmaterial vorgelegt wird.“

Beides ist im vorliegenden Fall so offensichtlich nicht gegeben, dass sich die Frage stellt, ob die Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens im vorliegenden Fall überhaupt zulässig war, zumal bereits Form und Diktion der Anzeige im vorliegenden Fall die Glaubhaftigkeit der Behauptungen nicht unterstreichen.“