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StPO III: Werden von der Mitteilungspflicht auch Erörterungen in anderen Verfahren umfasst?, oder: Offensichtlich unbegründet?

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Und zum Schluss dann der KG, Beschl. v. 25.04.2019 – (3) 161 Ss 42/19 (27/19) . In ihm nimmt das KG zur Mitteilungspflicht (§ 243 Abs. 4 StPO) – also auch „Verständigung“ – betreffend Erörterungen, die vor Hinzuverbindung der Sache in der Hauptverhandlung vor einer anderen Strafkammer geführt wurden, Stellung. Das KG stellt die Frage, ob auch insoweit eine Mitteilungspflicht besteht. Und: Es lässt die Frage offen, neigt aber wohl dazu, sie zu verneinen:

c) Die Verfahrensrüge greift jedoch in der Sache nicht durch.

aa) Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO sind Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO mitzuteilen, die außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist. Im Berufungsverfahren ergibt sich die Anwendbarkeit dieser Regelungen aus § 332 StPO.

Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO sind gegeben, wenn bei im Vorfeld (oder neben) der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum stehen, also jedenfalls dann, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung naheliegt (vgl. BGH NStZ 2016, 221 m.w.N.). Dabei ist unerheblich, ob diese Gespräche tatsächlich zu einer Verständigung geführt haben oder ergebnislos verlaufen sind (BGH NJW 2014, 3385). Gemessen daran handelt es sich bei den am 16. November 2018 vor der Hauptverhandlung geführten Gesprächen um derartige mitteilungspflichtige Erörterungen, weil das Einlassungsverhalten des Angeklagten mit Überlegungen zu einer konkreten Rechtsfolge (der Strafaussetzung zur Bewährung) verknüpft wurde (vgl. BGH NStZ 2017, 596). Denn Ziel dieses Gespräches war es, das Verfahren in diesem Termin zu erledigen. Ergänzend kann berücksichtigt werden, dass auch der an den Gesprächen beteiligte Vorsitzende Richter der 61. kleinen Strafkammer die Erörterungen als auf eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO gerichtet angesehen und vor diesem Hintergrund hierüber zu Beginn der Hauptverhandlung gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO Mitteilung gemacht hat.

bb) Es ist aber zweifelhaft, ob die Vorsitzende der 71. kleinen Strafkammer eine Pflicht zur Mitteilung über den Inhalt des vor der Verfahrensübernahme und ?verbindung vor der 61. kleinen Strafkammer geführten Erörterungsgespräches traf.

Obergerichtliche Entscheidungen zu der Frage, ob Erörterungsgespräche, die vor einer Verfahrensübernahme und –verbindung vor einem anderen Spruchkörper geführt wurden, der Mitteilungspflicht unterliegen, sind – soweit ersichtlich – bisher nicht ergangen.

Anerkannt ist die Pflicht zur Mitteilung der vorausgegangenen Erörterungsgespräche nach erfolgter Neubesetzung der zur Entscheidung berufenen Strafkammer (vgl. BGH NJW 2014, 3385; für den Richterwechsel aufgrund erfolgreicher Besetzungsrüge: BGH NStZ 2016, 221). Der Bundesgerichtshof begründet dies mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes in Gestalt der notwendigen Information der Öffentlichkeit sowie des Angeklagten, um einerseits eine wirksame Kontrolle der Verständigungen durch die Öffentlichkeit zu ermöglichen und andererseits dem Angeklagten zu ermöglichen, Verteidigungsentscheidungen auf der Grundlage umfassender Informationen über – in der Regel in seiner Abwesenheit geführte – Erörterungsgespräche zu treffen. Mit diesem Schutzzweck sei es unvereinbar, in dem Umstand, dass sich die Besetzung einer Strafkammer zwischen dem Erörterungsgespräch und der Hauptverhandlung ändere, was kein seltener Vorgang sei, einen Grund für den Ausschluss der Mitteilungspflicht zu sehen (vgl. BGH NStZ 2016, 221). In gleicher Weise mitzuteilen sind Gespräche, die außerhalb einer anderen, später ausgesetzten Hauptverhandlung stattgefunden haben (vgl. BGH NStZ 2016, 221). Ob nach Zurückverweisung durch das Revisionsgericht eine Pflicht des Vorsitzenden des nunmehr zuständigen Tatgerichts besteht, Erörterungsgespräche, die ein im ersten Rechtsgang zuständiges Tatgericht durchgeführt hat, gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO mitzuteilen, hat der Bundesgerichtshof offen gelassen (vgl. BGH NStZ 2016, 357). Das Oberlandesgericht Hamburg hat eine solche Pflicht abgelehnt (vgl. OLG Hamburg NStZ 2016, 182). In ähnlicher Weise entschied das Oberlandesgericht Saarbrücken, dass Erörterungen des erstinstanzlichen Gerichts nicht der Mitteilungspflicht des Berufungsgerichts unterliegen (vgl. OLG Saarbrücken BeckRS 2016, 12266). Den Entscheidungen ist zu entnehmen, dass die Mitteilungspflicht nur den Spruchkörper betrifft, welcher selbst an den Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO beteiligt war. Demnach ist Adressat der Mitteilungspflicht nur das Gericht, welches selbst an der vertragsähnlichen Absprache mit der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft über das bei diesem Spruchkörper anhängige Verfahren beteiligt war.

