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OWi I: Bekanntes zum Umfang der Akteneinsicht im Bußgeldverfahren, oder: „Nostalgie“

Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

Im Moment gibt es nicht so viele OWi-Entscheidungen, über die zu berichten wäre. Heute habe ich aber mal wieder drei aus straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren. Es sind alles AG-Entscheidungen.

Den Opener macht der AG Rudolstadt, Beschl. v. 25.03.2021 – 1 OWi 98/21. Es geht noch einmal/mal wieder um den Umfang der Akteneinsicht im Bußgeldverfahren, und zwar:

„Dem Betroffenen eines Bußgeldverfahrens steht ein umfassendes Akteneinsichtsrecht zu, das in der Regel gemäß § 147 StPO i,V.m. 46 Abs. 1 OWiG über seinen Verteidiger ausgeübt wird. Dieses Recht ist, sofern die Ermittlungen förmlich abgeschlossen sind (§§ 169 a, 147 Abs. 2 StPO i.V.m. 46 Abs. 2, 61 OWiG9, zwar nach Ort, Zeitpunkt und Dauer der Einsichtnahme modifizier-bar, hinsichtlich seines Umfanges aber weder eingeschränkt, noch beschränkbar (Bundesverfassungsgericht Entscheid 62, 338).

Das Einsichtsrecht erstreckt sich aber nicht nur auf sämtliche Unterlagen der Verwaltungsbehörde, die zu den Akten genommen worden sind, auf die der Vorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gestützt wird, sondern auch auf alle sonstigen verfahrensbezogenen Vorgänge, die möglicherweise bedeutsam für das Verfahren sind. Dazu gehört unter anderem auch die zum Zeitpunkt der Messung gültige Version der Bedienungsanleitung (unter anderem: AG Bad Kissingen, Beschluss vom 06,07.2006, 3 OWi 17 Js 7100/06; LG Ellwangen, Beschluss vom 14.12,2009 1 Qs 166/09; AG Herford, Beschluss vom 20,09.2010, AG Ellwangen, am angegebenen Ort; 11 OWi, 624/10, AG Heidelberg, Beschluss vom 31.10.2011, 3 OWi 510 Js 22198/11; AG Lüdinghausen, Beschluss vom 09.02.2012, 19 OWi 10/20; AG Cottbus, 14.09.2012, 83 OWi 1122/12; AG Jena, 03.08.2018, 3 OWi 1194/18, etc.)

Die Bedienungsanleitung ist notwendig, um den gegebenenfalls als Zeugen zu befragenden Messbeamten sachgerecht zur ordnungsgemäßen Durchführung der Messung befragen zu können. Auch unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit kann die Einsicht in die Bedienungsanleitung des Messgerätes nicht versagt werden. Zum Einen kommt es für die Erfüllung des Akteneinsichtsrechts als Konkretisierung des aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Rechts auf ein faires Verfahren nicht auf die Frage der Zumutbarkeit für die Verwaltungsbehörde an, zum Andren dürfte die Bedienungsanleitung als Computerdatei vorliegen und deshalb problemlos an den Verteidiger übersandt werden können (vergleiche auch Burhoff VRR 7/2011).

Das Urheberrecht steht der Beifügung einer Kopie der Bedienungsanleitung – ggf. als Computerdatei – nicht entgegen. Die Bedienungsanleitung für ein Messgerät beschreibt lediglich die vorgegebenen technischen Zusammenhänge auf eine handwerklich definierbare Weise und ist deshalb keine eigenständige geistige Schöpfung des Autors (vergleiche: Ellwangen, VRR 2011, 117; AG Ellwangen NZV 2011, 362). Als Bestandteil der Akte ist auch offensichtlich, dass die überlassenen Unterlagen nur auf das vorliegende Verfahren verwandt und insbesondere nicht anderweitig veröffentlicht werden dürfen. So auch das AG Lüdinghausen, Beschluss vom 21.12.2015 zu dem Aktenzeichen: 19 OWi 227/15. Danach kann die Bedienungsanleitung ohne Verletzung des Urheberrechts Verteidigern im Wege der Akteneinsicht zur Verfügung gestellt werden und muss dies auch. Sinn der Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung ist bekanntermaßen die von allen Verfahrensbeteiligten vorzunehmende Prüfung der Messung anhand der Bedienungsanleitung. Hierfür ist es vor allem erforderlich, dass die Bedienungsanleitung bei Bedarf stets für den Prüfenden zur Hand ist. So ist es insbesondere für den Verteidiger wichtig, sich in der Sitzung -bei Bedarf auch ohne Onlinezugang- mit einer in Papierform vorhandenen Bedienungsanleitung zu versehen, um Messungen zu überprüfen.“

Ist ein wenig nostalgisch der Beschluss. Nicht weil er vom 25.03.2021 stammt, also schon ein wenig älter ist, sondern wegen der Thematik und auch der dazu vom AG angeführten Belegstellen. Über die ist die Zeit und die Rechtsprechung inzwischen hinweg gegangen. Aber: Man sieht an dem Beschluss und den Zitaten, wie lange die Fragen die Rechtsprechung schon beschäftigen.