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Erstattung von Desinfektionskosten wegen Corona, oder: Kasko ja, Haftpflicht nein

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Heute sind im „Kessel Buntes“ drei zivilrechtliche Entscheidungen.

Zunächst stelle ich hier zwei AG Entscheidungen zur der Frage vor, ob nach einer wegen eines Verkehrsunfalls durchgeführten Kfz-Reparatur die Desinfektionskosten der Werkstatt zu ersetzen sind. Dazu:

Das AG Hannover hat das im AG Hannover, Urt. v.  10.02.2021 – 431 C 9575 / 20 – in einem gegen den Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer geführten Schadensersatzprozess abgelehnt. Hier die Leitsätze der Entscheidung:

  1. Kosten für die Desinfektion des Fahrzeuges bei dessen Reparatur sind als Schadensersatz nicht zu erstatten, wenn es sich lediglich um sogenannte Allgemeinkosten handelt, die im Wesentlichen dem Schutz der Mitarbeiter der Werkstatt dienen.
  2. Außerdem sind diese Maßnahmen dem allgemein Lebensrisiko zuzurechnen und nicht mehr adäquat kausal auf den Unfall zurückzuführen, so dass aus diesem Grund kein Schadenersatz zu erstatten ist.
  3. Insoweit greifen zu Gunsten des Geschädigten auch nicht die Grundsätze des Werkstattrisikos ein, da schon aus Rechtsgründen kein Schadensersatzanspruch besteht.

Anders das AG Aachen. Das hat in einem gegen den Kaskoversicherung geführten Rechtsstreit die Erstattungsfähigkeit von Desinfektionskosten im AG Aachen, Urt. v. 15.11.2020 – 116 C 123/20 – bejaht. Hier die Leitsätze zu diesem Urteil:

  1. Kosten für die Desinfektion eines Fahrzeuges nach einer durchgeführter Reparatur sind in der Kaskoversicherung als erforderliche Maßnahmen zur Beseitigung des Schadens zu erstatten.
  2. Es handelt sich nicht nur um Allgemeinkosten, sondern auch einen Aufwand zum Schutz des Kunden.
  3. Ein Betrag i.H.v. 73 € liegt dabei im vertretbaren Rahmen der üblichen Vergütung.

Na bitte, geht doch: Poliscan Speed ist nicht standardisiert…

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Vor gut zwei Jahren hat im OWi-Recht die Frage, ob es sich bei Poliscan-Speed handelt um ein „standardisiertes Messverfahren“ handelt oder nicht, die Diskussion „belebt“. Die OLG, die sich damit beschäftigt haben – u.a. KG und OLG Düsseldorf – haben die Frage bejaht (vgl. u.a. hier und hier) – haben die Frage bejaht, ich hatte es anders gesehen, einige Sachverständige in Veröffentlichungen im VRR und DAR auch. Nun ja, habe ich dann gedacht, man muss sich auch mal strecken. Jedenfalls hatte ich nicht mehr ernsthaft damit gerechnet, dass die Diskussion in der Rechtsprechung noch mal wieder aufleben würde.

Das könnte allerdings jetzt doch der Fall sein. Denn das AG Aachen hat im AG Aachen, Urt. v. 10.12.2012 – 444 OWi-606 Js 31/12-93/12 – die Frage noch einmal aufgegriffen und kommt zu dem Ergebnis: Nicht standardisiert, daher nicht verwertbar = Freispruch für den Betroffenen. Begründung: Der Hersteller lässt die Funktionsweise des Gerätes im Dunklen, auch die PTB hilft nicht weiter und das Gerät bietet (technische) Angriffspunkte.

Liest sich alles sehr schön im AG Aachen-Urteil. Und, was erstaunt: Das Urteil ist – so jedenfalls der Eintrag auf NRW-E, wo das Urteil steht-  rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft hat es also hingenommen, so dass wir dazu nichts vom OLG Köln hören werden. Eigentlich ein bißchen schade.