In diesem Sinne hat auch jüngst das Thüringer Oberlandesgericht entschieden, dass die Mitteilungspflicht auch hinsichtlich solcher Erörterungsgespräche bestehe, die unter Beteiligung des Spruchkörpers stattgefunden hatten, bevor dieser andere Verfahren übernommen und zu seinem Verfahren hinzuverbunden hat (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 6. Dezember 2018 – 1 OLG 121 Ss 70/18 – juris).

Ob dies in gleicher Weise dann zu gelten hat, wenn das Verfahren – wie hier – nach Übernahme und Verbindung vor einem anderen – an den Erörterungsgesprächen nicht beteiligten – Spruchkörper geführt wird, erscheint zweifelhaft. Vielmehr spricht der Umstand, dass in dieser Konstellation die zur Entscheidung berufenen Richter nicht selbst an den Erörterungsgesprächen teilgenommen und vor diesem Hintergrund aus eigener Anschauung zu deren Inhalten keine Angaben machen können, für ein spruchkörperbezogenes Verständnis der Mitteilungspflicht (vgl. KK-StPO/Schneider, StPO 8. Aufl., § 243 Rn. 46). Dieser Sichtweise steht der Gesetzeswortlaut auch nicht entgegen. Danach hätte jeder Spruchkörper jeweils über die unter seiner Beteiligung vorgenommenen Erörterungsgespräche nach § 243 Abs. 4 StPO zu informieren.

Auch wird allen Verfahrensbeteiligten durch die Übernahme des Verfahrens durch eine andere Strafkammer und der – im vorliegenden Fall vom Angeklagten befürworteten – Verfahrensverbindung verdeutlicht, dass nunmehr ein anderer Spruchkörper in der Sache zur Entscheidung berufen ist, der an vorausgegangen Erörterungen nicht beteiligt war. Da Ziel des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ist, informelle und unkontrollierte Absprachen zu verhindern, solche aber erkennbar mit dem nach Verbindung des Verfahrens berufenen Spruchkörper nicht getroffen worden sind, spricht auch dieser Umstand dafür, dass die zuletzt zuständige Vorsitzende keine Mitteilungspflicht traf. Einem insoweit ggf. gleichwohl bestehenden Informationsinteresse des Angeklagten kann im Wege der Akteneinsicht nachgegangen werden.

Ein solches spruchkörperbezogenes Verständnis von der Mitteilungspflicht beschränkt darüber hinaus die Problematik im Zusammenhang mit inhaltlich unzureichenden Aufzeichnungen über Erörterungsgespräche auf die Fälle, in denen die Besetzung des Spruchkörpers in der Zeit zwischen dem Erörterungsgespräch und dem Beginn der Hauptverhandlung wechselt. Denn die Erfüllung der Pflicht zur umfassenden und zutreffenden Mitteilung über Erörterungsgespräche ist immer dann besonders erschwert, wenn die Mitglieder des erkennenden Spruchkörpers an diesen nicht beteiligt waren und die vorliegenden Aufzeichnungen über die Gesprächsinhalte nicht den Anforderungen an die Mitteilung im Sinne des § 243 Abs. 4 StPO genügen. Ein solcher Fall ist auch hier gegeben, nachdem die in der Hauptverhandlung vom 16. November 2018 zu Protokoll genommene Mitteilung über das vor Aufruf zur Hauptverhandlung erfolgte Erörterungsgespräch inhaltlich lückenhaft war und – für sich genommen – der Mitteilungspflicht nicht genügt hätte. Die Mitteilungspflicht umfasst nicht nur die Tatsache, dass es Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO gegeben hat, sondern erstreckt sich auch auf deren wesentlichen Inhalt. Dementsprechend ist im Rahmen der Mitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO – unabhängig davon, ob eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO tatsächlich getroffen wird – insbesondere darzulegen, welche Standpunkte die einzelnen Gesprächsteilnehmer vertraten und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils stieß (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2018 – 2 StR 417/18 -, juris; NStZ 2017, 363 m.w.N.). Dem wird die Mitteilung des Vorsitzenden der 61. kleinen Strafkammer nicht gerecht, da aus dieser insbesondere nicht hervorgeht, welchen Standpunkt der Vertreter der Staatsanwaltschaft einnahm. Angesichts dessen hätte auch eine Verlesung dieser Angaben einer Mitteilungsplicht nicht Genüge getan. Dieser Umstand hätte im Falle der Annahme einer Mitteilungspflicht der Vorsitzenden der 71. kleinen Strafkammer die Frage aufgeworfen, ob den übernehmenden Spruchkörper eine Pflicht zur Aufklärung des unzureichend aktenkundigen Inhaltes der Erörterungen trifft, deren Erfüllung wegen des schnellen Personalwechsels in den Strafkammern mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein könnte.

cc) Die aufgeworfene Rechtsfrage bedarf indessen vorliegend keiner Entscheidung, da der Senat jedenfalls ausschließen kann, dass das Urteil hierauf beruht….“

In der Sache stimme ich dem KG ja zu, aber zum Verfahren dann doch eine kleine Anmerkung. Das KG verwirft die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet. Nun ja, da habe ich so meine Bedenken: Ist eine Revision, deren Verwerfung man auf rund neun Seiten begründet, „offensichtlich unbegründet“. M.E.  nicht, denn, wenn ich neun Seiten Begründung brauche, dann ist eben nicht ohne längere Prüfung erkennbar, dass der Rechtsmittel keinen Erfolg haben wird. Was erkennbar ist, liegt auf der Hand: Das KG will nicht nach § 349 Abs. 5 StPO verfahren und in die Hauptverhandlung gehen müssen. Das ist „offensichtlich“, nicht aber die Unbegründetheit der Revision 🙂 .

Inhaftierter Beschuldigter? = Immer Pflichtverteidiger

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Im Jahr 2009 ist die Vorschrift des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO in die StPO eingefügt worden. Sie soll die notwendige Verteidigung des inhaftierten Beschuldigten sicher stellen. Diesem ist ein Pflichtverteidiger beizuordnen. Schon bald nach In krafttreten der Neuregelung haben sich Streitfragen bei der Auslegung der Vorschrift aufgetan. Dazu gehört(e) u.a. die Fragen, ob dem Beschuldigten auch dann ein notwendiger Verteidiger beigeordnet werden muss, wenn er sich nicht im zu verhandelnden Verfahren, sondern in einem anderen Verfahren inhaftiert ist. Vom Sinn und Zweck der Vorschrift her liegt m.E. die Antwort auf der Hand. Ja, es muss. Und so sieht es auch die obergerichtliche Rechtsprechung, wie z.B. das OLG Hamm in dem schon etwas älteren OLG Hamm, Beschl. v. 03.09.2013 – 4 RVs 111/13 – auf den ich erst jetzt gestoßen bin:

„..Gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO ist die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig, wenn gegen den Angeklagten – wie vorliegend – während wesentlicher Teile der Hauptverhandlung Untersuchungshaft nach den §§ 112, 112 a StPO vollstreckt wird. Dabei ist die Vorschrift nach zutreffender obergerichtlicher Rechtsprechung (zu vgl. OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 22.04.2010 – 3 Ws 351/10 -, zit. nach […]; Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflg., § 140 StPO Rdnr. 14 m.w.N.) dahingehend zu verstehen, dass sie nur dann gilt, wenn Untersuchungshaft tatsächlich vollstreckt wird, dann aber für alle gegen den Angeklagten geführten Strafverfahren, ohne dass es darauf ankommt, in welchem die Untersuchungshaft vollzogen wird (zu vgl. Meyer-Goßner a.a.O). Insofern ist es unerheblich, dass der Angeklagte sich nicht für das vorliegende Verfahren, sondern ein gesondertes Strafverfahren in Untersuchungshaft befand. Das Amtsgericht wäre auch bereits vor Beginn der Hauptverhandlung am 29.01.2013 gehalten gewesen, die Bestellung eines notwendigen Verteidigers vorzunehmen, da dies nach Bekanntwerden der Inhaftierung unverzüglich zu erfolgen hat (§ 141 Abs. 3 S. 4 StPO) und mithin vorliegend zeitnah nach dem 09.01.2013 hätte erfolgen können und müssen…“

Alter Hut

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Der Kollege Lorenz aus Berlin hat für den StRR den OLG Hamm, Beschl. v. 08.08.2013 – 1 RVs 58/13 – aufbereitet und bezeichnet die in der Entscheidung behandelte Frage, die von der Revision des Angeklagten aufgeworfen worden war, zu Recht als „alten Hut“. Und er hat Recht: Das Problem ist in Rechtsprechung und Literatur nun wirklich „ausgekaut“. Es ging nämlich um die Verwertbarkeit nach §§ 100a, 100b StPO gewonnener Überwachungsergebnisse. Diese dürfen in dem Verfahren gegen den Beschuldigten und alle Tatbeteiligten – auch bei Begünstigung, Hehlerei und Strafvereitelung – verwertet werden. Es liegen insoweit keine sog. Zufallserkenntnisse vor. Denn:

bb) Die Rüge ist aber auch unbegründet. Die Überwachungsergebnisse dürfen in dem Verfahren gegen den Beschuldigten und alle Tatbeteiligten – auch bei Begünstigung, Hehlerei und Strafvereitelung – verwertet werden (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 100a Rdn. 30). Es liegen insoweit nämlich keine Zufallserkenntnisse vor (vgl. auch: Graf in: Graf, StPO, 2. Aufl., § 100a Rdn. 54; Allgayer NStZ 2006, 603, 604; Wolter in: Gedächtnisschrift für A. Kaufmann, 1989, S. 761, 766). Der Gesetzgeber hat bei Schaffung des § 477 Abs. 2 S. 2 StPO, der die Verwertbarkeit von Zufallsfunden regelt, klargestellt:

„In rechtmäßiger Weise erlangte Erkenntnisse sind im Ausgangsverfahren – sowohl als Spurenansatz als auch zu Beweiszwecken – sowohl hinsichtlich anderer Begehungsformen der zunächst angenommenen Katalogtat als auch hinsichtlich sonstiger Straftatbestände und anderer Tatbeteiligten insoweit verwertbar, als es sich noch um dieselbe Tat im prozessualen Sinn handelt“ (BT-Drs. 16/5846, S. 66; vgl. auch BGH NJW 2009, 791).

 Die gewinnbringende Weiterveräußerung durch die dortigen Beschuldigten war aber bereits Gegenstand der Tatschilderung im Beschluss des AG Görlitz vom 18.05.2004 (8 Gs 729/04). Der Angeklagte als Aufkäufer der in das Bundesgebiet eingeschmuggelten Zigaretten ist damit nur ein weiterer Tatbeteiligter innerhalb der von den Beschlüssen nach §§ 100a, 100b StPO erfassten prozessualen Tat. Es kommt damit auch nicht darauf an, dass die Verurteilung nicht wegen der seinerzeit angenommenen Katalogtat des § 129 StGB erfolgte….“

Also „alter Hut“: Die Verwertung von so gewonnenen Erkenntnissen ist zulässig , wenn zumindest die (prozessuale) Tat bekannt ist, die einzelnen Begehungsformen der Katalogtat oder die Art der Beteiligung der verschiedenen Täter, Beteiligten oder Hehler aber noch nicht.