Und bevor Kommentare kommen: Ja, ich weiß, dass ist kein Bild mit einem Poliscan-Speed-Messgerät.

Rosenmontag: Kamelle, Kamelle…

Für alle die, die gerade vom „Rosenmontagszuggucken“ zurück sind und überlegen, ob sie vielleicht wegen zu starkem „Kamellenbeschuss“ Schadensersatzklage erheben können/sollen/wollen, hier noch einmal der Hinweis auf das AG Köln, Urt. v. 07.01.2011 – 123 C 254/10. In diesem hat das AG einen Schadensersatzanspruch für eine Verletzung durch einen Schokoriegelwurf beim Rosenmontagszug verneint.

Ähnlich das AG Aachen, Urt. v. 10.11.2005, 13 C 250/05. Das AG Aachen geht davon aus, dass es allgemein bekannt sei, dass bei Karnevalsumzügen Gegenstände in die Zuschauermenge geworfen werden. Werde ein Zuschauer von einem solchen Gegenstand getroffen und dadurch verletzt, verwirkliche sich daher ein Risiko, in das der Zuschauer durch seine Teilnahme konkludent eingewilligt habe.

Immer wieder interessant: Akteneinsicht im Bußgeldverfahren

Ich hatte ja neulich bereits über die m.E. interessante Entscheidung des LG Ellwangen, Beschl. v. 14.12.2009, 1 Qs 166/09 berichtet. Dazu hatte es ja dann einige Kommentare gegeben. Einer der Kommentatoren hat angemerkt, dass es im Grunde nie Schwierigkeiten mit den Bedienungsanleitungen gebe und zudem der Verteidiger sie ja auch kaufen könne. Letzteres ist m.E. als Argument gegen die Herausgabe der Bedienungsanleitung falsch und nicht tragbar – der Betroffene muss sich den Inhalt der Akte und die Möglichkeit, die Messung zu überprüfen, nicht erkaufen.

Im Übrigen: So einfach scheint das dann mit den Bedienungsanleitungen und sonstigen Unterlagen dann doch nicht zu sein. Denn: Warum sonst gibt es so viele Entscheidungen zu der Problematik. Auf folgende will ich heute hinweisen:

  • AG Aachen, Beschl. v. 24.02.2011 – 449 OWi-505 Js 63/11-41/11, wonach der Verteidiger keinen Anspruch auf Übersendung einer Kopie der Bedienungsanleitung hat
  • AG Oberhausen, Beschl. v. 20.02.2011 – 26 OWi 845/10, wonach dem Verteidiger die Bedienungsanleitung für ein Messgerät zur Verfügung zu stellen ist, und
  • last but not least: AG Lippstadt, Beschl./Verf. v. 23.02.2011 – 7 OWi-38 Js 111/11-62/11, das die Akten an die Verwaltungsbehörde zurückgegeben hat (§ 69 Abs. 5 OWiG!!!). Die Begründung ist es m.E. wert, wörtlich zitiert zu werden:

    „…wird das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachtes gemäß § 69 OWiG an die Bußgeldstelle zurückverwiesen. Es fehlen sämtliche Beweismittel für ein standadisiertes Meßverfahren.

    Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass die Vorlage der Bedienungsanleitung für ein Messgerät nicht damit verweigert werden kann, dass jene urheberrechtlich geschützt sei. Alles, was als belastendes Beweismittel verwendet wird, ist sowohl dem Gericht als auch dem Rechtsanwalt des Betroffenen als Organ der Rechtspflege zur selbstständigen Prüfung und Verwertung zugänglich zu machen. Verweigert die Behörde dennoch den Nachweis des Beweismittels, ist nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ davon auszugehen, dass das Beweismittel, hier die Bedienungsanleitung, nicht vorhanden ist, also der Meßvorgang auch nicht nach den Vorschriften der spezifischen Bedienungsanleitung und damit nicht nach den Bedingungen eines erteilten Eichscheines durchgeführt worden ist.“